Protocol of the Session on June 19, 2020

(Dr. Marret Bohn)

Es ist wichtig, dass wir hier im Parlament darüber sprechen, wie es wirklich aussieht. Deshalb fand ich es nicht in Ordnung - das sage ich ganz ehrlich -, dass es hier so dargestellt wurde, als ob wir Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht ernst nähmen. Das Gegenteil ist der Fall. Ich bin mir sicher: Das ganze Parlament hat Interesse daran.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Frau Abgeordnete Bohn, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Natürlich, sehr gern.

Vielen Dank. - Ich möchte mich sehr dagegen verwahren, dass ich hier - laut Ihrer Aussage - Ängste geschürt habe. Was habe ich gemacht? Ich habe die Seite des Robert-Koch-Instituts, also die Wissenschaft, zitiert. Diese Zahlen - sie sind öffentlich; Sie können gleich nachgucken sagen mir, dass 26 % aller Infizierten aus den Berufsgruppen kommen, die wir in unserem Antrag aufführen. 26 % aller Infizierten plus die Dunkelziffer, die daraus resultiert, dass noch nicht alle Daten ausgewertet sind. Angesichts dessen bezeichnen Sie das, was ich hier gesagt habe, als das Schüren von Ängsten? - Es tut mir leid, aber ich finde, das ist eine ungeheure Unterstellung. Man sollte sich auch an dieser Stelle sehr wohl an der Wissenschaft orientieren; dort wurden die Zahlen schließlich errechnet. Aber wenn die Zahlen vorliegen, muss man auch reagieren. Genau das tun Sie an dieser Stelle nicht.

Ich möchte auf die Ausführungen von Herren Neve zurückkommen. Es geht hier nicht um eine verallgemeinerte Aussage zu der Frage, wen wir jetzt alles testen wollen. Wir bringen in dem Antrag deutlich zum Ausdruck - das habe ich auch in meiner Rede gesagt -: Wir beziehen uns auf die Berufsgruppen, die ohne Körperkontakt ihre Tätigkeit nicht ausführen können. Um diese Menschen geht es uns. Das sind all die Berufsgruppen, denen wir mit Standing Ovations die Wertschätzung entgegengebracht haben, die sie verdienen. Aber dazu gehört eben auch eine Konsequenz in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz,

und diese kann ich an dieser Stelle noch nicht erkennen. - Danke.

(Birte Pauls [SPD] nimmt wieder Platz)

Bleiben Sie noch kurz stehen für die Antwort.

Das ist völlig in Ordnung so. - Ich glaube, es hat keinen Sinn, kurz vor der Sommerpause künstlich Gräben auszuheben. Wir beide sind uns wirklich einig, dass es wichtig ist, vor Ort zu testen. Deshalb habe ich so deutlich gesagt - das mache ich seit Wochen -, dass es ein Unding ist, dass Schutzausrüstung nicht zur Verfügung steht. Ich sage in aller Ernsthaftigkeit, egal, wer gerade Minister oder Ministerin ist, egal, wer einer Oppositions- oder einer Regierungsfraktion angehört: Ich möchte nie wieder erleben, dass meine Kolleginnen und Kollegen keine ordentliche Schutzausrüstung haben. Das muss doch unser gemeinsames Ziel sein. Wenn Schutzausrüstung zur Verfügung steht, infizieren sich die Menschen auch nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist der Punkt. Daran wollen wir arbeiten.

Zu Ihrem Hinweis auf das Robert-Koch-Institut sage ich auch ganz ehrlich: Ich gucke mehrmals täglich auf diese Seite.

Ich finde es ganz schlimm - auch das habe ich schon gesagt -, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade in diesen Berufen nicht nur sich selbst infizieren können, sondern auch Familienangehörige zu Hause, die vielleicht Risikopatientinnen und -patienten sind. Diejenigen, die diese Berufe ausüben, haben die Angst, sich bei der Ausübung ihres Berufs zu infizieren oder sogar zu sterben. Das ist eine Katastrophe; diese Einschätzung teilen wir.

Aber noch einmal: Wir sollten kurz vor der Sommerpause keine künstlichen Gräben entstehen lassen! Wir können uns gern darüber unterhalten, was alles vor Ort gemacht wird. Wir von den JamaikaFraktionen sind jederzeit bereit, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, auch im Sozialausschuss - so, wie Kollege Werner Kalinka es geschildert hat. Wir sind bereit zum Austausch mit Ihnen: Wie können wir in Schleswig-Holstein noch besser werden? Wo muss noch getestet werden? - Ich glaube, da sind wir wieder beieinander. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Dr. Marret Bohn)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort hat jetzt noch einmal Minister Dr. Garg.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vielleicht hilft es ja, eine Klarstellung zur Teststrategie jedenfalls zu versuchen. Wer meint, die Teststrategie für besonders vulnerable Einrichtungen auf einen Modellversuch, der zusätzlich unternommen wird, reduzieren zu können, der argumentiert am eigentlichen Problem vorbei, um es höflich auszudrücken.

Wir testen umfangreich, insbesondere in den besonders vulnerablen Einrichtungen. Es wird komplett durchgetestet, sobald in irgendeiner dieser Einrichtungen auch nur ein einziger Fall auftritt; das ist übrigens ganz normales Ausbruchsmanagement.

Wir haben uns zusätzlich für den Modellversuch entschieden, und zwar zu einer Zeit, in der die ausgewählten Kreise Dithmarschen und Herzogtum Lauenburg unterschiedliche Inzidenzen aufwiesen. Wir haben uns erhofft, aus dem Modellversuch zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Nur, heute haben sie beide dieselbe Inzidenz, nämlich null; Dithmarschen nicht mehr; insofern ist es spiegelbildlich.

Wir schließen uns der neuen Teststrategie des Bundes an und wollen zusätzliche Erkenntnisse gerade zum Bereich der vulnerablen Einrichtungen gewinnen. Wir wollen selber prüfen, wie wir noch gezielter vorgehen können, um Einträge zu verhindern.

Hier wurde vieles zu den Besuchssituationen in Alten- und Pflegeheimen gesagt. Ich will gar nicht kommentieren, ob die Entscheidung zu früh oder zu spät getroffen wurde. Wir alle sind uns sicherlich einig, dass dort in den vergangenen Wochen viel Leid ertragen werden musste.

Es gibt aber unterschiedliche Eintragungswege. Wir wissen - sofern man das bei diesem neuartigen Virus mit großer Sicherheit sagen kann -, dass der Haupteintrag, in der Regel jedenfalls, durch das Personal erfolgt. Selbstverständlich haben wir insbesondere das Personal in diesen Einrichtungen im Fokus. Deswegen wäre ich schon dankbar, auch vor dem Hintergrund des Elends in anderen Ländern, dass unser Vorgehen entsprechend eingeordnet wird. Gucken Sie sich an, was in anderen europäischen Ländern los war. In Spanien gab es ein un

glaubliches Ausbruchsgeschehen und unglaubliches Leid in Alten- und Pflegeeinrichtungen, auch beim Personal. Das war und ist kaum zu ertragen.

Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass wir uns dafür entschieden haben, die Teststrategie des Bundes in Schleswig-Holstein konsequent anzuwenden. Ich will hier etwas feststellen, ohne dass ich in einen Wettbewerb mit anderen Bundesländern einsteigen will: In den vergangenen Wochen, ich habe mir die Zahlen noch einmal angeschaut, haben neun Bundesländer - und zwar unabhängig von der Einwohnerzahl; eigentlich müsste man die Zahlen pro 100.000 Einwohner zugrunde legen - weniger getestet, bezogen auf die Gesamtsumme der wöchentlichen Tests, als Schleswig-Holstein. Darunter waren Bundesländer mit doppelter oder sogar dreifacher Einwohnerzahl.

Ich finde unseren Weg richtig. Wir sind von Anfang an sehr konsequent vorgegangen. Ende Januar haben wir angefangen, Testkapazitäten aufzubauen.

Ich fände es richtig, wenn wir uns im Sozialausschuss darüber unterhalten würden, wie wir die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Mitarbeitenden der vulnerablen Einrichtungen noch besser und noch effektiver schützen können. Das ist ein wichtiges Ziel.

Es mag opportun sein, das Haar in der Suppe zu suchen. Aber ich glaube, politisch ist die Abgeordnete Bohn genau auf dem richtigen Weg gewesen. Mit Jamaika ist auch in dieser Krise gerade im Bereich des Gesundheits- und Arbeitsschutzes sehr viel umgesetzt worden. Denn anders wären die Ergebnisse, über die wir vorhin alle miteinander diskutiert haben, schwer erklärbar. Lassen Sie uns also in Ruhe über die permanent andauernde und sich weiterentwickelnde Teststrategie diskutieren. Die Landesregierung ist dafür ausgesprochen offen. Wir sind sehr innovativ und diskussionsbereit, auch und gerade wenn es um den Schutz der Menschen geht, die unseres besonderen Schutzes bedürfen. - Ich bedanke mich noch einmal für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da der Minister ein zweites Mal gesprochen hat, steht die Zeit von 5 Minuten jetzt auch allen Fraktionen zu. - Ich sehe aber nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

(Dr. Marret Bohn)

Es ist beantragt worden, den Antrag, Drucksache 19/2204, dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig passiert und somit beschlossen.

Ich stelle zudem fest, dass der Berichtsantrag, Drucksache 19/2220, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 25 und 67 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Solidarische Akzente setzen!

Antrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2052 (neu) - 2. Fassung

Europa muss handlungsfähig bleiben

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2267

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Stärkung der Wirtschaft unterstützen - Vergemeinschaftung von Schulden verhindern

Alternativantrag der AfD Drucksache 19/2273

b) Schleswig-Holstein in Europa - Europapolitische Schwerpunkte - Europabericht 2019 bis 2020

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/2046

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz, Claus Christian Claussen, für seine erste Rede als Minister.

(Beifall im ganzen Haus)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine neue Aufgabe als Europaminister fällt zweifellos in ganz besondere Zeiten: Die Bewälti

gung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronapandemie wird bis auf Weiteres die Tagesordnung der EU bestimmen.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben ein riesiges Wiederaufbau- und Hilfsprogramm auf den Weg gebracht, um die Folgen der Pandemie abzumildern. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in den kommenden sechs Monaten. Die Bundesregierung wird das Programm in der nächsten Woche offiziell beschließen.

Bekannt ist aber bereits, dass die Bewältigung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Pandemie eine zentrale Rolle spielen wird, ebenso wie die Frage, welche Lehren wir aus der Krise ziehen müssen, um die EU besser auf vergleichbare Herausforderungen in der Zukunft vorzubereiten. Dies wird sich wie ein roter Faden durch die deutsche Ratspräsidentschaft ziehen.