Protocol of the Session on August 26, 2020

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir tragen dabei besondere Verantwortung. Jede Freistellung vom Präsenzunterricht geht auf Kosten der Unterrichtsversorgung. Das trifft die Kinder und Jugendlichen, deren Eltern, aber auch das im Prä

(Präsident Klaus Schlie)

senzunterricht verbleibende Kollegium, das die Lücken schließen muss. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass die Solidarität unserer Schulgemeinschaft für jeden erkennbar ist in unserem Land sehr groß.

Ich weiß: Die Pandemie zehrt an uns allen: Überstunden und Erschöpfung bei den einen, Sorgen um die eigene Existenz bei den anderen. Als Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur spüre ich sehr die unterschiedlichen Auswirkungen der Pandemie sowie die persönliche Betroffenheit.

Wir alle haben mit der Situation zu kämpfen. Deshalb ist diese Regierungserklärung auch ein Signal an die Opposition: Ich strecke Ihnen meine Hand aus mit dem Wunsch, die Dinge gemeinsam und sachorientiert anzugehen. Die Menschen in unserem Land brauchen Sicherheit, Vertrauen, Verlässlichkeit und Pragmatismus.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Der Rückblick auf die letzten Monate sowie auch und gerade auf den Start des neuen Schuljahres zeigt, dass unsere Bemühungen Früchte tragen und unsere Strategie wirkt. Von den 951 Schulstandorten in unserem Land sind seit Schulbeginn auf den Inseln und Halligen vor dreieinhalb Wochen lediglich an etwa 30 Schulstandorten einzelne Kohorten, also Lerngruppen, vorsorglich und größtenteils nur sehr kurzfristig in den Distanzunterricht gegangen. Jeden Tag war an mehr als 98 % der Schulstandorte ein geregelter Präsenzunterricht ohne Einschränkungen für Schülerinnen und Schüler möglich.

Wir hatten seit Beginn des Schuljahres bis gestern rund 37 bestätigte Coronafälle an Schulen. Keine unserer Schulen ist durch den Schulstart zu einem Hotspot im Land geworden.

Auch in den drei Wochen Regelbetrieb im Juni, in denen wir Erfahrungen sammeln konnten, hat sich an unseren Schulen kein Infektionsgeschehen entwickelt. Die bisherigen Teilergebnisse der Prävalenzerhebung an ausgewählten Schulen bestätigen diese Erkenntnis genauso wie die ELISA-Studie in Lübeck, bei der bisher keine akute Covid-19-Infektion nachgewiesen wurde.

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen wachsam bleiben, tagtäglich aufs Neue. Solange wir mit dem Virus leben, werden immer wieder Verdachtsfälle auftreten, und es wird vorsorgliche Maßnahmen an Schulen geben müssen. Das ist Teil unseres Pandemiealltags. Daran müssen wir uns gewöhnen,

und das darf uns eben auch nicht aus der Ruhe bringen.

Wir haben mit dem Rahmenkonzept, dem Hygienekonzept und unserem Corona-Reaktionsplan frühzeitig die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass unsere Schulen gut auf diesen Pandemiealltag vorbereitet sind. Schon im März 2020 gab es die Hoffnung, das Ziel vieler Expertinnen und Experten, die Pandemie mit der sogenannten Hammer- und Dämpfmethode in Schach zu halten. Mit drastischen Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen wurde das Virus eingedämmt und die Fallzahlen sanken. Nach dieser epidemiologisch notwendigen Holzhammermethode begann die Tanzphase, in der wir punktuell und flexibel auf regionale Ausbrüche reagieren.

Und ja, wir tanzen eben auch an den Schulen. Damit ein Tanz, meine Damen und Herren, das wissen Sie, harmonisch erscheint - das lernt jeder Tanzschüler -, müssen beide Tanzpartner die Haltung, die Balance, den Rhythmus und die Schrittfolge einhalten.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Haltung, das bedeutet für uns: Jeder Einzelne, jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger, trägt in dieser Krise Verantwortung. Wer krank ist, bleibt zu Hause; wer auf ein Testergebnis wartet, bleibt auch zu Hause.

Das von uns geforderte Mehr an Kinderkrankentagen hat der Koalitionsausschuss in Berlin heute Nacht beschlossen; das ist notwendig und richtig.

(Vereinzelter Beifall CDU - Zuruf SPD)

Dort, wo wir den Abstand nicht einhalten können und nicht in unserer Kohorte sind, tragen wir Maske. Das entspricht seit Aufnahme des Regelbetriebs an den Grundschulen im Juni 2020 der gelebten Praxis an unseren Schulen und ist seit Anfang der Woche in allen Schulen auf den Laufwegen, in Gemeinschaftsräumen, in der Pause und auf dem Schulhof Pflicht im ganzen Land. Von der Maskenpflicht ausgenommen sind der Unterricht im Klassenraum sowie der Außenbereich auf dem Schulhof, sofern nicht besondere Regelungen gelten und die Schülerinnen und Schüler in ihrer Lerngruppe verbleiben.

Wir schaffen damit, meine Damen und Herren, Rechtssicherheit und stärken die Schulen in ihrer Haltung und der geübten Praxis. Wir gehen einen Weg, den jetzt sukzessive die meisten Bundesländer einschlagen und den die KMK übrigens in der ver

(Ministerin Karin Prien)

gangenen Woche in ihr Hygienekonzept aufgenommen hat.

Die Balance halten wir, indem wir jede coronabedingte Maßnahme an unseren Schulen mit Bedacht wählen: so wenig Schülerinnen und Schüler in den Distanzunterricht schicken wie möglich, keine voreiligen Schulschließungen auf der einen, aber eben auch Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für kleine Anzeichen auf der anderen Seite. Die Balance halten, das ist herausfordernder, als einfach auf die eine oder auf die andere Seite zu kippen.

Wenn man sich um die Balance bemüht, wirkt es nach außen manchmal, als würde man wanken. Aber das Gegenteil ist doch der Fall. Nur mit der richtigen Balance oder - wie der Ministerpräsident sagt - mit Maß und Mitte können wir diesen Tanz harmonisch gestalten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Den Rhythmus mag das Virus bestimmen, aber die Schrittfolge, die bestimmen wir.

Unsere Choreografie für diesen Tanz ist der Corona-Reaktionsplan. Er sieht unabhängig vom Infektionsgeschehen in den Landkreisen eine stufenweise Verschärfung der Hygieneschutzmaßnahmen an Schulen vor, wenn dies erforderlich werden sollte. Mit diesen Maßnahmen können wir aktuell sicherstellen, dass der Präsenzunterricht in Schleswig-Holstein weitestgehend reibungslos verläuft.

Dennoch, ja, wir bereiten uns natürlich weiter vor: auf hybride Unterrichtsmodelle oder auf den digitalen Distanzunterricht. Wir haben einen Masterplan Digitalisierung entwickelt und eigens dafür einen Arbeitsstab „Digitalisierung an Schule“ im Ministerium eingerichtet, der Tag und Nacht daran arbeitet, die Dinge so schnell es irgend geht voranzubringen.

Mit Hochdruck haben wir daran gearbeitet, die Voraussetzungen für guten digitalen Unterricht zu schaffen und die einzelnen Komponenten deutlich schneller auf den Weg zu bringen.

Ich möchte nur auf ein paar wenige Schwerpunkte eingehen:

Glasfaseranbindung an Schulen. - Ja, bis Ende des Jahres sollen 775 von insgesamt 951 Schulstandorten primär über Glasfaser angebunden sein. Die weiteren Schulstandorte sollen folgen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage ganz ehrlich: Auch mir geht manches nicht schnell genug. Vor zwei Wochen - und das ist tatsächlich sensationell - haben wir deshalb auf einem informellen Bildungsgipfel mit der Bundeskanzlerin darüber gesprochen, wie wir alle Schulen zügiger ans schnelle Internet bekommen. Und wir haben vereinbart, dass Lehrkräfte bundesweit mit Dienstlaptops ausgestattet werden und Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit eines kostengünstigen Internetanschlusses bekommen sollen. Was mir persönlich besonders wichtig ist: Auf unseren Vorschlag hin sollen überall digitale Bildungszentren für Lehrkräfte eingerichtet werden.

An dieser Stelle geht mein Dank an die Bundeskanzlerin, aber genauso auch an Frau Esken,

(Beifall SPD)

die beide diesen Prozess mit großem Engagement moderiert und es geschafft haben, genau dieses innerhalb von zwei Wochen durch Beschlüsse des Koalitionsausschusses heute Nacht zu unterlegen. Das ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SPD)

Und ja, Digitalpakt-Sofortausstattungsprogramm. Wir haben - und das ist richtig und notwendig - zusätzlich zum DigitalPakt Schule mit dem Bund die Zusatzvereinbarung zum Sofortausstattungsprogramm abgeschlossen, und wir haben dieses Programm in Rekordzeit umgesetzt. Es war ein richtiger Schritt, die Mittelvergabe durch ein schlankes Antragsverfahren zu beschleunigen.

Aber ich will an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen: Jeder, der vor Ort Verantwortung trägt, muss die Mittel jetzt auch unverzüglich abrufen. Priorität für Bildung muss jetzt auf allen Ebenen staatlichen Handelns gelten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einführung eines landesweiten Lernmanagementsystems. Meine Damen und Herren, Lernen auf Distanz kann nur funktionieren, wenn Schülerinnen und Schüler Ansprache und Rückmeldung auf das bekommen, was sie leisten. Dafür brauchen wir dieses einheitliche Lernmanagementsystem für das ganze Land. Und wir haben es jetzt. Lehrkräfte können über dieses System mit ihren Klassen und einzelnen Schülerinnen und Schülern kommunizieren und eine Rückmeldung geben. Schülerinnen und Schüler können

(Ministerin Karin Prien)

gemeinsam an Aufgaben arbeiten. Auch Unterricht per Video ist jetzt möglich.

Natürlich, ich weiß das, kennt jeder einen Fall, in dem das Ganze noch nicht so gut funktioniert, wie ich mir das wünsche, ja. Aber, meine Damen und Herren, wir befinden uns in einem Transformationsprozess, wie ihn wahrscheinlich das deutsche Schulsystem in den letzten Jahrzehnten noch nicht ein einziges Mal erlebt hat. Wir müssen das alles in einem Zeitraffer bewältigen. Wir tun das.

Meine Damen und Herren, wir sind ein lernendes System, und als solches tun wir gut daran, uns nach dem Dreiklang der Wissenschaft zu richten, der uns bisher so erfolgreich durch diese langwierige und komplizierte Pandemie geführt hat. Kritik, ja, Revision und dann eben auch Neuformulierung, wenn es notwendig ist. Wissenschaft beruht auf der menschlichen Fähigkeit des Zweifels. Das Hinterfragen der eigenen Position, die Kurskorrektur, all das sind wichtige Schritte und eben keine Schwäche, sondern ein Fortschritt auf dem Weg zur Erkenntnis.

Ich weiß, dass dieses Prinzip auf den ersten Blick nicht in Einklang zu bringen ist mit dem politischen Alltagsgeschäft, wie wir es vielleicht gewohnt sind. Aber diese Krise ist eben auch eine Reifeprüfung, auch für uns Politikerinnen und Politiker, wie es die „Süddeutsche“ am Wochenende formuliert hat.

Bildung hat Priorität. Sie gehört zu den wichtigsten Lebensbereichen, die wir jetzt gemeinsam zugleich schützen und offenhalten müssen. Es ist unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Kinder und Jugendliche stark zu machen, damit sie Leben und Lernen in der Pandemie bewältigen können. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gemeinsam mit den Eltern, den Schulleitungen, unseren Lehrerinnen und Lehrern sowie allen anderen an den Schulen Tätigen gelingt.

Ich wage sogar, noch einen Schritt weiter zu gehen. Ich glaube, dass wir es durch diese Krise schaffen können, unsere Kinder und Jugendlichen insgesamt resilienter und fähiger zu machen, auch in Zukunft mit Unsicherheiten umzugehen. Wir müssen dabei Haltung und Balance bewahren und unsere Schrittfolge einhalten. Dann schaffen wir es als Gesellschaft, sowohl die Tanzprüfung als auch die Reifeprüfung zu bestehen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, der Abgeordnete Tobias Koch.

- Da es eine gewisse Irritation zu geben scheint: Herr Abgeordneter Habersaat, wenn Sie jetzt Oppositionsführer und Frau Ministerin Prien Ministerpräsidentin wären, hätten Sie aufgrund unserer Geschäftsordnung nach einer Regierungserklärung das Wort ergreifen können. Das ist aber nicht so, und unsere Geschäftsordnung sieht vor, dass nach einer Regierungserklärung einer Ministerin nach Fraktionsstärke geredet wird. Das nur noch einmal zur Erklärung.