Protocol of the Session on June 18, 2020

(Annabell Krämer)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das war mal wieder ein Feuerwerk von dem, was Sie eigentlich sagen wollten, was Ihre eigentliche Intention ist und was Sie hier verstecken oder verschweigen. Das sind keine Argumente. Auf dieser Basis brauchen wir uns hier gar nicht zu unterhalten.

(Zurufe)

Ich fange trotzdem einmal mit einer oder zwei Sachen an: „geschlechtergerecht“. Ganz genau, in Anführungszeichen und auch als sogenannte Geschlechtergerechtigkeit. Wenn ich davon spreche, dass es eine geschlechtergerechte Sprache gibt, dann heißt es gleichzeitig, dass die andere Sprache geschlechterungerecht ist. Das hört sich richtig infantil an, das ist nämlich Blödsinn.

Was mich aber am meisten gestört hat an der Debatte, ist, dass weiterhin so getan wird, als ob wir es hier mit einer natürlichen Entwicklung zu tun hätten, als ob sich Sprache verändern würde: „Dagegen sind Sie auch noch. Sie wollen die Zeit zurückdrehen und so weiter.“ - Das ist Blödsinn. Wir haben es nicht mit einer natürlichen Entwicklung zu tun. Nur einige wenige - ich sage einmal: Eliten sprechen so. Das wird von der Bevölkerung genauso empfunden. Es wird als elitär empfunden, es wird teils sogar als bevormundend und als erziehend empfunden.

Jeder soll um Himmelswillen sprechen, wie er es für richtig hält, wie er will.

(Zurufe)

Sie können auch gendergerecht flirten, Sie können gendergerechte Poesie betreiben. Das ist mir alles egal, aber es darf nicht sein, dass Behördenmitarbeiter ihren Mitarbeitern vorschreiben, dass sie jetzt eine Sprache nutzen sollen, die ihrem Sprachgefühl widerspricht und den gängigen Grammatik- und Rechtschreibregeln widerspricht.

(Zurufe)

- Es wäre schön, wenn Sie ans Mikrofon kämen. Ich verstehe Sie überhaupt nicht. Darum geht es.

Noch ein Punkt: Die Berichterstattung in der Zeitung über Kiel war interessant. In einem Nebensatz stand: Darüber wurde gesprochen, es hat hier auch

niemand Widerspruch eingelegt. Ganz genau, so weit sind wir gekommen.

(Zurufe)

- In dem Gremium, von dem ich spreche, war kein AfD-Vertreter zugegen. Der hätte sich nämlich getraut. Ansonsten ist es teilweise schon so weit, dass Schüler, Studenten und Mitarbeiter sich nicht mehr trauen, zu widersprechen. Sie sagen: Okay, dann höre ich irgendwie weg. - Ein Problem werden sie bekommen, wenn sie dann aber nicht gendergerecht schreiben oder gendergerecht sprechen. Was ist denn dann? Welche Konsequenzen sollen dann gezogen werden?

Also: Machen Sie das weiter so, wie Sie es wollen, jeder privat, aber wir dürfen Behördenmitarbeiter, Schüler und Studenten nicht diesem Druck aussetzen, genötigt zu werden, etwas zu tun, von dem sie nicht überzeugt sind. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Beate Raudies.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Beispiel, das Herr Brodehl gerade versucht hat, zu bilden, zeigt, wie dünn seine Argumentation ist. Ich weiß nicht, wann Sie einmal vor einem Formular gesessen haben, Herr Brodehl. Als ich in der Finanzverwaltung angefangen habe, stand auf den Formularen „Sachbearbeiter:“. Dann musste ich immer schreiben: Frau Raudies. Mein Kollege gegenüber schrieb Müller, Meyer oder Schneider. Er war nämlich ein Mann. Er wusste, dass er ein Mann war.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Als ich das einmal weggelassen hatte, kam die Post natürlich zurück adressiert an Herrn Sachbearbeiter Raudies. Gut, es gab in der Hamburgischen Steuerverwaltung auch einen Herrn Raudies, das war mein Vater, der war aber ganz woanders unterwegs.

Spätestens daran wird doch deutlich, wie wichtig es ist, dass diese Formulare so gestaltet sind, dass die Leute wissen, mit wem sie kommunizieren. Nichts ist so peinlich, wie einen Brief an eine Behörde zu schreiben und die Antwort von jemand ganz anderem zu erhalten als dem, dem Sie vermeintlich geschrieben haben. Das ist ein ganz kleines Beispiel.

Sie haben gesagt: wenn Sie das stört. Ja, es hat mich ohne Ende und furchtbar gestört, dass auf meinem Namensstempel vor meinem Namen „Fr.“ stand. Wieso - Entschuldigung - verdammt noch einmal muss vor meinem Namen „Fr.“ stehen? Mein Name ist genauso viel wert wie der Name des männlichen Kollegen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss das auf den Formularen deutlich sein. Bei der Digitalisierung erleben wir nämlich jetzt wieder genau diese Rolle rückwärts: Es sei so kompliziert, die Formulierungen so zu programmieren, dass sich männliche und weibliche Mitarbeiter wiederfinden. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir werden sehr gut darauf aufpassen, dass das nicht passiert.

Das als kleiner Erfahrungsbericht. Sie rekurrieren hier auf Menschen, die gezwungen werden, Dinge zu tun. Vielleicht nehmen Sie einmal zur Kenntnis, wie viele Generationen von Frauen schon gezwungen wurden, Dinge zu tun, die ihnen nicht gepasst haben. - Danke.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Män- ner auch!)

Für die Landesregierung hat das Wort der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht, in Vertretung für die Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung, Frau Dr. Sütterlin-Waack.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz darauf eingehen, denn ich halte diese Rede in Vertretung unserer geschätzten Kollegin Sabine Sütterlin-Waack, die heute und das freut mich besonders - bei der Konferenz der „Innenminister:innen“ in Erfurt ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW)

Ohne diese entsprechende Ergänzung am Ende des Begriffes und der Klarstellung müssten wir uns wundern, ob wir als Land Schleswig-Holstein bei dieser Konferenz heute eigentlich vertreten sind. Wenn es nicht die „Innenminister:innen“ sind, sondern nur die Innenminister, dann würde sie dort

nicht genannt, und das ist ein entscheidender Unterschied. Es mag lange selbstverständlich gewesen sein, dass die Innenministerkonferenz tatsächlich nur aus Innenministern besteht, aber diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei, und ich freue mich, dass wir aus dem Norden den lebendigen Beweis heute in die IMK nach Erfurt schicken und dort jemanden haben, die zur Freude der dort Anwesenden auch noch für Gleichstellung zuständig ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, unsere Sprache unterliegt seit Jahrhunderten einem ständigen Wandel. Mit neuen gesellschaftlichen Entwicklungen, neuen Entdeckungen oder Erfindungen finden auch neue Ausdrücke und Bezeichnungen den Weg in unsere Sprache. So haben sich zum Beispiel allein in den letzten 20 Jahren viele neue Begriffe aus der Informationstechnologie etabliert. Heute googeln wir, tippen auf dem Smartphone, und manche Menschen arbeiten sogar in Coworking Spaces. Die Veränderung ist ebenso normal wie unaufhaltsam. Unsere sprachliche Entwicklung lässt sich eben nicht auf ewig in einer bestimmten Lage manifestieren, und das ist auch gut so.

So unterscheidet sich das amtliche Regelwerk zur Rechtschreibung zum Beispiel mittlerweile in gut 20 Eintragungen von dem 2006er-Regelwerk. Allein schon aus diesem Grund verbietet sich ein sprachlicher Rückschritt in alte Zeiten. Mit der gleichen Argumentation könnte man sonst auch anführen, dass wir nun alle sprechen sollen wie Walther von der Vogelweide, einfach weil die frühere Sprache vermeintlich schöner war. Das wäre geradezu absurd.

(Zurufe)

- Okay, das wusste ich nicht. - Im Bewusstsein, dass unsere Sprache ständigen Veränderungen unterliegt, hat auch der Rat für deutsche Rechtschreibung entschieden. Mit seinem Beschluss zur geschlechtergerechten Sprache aus dem Jahr 2018 empfiehlt er, der Sprache Raum zu geben. So kann sie sich frei entwickeln. Von allgemeingültigen Regeln wurde abgesehen. Hingegen wurde festgestellt, dass alle Menschen ein Recht auf angemessene sprachliche Bezeichnung haben und sich auch in der geschriebenen Sprache wiederfinden sollen.

Neben dieser sprachlichen Theorie darf die psychologische Wirkung unserer Sprache ebenso wenig in den Hintergrund geraten, denn Sprache formt unser Denken. Wie wir unsere Umgebung wahrnehmen und welche Erwartungen wir haben, hängt ganz we

(Beate Raudies)

sentlich von den gesprochenen Wörtern ab. Wenn ich erzähle, dass morgen „der Handwerker“ zu mir kommt, wird schließlich niemand erwarten, dass es sich dabei um eine Frau handelt.

Aus gleichstellungspolitischer Sicht bedeutet geschlechtergerechtes Formulieren, Frauen in der Sprache sichtbar und hörbar zu machen. In allen Texten, in denen Frauen gemeint sind oder sein könnten, sollte das auch ausdrücklich ausgedrückt werden, anstatt Frauen mit zu meinen, hinzuzudenken oder gar in eine Fußnote zu verbannen. So belegen auch Umfragen unter Schulkindern: Mädchen trauen sich viel eher, von Männern dominierte Berufe anzustreben, wenn die Berufsbezeichnung gegendert wurde. Deswegen ist eine geschlechtersensible Sprache aus Sicht der Gleichstellung von Frauen und Männern richtig.

Ich begrüße es auch, dass inzwischen die weiblichen und männlichen Formen in Verwaltungsschreiben, Richtlinien und Gesetzen etabliert sind. Obwohl in der Regel auch vollständig ausgeschriebene maskuline und feminine Personenbezeichnungen die Anforderungen einer geschlechtergerechten Sprache erfüllen, gibt es eine Reihe weiterer geeigneter Formulierungsmöglichkeiten und Sprachgestaltungen. Aus diesem Grund ist die allgemeine Regelung des Rats für deutsche Rechtschreibung zur Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache ausreichend. Gesetzliche Regelungen, verbunden mit einem sprachlichen Rückschritt sind hingegen aus Sicht der Landesregierung nicht zeitgemäß. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf, Drucksache 19/2075, dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Wahl der Landesbeauftragten für den Datenschutz

Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2237

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen.

Ich lasse über den Wahlvorschlag abstimmen und schlage Ihnen hierfür eine offene Abstimmung vor. - Widerspruch höre ich nicht. Dann werden wir so verfahren.

Ich weise darauf hin, dass für die Wahl nach § 5 Errichtungsgesetz ULD die Mehrheit der Mitglieder des Landtages erforderlich ist.