Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung schul- und hochschulrechtlicher Vorschriften, des Lehrkräftebildungsgesetzes, des Pflegeberufekammergesetzes, des Heilberufekammergesetzes, diverser Sozialgesetze, des KiTa-Reformgesetzes, des Kindertagesstättengesetzes, des Kindertagesförderungsgesetzes sowie des Finanzausgleichgesetzes aufgrund der Coronapandemie
Vielen Dank. - Ich kann mitteilen, dass der Bildungsausschuss als federführender Ausschuss einstimmig für die genannte Vorlage gestimmt hat. Der Ausschuss empfiehlt dem Landtag die Annahme des sogenannten Coronagesetzes mit den beschlossenen Änderungen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen zum Bericht sehe ich nicht. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Ich lasse über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 19/2122, in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung, Drucksache 19/2164, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit ist der Gesetzentwurf in der Fassung der Drucksache 19/2164 einstimmig angenommen.
Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2078 (neu)
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin und gleich Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei den Anschlägen in der hessischen Stadt Hanau wurden
am 19. Februar 2020 zehn Personen ermordet. In und vor zwei Shisha-Bars und auf der Fahrt zwischen beiden Orten erschoss der Täter neun Opfer. Später wurden er und seine Mutter in der Wohnung seiner Eltern tot aufgefunden. Der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen, da gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund vorlagen.
Der Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019 war der Versuch eines Massenmordes an Juden am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. Der Täter versuchte, in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen, um die dort versammelten Menschen zu töten. Nachdem ihm dies auch mit Waffengewalt nicht gelungen war, erschoss er vor dem Gebäude eine Passantin und kurz darauf den Gast eines Döner-Imbisses. Auf seiner Flucht verletzte er zwei Personen durch Schüsse und wurde schließlich von zwei Streifenbeamten festgenommen. Datum, Ziel und die antisemitischen Hintergründe der Tat hatte er zuvor im Internet bekanntgegeben. Die Tat übertrug er per Helmkamera als Lifestream.
Der Mordfall Walter Lübcke ereignete sich am 2. Juni 2019 in Istha bei Kassel. Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke - Mitglied der CDU - wurde vor seinem Wohnhaus mit einem Pistolenschuss in den Kopf aus nächster Nähe getötet. Als Motiv nannte der Täter Äußerungen Lübckes während der Flüchtlingskrise 2015. Lübcke hatte sich damals für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt und war der Hetze der Kagida - des Kasseler Ablegers der islamfeindlichen und rassistischen Pegida - bei einer Bürgerversammlung im Oktober 2015 öffentlich entgegengetreten.
In unserer Gesellschaft gibt es eine Bewegung, die die Stimmung aufheizt und Terror befördert. Diese Stimmung wird von Pegida - und ich sage ausdrücklich auch: von der AfD und anderen - massiv verursacht. Und ja: Diese Bewegung ist rechtspopulistisch und rechtsextrem,
teilweise ist sie sogar nationalsozialistisch. Gegen diese Bewegung müssen wir uns als Demokraten mit aller Kraft stellen, auch hier in diesem Parlament.
Unser Antrag reiht sich in viele Maßnahmen und Anträge ein, die wir in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht haben. Einige Beispiele: Wir treten rechtsextremen Vereinsgründungen entschlossen entgegen. Wir unterstützen die Deradikalisierung mit Projekten in den Justizvollzugsanstalten. Wir haben bei der Generalstaatsanwaltschaft eine Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus eingerichtet. Wir haben die Ausrüstung unserer Landespolizei für die Terrorabwehr angepasst. Wir haben flächendeckende Beratung der Opfer rechtsextremer Angriffe eingerichtet. Wir haben viel dafür getan, dass diese Herausforderung in Angriff genommen wird. Wir sind in dieser Frage tätig.
Ich glaube allerdings, dass neben der direkten Abwehr - das machen wir auch im Antrag deutlich gerade das Thema Demokratiebildung ein Schlüssel ist, um in unserer Gesellschaft Entwicklungen in Richtung Rechtspopulismus und Rechtsextremismus entgegenzutreten. Der Besuch einer Gedenkstätte oder das Treffen von Zeitzeugen führt zu einer intensiven, authentischen und nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht. „Jugend im Landtag“ hier im Haus, „Model United Nations“ oder die Mitarbeit in einer Schülervertretung machen Demokratie erlebbar und können für diese Prozesse begeistern. Das ist übrigens nicht nur ein Thema - das sage ich sehr bewusst - für Kinder und Jugendliche, sondern ein Thema für alle Altersgruppen. Auch darum müssen wir uns intensiv kümmern.
Es kann keinen besserer Tag als heute geben, um ein deutliches Signal gegen diese Tendenzen in unserer Gesellschaft zu setzen. Der 8. Mai mahnt uns - der Landtagspräsident hat es am Beginn dieses Tages gesagt -, dass wir als Demokratie wehrhaft sein und den Frieden gemeinsam verteidigen müssen. Deshalb möchte ich, mit Erlaubnis des Präsidenten, mit einem Zitat des Bundespräsidenten Richard von Weizäcker aus seiner bewegenden Rede vom 8. Mai 1985 schließen:
„Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.
Lassen Sie auch uns als demokratisch gewählte Politiker dies immer wieder beherzigen und ein Beispiel geben.
Ehren wir die Freiheit. Arbeiten wir für den Frieden. Halten wir uns an das Recht. Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit. Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge.“
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Heute vor 75 Jahren endete für die Menschen in Europa der Zweite Weltkrieg. Die demokratischen Fraktionen haben hierzu eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Sie haben sich dazu bekannt, dass der 8. Mai kein Schlusspunkt ist - auf dass dieser Tag den Zweiten Weltkrieg und Nationalsozialismus nicht allein zum Gegenstand historischer Forschung macht, sondern mit diesem Datum auch über die Generationen hinweg Herausforderungen für unsere gesamte Gesellschaft verbunden sind.
Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Weimar. Mit gut 14 Jahren dauerte die Weimarer Republik so lange wie die Regierungszeit des ersten Bundeskanzlers. Aber das hohe Maß an politischer Stabilität im gesellschaftlichen Grundkonsens, auf das viele Menschen im Ausland mit unkritischer Bewunderung schauen, ist eben nicht in Stein gemeißelt, es ist auch immer wieder von neuen gesellschaftlichen Widersprüchen geprägt.
Die Geschichte der Bundesrepublik ist eine Geschichte innerer Konflikte und Proteste. Viele von Ihnen haben die Entwicklung dieses Landes maßgeblich beeinflusst. Was zunächst randständiger Protest war, hat sich irgendwann als Mainstream durchgesetzt, zum Beispiel die Anti-AKW-Bewegung.
Es hat aber auch immer einen nationalistischen, rechtsextremen Bodensatz gegeben. Nach zwölf Jahren NS-Herrschaft war dies nicht anders zu erwarten. Mit Kriegsende verschwanden nicht diejenigen, die in diesem System sozialisiert worden waren und es bis zum Schluss getragen hatten.
Zwei Generationen nach Kriegsende manifestiert sich der Rechtsextremismus nur noch in Ausnahmefällen als Neuauflage oder Kopie des klassischen Nationalsozialismus. Das macht das Ganze aber nicht minder gefährlich. Die neuen Nazis haben gelernt, getrennt zu marschieren und getrennt zuzuschlagen, nach dem Motto: „Man wird doch noch sagen dürfen...!“, wird der Boden beackert, auf dem andere säen.
„Die wollen keine Demokratie. Ich weiß nicht, was werden soll, wenn es noch mehr werden, die so eine menschenverachtende Ideologie haben. Ich weiß nur, was ich gesehen habe. Und ich weiß, was dann kommen wird.“
Nicht jedes Mitglied und nicht jeder Wähler der AfD zum Beispiel ist ein Nazi. Aber: Jeder, der diese Partei wählt oder gar in ihr mitarbeitet, reißt Schranken ein, die in unserem Land über Jahrzehnte hinweg Bestand hatten. Es gibt heute ein fließendes Kontinuum, das von AfD über den „Flügel“ der ja nicht verschwunden ist, sondern seine Kontrolle über die Gesamtpartei gerade ausweitet -, über die NPD, die Rechte, die Neue Rechte, Kubitschek und sein sogenanntes Institut für Staatspolitik bis hin zu individuellen und organisierten Terroristen reicht, die infolge des NSU bei uns gemordet haben.
Die Koalition hat ein umfangreiches Paket vorgelegt, das an den richtigen Schwerpunkten - nämlich Bildung, Aktivierung der Zivilgesellschaft und Wachsamkeit - ansetzt.
Der weit überwiegende Teil schließt an das an, was wir als Sozialdemokraten vor einigen Jahren schon als Konsequenz auf die Verbrechen des NSU gemeinsam mit SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf den Weg gebracht haben. Sie haben sich bewährt. Der Ausbau der Beratung, Prävention, das erste eigene westdeutsche Landesprogramm gegen Rechtsextremismus - wo die CDU damals noch am Sinn und Zweck gezweifelt hat, begrüßt sie heute die erfolgreiche Arbeit und Umsetzung der Programme. Ich nehme das sehr wohlwollend zur Kenntnis; das finde ich gut, da haben Sie etwas gelernt.
Rassismus und Menschenfeindlichkeit entstehen nämlich nicht am Rand, sondern mitten unter uns. Deswegen gibt es auch nicht den einen Extremismus. Die größte Gefahr geht von rechts aus, und