„Es haben auch nicht alle Ansätze den erhofften Zuspruch in Form einer großen Beteiligung durch die Gremien und die Öffentlichkeit gefunden.
In den letzten Wochen und Monaten sind zunehmend unterschiedliche Vorstellungen über die Inhalte und Methoden zwischen den Vertragspartnern aufgetreten.“
„Da das Zukunftslabor nicht mit dem Auftragsnehmer gleichzusetzen ist, prüft die Landesregierung gegenwärtig die Fortführung des Zukunftslabors mit neuer wissenschaftlicher Unterstützung.“
„Die Frage der Anpassung der sozialen Sicherungssysteme an den Arbeitsmarkt von morgen, der maßgeblich durch Demografie und Digitalisierung beeinflusst werden wird,
Der coronabedingte Shutdown begann Mitte März. Corona ist die zentrale sozial- und arbeitsmarktpolitische Herausforderung für die nächsten Jahre, und für diese Erkenntnis braucht es doch kein Zukunftslabor, zumindest nicht auf unserer Seite.
Die Auswirkungen der Coronakrise treffen die deutsche Wirtschaft in ihrer gesamten Breite: Mehr als 90 % der Unternehmen spüren bereits jetzt negative Auswirkungen auf ihre Geschäfte. Die Zahl der Arbeitslosen und insbesondere der Kurzarbeiter steigt erheblich an - mit entsprechenden Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme. Zudem trifft die Coronapandemie Menschen mit niedrigem Einkommen härter als Besserverdienende. Wirtschaftliche Krisen treffen immer zuerst die Einkommensschwachen. Das gilt für prekär Beschäftigte und Leiharbeiter ebenso wie für Soloselbstständige.
Aber auch Alleinerziehende, ältere Menschen, Menschen mit Einschränkungen und viele andere mehr sind es, die ganz erheblich von den sozialund arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der Coronakrise für die nächsten Wochen und Jahre betroffen sind. Diese Menschen müssen wir mitnehmen und ihnen Lösungen anbieten, und die warten sicher nicht auf ein Zukunftslabor der Landesregierung.
Ein Zukunftslabor, dass nichts Zukunftsträchtiges entwickelt, sollte hier auch keine Zukunft haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Zukunftslabor haben wir hier mehrfach diskutiert. Für den SSW war und bleibt dabei klar, dass wir ein großes Interesse an den Themen Bürgergeld, Grundeinkommen und Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme haben. Die Frage, wie wir den zukünftigen Herausforderungen durch Digitalisierung und demografischem Wandel begegnen, ist extrem wichtig. Deshalb bringen wir uns selbstverständlich konstruktiv in die Debatte ein, so zum Beispiel 2017, als auf unseren
Antrag hin auch die Sozialverbände an der Arbeit des Labors beteiligt wurden, und in der letzten Debatte zur Abschaffung dieses Gremiums, in der wir mit unserem Antrag auf einen schriftlichen Bericht zu einer sauberen Datengrundlage beitragen wollten. - Vielen Dank deshalb für den guten und analytisch sauberen Bericht.
Die Grundlage liegt heute vor, zumindest theoretisch. Leider scheint es auch nach mehrjähriger Arbeit nicht möglich gewesen zu sein, auch nur eine konkrete Bewertung oder gar Empfehlung abzugeben. Eine klare Vorgabe war zum Beispiel, bestehende Modelle wie etwa in Finnland oder Italien genauer zu analysieren. Das ist sinnvoll, denn aus den dortigen Erfolgen oder Fehlern lässt sich viel lernen.
Die Finnen haben gerade festgestellt, dass ihr Modell, das kein bedingungsloses Grundeinkommen war, nicht von Erfolg gekrönt war. Zumindest ist die dortige Erkenntnis, dass eine für zwei Jahre bedingungslose Sozialhilfe plus möglicher Zuschuss zur Selbständigkeit keinen messbaren positiven Effekt in Bezug auf Arbeitsaufnahme gehabt hat. Wir können zumindest feststellen, dass das dort so gewesen ist. So etwas kann man durchaus in die eigenen Überlegungen einbeziehen.
Der Bericht enthält noch keine konkreten Schlussfolgerungen. Ich glaube, dass das auch nicht leicht ist, obwohl immer wieder Zwischenergebnisse aus den Projekten anderer Länder vorliegen, auf die man zurückgreifen könnte.
Im Bericht wird ehrlich formuliert, dass sich die Landesregierung und das beauftragte Forschungsinstitut überworfen haben, und ich glaube, nicht nur die Landesregierung, sondern auch Beteiligte, die sich das angesehen haben, haben es für immer schwieriger angesehen, welche Zielsetzung das Institut hatte und welche Zielsetzung man politisch verfolgt hat und meinte, dass dieser Auftrag erfüllt werden müsste. Wenn es mitten im Prozess unterschiedliche Vorstellungen über die „Inhalte und Methoden der wissenschaftlichen Koordinierung des Projekts“ gab, lässt das schon tief blicken, und dann ist wohl auch klar, welchen eigentlichen Grund es dafür gibt, dass noch keine konkreten Ergebnisse vorliegen.
Wenn wir dann noch auf die Tatsache schauen, dass wir hier und heute mit leeren Händen dastehen und an die verwendeten Haushaltsmittel denken, ist die Geschichte mehr als ärgerlich. Wir haben schon in der letzten Debatte zur Abschaffung des Zukunftslabors durchaus Verständnis für die Haltung der
SPD geäußert. Natürlich trägt auch dieser Bericht nicht viel dazu bei, an diesem Format festhalten zu wollen.
Trotzdem wollen wir es, weil wir es für falsch halten, die Flinte ins Korn zu werfen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wir halten die Aufgabe der sozialen Sicherung in Zeiten eines zunehmend digitalisierten Arbeitsmarkts für unheimlich wichtig und für unaufschiebbar. Diese und andere Trends warten nicht darauf, dass wir uns irgendwann geeignete Antworten zurechtgelegt haben; wir müssen hier und heute gemeinsam nach Wegen suchen, um die Herausforderungen meistern zu können.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es tatsächlich gelingt, zu konkreten Modellen und Schritten zu kommen, die dann auf einer breiten Basis diskutiert werden können. Natürlich braucht man hierfür theoretische Vorüberlegungen, Ländervergleiche oder Literaturstudien, aber irgendwann müssen auch einmal ganz konkrete Fragen diskutiert werden.
Wenn wir beispielsweise das Thema Grundeinkommen nehmen, dann zählt für uns dazu, welche konkreten Modelle denkbar sind und wer zum Beispiel legaler Bürger und damit anspruchsberechtigt ist und wer durchs Raster fällt und gar keine Leistung mehr erhält oder welche Finanzierung denkbar ist und welche Leistungen im Gegenzug gestrichen werden sollen. Wenn Hartz-IV-Leistungen, Wohngeld, Leistungen der Behindertenhilfe, Kindergeld, BAföG und/oder Leistungen der Jugendhilfe gestrichen werden, um ein Grundeinkommen zu finanzieren, kann es durchaus sein, dass ein bisher kollektiv und solidarisch getragenes Risiko auf einmal auf den Einzelnen abgewälzt wird und viele schlechter gestellt werden, vor allem dann, wenn man nicht zu dem Kreis der Anspruchsberechtigten für ein Grundeinkommen gehört.
All das muss vorher genau geklärt sein, um ein Modell in all seinen Auswirkungen bewerten zu können. Mir ist schon klar, dass man nicht jedes Wort eines Koalitionsvertrags auf die Goldwaage legt, aber das mit dieser Idee verbundene erklärte Ziel der Jamaika-Koalition, unser Land fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen und Existenzängsten von Bürgerinnen und Bürgern entgegenzutreten, teilen wir.
Deshalb halten wir es für sinnvoll, wenn wir auch auf Landesebene weiter an der Erreichung dieses Zieles festhalten. Es macht daher Sinn, ein solches Zukunftslabor weiterzuführen. Wir müssen allerdings wirklich einmal konkreter werden und kon
krete Modelle ausarbeiten, die dann konkret mit den Beteiligten diskutiert und bewertet werden können. Das muss das Ziel sein, das wir vielleicht nicht in dieser Wahlperiode erreichen. Wir können aber zumindest einmal damit anfangen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Begeisterung für einen Bericht sieht anders aus, zumal der Minister es geschafft hat, einen Bericht in Rekordzeit zu halten. Man merkt, dass dies eigentlich etwas ist, mit dem man die Zukunft nicht gestalten kann - zumindest nicht mit dem Zukunftslabor. Wenn es doch beim Zukunftslabor darum geht, die berühmten Megatrends - und das hört sich doll an, und man kann damit wahrscheinlich jede „Weltspiegel“-Überschrift bestücken - herauszuarbeiten, will ich einmal auf drei Punkte eingehen.
Gehen wir zunächst einmal vom Gesundheitssystem aus: Die tollen Privatisierer der Bertelsmann Stiftung haben doch tatsächlich noch Anfang des Jahres vorgeschlagen, circa 20 % der Krankenhäuser in Deutschland zu schließen, weil sie überzählig seien. Wäre das umgesetzt worden, wäre es in der Coronakrise die nackte Katastrophe gewesen. Diesen Megatrend, sich neu darüber zu unterhalten, wie das Gesundheitssystem aufgestellt werden soll, brauchen wir in dieser Form nicht.
Der zweite Megatrend ist eben vom Kollegen Lars Harms angesprochen worden. Finnland hat den Versuch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen einmal durchgespielt. Sie sind dort zu dem Ergebnis gekommen: Es schafft nicht mehr Menschen in Arbeit und bringt in dem Sinne nichts. Es führt bei denjenigen, die ein Grundeinkommen bekommen, zu Zufriedenheit.
Den Effekt, den man sich davon versprochen hat, ist gleich null. Ich glaube, dass ein Zukunftslabor, wenn man es auf die Beine stellen sollte, andere Fragen bearbeiten müsste, zum Beispiel die Situation von armen Kindern in der Bundesrepublik Deutschland. Warum kommen wir nicht dazu, dass wir endlich die eigenständige Kindergrundsicherung umsetzen?
Dies wäre notwendig, und nicht, darüber zu fabulieren, warum Kinder arm sind. Es geht darum, ihnen aus der Armut herauszuhelfen.
Dritter Punkt: Warum reden wir über die Armut von alten Menschen? Warum setzen wir nicht die Grundrente um? Gerade jetzt fangen wir schon wieder an, die Grundrente infrage zu stellen, anstatt ganz konkret diese Projekte umzusetzen.
- Ja, das könnten wir doch in Berlin gemeinsam prima umsetzen. Wir sind auf einem anständigen Weg, besser als das Zukunftslabor, wenn man jetzt nicht anfinge, mit finanziellen Haken noch einmal wieder da hineinzugrätschen.
Leider reicht die Zeit nicht, um auch noch auf den Arbeitsmarkt einzugehen. Das ist doch eine Antwort, in einer konkreten Krise zu sagen: nicht 60 % oder 67 % Kurzarbeitergeld, sondern bis zu 90 %. Das sind die Antworten, die wir brauchen, und darüber muss man sich sozialpolitisch einen Kopf machen und nicht über ein Zukunftslabor, das über Megatrends forscht, die am Ende dann so gar nicht infrage stehen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon etwas Besonderes, zu sagen: „Wir wollen überparteilich sein“, und dann wirklich in ziemliche Tiefen abzusteigen. Damit meine ich in diesem Fall den Kollegen Bornhöft. Ich bin deshalb nach vorn gegangen, weil es mich ärgert, dass man einfach Titel von Veranstaltungen vorliest, ohne zu wissen, worum es überhaupt geht, und sich dann lustig zu machen.