Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn auszugsweise aus einem Antrag zitieren, der am 4. März 2020 in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Titel: „Humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Asylsuchende aus Griechenland“. Darin heißt es: Die Bundesregierung wird aufgefordert,
„im Rahmen eines bundesweiten RelocationProgramms ein Kontingent von 5.000 besonders schutzbedürftigen Menschen … - beispielsweise unbegleitete Kinder, Schwangere, alleinreisende Frauen, Alleinerziehende und schwer Traumatisierte - aus den Hotspots der griechischen Ägais-Inseln durch Selbsteintritt gemäß Artikel 17 der Dublin-III-Verordnung … aufzunehmen und die Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.“
Antragsteller war die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag. Dagegen gestimmt haben natürlich wir, aber auch die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD.
Zur Vollständigkeit gehört allerdings auch, dass in dem Antrag noch einige andere Punkte enthalten waren, die Deutschland in einer europäischen Migrationskrise - um die geht es hier in der Tat - eine recht einsame Rolle in Europa aufgedrängt hätte, mit allen Folgen und Kosten, die wir aus der Migration bereits kennen und die wir nicht wollen.
Die SPD im Bund möchte also eine europäische Lösung und eben keinen Alleingang Deutschlands. Das jedoch hindert die SPD-Fraktion in SchleswigHolstein keineswegs daran, wenigstens in unserem Land doch noch einmal den Versuch einer politischen Profilrettung zu wagen. Die Chancen hier stehen ja auch gar nicht so schlecht, denn hier gibt es ja die merkelsche CDU unter einem Ministerpräsidenten Daniel Günther, die in Fragen der Migrationspolitik doch sehr nah bei den Grünen steht.
Der Antrag der SPD suggeriert, dass Griechenland nicht in der Lage sei, dort aufgenommene Migranten ordentlich zu betreuen. Das zeugt zwar von ei
In der Tat kann Griechenland unsere Hilfe wirklich gut gebrauchen, gerade angesichts der Herausforderungen durch die Coronakrise. Zügige und umfassende Hilfe vor Ort auf den griechischen Inseln ist der beste Weg, die Situation dort schnell und wirkungsvoll zu verbessern, und genau das geschieht auch schon. So ist der EU-Katastrophenmechanismus auf Bitten Athens hin aktiviert worden. Über diesen Weg können Unterkünfte, medizinische Teams und erforderliche Ausrüstung nach Griechenland entsandt werden. Auch die Koordinierung der Bereitstellung von Schutzmaterial wird so gewährleistet. Zusätzlich hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Griechenland 700 Millionen € als Soforthilfe zur Verbesserung der Betreuungssituation von Migranten zugesagt. Ich hoffe, dass diese Hilfe schnell geschieht.
Die griechische Regierung selbst hat damit begonnen, ältere und kranke Migranten von der Insel Lesbos aufs Festland zu verlegen, um den Ausbruch einer Coronapandemie abzuwenden. Das zeigt, dass Griechenland zusammen mit bestehenden Schutzprogrammen der Europäischen Union sehr wohl in der Lage sein kann, diese prekäre Situation zu bewältigen. Dabei wollen wir gern helfen, und das tun wir als potenter Zahler in der Europäischen Union bereits.
Der Großteil der Menschen, die sich als Asyl- und Schutzsuchende aktuell in griechischen Einrichtungen befinden, stammt aus Afghanistan, dem Irak oder den Maghreb-Staaten. Ein kleinerer Teil stammt aus Syrien. Im Ergebnis - auch das gehört zur Wahrheit - wären in Deutschland kaum positiv zu entscheidende Asylverfahren zu erwarten. Folgte man also dem Antrag, würde man Menschen nach Schleswig-Holstein holen, ihnen die Hoffnung auf einen dauerhaften Aufenthalt hier geben, um sie dann letztlich und konsequenterweise irgendwann in das Rückführungsmanagement überführen zu müssen. Gut, wir wissen, hierzulande gilt: Alle bleiben hier. Das wird eindrucksvoll mit der steigenden Anzahl von ausreisepflichtigen Ausländern und zugleich sinkenden Abschiebezahlen unterstrichen. - Frau Innenministerin, die Fußstapfen Ihres Vorgängers waren da nicht allzu groß. Also nur Mut, bei Abschiebungen ist noch Luft nach oben.
darauf gerichtet, dass tägliche Ansteigen der Coronainfektionen zu verlangsamen und unsere Bürger zu schützen. Wir haben dafür unsere Grenzen geschlossen und das soziale Leben nahezu heruntergefahren. Das haben wir zum Wohle und zum Schutze aller geduldig in Kauf genommen. Aber immer mehr Menschen sind unzufrieden und hinterfragen Sinn und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Immerhin sind Grundrechte der Menschen stark eingeschränkt worden, und diese Einschränkungen werden zunehmend auf den Prüfstand gestellt.
Die Auswirkungen der Coronakrise haben unser Land in eine noch nie da gewesene Ausnahmesituation gebracht. Unternehmen stehen vor dem wirtschaftlichen Ruin oder sind bereits insolvent. Viele Bürger sorgen sich um ihren Arbeitsplatz und befürchten zu Recht eine Rezession. Die Verschuldung der privaten Haushalte wird zunehmen. In dieser Situation weitere Migration voranzutreiben, die letztlich wieder eine Zuwanderung über das Asylrecht bedeutet, ist aus unserer Sicht unverantwortlich. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! - Wenn Sie Bilder von den Aufnahmelagern in Griechenland sehen, fragen Sie sich vielleicht auch, wann es dort zu Massenerkrankung kommt: katastrophale Hygienezustände und keine Möglichkeit, Abstand zu halten. Wie soll das auch gehen, wenn Sie mit mehreren Personen in einem Zelt leben, wenn Sie immer anstehen müssen, um auf die Toilette zu gehen, wenn sich über 1.000 Menschen einen Wasserhahn teilen?
Moria ist nicht erst seit gestern ein hoffnungslos überfülltes Auffanglager. Das war schon so, bevor Erdogan seine Grenzöffnung verkündete und auch schon vor Corona. Knapp 37.000 Geflüchtete leben auf den Ägäischen Inseln in Camps, die eigentlich nur etwas mehr als 6.000 Menschen beherbergen dürfen. In Moria allein halten sich derzeit über 19.000 Menschen auf, mehr als sechsmal so viele wie geplant, und das mit allen Begleiterscheinungen.
Aus Angst vor einem Ausbruch von Corona werden seit ein paar Tagen besonders Gefährdete auf das Festland gebracht, wo sie auf kleinere Unterkünfte verteilt werden. Die griechischen Behörden verfol
gen außerdem die Strategie, die Flüchtlingslager streng abzuriegeln und Neuankömmlinge nicht aufzunehmen. Sie campieren außerhalb in sogenannter Quarantäne im Freien. Wie in so vielen anderen Bereichen auch verschärft Corona eben das, was vorher schon schlecht war, und das ist kein griechisches Problem.
Es ist schon lange nicht mehr in Ordnung, was an den Außengrenzen der Europäischen Union geschieht. 2012 hat die EU den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte erhalten. Wie viel lässt sich von diesen Werten noch in den Auffanglagern für Geflüchtete erkennen? Was ist mit dem gemeinsamen Einstehen für Menschenrechte?
Schleswig-Holstein hatte in diesem Jahr unabhängig von einer nationalen Gesamtaufnahmeentscheidung verkündet, Minderjährige aus den Lagern aufnehmen zu wollen. Wir als Fraktion stehen dahinter. Auch unser SSW in Flensburg hat vor Kurzem erst wieder einen Antrag eingebracht, unverzüglich Geflüchtete von den griechischen Inseln aufzunehmen und vor Ort bei allen vernünftigen Parteien Unterstützung gefunden. Es ist wirklich schwer zu vermitteln, warum daraus nichts wird. In Flensburg gibt es - wie im ganzen Land - ungenutzte Unterkünfte. Es ist schon lange an der Zeit, Griechenland zu entlasten. Bei allem, was uns sonst noch beschäftigt, und bei dem Ausnahmezustand, in dem wir uns momentan befinden, dürfen wir jetzt die Schwächsten nicht vergessen. Wir müssen jetzt, wo wir nur können Druck machen, damit die Menschen zügig in andere Länder kommen. Wenn es sein muss - weil wir in einem Land leben, das es sich leisten kann -, müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen.
Das können nicht nur unbegleitete Kinder und Jugendliche sein. Das müssen mittlerweile auch ganz dringend die Menschen sein, die auch bei uns als Risikogruppe gelten: alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen. Diese haben natürlich Familien, von denen sie jetzt nicht getrennt werden dürfen. Das ist nicht anders als bei unseren Mitbürgern hier in Deutschland. Es kann jetzt nicht mehr um 30 Minderjährige gehen, es muss um die Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln und die Verteilung auf die EU-Länder gehen, so wie es Ärzte ohne Grenzen fordert. Ansonsten lassen wir sehenden Auges zu, wie sich auf den griechischen Inseln am Rand der EU eine humanitäre Katastrophe ereignet. Ich gebe dem Kollegen Hamerich recht: Wenn das nicht normal geht, dann müssen wir auf EU-Ebene Entscheidungen herbeiführen, die auch
Natürlich wünschen wir uns, dass sich die EU an ihre Werte erinnert und morgen sofort zu einem gemeinsamen Vorgehen kommt, das es nicht länger zulässt, geflüchtete Menschen in Lagern unter intolerablen Zuständen über Monate ausharren zu lassen. Hierfür müssen wir alle stets weiter werben und ein gutes Beispiel dafür geben, dass es gehen kann. Die Zivilgesellschaft steht hinter uns, da bin ich mir wirklich sicher. Nicht ohne Grund begegnen wir alle in den sozialen Medien immer wieder der Kampagne „Leave no one behind“, denn allen ist klar: Es geht jetzt darum, Menschenleben zu retten. Darum geht es, es geht um Menschenleben, um nichts anderes, und das darf natürlich nicht an Bürokratie scheitern.
Meine Damen und Herren und insbesondere Herr Schaffer, das darf auch nicht daran scheitern, dass wir jetzt vielleicht - was die wirtschaftliche Lage angeht - in einer schlechteren Situation sind. Daran darf Menschlichkeit nicht scheitern. Daran darf nicht scheitern zu verhindern, dass auch nur ein einziges Menschenleben aufs Spiel gesetzt wird. Das ist nicht unsere Auffassung. Ich glaube, das ist bei keinem von uns von den demokratischen Parteien die Auffassung, sondern jedes Menschenleben ist gleich viel wert. Ich bin fest davon überzeugt: Unsere Lage hier in Deutschland ist auch nach Corona immer noch so fantastisch gut, dass wir vielen Menschen auf dieser Erde helfen können, und das sollten wir auch tun.
Für die Landesregierung hat die Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung und auch mich persönlich bedrückt die große Not der Minderjährigen in den Flüchtlingscamps auf einigen griechischen Inseln sehr. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt für europäische Solidarität. Wie es anders gehen könnte, hat uns soeben Herr Rossa dargelegt. Die erbärmliche Situation in den Flüchtlingscamps würde sich bei einem Coronaausbruch noch weiter ver
Die Landesregierung hat schon sehr frühzeitig, am 13. Februar dieses Jahres, Herrn Bundesinnenminister Horst Seehofer schriftlich gebeten, Minderjährige aus Griechenland aufzunehmen. Mit dem Schreiben haben wir zum Ausdruck gebracht, dass wir hier erneut beispielgebend vorangehen wollen. Wir sind ein starkes Land und haben eine humanitäre Verantwortung. Deswegen haben wir angeboten, 25 bis 30 der jungen Flüchtlinge von der griechischen Insel Lesbos bei uns aufzunehmen. Ausdrücklich baten wir den Bund um Unterstützung unserer Initiative. Damit sind wir eines von nur acht Bundesländern, die sich ihrer Verantwortung so engagiert stellen und auf Hilfe für Flüchtlinge drängen.
Die ersten 47 jugendlichen Flüchtlinge sind aus Griechenland am Sonnabend, dem 18. April 2020, angekommen. Diese wurden in einer Jugendhilfeeinrichtung in Niedersachsen in Quarantäne genommen. Selbstverständlich hat Schleswig-Holstein in der letzten Woche dem Bundesinnenminister auf Nachfrage bestätigt: Ja, wir stehen zu unserem Wort. - Drei Minderjährige sollen nun nach Auskunft des Bundesinnenministeriums auch nach Schleswig-Holstein kommen. Sie haben Verwandte hier bei uns.
Dies ist ein gemeinsames Anliegen von Minister Garg und mir, denn bei diesen Verteilentscheidungen geht es nicht um Eitelkeiten und politische Belange. Das entscheidende Kriterium ist das des Kindeswohls. Dabei wird es bleiben, wenn Ende Mai weitere Minderjährige nach Deutschland kommen. Es werden wahrscheinlich 350 junge Menschen werden.
Die Aufnahme dieser Kinder und Jugendlichen in Schleswig-Holstein findet nicht in unseren Landesunterkünften für Flüchtlinge statt. Sie wird über die Jugendämter organisiert. Die Zusammenarbeit hierzu mit dem Sozialministerium ist absolut eng und vertrauensvoll.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich begreife deswegen diese Initiative aus diesem Hause als willkommene Unterstützung unserer humanen und integrationsorientierten Flüchtlingspolitik. In der Vergangenheit hat auch die Bundesregierung wiederholt erfahren, dass Schleswig-Holstein ein zuverlässiger Partner bei der Flüchtlingsaufnahme ist. Beispielhaft ist hier auch die Bewegung der sicheren Häfen in unserem Bundesland zu nennen. Mit unseren Erfahrungen werden wir uns natürlich auch in
Lassen Sie mich zum Schluss an dieser Stelle noch ganz persönlich sagen: Schleswig-Holstein hat in den vergangenen Jahren parteiübergreifend eine beispielhafte Integrationspolitik gemacht. Dieser schleswig-holsteinischen Tradition der großen Mehrheit dieses Landtags, der Jamaika-Koalition und meines Vorgängers Hans-Joachim Grote fühle ich mich verpflichtet. Bei der Aufnahme und der Integration von Flüchtlingen ist mir dieser breite gesellschaftliche Konsens wichtig. - Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, in der Sache abzustimmen. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/2133, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der SPD und des SSW. Wer stimmt dagegen? - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/2166. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW, die Fraktionen von FDP und CDU. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion der AfD. Damit ist dieser Antrag mit großer Mehrheit angenommen.
Es ist vereinbart worden, die Reden zu Protokoll zu geben. - Ich gehe auch hier davon aus, dass wir eine Abstimmung in der Sache durchführen. Ich lasse über den Antrag in der Sache abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist einstimmig so beschlossen.
- Oh, Entschuldigung, das war zu schnell. Gegenstimmen? - Bei Gegenstimmen der Abgeordneten des SSW ist das mit großer Mehrheit beschlossen.