Rassismus und Menschenfeindlichkeit entstehen nämlich nicht am Rand, sondern mitten unter uns. Deswegen gibt es auch nicht den einen Extremismus. Die größte Gefahr geht von rechts aus, und
deshalb führt jeder Versuch der Gleichsetzung oder Gleichbehandlung demokratiefeindlicher Phänomene in die Irre. Rechtsextremismus und Hass entstehen mitten unter uns. Das zeigen auch die aktuellen Verschwörungen rund um Corona.
Dazu gehört die Diskriminierung aufgrund vermeintlicher Unterschiede von Aussehen und Herkunft, bei Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte, Menschen mit - oder mit vermeintlich anderslautenden Vor- oder Nachnamen. - Wir wollen, dass das aufhört. Diese Gesellschaft lebt von ihrer Vielfalt und Breite. Jeder, der dagegen hetzt, wird unseren entschlossenen Widerspruch erfahren.
Ich danke den anderen demokratischen Fraktionen sehr für die Arbeit an der Einigung auf diesen gemeinsamen Antrag. Ich freue mich über die Umsetzung. Wir werden das als SPD auf unsere Art natürlich kritisch begleiten; Sie haben uns als Sozialdemokraten aber immer an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Hass, Rechtsextremismus und Ausgrenzung zu bekämpfen.
(Aminata Touré [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] tritt ans Rednerpult - Hans-Jörn Arp [CDU]: Der sieht aber anders aus! - Heiter- keit)
Sehr geehrte Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hanau ist elf Wochen her, und Hanau war definitiv kein Einzelfall. Unser Antrag ist als Reaktion darauf entstanden.
Der Verfassungsschutzbericht aus dieser Woche hat gezeigt, dass es auch in Schleswig-Holstein notwendig ist, sich mit Rechtsextremismus und Rassismus auseinanderzusetzen. Gerade in Krisen wittern Rechtsextreme und Rassisten ihre Chance.
Für Menschen, die genauso Opfer dieser Tat hätten werden können, war Hanau ein Einschnitt. Viele haben sich die Frage gestellt: Wie sicher sind wir in diesem Land, das wir unser Zuhause nennen? Deshalb bricht es mir das Herz, dass vor Synagogen oder Moscheen Polizei stehen muss. Es bricht mir das Herz, dass kurz nach Hanau das Kollektiv afrodeutscher Frauen hier in Kiel eine Abschlussveranstaltung organisiert hatte und die Sicherheitslage polizeilich geprüft werden musste - aus Angst. Wir wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der das notwendig ist. Wir wollen angstfrei leben können.
Das Gute ist, dass wir in einem demokratischen System auf den Staat zurückgreifen können. Dafür müssen aber unsere Institutionen fit sein: Polizei, Justiz, Schulen, Gesundheitswesen, Kitas - alle. Dafür haben wir den Aktionsplan gegen Rassismus verabschiedet. Jedes Ministerium ist in der Verantwortung, ins Handeln zu kommen, und ich bin auf die Ergebnisse gespannt, die sie erbringen werden.
Manchmal bin ich müde, darüber zu sprechen und darauf hinzuweisen, dass wir - verdammt nochmal ein Problem mit Rassismus in unserer Gesellschaft haben, weil politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, die das beschäftigen sollte, oft negieren, dass Rassismus existiert. Wenn politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger nicht einmal das Wort Rassismus in den Mund nehmen können, weil es zu hart klinge, dann weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Wenn politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger mal rassistische Politik machen und sich zwei Monate später als Anti-Rassismus-Politikerinnen oder Anti-Rassismus-Politiker aufspielen, ist dies nicht vertrauenserweckend, sondern schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger nicht wahrnehmen, dass ein Viertel in dieser Gesellschaft von regelmäßigen Attacken berichten und davon, dass ein anhaltender Rassismus existiert, dann weiß ich nicht, wie wir dieses Problem im Kern ersticken können.
Deshalb bin ich der Meinung, dass es nicht reicht, immer und immer wieder als Zeichen seiner Positionierung gegen Rassismus und Rechtsextremismus auf die AfD zu verweisen und zu denken, damit habe man sein Soll erfüllt. Jeder - wirklich jeder weiß, dass sie es ist.
Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen nicht mit Rechtsextremen sympathisieren oder zu ihnen werden. Außerdem müssen alle, jeder Einzelne und jede Einzelne, sich mit Rassismus auseinandersetzen.
Die Anti-Rassismus-Expertin Tupoka Ogette beschreibt den Zustand, bei dem Teile der Mehrheitsgesellschaft nicht verstehen, dass wir ein Problem mit Rassismus haben, als „Happyland“. Sie sagt, dass man da rausgeholt werden müsse und erst beginne zu verstehen, wenn man anfange, zuzuhören und sich damit auseinanderzusetzen. Ich stimme ihr zu: Wir müssen in unserer Gesellschaft ein ernsthaftes Gespräch führen und festhalten, dass es Rassismus gibt. Wir müssen aufhören, Rechtsextremismus und Rassismus als Synonyme zu verwenden. Es gibt die Springerstiefel-Nazis, aber auch den rassistischen Kollegen oder die rassistische Tante. Das zeigen uns die Mitte-Studien aus Leipzig immer und immer wieder.
Wir als Politik und Gesellschaft können dagegen etwas tun: Bildung, Aufklärung, Dagegenhalten und es Menschen zutrauen, dass sie bereit sind, sich weiterzuentwickeln. Nicht immer gleich von Überforderung sprechen. Wir schaffen es als Gesellschaft, hochkomplexe Diskussionen über den Klimawandel oder über ein Virus zu führen, aber Herbert, 58 Jahre alt, trauen wir nicht zu, dass er sich mit dem Ursprung rassistischer Sprache auseinandersetzen kann. Warum? Was ist falsch daran, dass wir uns auf ein Grundgesetz und eine Menschenrechtscharta geeinigt haben, die uns zusichern, diskriminierungsfrei zu leben?
Ein weiterer Punkt, den ich gerade jetzt gern hervorheben möchte, ist: In unserem Antrag fordern wir gemeinsam mit dem Landesbeauftragten für politische Bildung, ein landesweites Projekt und Unterrichtsmaterial zur Aufklärung über Verschwörungsideologien zu entwickeln. Katharina Nocun und Pia Lamberty klären in ihrem neuen Buch „Fake Facts“ zu Verschwörungserzählungen oder Mythen auf. Sie sprechen bewusst nicht von „Verschwörungstheorien“, weil der Begriff aufwertet, was sie nicht sind: belegbare Theorien. Man kann sich darüber lustig machen, dass Leute auf sie hereinfallen, das ist aber zu kurz gedacht. Warum tun sie das, was ist die Erklärung dafür, und was ist politisch geboten, um dem Einhalt zu bieten? - Darauf geben sie Antworten.
Zum Schluss: So oft mich der Mut verlässt, so froh bin ich darüber, dass wir hier heute am 8. Mai in Schleswig-Holstein ein solches Maßnahmenpaket beschließen, das neben den vorhin genannten Punk
ten noch viele weitere vorsieht: die Verschärfung des Waffenrechts, Hass im Netz entgegenzutreten, Demokratiebildung zu fördern, einen Pakt für Demokratie mit dem Landtagspräsidenten und gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren zu schaffen, plurale Gesellschaft und Migrantinnen- und Migrantenselbstorganisationen zu fördern, Unterstützung und Einbindung in anti-rassistische Konzepte, Opfer rechtsextrem und rassistisch motivierter Gewalt zu unterstützen und rechtsextremistische Gewalt und Strukturen zu bekämpfen.
Damit ist nicht alles getan, aber es ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Deswegen danke ich Ihnen allen hier im Haus, dass wir diesen gemeinsamen Antrag heute auf den Weg gebracht haben. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unseren Antrag - das hatte vorhin ein Kollege schon gesagt - hatten wir eigentlich für das März-Plenum geplant. Es ist aber natürlich viel besser, sich am heutigen Tag, am 8. Mai 2020, also 75 Jahre nach der endgültigen Niederwerfung des Terrorregimes der Nationalsozialisten, mit dem Thema Demokratie und den Gefahren zu befassen, die von Rassismus, Rechtsextremismus und Terror ausgehen.
Es lohnt sich, heute einmal einen Blick zurück zu werfen: Wie war es möglich, dass aus dem Land der Dichter und Denker eine auf der Welt einzigartige Terrorherrschaft hervorgegangen ist, die zunächst die eigene Bevölkerung unterdrückte, missliebige Menschen verfolgte, drangsalierte, einsperrte, folterte und ermordete, und dann die ganze Welt mit einem unvergleichlichen, brutalen und menschenverachtenden Vernichtungskrieg überzog? Wie war das möglich? Was waren die Ursachen dafür, dass die deutsche Zivilgesellschaft derart verrohte, dass sie ein solches Schreckensregime ermöglichte?
Mit diesen Fragen beschäftigen sich seit 75 Jahren die Historiker. Es ist in der Tat kaum zu verstehen, wie Menschen, die wir selber als Großeltern und Eltern kennen und lieben gelernt haben, so einen
Gleichzeitig habe ich mich - und vielleicht andere auch - gerade als junger Mensch immer wieder gefragt, wie ich mich wohl selbst in den 20-er und 30er Jahren verhalten hätte. Hätte ich mich auch radikalisieren lassen? Hätte ich mich unterdrücken lassen? Wäre ich ein Mitläufer geworden wie so viele Menschen in Deutschland, die mit ihrer Passivität die Naziherrschaft erst möglich gemacht und damit unterstützt haben, weil sie Angst hatten, weil sie unbehelligt leben, ja meistens schlicht überleben wollten? Oder hätte ich den Mut aufgebracht, aufzustehen und dem Faschismus in Deutschland, dem Staatsterror der Nazis, die Stirn zu bieten und Widerstand zu leisten? - Gewünscht haben sich viele Menschen, dass sie zu denen gehören, die Widerstand geleistet hätten. Aber sicher kann sich keiner von uns sein, dass sie oder er zu diesen Helden gehört hätte.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir wachsam sind und Entwicklungen, die unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat und unsere freiheitliche Gesellschaft bedrohen, frühzeitig erkennen. Extremismus, Rassismus und Terror müssen im Keim erstickt werden. Wir dürfen solche Entwicklungen nicht groß werden lassen, denn dann mag uns erneut der Mut fehlen, uns zur Wehr zu setzen und Widerstand zu leisten.
Wenn wir uns den rassistischen Terroranschlag in Hanau in Erinnerung rufen, die feigen Anschläge auf jüdische Einrichtungen unter anderem in Halle, die Ermordung Walter Lübkes, die düsteren Machenschaften des sogenannten NSU oder auch die Angriffe auf Journalisten, müssen wir uns eines bewusstmachen: Es ist das Ziel derjenigen, die diese Anschläge verüben, uns zu verunsichern und einzuschüchtern.
Noch sind diese Terroristen und Extremisten eine kleine Minderheit, aber es ist jetzt an der Zeit, Zivilcourage zu zeigen, um diesen Feinden unserer Demokratie die Grenzen aufzuzeigen.
Lassen wir uns nicht von Menschen einschüchtern, die Hass verbreiten wollen, die ihre Mitmenschen ermorden und unsere Gesellschaft umstürzen wollen! 75 Jahre Frieden auf deutschem Boden, 71 Jahre Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutsch
land: Dafür lohnt es sich einzutreten. Deshalb freut es mich, dass wir gemeinsam diesen Antrag gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Terror und für Demokratie hier und heute in den Landtag eingebracht haben. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Einer „Polarisierung in Politik und Gesellschaft“ kann „nur wirksam begegnet werden …, indem man sich gemeinsam und in glaubhafter Form gegen extremistische Strömungen rechter, linker und konfessioneller Art“ gleichermaßen „einsetzt“.
So steht es in unserem Alternativantrag, und wir tun das. Ihr Antrag tut das nicht. Dieser ist kurz nach dem Amoklauf eines rassistischen Irren in Hanau entstanden. Hanau bildet auch heute einen Teil Ihrer Argumentation. Reden wir also darüber!
Zum Amoklauf in Hanau vom 19. Februar 2020 mit insgesamt zehn Opfern, die von einem offenkundig rassistisch motivierten und geistesgestörten Täter ermordet wurden, haben auch wir uns klar positioniert. Wir haben uns ebenso klar gegen die Instrumentalisierung der Tat und der Opfer gestellt, die sofort danach einsetzte und von Parteien, deren Fraktionen auch in diesem Haus vertreten sind, vor allem gegen die AfD-Fraktion gewendet war.
- Es ist exakt das, was passiert ist. - Kürzlich war es dann aber doch ein Vorabbericht des Bundeskriminalamtes, der genau das bestätigte, was ebenfalls durch Sicherheitsbehörden schon am Tag nach der Tat festgestellt wurde und zeitgleich auch hier im Landtag bekannt wurde: Einzeltäter, keine Kontakte in rechtsextreme Netzwerke, offenbar geistesgestört, gefährlich, ein seit vielen Jahren gestörtes, rassistisches und fremdenfeindliches Weltbild, ohne politische Beeinflussung und vieles an irrem und gefährlichem Zeugs mehr.