Protocol of the Session on August 26, 2020

Ein paar Sätze zur Arbeitsstättenverordnung. Es darf nicht passieren, dass durch eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aus der Verantwortung genommen werden. Am Ende des Tages ist immer der Arbeitgeber dafür verantwortlich, einen angemessenen Arbeitsplatz zu schaffen - egal, wo er ist. Der Arbeitsplatz muss angemessen sein, datenschutzkonform sein und gesundheitsschutzkonform sein. Wenn es aufgrund der Arbeit möglich ist, sie woanders anzugliedern, in einer Co-Working Space, meinetwegen auch in einem Café, zu Hause am Küchentisch oder am Schreibtisch, und wenn das für alle Beteiligten in Ordnung ist, ist alles fein. Deswegen bin ich auch nicht ganz von der Idee überzeugt, ein Recht auf Homeoffice oder auf mobiles Arbeiten einzuführen.

(Beifall Werner Kalinka [CDU] und Ole- Christopher Plambeck [CDU])

Die Arbeitsbereiche sind doch signifikant unterschiedlich. Bereits dort haben wir Probleme mit der Trennschärfe schon im steuerlichen Bereich. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Bei vielen Ar

beitsbereichen ist fraglich, ob man ein Recht auf mobiles Arbeiten durchsetzen kann. Viele Arbeitsbereiche sind nach meiner Auffassung dafür nicht geeignet.

(Beifall SSW und Ole-Christopher Plambeck [CDU])

Wir können darüber sehr gern weiter im Ausschuss diskutieren und gucken, welche Bereiche grenzüberschreitend gelten. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur die klassischen, in den USA beschriebenen White-Collar-Jobs von Leuten, die einen akademischen Hintergrund haben, regeln, sondern auch die Bereiche, die Schnittstellen haben. Klassisch wären das etwa Lehrkräfte und so weiter.

Wir müssen auch aufpassen, dass wir der Idee von: „Es zählen die Ergebnisse statt der Arbeitszeiten“, nicht auf den Leim gehen. Das wird gern in einer verklärten New-Work-Fantasie erzählt. Am Ende ist es oft wichtig, dass die Ergebnisse und nicht in erster Linie die Arbeitsstunden berücksichtigt werden. Aber auch das öffnet Tür und Tor zu Ausbeutung und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Das gilt vom Zeitungsausträger bis zum studierten Homeoffice-Mitarbeiter. Wenn man am Ende sagt: „Es ist mir egal, wie du das Ziel erreichst, Hauptsache, du hast es bis zum Ende der Woche erreicht“, besteht die Gefahr, dass die Ziele immer höher gesetzt werden und die Leute viel zu viel arbeiten. Das alles birgt Gefahren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch mit den Gesundheitsrisiken und den Gesundheitsstandards ist es nicht immer ganz einfach. Muss man immer den komplett ergonomisch ausgebauten Stuhl haben? Wie viel darf man als Mitarbeiter mitdiskutieren? All das sind komplizierte Fragen, über die ich mich im Ausschuss gern mit Ihnen austauschen möchte.

Bei der Steuer finde ich es auch wichtig, den Arbeitgeber nicht aus der Pflicht zu nehmen. Bisher ist es so: Der Arbeitgeber sorgt für den Arbeitsplatz und kann bestimmte Teile steuerlich geltend machen, und der Arbeitnehmer nutzt das, was ihm vorgelegt wird. Das Ganze zu verschieben und den Arbeitnehmer in die Position zu bringen, für den Arbeitsplatz zu sorgen und größere Teile von der Steuer abzusetzen - ich weiß nicht genau, ob das am Ende zum richtigen Ziel führt. Es darf zudem kein Anreiz dafür sein, Zusatzräume zu mieten.

Zurzeit haben wir folgende Situation: Ich habe ein Haus, die Kinder sind aus dem Haus, studieren ir

(Lasse Petersdotter)

gendwo oder machen eine Ausbildung. Deswegen habe ich einen Raum über, und da packe ich meinen Schreibtisch rein, habe dort auch keine Schlafcouch drinstehen und mache daraus ein Arbeitszimmer. Das ist sehr viel einfacher, als hätte ich eine Dreizimmerwohnung in der Stadt und keinen zusätzlichen Raum, würde aber primär genauso in einem Raum arbeiten. Da ist einiges nicht mehr zeitgemäß. Das darf nicht zu einem Anreiz zu Eigenheimen oder größeren Eigenheimen führen. Am Ende des Tages sollten wir nur den echten steuerlichen Aufwand erstattbar machen und nicht danach schauen, ob es für alle ausgeglichen ist.

Ich halte den umfangreichen Antrag der SPD für interessant und möchte gern darüber diskutieren. Deswegen schließe ich mich den Überweisungsvorschlägen des Kollegen Plambeck sehr gern an.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Kay Richert das Wort.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! In der Coronakrise haben wir uns an vielen Stellen aus dem Gewohnten herausbewegt. Das gilt auch für die Arbeit. Für eine erklecklich lange Zeit war es uns überhaupt nicht möglich, zur Arbeit zu gehen. Also haben wir den Laptop eingepackt und die Akten mit nach Hause genommen oder gleich den eigenen Rechner genutzt und von zu Hause aus gearbeitet. Anstatt zum Meeting zu fahren - viele von uns verbringen sehr viel Zeit auf der Straße -, haben wir entdeckt, dass man das virtuell machen kann, sich virtuell zur Videokonferenz treffen kann. Das ist ein Schub für die Modernisierung der Arbeit, der Digitalisierung der Arbeit. Das kann man nicht abstreiten.

Viele der Dinge, die wir gemacht haben, entsprechen allerdings nicht dem, wie wir sie bislang gemacht haben, und auch nicht immer den geltenden Vorschriften. Das gibt uns die Möglichkeit zu überprüfen, wie sinnvoll diese Vorschriften waren, sind und ob sie noch der Lebenswirklichkeit entsprechen. Das ist eine gute Möglichkeit, Entbürokratisierung voranzutreiben.

Vorschriften, die wir jetzt entbürokratisieren können, sind aber kein Selbstzweck. Niemand würde abstreiten, dass zum Beispiel Schutzausrüstungen oder geregelte Arbeitszeiten sinnvoll sind. Auch im

Bereich der Steuer geht es darum, das Verhältnis Staat zu Steuerzahlern möglichst gerecht zu regeln. Wie komplex die Zusammenhänge sind - die Komplexität einer sachgerechten Abgrenzung beruflich/ privat -, ist uns hier schon eindrücklich vom Kollegen Plambeck vor Augen geführt worden. Die Wechselwirkung zwischen Schutz und Freiheit und zwischen Nutzen und Hemmnis sind über Jahre hinweg austariert.

Viele der Provisorien, die wir erlebt haben, haben schlicht auch einfach funktioniert. In der Coronakrise hat sich - insbesondere im Bereich der Arbeit - vieles etabliert, was auch zukünftig zu unserem Verständnis modernen Arbeitens dazugehören wird. Unser Auftrag muss es also sein, die Vorschriften an die Lebenswirklichkeit der Menschen anzupassen, ohne dabei die Schutzwirkung aufzuheben.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist beileibe nicht trivial. Beispiel Heimarbeit: Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen gern modern zu Hause arbeiten. Trotzdem bleibt der Arbeitgeber für eine arbeitsschutzgerechte Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte, des Arbeitsplatzes, zuständig. Da fangen - das sage ich aus eigener Erfahrung - die Probleme schon beim Design des Interieurs an.

Zum Glück wird an all diesen Problemen bereits gearbeitet. Schleswig-Holstein ist durch das Sozialministerium im Ausschuss für Arbeitsmedizin vertreten. Das ist ein Ausschuss, der als Beratungsgremium für das Bundesarbeitsministerium fungiert. Der beschäftigt sich in einem seiner Arbeitskreise mit modernen Arbeitsformen. Außerdem soll dort eine arbeitsmedizinische Regelung für Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsgeräten aufgestellt werden. So hätten dann alle Menschen eine verlässliche Anleitung, wie sie auch von zu Hause aus arbeitssicher arbeiten können.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Oft wird gesagt, dass zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten familienförderlich sei. In Bezug auf den Familienfrieden kann man da auch andere Erfahrungen machen. Aber sicher ist richtig, dass Flexibilität viel Druck aus der Kinderbetreuung nehmen kann. Deshalb setzen wir uns von der FDP schon seit Jahren dafür ein. Wir kämpfen schon seit Jahren für diese Familien und Menschen. In Coronazeiten haben Betriebe und Arbeitnehmer es einfach umgesetzt; da kann man sehen, was alles möglich ist.

(Lasse Petersdotter)

(Zuruf SPD)

Aber auch hier ist es wichtig, das Ganze zu sehen. Mit der Möglichkeit von always on, also der durchgängigen Erreichbarkeit, muss natürlich auch verantwortungsvoll umgegangen werden. Einigen Arbeitnehmern fällt es nämlich auf der einen Seite schwer, abzuschalten und nicht dauerhaft erreichbar zu sein. Diese Menschen müssen vor Überforderung und Selbstausbeutung geschützt werden. Auf der anderen Seite muss auch ganz klar sein: Das gilt für Arbeitgeber genauso. Die theoretisch mögliche dauerhafte Erreichbarkeit bedeutet keinesfalls, dass die Arbeitnehmer durchgängig erreichbar sein müssen. Im Gegenteil, diese Erwartungshaltung darf gar nicht erst entstehen.

Die Konferenz der Arbeits- und Sozialminister hat daher schon 2016 Beschlüsse dazu gefasst, die nun auch vollständig von der Bundesregierung umgesetzt werden müssen.

(Beifall FDP)

Auch hier gibt es also schon Initiativen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: In der Coronazeit haben wir viele Dinge einfach mal gemacht, an die wir uns aus verschiedenen Gründen früher nicht herangetraut haben. Einiges davon hat sich als gut erwiesen. Wir müssen jetzt die neuen Möglichkeiten in unser neues Bild von Arbeit einfügen.

Was lernen wir daraus? - Mit dem richtigen Mindset ist weniges so schlecht, dass es nicht auch gute Seiten haben kann. Ängstlich auf die eigenen Fußspitzen zu schauen, bringt uns nicht weiter. Wir wollen stattdessen mutig nach vorn sehen und die vor uns liegenden Chancen erkennen und nutzen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für einen Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal aufgrund der Beiträge der Kollegen Petersdotter und Plambeck zu Wort gemeldet. Herr Petersdotter hat gesagt, es dürfe nicht passieren, dass wir die Leute dazu zwingen, dass sie entweder umziehen oder irgendwie ihr Einfamilienhaus ausbauen, damit sie ein eigenes Arbeitszimmer haben und die steuerliche Erstattung bekommen.

Das ist jetzt der Fall. Die Regelung besagt, man muss ein eigenes Zimmer haben. Wir sagen: Nein, so soll es nicht sein. Jeder, der Homeoffice macht, egal wie er sich einrichtet, soll die Möglichkeit bekommen, dies bei der Steuer geltend zu machen. Insofern sind wir sehr, sehr nah beieinander. Mir ist es wichtig, das hier noch einmal festzustellen.

Der Kollege Plambeck hat gesagt, es sei alles ein bisschen kompliziert, und wenn man alles spitz abrechne, werde das superkompliziert. Gut, wir schlagen hier die reine Lehre vor. Aber wir wären natürlich auch bereit zu gucken, ob man nicht eine Pauschale einführen kann. Das wäre richtig klasse.

Unser Ansinnen ist hauptsächlich: Wir möchten, dass die Leute, die jetzt gearbeitet haben, die das alles gemacht und auch auf sich genommen haben, jetzt eine kleine Hilfestellung bekommen - wenn man so will: ähnlich wie bei den Pflegekräften. Auch die Leute, die im Homeoffice gearbeitet haben, sind Menschen - ich will nicht sagen: Helden -, die sich toll und flexibel verhalten haben. Denen wollen wir deshalb auch etwas zukommen lassen. Das ist unser Ansinnen.

Wenn wir das für dieses Jahr wollen, dass müssen wir die Gesetzgebung bis zum Jahresende fertig haben, denn ab Januar gehen die ersten Steuererklärungen ein.

Deshalb mein Wunsch und meine Bitte, dass wir unseren Antrag in den Ausschuss überweisen, uns möglichst schnell hinsetzen und schauen, ob wir den so abwandeln können, dass wir eine Pauschale fordern, damit die Landesregierung ein Mandat hat, um daraus eine Bundesratsinitiative zu machen. Wir als Schleswig-Holsteiner sollten in dieser Frage vorangehen. Das wäre zumindest mein Angebot an die Jamaika-Koalition, aber natürlich auch an die SPD, daraus eine gemeinsame Sache zu machen. Vielen Dank.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Oliver Kumbartzky [FDP])

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Professor Heiner Dunckel.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin über einen Satz von Lasse Petersdotter gestolpert, den ich anders interpretiere oder vielleicht noch geraderücken kann.

(Kay Richert)

Wir sind uns sicherlich einig, dass es erforderlich ist, dass wir in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz klare Regelungen brauchen, damit wir - wie Sie gesagt haben - den Arbeitgebern nicht auf den Leim gehen. Das ist wohl unstrittig. Sie haben aber auch gesagt - wenn ich das richtig mitgeschrieben oder verstanden habe -, dass natürlich auch die Arbeit an einem Küchentisch möglich sein soll, wenn das alle okay finden können. Das glaube ich nicht. Wenn wir uns die einschlägigen Arbeitsschutzgesetze angucken, kann ich jetzt schon sagen, dass das Arbeiten am Küchentisch wahrscheinlich nicht möglich sein dürfte.

Das ist aber nicht mein Hauptpunkt, sondern mein größter Punkt ist der, dass wir Regelungen brauchen, die nicht davon abhängig sind, ob und wer das okay findet. Ich glaube, wir brauchen klare Regelungen zum Arbeiten zu Hause und nicht einfach nur Regelungen, der der eine oder andere zustimmt oder auch nicht.

(Beifall Beate Raudies [SPD])

Das war der Punkt, den ich noch einmal betonen wollte. - Danke schön.

(Vereinzelter Beifall SPD)