Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wer Arbeitsstandards und Gesetze unterläuft und dagegen verstößt, kann sich darauf verlassen, dass wir das nicht nur nicht dulden, sondern dass wir auch dort, wo gesetzliche Lücken entstehen, Vorschläge machen, wie man diese sehr konkret schließen kann.
Dass wir Regelungslücken haben, auch bei den Schlachtbetrieben, aber nicht nur bei den Schlachtbetrieben, sondern bei vielen prekären Beschäftigungen, ist lange bekannt. Wenn wir dieser Coronapandemie vielleicht etwas Positives abgewinnen wollen, dann ist es, dass der Druck dafür gestiegen ist, politische Einigungen über Änderungen zu erreichen. Wir müssen bei dieser Krise, bei dieser Pandemie auch einmal feststellen, dass wir bei dem intensiven Infektionsgeschehen in den Unterkünften der Schlachthöfe hier in Schleswig-Holstein sehr froh sein müssen, dass die Infektionsverläufe keine schweren waren, dass keiner der Beschäftigten gestorben ist. Das ist etwas, was einmal gesagt werden muss.
Vieles von dem, was durch die Coronakrise bekannt geworden ist, sind am Ende nur Symptome und nur ein Ausschnitt der Debatte und ein Ausschnitt der Problemsituation, wie wir sie vor Ort vorfinden: die Überbelegung der Unterkünfte, die das Infektionsgeschehen beschleunigt hat, die Enge und der Stress, die ebenfalls dazu beigetragen haben, die infolge der Infektion noch einmal verstärkte soziale und gesellschaftlich Ausgrenzung der Beschäftigten der Schlachthöfe. Das sind Probleme, die bereits vorher bekannt waren.
Darüber hinaus gibt es auch Probleme, über die wir jetzt reden müssen, die aber nicht erst durch Corona auf den Tisch gekommen sind. Hier sind beispielsweise die rechtswidrigen Verträge zu nennen, es sind nicht nur Vertragstricksereien, sondern Verträge, die eindeutig gegen deutsches, gegen europäisches Recht verstoßen, die Verstöße gegen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerechte und gegen die Arbeitszeitgesetze. Auch die sind unabhängig von Corona schon seit Langem bekannt.
Man muss ganz eindeutig sagen, dass diese Verstöße teilweise an Lücken liegen, zum Teil aber auch daran, dass man bewusst gegen geltendes Recht verstoßen möchte. Das ist am Ende der Ausdruck eines Systems, das insgesamt auf Kosten nicht nur der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch der Landwirtinnen und Landwirte und der Tiere, der Umwelt und des Klimas wirtschaftet.
Hierzu haben wir schon seit langer Zeit gesagt, dass wir hier klare Änderungen brauchen. Wir sind auch der Meinung, dass das Paket, das der Bund vorgelegt hat, erstens nicht ausreichend ist - das ist das, was wir Grüne gerne sagen - und zweitens nicht abschließend ist, weil es an einzelnen Punkten nicht sicher ist, ob dieses Paket schließlich auch rechtssi
cher verabschiedet wird. Deswegen haben wir uns in Jamaika zusammengesetzt und klar formuliert: Wir schreiben das auf, bei dem wir zusammenkommen, von dem wir sehr konkret sagen können, dass es zu einer Verbesserung der Situation beiträgt.
Daher machen wir als Jamaika-Koalition jetzt hier sehr konkrete Vorschläge bezüglich der Arbeitszeitregelung. Wir sagen ganz klar, dass wir eine gesetzliche Regelung und eine praktikable Regelung brauchen, die dazu führen, dass wir eine manipulationssichere Arbeitszeiterfassung haben. Wir sagen ganz klar, dass es nicht nur ausreicht, wenn die Personalvertretung in den einzelnen Betrieben künftig auch für die Werkvertragsnehmer sprechen können, sondern dass auch die Werksvertragsnehmer selber Teil der Betriebsvertretung, Teil der Betriebsversammlung werden können und diese auch mitwählen können.
Wir sagen ganz eindeutig: Dort, wo es für die Ausstattung unserer Kontrollbehörde nicht ausreicht, werden wir nachbessern. Wie sind auch bereit, personell nachzubessern. Wir sagen eindeutig, dass wir ein Unterlaufen des gesetzlichen Mindestlohns nicht tolerieren. Wir werden so nachschärfen, dass ein Abzug der Mietkosten für die Unterkünfte künftig ebenfalls einen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz darstellt. Wir sagen eindeutig, dass wir bessere rechtliche Handhabungen für die Kontrolle der Unterkünfte der Beschäftigten brauchen. Wir legen dazu einen Vorschlag zur Änderung der Arbeitsstättenverordnung vor beziehungsweise bitten unsere Landesregierung um einen Vorschlag, damit wir künftig auch in die Unterkünfte hineingehen können.
Alles das, was wir hier vorlegen, betrifft am Ende nicht nur die Schlachtbranche, sondern gilt für alle Branchen, bei denen wir es mit prekären Arbeitsbedingungen zu tun haben. Deswegen bin ich froh, dass wir uns in Jamaika auf diese Punkte einigen konnten, meine Damen und Herren.
Ein Punkt, bei dem Sie uns kritisieren können, ist, dass wie heute keinen Entwurf für eine Wohnraumschutzgesetzregelung oder Ähnliches vorlegen können. Das hätte ich mir auch gewünscht, das sage ich ganz klar.
bin ich meinen Kollegen sehr dankbar -, diskutieren wir zurzeit sehr zielorientiert in Jamaika, wie wir als Land etwas tun können, und zwar in einer Ernsthaftigkeit und in einer Sachlichkeit, die wirklich aller Ehren wert ist und - da bin ich mir sicher - zu guten Lösungen führen wird.
Noch zwei Punkte: Ob das jetzt für die Kolleginnen und Kollegen der FDP zu weitgehend ist, weiß ich nicht; für uns sind jedoch manche Dinge nicht weitgehend genug. Was diesen Kompromiss, was diese Verständigung in der Jamaika-Koalition auszeichnet, ist, dass wir alle etwas vorlegen, bei dem wir uns wiederfinden und von dem wir feststellen, dass es ganz sachlich und fachlich zu einer Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Wohnsituation der Beschäftigten, die von Ausbeutung betroffen sind, führt.
Manchmal bin ich Pragmatiker. In unserem Antrag steht auch, dass wir die Initiativen des Bundes begrüßen und dass wir deren Umsetzung konstruktiv begleiten werden. Insofern ist es nicht so, dass wir das nicht unterstützen würden. Ich glaube, es ist gar nicht notwendig, dass wir als Landtag jede einzelne Maßnahme dieses Bundespakets noch einmal aufdröseln. Entscheidend ist, dass diese Maßnahmen am Ende umgesetzt werden. Wenn wir uns dann vorstellen, dass das, was wir als Jamaika für die bundespolitische Debatte anstoßen, und das, was der Bund vorschlägt, gemeinsam umgesetzt würde, dann hätten wir einen wirklich weiten und abschließenden Regelungsrahmen zur Begrenzung prekärer Arbeitsbedingungen. Darüber würde ich mich sehr freuen.
Beim Finden unserer Vorschläge hat auch geholfen, dass wir alle in den letzten Wochen sehr intensiv mit allen Beteiligten, also mit allen Seiten, gesprochen haben. Das zeichnet uns eben auch aus.
Ich finde, an unserem Kompromiss zeigt sich ebenfalls, dass wir diesen sehr sachlich und fachlich orientiert formuliert haben. Das wäre in dieser Qualität ohne die Koalitionspartner nicht möglich gewesen. Insofern auch von meiner Seite Danke für die gute Zusammenarbeit. Ich bin mir sicher, dass wir, wenn diese Punkte in die bundespolitische Debatte einfließen, massive Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreichen können. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Die Wirtschaft ist für die Menschen da. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Sie ist sowohl für die Menschen da, für die die Wirtschaft Waren und Dienstleistungen produziert, als auch für die Menschen, die innerhalb der Wirtschaft ihren Lebensunterhalt verdienen, die in den Läden und in den Betrieben arbeiten und dort den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien erwirtschaften. Menschenwürdige Bedingungen, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit sind wichtig. Sie sind Grundlagen einer fairen Arbeitsmarktsituation. Respekt vor den Mitmenschen ist wichtig. Günstige Produkte auf der einen Seite rechtfertigen nicht unwürdige Produktionsbedingungen auf der anderen Seite.
Es gibt Missstände. Darüber wird immer wieder berichtet. Dennoch steht es uns in der Politik sehr gut an, sachlich zu bleiben und nicht mit Vorurteilen, Ängsten und Ressentiments zu arbeiten. Das fängt bei der Wortwahl an und geht mit der Verallgemeinerung weiter. Ich muss auch sagen, ich finde es nicht gut, wenn dabei der Arbeitsschutz gegen das Tierwohl ausgespielt wird.
Lassen Sie mich eines ganz klar feststellen: Die große Mehrheit der Betriebe arbeitet gut, zahlt über Mindestlohn und bringt die Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer anständig unter. Die große Mehrheit der Betriebe respektiert ihre Arbeitnehmer. Aber ich finde, die Diskussion, ob es um viele oder wenige Betriebe geht, ist müßig. Immer dann, wenn wir feststellen, dass Gesetze dazu führen, dass Menschen schlecht behandelt werden, müssen wir doch tätig werden, ganz gleich. ob es sich um viele oder um wenige handelt.
Die Situation ist insgesamt nicht trivial. Wer wirkliche Verbesserungen für die Menschen erreichen will, ist gut beraten, erst genau hinzuschauen und dann zu handeln. Denn es ist nicht das eine Gesetz,
das jetzt hermuss. Es sind mehrere Lücken in bestehenden Gesetzen, die geschlossen werden müssen. Wer es sich jetzt einfach macht und sagt, wenn man die Werkverträge verbiete, sei alles gut, zeigt nur, dass er sich nicht die Mühe gemacht hat, die Situation wirklich zu begreifen.
„Seit mehreren Jahren prangern wir die Arbeitsbedingungen und die Wohnsituation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Fleischindustrie … an und fordern, die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie zu verbessern und die ArbeitnehmerInnenrechte zu stärken.“
Mit „mehreren Jahren“ meinen Sie wahrscheinlich die Zeit seit Mai 2017, oder? Denn davor hätten Sie ja tätig werden können.
Die Jamaika-Koalition ist übrigens tätig geworden. Bis 2017 wurden bestehende Regelungen schlicht nicht eingehalten - möglicherweise, weil sie nicht angemessen kontrolliert wurden.
Das hat sich mit dem Amtsantritt des FDP-Sozialministers geändert. Der erhöhte Kontrolldruck, der von dieser Regierung ausgeht, hat die Struktur der bestehenden Missstände verändert, auch wenn Sie dies anscheinend gar nicht bemerkt haben. Anstatt Gesetze einfach nicht zu beachten, werden heute Lücken in Gesetzen ausgenutzt. Diese Lücken wollen wir nun schließen. Wir wollen nämlich keine legale Vermeidung von Arbeitsschutz. Wir sind tätig, wo Sie nur geredet haben, und wir werden diesen Weg auch weitergehen. Anstatt Lippenbekenntnisse zu produzieren, werden wir echte Verbesserungen erreichen.
Sie haben ja recht, wenn Sie sagen, dass die Defizite in Bundesgesetzen liegen. Genau deswegen hat doch die Arbeits- und Sozialministerkonferenz schon im Jahr 2019 gefordert, eine Bund-LänderArbeitsgruppe zur Lösung dieser Probleme einzurichten. Die Initiative zu diesem Beschluss kam üb