Protocol of the Session on September 22, 2017

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon erstaunt, und da kann ich dem Kollegen Andresen nur zustimmen, dass der Kollege Dolgner kritisiert, dass wir uns mit einem Thema beschäftigen, das bundesweit von Bedeutung ist und bei dem es auf die Haltung des Parlaments in Schleswig-Holstein ankommt.

Warum wollen wir heute die Erklärung abgeben, dass wir, unabhängig von der Frage, ob dieser überhaupt zugeleitet werden wird, dem Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht zustimmen? - Damit die anderen Bundesländer merken, dass wir eine einheitliche Regulierung brauchen und sich jetzt gemeinsam mit uns auf den Weg machen, das Glücksspielrecht in Deutschland insgesamt neu zu ordnen. Machen wir das nicht, dann bleiben die Gerüchte im Raum stehen: Schleswig-Holstein wird schon einknicken, wir machen das jetzt erst einmal, und dann machen wir das andere später.

Wir wollen diese Illusion bei den anderen zerstören, und ich hoffe, dass die Staatskanzleien der anderen Länder genau zuhören, dass dieses Parlament jedenfalls in diesem Jahr den Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht als Gesetzgebungswerk umsetzen wird. Damit muss man sich auf den Weg machen, etwas Neues zu organisieren.

Warum? - Der Zweite Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist genauso rechtswidrig wie der bestehende Glücksspielstaatsvertrag, und zwar deshalb, weil er genau den zentralen Bereich, auf den es ankommt, nämlich das Online-Spiel, weder für Sportwetten noch für Poker noch für Kasinospiele regelt und reguliert. Die Kohärenz besteht darin, dass der Glücksspielmarkt entweder insgesamt reguliert wird oder dass Teilbereiche wie dieser ausgenommen werden. Das führt tatsächlich dazu, dass die Europarechtsfähigkeit nicht gegeben ist. Wie wollen Sie denn sicherstellen, dass Sie über einen An

bieter in Dänemark spielen können und in Schleswig-Holstein, in Deutschland, nicht?

Wir wollen endlich den staatlichen Rahmen schaffen, indem wir auch bei privaten Anbietern dafür Sorge tragen können, dass der Suchtprävention Genüge getan wird. Wir stehen mit dem derzeitigen Totalverbot der Online-Spiele vor der absurden Situation, dass wir dadurch nicht mehr für die Suchtprävention tun, sondern ihr sogar noch entgegenwirken. Es hat sich ein riesiger nicht kontrollierter Markt gebildet. Wir reden hier von einem Milliardengeschäft, auf das keiner von uns irgendeinen Einfluss hat, egal wie man sich auch rhetorisch für die Suchtprävention einsetzen mag. Einfluss gewinnen wir erst wieder, wenn wir den illegalen und nicht regulierten Markt zurückdrängen, und das geht nur durch attraktive legale Angebote in einem regulierten Markt. Dafür sind wir doch zuständig.

Vier Fünftel des Marktvolumens im nicht regulierten Glücksspiel entfallen auf das Online-Spiel, und 50 % der Bruttospielerträge im nicht regulierten Glücksspielmarkt werden durch Online-Spiele erzielt. Das ist die Größenordnung an Glückspiel, das sich staatlicher Regulierung in Deutschland bisher entzieht, und hier müssen wir dringend etwas tun, und zwar mit den anderen Ländern gemeinsam. Von heute geht das Signal aus: mit den anderen Ländern gemeinsam. Aber wir beteiligen uns nicht mehr an rechts- und europarechtswidrigen Maßnahmen der anderen Länder, nur um das Lotteriemonopol zu retten, das wir ja auf andere Weise stärken können.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Lars Harms [SSW])

Dass ausgerechnet Sozialdemokraten sich dagegen wehren, zeigt mir, dass sie in der neuen Welt noch nicht angekommen sind. Herr Stegner, die Digitalisierung ist vielleicht noch ein Schlagwort für Sie, aber Sie müssen sich einmal anschauen, was im Internet passiert. Dann kann Ihnen sicher nicht mehr entgangen sein, dass wir dort Regulierungen schaffen müssen, die wir durchsetzen können und die nicht nur rhetorischer Natur sind, indem wir sie hier reklamieren.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Damit habe ich nichts zu schaffen!)

- Ich weiß, dass Sie damit nichts zu schaffen haben. Das ist auch gut so, dass Sie damit nichts mehr zu schaffen haben. Das ist ja der Sinn der letzten Wahl gewesen, dass Sie damit nichts mehr zu schaffen haben,

(Rasmus Andresen)

(Beifall FDP und CDU)

aber ich dachte, ich kann zur Fortbildung der Sozialdemokratie beitragen, weil ich immer noch hoffe, dass Sie mehr wollen als 21 oder 22 % bundesweit.

Das, was mich, was uns alle aber am meisten ärgert, ist, dass uns pro Jahr circa 1,3 Milliarden € an Mitteln verlorengehen, die den Ländern zur Verfügung stehen würden. Seit fünf Jahren verzichten wir bundesweit pro Jahr auf 1,3 Milliarden € an Mitteln, die den Ländern zur Verfügung stehen würden. Ich kann Ihnen einmal sagen, was wir alles damit machen könnten. Dass eine Sozialdemokratie und andere das einfach sehenden Auges hinnehmen, aus welchen Gründen auch immer, ist mir unverständlich. Wir sind darauf angewiesen, dass wir nicht nur darüber reden, dass wir bessere Bildung und bessere Straßen brauchen, und wir werden vielleicht für die Schulden der HSH Nordbank aufkommen müssen. Wir müssen deshalb auch dazu beitragen, dass die Ertragssituation sich für die Länder insgesamt verbessert, und dazu leisten wir heute den entscheidenden Beitrag.

Noch einmal: Wir fordern die anderen Länder auf, mit uns gemeinsam von jetzt an den Weg zu gehen, denn der alte Glücksspielstaatsvertrag ist europarechtswidrig. Er hält keine drei Monate mehr. Wir haben ein halbes Jahr Zeit, das vernünftig zu regeln. Wir haben gute Vorlagen: Dänemark, Schleswig-Holstein, was auch immer. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Das ist auch meine Bitte an den Ministerpräsidenten dieses Landes, nämlich das in der MPK deutlich zu machen. Wir strecken die Hand aus, aber wir beteiligen uns nicht mehr an rechtswidrigen Aktionen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der heute beantragten Ablehnung des Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrags bereitet die Landesregierung einen Sonderweg vor, den unser Bundesland bei der staatlichen Regulierung von Glücksspielen bekanntlich schon einmal beschritten hat. Bereits am ersten Staatsvertrag beteiligte sich Schleswig-Holstein zunächst nicht und wählte statt

dessen über ein eigenes Landesgesetz den Weg zur Neuordnung des Glücksspiels.

(Zuruf CDU)

- Vielen Dank. - Aber in der Sache gibt es stichhaltige Gründe, auch jetzt in diesem Bereich wieder für einen Neustart zu sorgen. Bereits der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Die Beschränkungen für private Glücksspielangebote, besonders die der Höhe nach begrenzte Vergabe von Konzessionen, hatten vor der Rechtsprechung keinen Bestand. Das Vergabeverfahren wurde für intransparent und damit für verfassungswidrig erklärt.

Auch in dem jetzt zur Ratifizierung vorliegenden Staatsvertrag wird ein befriedigender Ausweg zur Regulierung von Glücksspielen nicht aufgezeigt. Vielmehr geht es offenbar darum, in einzelnen Bereichen nachzubessern. Aber dies geschieht einmal mehr um den Preis von schwer verständlichen Übergangsregelungen, zum Beispiel bei der vorläufigen Legalisierung von Glücksspielangeboten und der Festlegung einer sogenannten Experimentierphase für Sportwetten. Dies halten wir als AfDFraktion ebenso wenig für zielführend wie die geplante Verlagerung von Behördenzuständigkeiten auf die Bundesländer Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen.

Wir unterstützen daher das Vorhaben der Landesregierung, dem Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht zuzustimmen und bei der Vergabe von Glücksspielkonzessionen eine umfassende Neuregelung anzustreben, die sich an klaren qualitativen Kriterien orientiert. Sollte der Abschluss eines neuen Staatsvertrags zur Regulierung von Glücksspielen in absehbarer Zeit zur Diskussion stehen, halten wir auch eine vorsichtige Ausstiegsoption unseres Landes für sinnvoll. Das Bundesland Hessen ist uns hier mit gutem Beispiel vorangegangen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welche Grundsätze muss eigentlich ein Glücksspielstaatsvertrag erfüllen? - Erstens. Er muss Spielerschutz gewährleisten. Zweitens. Er muss Einnahmen für den Staat aus der Lizenzverga

(Wolfgang Kubicki)

be generieren. Drittens. Es muss fairen Wettbewerb für die Anbieter von Glücksspiel geben. Viertens. Es muss gemeinsame Regelungen für ganz Deutschland geben.

Die meisten dieser Kriterien erfüllt der derzeitige Vorschlag des Glücksspielstaatsvertrages eben gerade nicht. Deswegen glaube ich, dass es richtig ist, diesen auch im Vorwege schon abzulehnen und deutlich zu machen, dass der nicht tragbar ist.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und AfD)

Ich sage auch ganz deutlich: Es ist nicht nur eine politische Haltung unsererseits oder auch der Koalitionäre, sondern dass es nicht europarechtskonform ist, ist uns schon schriftlich mitgeteilt worden. Wir wissen jetzt schon, dass das Ding eigentlich nicht rechtens ist. Ich finde, dass man in einem Parlament Dingen nicht zustimmen kann, die nicht rechtens sind, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall SSW, CDU, FDP und Rasmus An- dresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Schauen wir uns einmal die vier Punkte an. Erster Punkt: Spielerschutz und Jugendschutz. Wir haben Online-Kasinospiele und Online-Pokerspiele, die derzeit rechtlich nicht geregelt sind. Wenn man so will, ist das ein völlig rechtsfreier Raum. Wir haben null Einflussmöglichkeiten, ob da Spielerschutz oder Jugendschutz stattfinden. Das findet formalrechtlich alles im Ausland statt. Das können wir so nicht hinnehmen. Wenn wir Spielerschutz haben wollen, müssen wir natürlich auch selbst die Lizenzen herausgeben und selbst die Bedingungen setzen.

Zweiter Punkt: Einnahmen für den Staat. Logisch: Wenn die Dinge nicht bei uns organisiert werden, wenn sie im Ausland stattfinden, wenn unsere Spieler auf ausländischen Plattformen spielen, dann ist natürlich auch klar, dass wir keine Einnahmen haben, keine Einnahmen für Sport, für Spielerschutz, für soziale Aufgaben, für Kultur. All das würde aus diesen Mitteln finanziert. Der Kollege Kubicki hat es eben schon deutlich gemacht: Es sind über 1 Milliarde €, die dem deutschen Fiskus in der Vergangenheit verloren gegangen sind. Das kann eigentlich nicht sein. Dieses Geld kann man besser einsetzen.

(Beifall CDU und FDP)

Der dritte Punkt: fairer Wettbewerb. Wie sieht es denn mit dem Wettbewerb aus? Nach derzeitiger Rechtslage - auch wenn der Gesetzentwurf das et

was ändern will - sind Lizenzen zahlenmäßig begrenzt. Inhalte spielen da keine Rolle. Ich glaube aber, es ist wichtig, vorher Vorgaben zu machen, nach welchen Kriterien eine Lizenz vergeben wird, und dann werden die Lizenzen auch vergeben. Dabei ist es dann egal, wie viele Anbieter diese Lizenzbedingungen erfüllen. Es geht um die Bedingungen, es geht um die Inhalte, um die Qualität und nicht so sehr um die Quantität. Auch vor dem Hintergrund ist es richtig, das völlig neu zu starten. Ich sage das auch ganz bewusst vor dem Hintergrund, dass wir auch stationäres Glücksspiel haben und dass auch da natürlich Waffengleichheit herrschen muss. Es kann nicht sein, dass wir online Dinge leichter organisieren und leichter zugänglich machen als stationär. Das muss miteinander abgestimmt werden. Ich glaube, da besteht eine Chance, dass wir das im Sinne eines fairen Wettbewerbs in diesem Bereich auch hinbekommen können.

(Beifall SSW, CDU, FDP und Rasmus An- dresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vierter Punkt: gemeinsame Regelung für ganz Deutschland. Das ist ja der Grund gewesen, warum die Küstenkoalition seinerzeit das Gesetz abgeschafft und sich dem Staatsvertrag angeschlossen hat. Ich sage auch ganz ehrlich: Das geschah auch unter etwas Schmerzen bei uns, denn das Gesetz, das wir hatten, war einwandfrei und ein Vorbild für andere Staaten, die es entsprechend ähnlich umgesetzt haben. Unsere Vorstellung ist natürlich jetzt, dass, wenn wir jetzt rausgehen und tatsächlich den Druck erhöhen, dann eine ähnliche Regelung, wie wir sie hier als Land Schleswig-Holstein für uns haben, auf Bundesebene geschaffen wird. Das ist das große Ziel, das wir haben. Daran wollen wir natürlich festhalten.

(Beifall SSW, CDU, vereinzelt FDP und Bei- fall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Warum jetzt als Parlament zuerst? - Die Kolleginnen und Kollegen haben das vorher schon gesagt. Ich weiß, wir haben vor zweieinhalb Jahren Verfassungsdiskussionen geführt und ganz groß und hochgeistig darüber beraten, wie ein Parlament im Vorwege gerade auch zu Staatsverträgen informiert werden kann und sich rechtzeitig zur Wort melden kann, bevor die Regierung irgendetwas unterschreibt. Ich finde, es ist eigentlich eine saubere Lösung, vorher zu sagen, dass man später als Parlament nicht zustimmen wird, wenn das so bleibt, wie es jetzt ist. Das erleichtert die Verhandlungssituation unserer Regierung selbstverständlich, und das erleichtert vor allen Dingen auch das Prozedere auf

(Lars Harms)

Bundesebene. Auch die anderen Bundesländer haben dann natürlich einen etwas besseren Einblick, wie es laufen wird und dass wir da wirklich hart bleiben werden. Ich glaube, diese Botschaft muss auch nach draußen gebracht werden.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ein Letztes: Der Kollege Andresen hat es gerade eben schon gesagt, Dänemark hat solche Regelungen geschaffen. 90 % des Spiels in Dänemark sind jetzt wieder reguliert. Es wird immer einen Teil geben, der außerhalb der Regulation stattfindet, weil Leute irgendwelche wilden Spiele auf irgendwelchen Plattformen in der Karibik spielen. Das wird immer so sein. Aber dass man es hinbekommen kann, zeigen andere Länder, unter anderem auch Dänemark. Ich finde, wir sollten das auch hinbekommen können.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Kai Dolgner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Sie sich jetzt bemühen, lieber Kollege Andresen, der erste Satz des gemeinsamen Antrags lautet: