Protocol of the Session on June 18, 2020

(Katja Rathje-Hoffmann)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Geschichte der Gleichstellung zwischen Mann, Frau und Divers ist lang und steinig - und wird ein andauernder Prozess bleiben, weil sich Gesellschaft und Lebensmodelle verändern und damit auch die Gleichstellung ehrlicherweise immer wieder neu justiert werden muss.

Die markig wirkende Überschrift über dem Antrag der SPD weckt Erwartungen, die bei genauem Lesen gleich wieder verfliegen; denn es sind am Ende wieder Phrasen, die Sachlagen suggerieren, die es de facto so nicht gibt. Ganz ehrlich, meine Damen und Herren: Das schadet einer ernsthaften Gleichstellungspolitik mehr, als es ihr nützt.

(Beifall FDP - Zuruf Beate Raudies [SPD])

Als 1949 die Mütter und Väter unserer Verfassung das Ziel der Gleichstellung in Artikel 3 unseres Grundgesetzes festschrieben, entschied noch der Mann über den Arbeitsvertrag seiner Ehefrau. Ziel der politischen Diskussion in den Folgejahren war es, die formalrechtliche Gleichstellung hin zu einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen. So wurde 1994 das Grundgesetz um den Satz ergänzt:

„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Meine Damen und Herren, dieses Ziel teile ich als Freie Demokratin und Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags uneingeschränkt.

(Beifall FDP)

Der Fünfte Bericht zur Durchführung des Gesetzes zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst hat auch aufgezeigt, dass Schleswig-Holstein seine Hausaufgaben gemacht hat. Auch wenn noch Arbeit vor uns liegt, um die Gleichstellung der Geschlechter wirklich in allen Bereichen zu verwirklichen, sind wir auf einem guten Weg; denn in einigen öffentlichen Bereichen können wir tatsächlich über eine stärkere Anwerbung von Männern nachdenken. Für den Justizvollzug zum Beispiel wird ein Anteil von 83 % Frauen genannt. Vier von fünf Behördenleitungen bei den oberen Landesgerichten sind von Frauen besetzt. Ich habe dem Bericht nicht entnehmen können, dass es im öffentlichen Dienst ein Problem gebe, dass gleiche beziehungsweise gleichwertige Arbeit ungleich bezahlt werde.

(Beifall Werner Kalinka [CDU])

Vielleicht zeigen Sie uns einmal die Stelle im TV-L oder TVöD, wonach das Gehalt nach Geschlecht differenziert wird. Oder ist Punkt 2 in Ihrem Antrag nur unglücklich formuliert, meine liebe SPD?

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP] und Kay Richert [FDP])

Wir wollen mit Jamaika die Gleichstellung in allen Lebensbereichen voranbringen und nicht nur über die Entgeltgleichheit diskutieren.

Ein Grundproblem ist doch die Berufswahl. Diese wird bereits in der Schule vorbereitet. Unsere Aufgabe ist es, tradierte Rollenbilder in Unterrichtsmaterialien durch moderne Vielfalt abzulösen.

Auch Vorbilder prägen einen beruflichen Karriereweg. Das findet im Familienumfeld in der Kindheit statt und geht über in alle Facetten der Lebenswelt eines Erwachsenen. Es ist also Aufgabe von uns allen, im Sinne der Gleichberechtigung ein Vorbild zu sein.

Ganz ehrlich, meine Damen und Herren, ich nehme viele junge, gut ausgebildete Frauen wahr, die mit voller Überzeugung darauf vertrauen, ausschließlich über ihre Leistung und ihre Qualifikation ihr Berufsleben gestalten zu können.

(Beifall Kay Richert [FDP] - Werner Kalinka [CDU]: Genauso ist es!)

Diese jungen Frauen fordern auch die partnerschaftliche Erziehungs- und Familienarbeit ein,

(Beifall Werner Kalinka [CDU])

und für die jungen Männer ist das selbstverständlich. Das ist doch der eigentliche Erfolg von Gleichberechtigung.

(Beifall FDP und Werner Kalinka [CDU])

Das findet auch verstärkt in Vollzeit statt und nicht wie Sie, liebe SPD in Ihrem Antrag suggerieren, überwiegend in Teilzeit.

Meine Damen und Herren, die vielfach bestehende uneinheitliche Entlohnung einzelner Berufsgruppen zeigt auch nicht zuletzt die gesellschaftliche Wertschätzung dieser Tätigkeiten. Hier müssen wir gesellschaftlich ansetzen und diskutieren, wie Beruf, Arbeitszeitmodelle und dann natürlich auch die Entlohnung zusammenpassen. Ich denke, das sollten Sie auch berücksichtigen, wenn Sie Kritik üben.

Die von uns erbetene Gleichstellungsstrategie soll Ideen skizzieren, Akteure zusammenbringen und konkrete Handlungsempfehlungen darstellen. Wichtig ist uns, dass wir uns mit guten Beispielen

aus der Verwaltung, aber auch aus der Wirtschaft auseinandersetzen. Natürlich wollen wir wissen, welche Erfahrungen andere Länder damit gemacht haben. Wir wollen europäische Akzente evaluieren und nicht nur die aus Island; denn in Zeiten einer Globalisierung der Arbeitsmärkte ist das wichtig.

Ich freue mich jedenfalls - das möchte ich zum Schluss gerne anmerken -, dass uns Frau SütterlinWaack als Gleichstellungsministerin erhalten bleibt. Ich freue mich, mit ihr gemeinsam an der Strategie zu arbeiten, und auf die weiteren Beratungen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Koalitionsantrag und Ablehnung des Antrages der SPD. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Klagen über eine ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen ziehen sich seit Jahren durch die öffentliche Diskussion. Ab und zu münden sie dann in einen Antrag wie den vorliegenden, der Gleichheit fordert, wo keine Gleichheit herrscht. Klingt gut, ist aber platt und linkspopulistisch; denn der Antrag geht von falschen Annahmen aus.

Der Teufel - oder jetzt: die Teufelin - liegt wie immer im Detail. Denn untersucht man die entsprechenden Statistiken etwas genauer, stellt man fest, dass der vielgescholtene Gender Gap, also der Abstand zwischen den Gehältern von Männern und Frauen nicht auf Ungerechtigkeit beruht, sondern auf ganz anderen Faktoren, die zum Teil schon genannt worden sind. Ich komme nicht drum herum, sie noch einmal zu erwähnen. Zum einen sind dort die unterschiedlichen Branchen zu nennen, die Männer und Frauen bei ihrer Berufswahl bevorzugen. So sind Frauen in den Unternehmen der gesellschaftsnahen Dienstleistungen wie zum Beispiel dem Gastgewerbe oder im Gesundheits- und Sozialwesen mit fast 54 % aller Beschäftigten vertreten und in der Metall- und Elektroindustrie dagegen nur mit knapp 24 %. In dem einen Bereich ist das Lohnniveau niedriger als in dem anderen. Das ist bedauerlich, aber eben Fakt.

Zum anderen spielt es eine Rolle, dass Frauen öfter als Männer in Teilzeit tätig sind. Nach der Statistik

behörde Eurostat gilt für das Jahr 2017 ein Wert von 46 % bei Frauen und von 8 % bei Männern.

Nicht vergessen darf man auch, dass Männer und Frauen in der Berufswelt unterschiedlich agieren, wenn es um Gehaltsverhandlungen geht. Bei den Diskussionen wird gerne ausgeblendet, dass ein wesentlicher Teil der erhobenen Daten aus dem nicht tariflichen Bereich stammt; denn dort ist ja bekanntlich das Aushandeln der Gehälter frei. Über 70 % der Betriebe sind nicht durch Branchentarifverträge gebunden. Hier macht sich ein weiterer Unterschied zwischen Frauen und Männern bemerkbar, die Antragstellerin hat auch darauf hingewiesen. Bereits als Berufsanfängerinnen verlangen Frauen weniger, zeigen einen defensiveren Verhandlungsstil. Personalverantwortliche beider Geschlechter steigen bei jungen Frauen mit den Gehaltsangeboten niedriger ein, und Frauen wiederum verhandeln auch von sich aus mehr über Teilzeit und über Homeoffice als Männer und - man höre und staune - seltener über Geld. Wenn sie es tun, treten sie zurückhaltender auf. All das ist auf www.equalpayday.de nachzulesen.

Gerade im mittleren und gehobenen Management machen Personalchefs die Erfahrungen, dass sich Frauen weniger zutrauen als Männer und dementsprechend vorsichtiger an die Verhandlungen herangehen. So entstehen in den freien Berufen durchaus deutliche Unterschiede in der Bezahlung, die aber nichts mit Ungerechtigkeit zu tun haben, sondern mit der Ungleichheit in diesem Punkt zwischen den Geschlechtern.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Nein, das will ich „geschickt“ nennen. Warten Sie bitte meinen nächsten Satz einmal ab. Die Männer pokern meist höher, aber sie fallen auch tiefer, wenn sie sich verzocken. Das ist Risiko, das ist Praxis, das ist Lebenswirklichkeit, zumindest meine.

(Lachen Beate Raudies [SPD])

Aber davon weiß die SPD natürlich nichts, denn sie bewegt sich in einem geschlossenen Paralleluniversum, in dem Unterschiede nicht vorkommen dürfen und notfalls der Staat eingreifen soll, wenn etwas nicht nach den Vorstellungen der Gleichmacher läuft. So träumt die SPD nun von einem Zertifizierungsverfahren nach isländischem Vorbild. Warum nur? - Wir haben bereits das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, wir haben das Entgelttransparenzgesetz, es ist doch alles schon gesetzlich geregelt. Und jetzt soll noch eine Zertifizierung erfolgen. Ich glaube, dass Betriebe jetzt in dieser Zeit der Wirt

(Anita Klahn)

schaftskrise andere Probleme haben, als sich um so ein Zertifikat zu bemühen.

(Zuruf SPD)

Nein, es geht hier gerade um die Betriebe.

Warum soll denn der Frauenanteil auf der Führungsebene um jeden Preis gesteigert werden? Sollen die Frauen nicht selber entscheiden, wie hoch sie in der Hierarchie nach oben wollen und welche Opfer sie bereit sind, dafür zu erbringen? Diese Fragen müssen sich Männer wie Frauen gleichermaßen stellen. Und wenn sie diese über Jahrzehnte hinweg immer wieder unterschiedlich beantworten, ist das ihre ganz individuelle persönliche Lebensentscheidung. Hier hat sich der Staat nicht einzumischen.

Ihr Antrag ist von gestern, er versucht, einer totgerittenen Debatte Leben einzuhauchen, wenn gleichzeitig die Arbeitnehmer draußen in der wirklichen Welt nicht wissen, ob sie nach Corona überhaupt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.

Der Alternativantrag von Jamaika ist auch nicht besser, da gebe ich Ihnen recht, er windet sich um das Thema herum, da sich die Koalitionäre wohl mal wieder nicht einigen können. Er ist blutleer und spricht davon, eine Strategie zu erstellen. Aber in Wirklichkeit ist in dem Jamaika-Antrag am Ende nur ein wirklich wichtiger Satz zu lesen: Jede Berufswahl sollte ganz nach den persönlichen Vorlieben erfolgen.

Das ist genau der Punkt, den es für alle Geschlechter, die es gibt, zu wahren gilt. Damit ist alles gesagt. Wir lehnen beide Anträge ab. - Danke.

(Beifall AfD)

Das Wort für den SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Januar haben wir uns den Fünften Gleichstellungsbericht in Verbindung mit dem Zweiten Gremienbericht vorstellen lassen. Das Fazit: Die Gleichstellungspolitik zeigt durchaus Erfolge, es bleibt aber auch noch viel zu tun, insbesondere in puncto Entgeltgleichheit sowie Chancengleichheit von Frauen auf Führungsebene.

Auch der diesjährige Equal Pay Day hat wieder einmal gezeigt: Noch immer gehört der Gender Pay Gap zum Alltag in Deutschland. Noch immer ver

dienen Frauen im Schnitt weniger als Männer, und noch immer stoßen zu viele Frauen zu häufig an statt durch die gläserne Decke zu den oberen und obersten Entgelt- und Besoldungsgruppen. Diese Missstände müssen wir endlich wirksam angehen.