Ich möchte deswegen einmal ganz deutlich sagen, dass es eben nicht nur eine fachliche Einordnung von Sachverhalten gibt, denn: Auf Kinder schießt man nicht!
Diese politische Verschiebung von ethischen Grenzen stellt in unseren Augen einen fundamentalen Dammbruch dar, den wir seitens der SPD-Fraktion nicht mitmachen wollen. Dieses Signal wollen wir nicht aussenden.
Wir alle wissen, dass eine solche Situation im Rahmen von Notwehr oder Nothilfe auf einen Polizisten oder eine Polizistin zukommen kann. Ich bin mir total sicher: Kein Polizist, keine Polizistin wendet seine oder ihre Schusswaffe leichtfertig an. Ich bin überzeugt, dass jeder Polizist, der es in einer solchen Situation trotzdem tun muss, im Nachhinein Rechtfertigungsgründe für sich in Anspruch nehmen kann, die es schon heute - gesetzlich vorgeschrieben - gibt.
Ich möchte noch einmal zum Ausgangspunkt zurückkommen. Gesetze macht man idealerweise mit einem kühlen Kopf und nicht unter dem Eindruck des Geschehens. Insofern hätte das neue Landesverwaltungsgesetz gute Chancen gehabt, zu einem guten Gesetz zu werden. Diese Chancen haben Sie aber in meinen Augen nicht genutzt. Schüsse auf Kinder und Fußfesseln sind nicht das, was wir uns unter sachgerechten und wirkungsvollen Maßnahmen vorstellen.
2017 floh ein islamistischer Gefährder mit Fußfessel über den Hamburger Flughafen nach Athen. Zur Gefahrenabwehr sind Fußfesseln in unseren Augen ein ziemlich untaugliches Mittel, das noch dazu die Arbeit des Verfassungsschutzes erschwert.
Das soll also Ihr großer Wurf sein? - Nein, ich habe noch den Taser vergessen: Das Distanz-Elektroimpulsgerät, das moderne Einsatzmittel, aus Amerika importiert - Halleluja!
Abschließend komme ich zu dem, was uns fehlt oder was wir für fragwürdig halten; diese Liste ist nicht abschließend, das betone ich an dieser Stelle:
Der Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sollte nicht nur unter Richtervorbehalt stehen, sondern auch einer spezialgerichtlichen Zuständigkeit zugewiesen sein.
Wir haben uns schon die Frage gestellt, warum die Daten von Berufsgeheimnisträgern nicht mehr den Daten aus dem Kernbereich privater Lebensführung gleichgesetzt sind und wieso man hierzu keine Verwertungsregel mehr findet.
Wieso eigentlich setzt die neue Regelung zur Schleierfahndung den polizeilichen Gefahrenverdacht fast auf das Niveau des verfassungswidrigen Kennzeichenscannings herab? Wollen wir das so? Ist das fachgerecht?
Wie und wo werden die Daten der Bodycams fälschungssicher verwahrt? Welche datenschutzrechtlichen Probleme ergeben sich aus dem sogenannten Prerecording, und vor allem: Wie werden sie gelöst?
Sie brüsten sich damit, dass Sie viele gute, förderliche Maßnahmen für die Polizei in Angriff genommen hätten. Blutprobenentnahmen beim polizeilichen Gegenüber als Krankheitsvorsorge für Polizisten und Polizistinnen sind sicherlich richtig. Sie sind in meinen Augen aber nicht ausreichend, denn die Coronakrise hat uns ganz deutlich gezeigt, dass etwas ganz anderes an dieser Stelle noch fehlt: Wo ist Ihre Fürsorge geblieben, wo bleibt der Fürsorgeplan für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die tatsächlich krank geworden sind? Da besteht großer Nachbesserungsbedarf.
In diesem Sinne sehen Sie: Wir sehen noch eine Menge an Fragen. Wir freuen uns daher auf die intensiven Beratungen im Ausschuss. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt nur wenig im Jamaika-Koalitionsvertrag, das so heikel zu verhandeln war wie die Überarbeitung des Polizeirechts.
Die Grundüberzeugungen von CDU, FDP und uns Grünen in Sicherheitsfragen lagen teilweise meilenweit auseinander. Nur ein paar Stichworte: QuellenTKÜ, Online-Überwachung, anlasslose Identitätskontrolle.
Dass wir als Koalition heute einen auch für Grüne ausgesprochen vorzeigbaren Gesetzentwurf präsentieren können, haben wir vor allem der vermittelnden Verhandlungsführung durch Hans-Joachim Grote in den Koalitionsverhandlungen
und von Torsten Geerdts im Gesetzgebungsprozess zu verdanken. Ihnen beiden gilt heute mein ganz besonderer und herzlicher Dank.
Meine Damen und Herren, unangemessene Verschärfungen im Polizeirecht von Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen haben dort den Zorn tausender Demonstrantinnen und Demonstranten ausgelöst. Ich war gerade vor der Tür: Es war niemand zu sehen. Dass dies hier eben nicht eingetreten ist, liegt daran, dass wir einen Kompromiss gefunden haben, bei dem alle Beteiligten von ihrer reinen Lehre abrücken mussten. Den Gegnerinnen und Gegnern unseres Gesetzentwurfes empfehle ich daher die aufmerksame Lektüre.
Während zum Beispiel Bayern den Einsatz von Sprengmitteln gegen Menschen explizit ermöglicht, steht in unserem Gesetzentwurf ausdrücklich: Sprengmittel dürfen nur gegen Sachen gebraucht werden. Nur zur Rettung anderer Menschenleben darf ein Sprengmitteleinsatz - zum Beispiel zur Öffnung einer Tür - mittelbar das Leben anderer gefährden. Das ist ein deutlicher, ein himmelweiter Unterscheid zur bayerischen Gesetzeslage.
sind. Da gibt es viel Aufregung, und es werden Märchen erzählt, dass es einen schaudert. Zunächst: Der Schusswaffengebrauch gegenüber Kindern ist in den Polizeigesetzen der meisten Bundesländer seit Jahren als letztes Mittel möglich - auch von Bundesländern, die seit Jahrzehnten von SPD-Innenministern geführt werden.
Das hat auch seinen guten Grund, denn nach dem Strafgesetzbuch muss eine Polizistin oder ein Polizist unter bestimmten Umständen auch auf einen sehr jungen Menschen schießen.
Ich will Ihnen das noch etwas genauer erläutern: Läuft ein 13-jähriger Schüler Amok und schießt wahllos auf Mitschülerinnen und Mitschüler, muss die eintreffende Streifenbeamtin den Amoklauf, wenn keine Alternativen ersichtlich sind, mit einem Schuss ins Bein stoppen, denn sie hat gegenüber den vom Amoklauf gefährdeten Schülerinnen und Schülern eine sogenannte Garantenstellung.
Nach dem Strafrecht waren unsere Beamtinnen und Beamten aber dazu verpflichtet. Das ist ein Widerspruch, der aufgelöst werden muss.
Aktueller denn je und problematisch ist allerdings ein anderer Punkt in unserem Gesetzentwurf, die sogenannte Schleierfahndung. Zur Bekämpfung der schweren beziehungsweise grenzüberschreitenden Kriminalität darf die Identität überprüft werden.
Wir haben ganz lange darüber diskutiert, ob der Polizei diese Befugnis zur Fahndung nach Terroristinnen und Terroristen, nach Waffen- und Drogenschmugglerinnen und -schmugglern ohne konkreten Anlass ermöglicht werden soll. Das forderte seit Jahren zum Beispiel die GdP.
filing. Wir haben daher das Wort „anlasslos“ in unserem Entwurf gestrichen und um eine andere Formulierung gerungen. Ob die jetzt gefundene Normfassung wie in der entsprechenden Begründung zur Vorschrift geschrieben steht, tatsächlich Racial Profiling konsequent unterbinden kann, möchte ich heute ausdrücklich infrage stellen; denn nach wie vor bedarf es für die Entscheidung zu einer Identitätsfeststellung keiner konkreten Verhaltensweise, keiner Auffälligkeit oder Situation bei der betroffenen Person, die einen Anlass für die Durchführung der Maßnahmen darstellen könnte. Wie heißt es so schön im Hollywood-Klassiker „Casablanca“ dazu: „Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen!“. Dass allein an äußerlichen Merkmale wie Haut- oder Haarfarbe angeknüpft wird, ist eine real bestehende Gefahr.
Ich bin daher gespannt auf die Anhörung im Innenund Rechtsausschuss, denn die angesprochenen Punkte sind nur ein Bruchteil der vielen Fragestellungen zu diesem hochkomplexen Gesetzgebungsverfahren.
Es geht um nichts weniger - Frau Sütterlin-Waack hat darauf hingewiesen - als um die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. - Vielen Dank.