Protocol of the Session on September 22, 2017

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Martin Schulz!)

Uns ist selbstverständlich klar, dass ein solcher Beschluss des Landtages nicht bedeutet, dass das Kooperationsverbot nächste Woche fällt. Es gibt zwischen den Ländern unterschiedliche Interessen, die sich nicht immer an der politischen Farbe festmachen lassen.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Gibt es da eigent- lich eine Zurufzahl für?)

- Nein, Herr Kollege Dolgner. Ich gehe davon aus, dass Kollege Kubicki weiß, dass er hier keine Rede mehr angemeldet hat. Er möchte aber irgendwie in seiner letzten Zeit hier noch stattfinden. Das ist der Grund für diese stetigen Zwischenrufe.

Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung mit mehr Autorität auf Bundesebene auftreten kann und muss, wenn sie auch in der neuen Legislaturperiode ein entsprechendes Votum des Landtags hinter sich weiß.

Wenn Sie es weiterhin schaffen, dass die zusätzlich geplanten Rüstungsinvestitionen in Höhe von 30 Milliarden € stattdessen in Investitionen für Schulbauten fließen könnten, hieße das für Schleswig-Holstein ein Schulbauprogramm in einer Höhe von mehr als 1 Milliarde € durch Mittel des Bundes. Das wäre ein richtig schönes Ergebnis für die Bildung. Insofern bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Kollege Tim Brockmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Anfang Ihrer Rede, Herr Vogel, hatte

(Kai Vogel)

ich noch das Gefühl, dass wir auf einer guten Ebene sind. Am Ende wurde es doch Wahlkampf, so wie wir es schon die ganze Plenartagung lang erlebt haben.

Es ist sicherlich ein wohlklingender Antrag: „Bildung muss gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen sein.“ - Wer will dagegen schon irgendetwas sagen? - Schaut man jedoch ins Detail, so fällt einem schnell auf, dass wesentliche Teile aus der „Nationalen Bildungsallianz“ stammen, die Ihr Kandidat mit den verbliebenen SPDMinisterpräsidenten Ende August vorgestellt hat. Schon damals löste dieser Plan nicht das gewünschte Feuerwerk aus, das die SPD sich in der Schlussphase des Wahlkampfes erhofft hatte.

Um vielleicht doch noch einen Knallfrosch zünden zu können, haben Sie Ihren Antrag vorgelegt. Auch hier findet sich nichts Neues, sondern nur die bekannten Wahlversprechen, die wir in den vergangenen Jahren viel gehört haben. Sie blenden dabei völlig aus, dass die SPD fast ein Vierteljahrhundert lang hier im Bundesland für die Bildungspolitik Verantwortung getragen hat. Der von Ihnen kritisierte Umstand, dass es immer noch einen nicht hinnehmbaren Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft der Schülerinnen und Schüler und ihren Bildungschancen gebe, hätte längst beseitigt sein können.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Der Mangel an Lehrkräften und der unzureichende bauliche Zustand vieler Schulgebäude ist nicht erst seit Mai dieses Jahres bekannt, sondern das ernüchternde Ergebnis sozialdemokratischer Bildungs-, Finanz- und Kommunalpolitik der vergangenen Jahrzehnte.

(Beifall Tobias Loose [CDU])

Nun soll es also der Bund richten, indem das Kooperationsverbot aufgehoben wird. Keine Frage: Auch wir halten eine Debatte über die Aufhebung grundsätzlich für richtig. Wir stehen zu den Beschlüssen des Landtages, aber ich glaube nicht, dass die Aufhebung des Kooperationsverbotes ein Allheilmittel ist, um zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu kommen.

Worüber klagen denn die Menschen in unserem Land, wenn sie über Föderalismus reden? - Sie klagen doch nicht darüber, dass irgendwelche Finanzströme zwischen Bund und Ländern unübersichtlich sind, sondern sie klagen über mangelnde Vergleich

barkeit von Lehrplänen, Noten und Abschlüssen. Das ist das zentrale Problem.

(Beifall CDU und Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb haben wir uns in unserem Antrag auch nicht auf die Aufhebung und das Verteilen der Gelder beschränkt, sondern wir wollen eine bundesweite Diskussion über vergleichbare Qualität von Bildung anstoßen.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kubicki?

Ich wollte Sie nur fragen, ob Ihnen die Studie der KfW bekannt ist, der zufolge deutschlandweit 34 Milliarden € aufgewendet werden müssten, um die Schulen insgesamt auf den Stand des aktuellen Baurechts zu bringen? Für mich ist es sehr schwer vorstellbar, dass dies ein Land allein stemmen kann. Deshalb fragt sich, ob die Beteiligung des Bundes an solchen Maßnahmen nicht vielleicht sinnvoll sein könnte.

- Deshalb wollen wir ja auch eine Debatte darüber anstoßen, wie man das machen kann.

Wir dürfen dabei aber nicht in unnötigen Zentralismus verfallen. Anstatt nach französischer Denke auf ein Bundesschulministerium zu setzen, das die zentrale Bildungsplanung übernimmt, sollten wir uns für mehr Vergleichbarkeit und mehr gemeinsame Bildungsstandards einsetzen.

(Unruhe)

Das muss der Rahmen sein, innerhalb dessen wir uns zwischen den Bundesländern auf einen sich gegenseitig befruchtenden Wettbewerb einlassen sollten. Gerade weil Schule und Bildung zentrale Themen für die Zukunft unseres Landes sind, macht der Wettbewerb um die besten Bildungsideen durchaus Sinn.

Wir sollten als Länder wieder den Mut entwickeln, unsere verfassungsrechtliche Gestaltungskraft im Bildungsbereich selbst unter Beweis zu stellen. Herr Kubicki, lassen Sie uns deshalb mit dem Bund in Ruhe über die Aufhebung des Kooperationsverbotes sprechen. Dafür ist sicherlich nach der Bundestagswahl Zeit.

(Tim Brockmann)

Es muss aber klar sein: Wenn der Bund mehr Geld geben soll, wird er auch mitreden wollen. In welchen Umfang das geschehen kann, muss geklärt werden. Für eine solche Debatte ist es besser, den Fokus auf gemeinsame Standards und auf Qualität zu legen, als jetzt die Versäumnisse der Vergangenheit mit Bundesgeld zu heilen. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun der Abgeordneten Ines Strehlau das Wort.

(Zurufe)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der Föderalismusreform 2006 haben die Länder quasi das Monopol in der Bildungspolitik. Bund und Länder können nur noch

„aufgrund von Vereinbarungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken.“

So steht es seit 2006 in Artikel 91 b des Grundgesetzes. Das hört sich kompliziert an und ist wohl eher ein Kooperationsverhinderungssatz. Der Bund darf also die PISA-Studie finanzieren, aber nicht die Länder bei Bildungsausgaben unterstützen. Bildung ist keine gesamtstaatliche Aufgabe mehr, sondern nur noch Ländersache.

Die Länder haben sich mit ihrer Zustimmung zu dieser Grundgesetzänderung verrechnet. Für Bildung allein zuständig zu sein, suggeriert Unabhängigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn aber die klamme Landeskasse es nicht zulässt, ausreichend Lehrkräfte auszubilden und einzustellen, wird nur der Mangel verwaltet und keine gute Bildung gestaltet. Die Änderung des Grundgesetzes war also ein Fehler. Das sehen inzwischen viele Länder so.

2014 wurde deshalb das Kooperationsverbot von der Bundesregierung immerhin für den Hochschulbereich gelockert. Hier können Bund und Länder jetzt zumindest in Fällen von überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken. Schon damals haben wir Grüne uns auch auf Bundesebene dafür

eingesetzt, das Kooperationsverbot für den gesamten Bildungsbereich aufzuheben.

Deswegen freuen wir uns, liebe SPD, über Ihren Antrag. Wir brauchen einen neuen Anlauf, das Kooperationsverbot auch für den Schulbereich zu lockern. Auch im Jamaika-Koalitionsvertrag steht diese Forderung. Die Landesregierung arbeitet im Bundesrat schon an diesem Thema.

Wir brauchen Programme wie das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“, mit dem der Bund von 2003 bis 2009 mit 4 Milliarden € den bedarfsgerechten Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen unterstützt hat. Bau oder Renovierung von Mensen, Räumen und Sporthallen für die Ganztagsbetreuung haben dadurch einen enormen Schub bekommen. Ohne diese Programme wäre der Ausbau von Ganztagsschulen deutlich langsamer vorangekommen. Die Kommunen bekamen eine 90-%-Förderung für ihre Projekte. Das war ein echter Anreiz für die Schulträger. Nach Schleswig-Holstein flossen damals 135 Millionen € an 244 Schulen. Das war kein Pappenstiel.

Wir brauchen aber auch die strukturelle Unterstützung des Bundes. Bauen ist das eine. Um die Bauten aber mit guter Bildung zu füllen, braucht es Lehrkräfte, Sozialpädagoginnen und Sozialpadagogen, Ganztagskräfte und einiges mehr.

Schulbau und -sanierung, Ganztag, Inklusion, Digitalisierung sind einige Themen, bei denen wir alle immer wieder darauf hinweisen, dass wir die Unterstützung des Bundes brauchen. Gleichwertige Lebensverhältnisse mit gleichwertigen Bildungschancen gibt es nur mit ausreichender finanzieller Ausstattung in allen Bundesländern.

Wir als Konsolidierungsland haben uns im Bildungsbereich mächtig ins Zeug gelegt. Aber wir liegen bei den Bildungsausgaben immer noch ziemlich weit hinten. Bundesmittel würden uns da einen großen Schub geben.

Nun konkret zu den Anträgen. Den SPD-Antrag müssen wir leider ablehnen. Die Abschaffung der Kita-Gebühren ist auch für unsere Koalition ein langfristiges Ziel. Wir setzen den Schwerpunkt auf einen Dreiklang aus Qualitätsverbesserung, Entlastung von Eltern und Entlastung der Kommunen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Unser Koalitionsantrag fordert die Landesregierung auf, sich im Bundesrat für die Aufhebung des Kooperationsverbots einzusetzen. Dazu hat sie bereits

(Tim Brockmann)

heute gerade im Bundesrat die Initiative einiger Länder unterstützt.

Wir gehen mit unserem Antrag aber noch weiter. Wir wollen den Bildungsföderalismus insgesamt auf neue Füße stellen. Wir haben am Thema G 9 gesehen, dass Schulstrukturdebatten viel Unruhe bringen und Kräfte binden, die sinnvoller für die inhaltliche Arbeit eingesetzt werden können. Schule muss sich verändern, weil sich die Gesellschaft verändert und damit die Anforderungen an eine gute Bildung. Aber müssen sich Schulstrukturen so häufig ändern?