Die Bundeskanzlerin hat ihre Schwerpunkte für die anstehende EU-Ratspräsidentschaft genannt. Ich zähle auf: die Verhandlung des mehrjährigen Finanzrahmens 2021 bis 2027, die zukünftigen Beziehungen der EU zum Vereinigten Königreich, der Klimaschutz, die Digitalisierung, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der Rechtsstaatlichkeit - wobei ich Probleme bei der Überprüfung sehe - und die Rolle der EU in der Welt.
„Unser gemeinsames Ziel muss es jetzt sein, die Krise gemeinschaftlich, nachhaltig und mit Blick auf die Zukunft zu bewältigen.“
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einen herzlichen Dank an die Landesregierung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Vorlage des Europaberichts 2019 bis 2020. Er gibt einen guten Überblick über die
europapolitische Arbeit Schleswig-Holsteins und über die Zusammenarbeit mit den benachbarten Regionen und Netzwerken. Somit gibt er die Koordinaten vor, wo dieses Land in Europa zu verorten ist. Ich denke, wir sollten ihn in die Ausschüsse überweisen.
Einen herzlichen Dank auch an den Minister, dass er bei seinem ersten Besuch an der Grenze - klar: es gab einen aktuellen Anlass - deutlich gemacht hat, dass wir über ein Europa reden, in dem seit einer Generation offene Grenzen und vieles mehr selbstverständlich ist.
Der europäische Integrationsprozess bedeutet seit über 70 Jahren Frieden, wirtschaftlichen Erfolg, offene Grenzen und ist unter anderem einheitliche Basis für gute Umwelt- und Verbraucherinnen- und Verbraucherstandards, um nur einiges zu nennen.
Europa ist durch den unbedingten Willen zur Zusammenarbeit, durch Mut, Engagement, Fantasie und Gestaltung gewachsen. Das Glas ist recht voll, und wir dürfen es nicht den Kritikerinnen und Kritikern überlassen, über die anstehenden offenen Fragen zu diskutieren, sondern müssen gemeinsam zu Lösungen kommen, vorangehen und sie auch offensiv diskutieren. Es geht - das ist schon genannt worden - um die verschiedenen verschobenen Fragen der Migrations- und Flüchtlingspolitik, um die soziale Spaltung in vielen Bereichen.
Da sind der Klimawandel und die Anforderungen an die Energie- und Umweltpolitik, die EU bis 2050 klimaneutral zu bekommen. Da ist der rechte Populismus, und da sind Defizite in der Rechtsstaatlichkeit einiger Länder, die immer wieder befeuert werden. Da ist das Vereinigte Königreich, das demnächst nicht mehr Mitglied ist. Viele Fragen zum Finanzrahmen sind offen. Hinzu kommen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, die in vielen Ländern mit zu einer schweren Wirtschaftskrise geführt haben.
Es ist gut - das muss man wirklich sagen -, dass die Kommission trotz dieser extrem schweren Situation an ihrem Arbeitsprogramm weitgehend und ohne wesentliche Verzögerungen festhält. Es ist richtig, dass sie am Green Deal als europäischer Wachstumsstrategie zur Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft festhält und ihn sogar verstärken will. Sie ist getragen von der Erkenntnis, dass diese schwerwiegende Krise nur gemeinsam und mit verbindlich abgestimmten Maßnahmen gelöst werden kann.
cron gegangen sind, die 500 Milliarden € in den Topf zu werfen - wenn ich es einmal so sagen darf. Das ist eine Summe, für die man letztlich gemeinsam steht. Auch die 750 Milliarden €, die jetzt von der EU-Kommission vorgeschlagen wurden, sind richtig. Es ist bereits vom Minister sowie den Kolleginnen und Kollegen geschildert worden, woran wir bezüglich der europäischen Haushaltssituation sind. Wir sind in Bezug auf den europäischen Haushalt vorher bei einem Umfang von 1,6 Billionen € gewesen. Jetzt sind wir bei 1,85 Billionen €.
Natürlich ist bei der Ausgestaltung des Fonds „Next Generation EU“ wie beim mittelfristigen Finanzrahmen sehr genau zu gucken, wie die Mittel konditioniert sind. - Wenn ich ihre gestrige Rede richtig verstanden habe, hat die Kanzlerin hierzu eine ziemlich wichtige Ansage gemacht: Die Krise darf eben nicht zu einer Rückkehr und einem Verharren in altem Wirtschaften und Arbeiten führen, sondern muss das klimaneutrale Wirtschaften beschleunigen. Nur das kann die Basis für kreative, wettbewerbsfähige Unternehmen und zukunftsfähige Arbeitsplätze und eine offene Gesellschaft in Europa sein.
Für uns Grüne sage ich ganz klar: Das muss sich auch in Zahlen und in einem Pfad wiederfinden. Das heißt: 65 % weniger CO2-Ausstoß im Jahr 2030 gegenüber 1990. Schleswig-Holstein - das muss man immer wieder sehr deutlich sagen - kann sehr viel zu diesem Modernisierungsprozess beitragen. Es hat in diesem Bereich große Potenziale.
Bei der Ausgestaltung des Fonds und der dazugehörenden Programme werden das EU-Parlament und auch die Regionen zu beteiligen sein. Letztlich muss diese Politik bei uns in den Regionen, Städten und Kommunen umgesetzt werden.
Sehr häufig ist in den letzten Monaten über Stabilität und Resilienz gesprochen worden. Beide Begriffe haben in der Politik eine neue Bedeutung bekommen. Vorher wurde man ja manchmal gegrillt, wenn man über diese Themen reden wollte. Das wird auch die deutsche Ratspräsidentschaft mit bestimmen. Die EU muss in weltweiten krisenhaften Entwicklungen abgestimmt, vorbeugend und wirksam handeln. Afrikapolitik ist gestern genannt worden. Hier muss sich Europa endlich mehr kümmern.
Ein anderer Punkt, den wir bereits vorher bei dem Thema der Medikamente im Gesundheits- und Pflegebereich angesprochen hatten: Nicht nur in Zeiten der Pandemie wird es wichtig sein, sich um eine stärkere europäische Basis zu kümmern und sie aufzubauen.
Das gilt für den gesamten Bereich der Digitalisierung und die Fertigungs- und Lieferketten. Ein letzter Satz von meiner Seite zum Next-GenerationFonds: Da müssen wir uns wirklich klarmachen, was das bedeutet. Es heißt nicht: Die kommende Generation wird es schon alles richten. Next-Generation-Fonds heißt, dass diese Generation die erforderlichen Maßnahmen einleiten und umsetzen muss. Die nächste Generation wird noch genug zu kämpfen haben, diese aufgelaufenen Verbindlichkeiten abzutragen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Durch Corona haben sich die Vorzeichen der deutschen Ratspräsidentschaft fundamental geändert. Im April hat Außenminister Heiko Maas in der „WELT“ angekündigt, dass die deutsche Präsidentschaft eine Coronapräsidentschaft wird. Europa braucht aber eine ambitionierte Zukunftspräsidentschaft, nicht nur eine Krisenpräsidentschaft.
Geld auf Probleme zu werfen, ohne neue Wege zu gehen, reicht nicht. Das ist nur die bekannte Form der Lethargie, die wir in der Großen Koalition in den letzten Monaten und Jahren zu oft erlebt haben. Europa braucht Investitionen in die Gestaltung einer gemeinsamen und starken Zukunft. Das ist das Gebot der Stunde.
Emmanuel Macron hat umfassende Initiativen und Vorschläge zur Reform der europäischen Strukturen auf den Tisch gelegt.
- Ja, da steht sehr viel Kluges drin, das ist auch Einiges, über das man diskutieren muss. Ich frage mich aber schon: Wo ist denn die Antwort der Ratspräsidentschaft darauf?
Ich will ein paar Dinge herausgreifen, die für uns Freie Demokraten im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft besonders wichtig sind.
Erstens. Die Konferenz für die Zukunft Europas muss jetzt sofort gestartet werden - auch digital und den Grundstein für eine europäische Verfassung legen.
Europa braucht handlungsfähige, effiziente und schnelle Institutionen. Nur dann werden wir im heraufziehenden Wertewettbewerb sowohl innerhalb Europas als auch im Verhältnis zu anderen Ländern, die nicht ganz so rechtstaatlich orientiert sind - ich nenne nur China - bestehen können. Europa braucht einen Rettungsschirm für den Rechtsstaat, eine weitere europäische Grundwerteinitiative, die Möglichkeit, besser mit Vertragsverletzungen einzelner Mitgliedsstaaten umzugehen.
Zweitens. Den Green Deal umsetzen - und zwar smart, bitte! Wir Freie Demokraten stehen für eine Klimapolitik, die Anreize für die Entwicklung innovativer, kosten- und emissionssparender Technologien setzt. Ein europaweiter Emissionshandel ist dafür ein wesentlicher Baustein. Nur Technologieoffenheit und ein auch langfristig stabiler Regulierungsrahmen werden eine echte Wirkung für das Klima und den CO2-Ausstoß entfalten. Alle sechs Monate neue Ziele für 2030 zu setzen, hilft uns leider nicht viel weiter.
Da sind am Ende auch gut gemeinte nationale Alleingänge schädlich, wenn sie das Gesamtziel unterlaufen. Klimaschutz ist eine europäische, eine weltweite Aufgabe. Wir erwarten zudem, dass die Gründung einer Wasserstoffunion den Klimaschutz mit einer zukunftsfähigen Industriepolitik und Industriestrategie verbindet.
Drittens. Europäischer Haushalt: Europa braucht einen zukunftsfähigen, soliden Haushalt. Er muss klare Prioritäten setzen: wirtschaftliche Impulse, Digitalisierung, Bildung und Forschung, grenzübergreifende Zusammenarbeit, europäischer Klimaschutz. Es darf aber nicht ein Wünsch-dir-was nationaler Egoismen damit befriedigt werden, sondern es muss echter europäischer Mehrwert geschaffen werden. Unbefristete Transferzahlungen schaffen im Übrigen auf Dauer keine Zukunft, sondern nur Abhängigkeiten, Anspruchsdenken und Bequemlichkeit.
Das gleiche gilt auch für den Fonds „Next Generation EU“. Wir dürfen damit nicht Geld auf alte Strukturprobleme werfen, sondern es müssen klare Kriterien gesetzt werden, neue Perspektiven geschaffen und dringend notwendige Reformen gestützt werden. Im Übrigen muss auch das Europäische Parlament bei Um- und Ausgestaltung intensiv eingebunden werden. Dabei darf Europa - das ist mir an dieser Stelle auch wichtig - das Ziel ausgeglichener Haushalte nicht aus dem Auge verlieren. Auch künftige Generationen haben das Recht, ein fittes Europa voller Chancen und Möglichkeiten vorzufinden und nicht nur einen Berg voller Schulden.
Viertens. Digitalisierung: Wir Freie Demokraten stehen für den Sprung in die digitale Zukunft. Das heißt: Wir brauchen einen klaren rechtlichen Rahmen mit einem überzeugenden und handhabbaren Datenschutz. Wir wollen aber auch eine faire und einheitliche Besteuerung digitaler Unternehmen dort, wo sie ihre Umsätze und Gewinne erwirtschaften.
Fünftens. Handel: Wir wollen europäische Handelsabkommen, eine starke World Trade Organization. Gerade jetzt ist ein freier multilateraler Welthandel auf Basis klarer gemeinsamer Regeln fundamental wichtig. Wertebasierter Freihandel ist Basis für Wohlstand und für soziale Sicherheit in der ganzen Welt.
Wenn wir schon dabei sind: Ein gemeinsames europäisches Planungsrecht nach dänischem Vorbild muss dabei mit auf der Agenda stehen.
Ob die Sicherstellung des Schengenraums, offene Grenzen, freies Reisen, die Erneuerung der Lissabon-Strategie mit dem Ziel, Europa zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten und wissensbasiertesten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, ob eine einheitliche und humanitäre europäische Migrations-, Flüchtlings- und Asylpolitik, ob die Abkommen mit der Türkei, der weitere Schutz und die Förderung nationaler Minderheiten: Das sind alle ganz große Aufgaben, vor denen Europa steht. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss genau deswegen eine Zukunftspräsidentschaft werden.