Protocol of the Session on May 7, 2020

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

(Werner Kalinka)

Ja, sehr gern.

Liebe Frau Kollegin Bohn, wir hatten die bescheidene Hoffnung, dass es, wenn die Sozialdemokratie an so etwas arbeitet und über ein Jahr lang Kongresse dazu abhält, sinnvoller sein könnte, es zu veröffentlichen und in die Bundespolitik einzubringen, als die Hoffnung zu haben, dass die Jamaika-Koalition dem zum Durchbruch verhilft. Das haben wir nicht angenommen.

- Lieber Herr Kollege Stegner, das passt voll in mein Bild. Es geht gerade nicht um die Sozialdemokratie, es geht gerade nicht um Jamaika, es geht nicht um irgendwelche Parteien, sondern es geht darum, gemeinschaftlich neue Wege zu finden, wie wir die soziale Frage lösen. Genau das steckt hinter dem Zukunftslabor.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Deswegen haben wir uns darauf verständigt, dass alle drei Koalitionspartner ihre Ideen einbringen können. Könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen die Lösung sein? Vielleicht, dazu gibt es noch viele offene Fragen, und es gibt auch Modellversuche. Das steht alles im Bericht, für den wir uns beim Ministerium und beim Minister ganz herzlich bedanken. Oder ist es das Bürgergeld? Da sind wir Grüne sehr kritisch, andere im Parlament halten das für den richtigen Weg. Oder geht es um die Fortentwicklung unserer bestehenden sozialen Sicherungssysteme? Auch das ist eine Möglichkeit. Wir sind uns doch darüber einig, dass es Lücken im System gibt, und die müssen wir füllen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immer nur zu sagen, die SPD macht es so, die CDU macht es so, dadurch bleiben wir immer da, wo wir jetzt gerade sind, und entwickeln uns nicht weiter, kann keine Lösung für die Zukunft sein.

(Zuruf)

Auch ich sage gerne noch etwas zum ISÖ. Das Institut für Sozialökologie hat den Zuschlag bekommen. Es gab ein Ausschreibungsverfahren. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, wer wann wo gearbeitet hat. Es gab ein offizielles Ausschreibungsverfahren, und nach dem Ausschreibungsverfahren hat das geeignetste Institut den Auftrag bekommen. Der Beirat war dazu gedacht, Fragestellungen einzuspeisen. Sie sind herzlich willkommen gewesen

das sind Sie immer noch! -, Ihre Ideen einzuspeisen und mitzudiskutieren.

Es war auch die Idee, das, wenn wir uns verständigen können, wie die Lösungen aussehen, auf die Bundesebene zu tragen. Das entscheiden wir in Schleswig-Holstein nicht allein. Das müssten Sie doch eigentlich wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wenn eine neue Idee nicht gleich auf Anhieb funktioniert, wollen Sie allen Ernstes den Kopf in den Sand stecken und sagen: „Nee, funktioniert nicht, dann lassen wir es sein“? Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht mit uns! Dafür ist die Beantwortung der sozialen Frage viel zu wichtig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Wir haben noch kein Ergebnis. Das ist klar. Wir sind aber auch noch nicht am Ende des Prozesses. Ja, die Landesregierung - das ist gerade berichtet worden - hat sich vom Institut getrennt. Das ist sehr bedauerlich, aber das ist eine Tatsache. Deswegen machen wir trotzdem weiter.

Ich sage Ihnen auch Folgendes: Jamaika ist kein einfaches Bündnis, aber wenn es darum geht, dass wir uns austauschen, dass wir diskutieren und neue Wege finden, ist es richtig, dass wir mit diesem Bündnis die Sozialdemokratie genau dort stellen, wo Sie offensichtlich aufgehört haben. Das finde ich sehr bedauerlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP - Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neue Projekte brauchen Ausdauer, neue Projekte brauchen Mut, und neue Projekte brauchen Gelassenheit. Ich bleibe dabei: Wir sind alle klug beraten, miteinander, über Parteigrenzen hinweg mit wissenschaftlichen Expertinnen und Experten aus Schleswig-Holstein zu diskutieren, damit wir genau das, was wir heute Morgen im Rahmen der Coronakrise und dem Artikelgesetz dazu besprochen haben, auf eine gute Grundlage stellen, damit wir Schleswig-Holstein für die demografische Entwicklung und die Digitalisierung fit für die Zukunft machen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Zukunftslabor zur Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme entstand aus dem Gedanken, parteiübergreifende Ideen in Bezug auf verschiedene Sozialsicherungssysteme zu beraten, zu vergleichen, auf seine Auswirkungen hin zu untersuchen und schlussendlich weiterzuentwickeln. Ja, parteiübergreifende Beratungen sollten es sein, und auch die Tarifpartner sind mit dabei, die BMA war dabei, damit wir möglichst viele Facetten aufgreifen können.

Die hier gewonnenen Ergebnisse sollten in die politische Debatte auf Bundesebene getragen werden. Auf die Ergebnisse müssen wir leider noch etwas warten, da man sich aus guten Gründen leider vom ISÖ als Hauptauftragnehmer trennen musste.

Die Arbeit wird jedoch weitergehen, und man ist auf der Suche nach einem zuverlässigen wissenschaftlichen Partner. Wir alle wissen, dass Megatrends wie Digitalisierung und demografischer Wandel uns vor soziale Herausforderungen stellen werden. Das Projekt Zukunftslabor könnte uns den notwendigen Input geben. Erste Schritte sind bereits erfolgt, an die wir nun anknüpfen können. Denn das Zukunftslabor sucht nur einen neuen Auftragnehmer, es ist nicht abgeschafft.

Damit komme ich zum Antrag der SPD. Ich habe mich zuerst gefragt, ob die im letzten Jahr von der SPD geforderte ersatzlose Abschaffung mittlerweile symptomatisch für die Gesellschafts- und Sozialpolitik der SPD ist. Nach der Rede von Frau Pauls heute, weiß ich: Ja, sie ist symptomatisch.

(Beifall FDP)

In allen Entwicklungen, die auf uns zukommen, sehen Sie eine Gefahr oder ein Risiko und gehen daher direkt in die Abwehrhaltung oder in Deckung in der Hoffnung, dass es einfach vorübergeht. Was sind denn Ihre Antworten, wenn es um demografischen Wandel, Globalisierung oder Digitalisierung geht?

(Zuruf: Umverteilung!)

Andrea Nahles - sie sollte bis vor Kurzem ihre Partei erneuern - sind Aussagen wie die folgende übriggeblieben: Digitalisierung nehme uns vernünftige Arbeit weg, hinterziehe Steuern, trage nicht zum Gemeinwohl bei und gehöre mit allen Kräften bekämpft. - Das ist ein Zitat Ihrer ehemaligen Bundesvorsitzenden. Das ist Denke aus den Achtzigern, damit löst man nicht die Fragen von morgen.

(Beifall FDP - Zuruf)

Die Digitalisierung als modernen Kapitalismus zu verklären, den es zu bekämpfen gilt, tritt die Lebensrealität vieler junger Menschen mit Füßen.

Herr Stegner, zum Thema Formate der Sozialdemokratie - Herr Stegner, Sie haben gerade etwas dazu erwähnt - habe ich noch etwas anderes gefunden, und zwar vom Kongress der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2017. Da wurden folgende Thementitel für Digitalisierung bearbeitet: „Digitale Monopole“, „Digitalisierung im Betrieb - Mitbestimmung unter Druck“, „Digitalisierung des Finanzsektors - Keine Chance für Nachhaltigkeit“, „Revolutioniert die Digitalisierung Geschlechterverhältnisse?“ oder „Sind Algorithmen sexistisch?“.

(Heiterkeit - Kay Richert [FDP]: Das ist lan- ge her!)

- Das ist eine Haltungsfrage. - Fernab davon, dass dies die „Halt, stopp - hier bleibt alles so wie es ist“-Mentalität der Sozialdemokratie in Zukunftsfragen untermauert, sind die meisten Ergebnisse des Kongresses auch noch grundlegend falsch, denn Digitalisierung ist kein kapitalistisches Raubtier. Durch Digitalisierung und Smartphones wurde in fast allen Ländern der Welt ein Boom an Kleinunternehmern und vor allem Kleinunternehmerinnen geschaffen. Niedrigschwellig können über digitale Marktplätze und Online-Bezahldienste selbst ohne eine lokale Bankverbindung Waren und Dienstleistungen weltweit vertrieben werden. Das schafft Wohlstand, nicht nur in Deutschland und Europa, sondern in allen entlegenen Orten der Welt.

(Beifall FDP)

Ich bitte Sie, über den Tellerrand zu schauen. Es lohnt sich, über soziale Absicherungsmodelle, auch wenn sie einem erst mal fremd wirken - wie Bürgergeld, Grundeinkommen oder andere Dingen - zu sprechen, und zwar gemeinsam. Vor Entwicklungen, die man nicht mag oder will, kann man versuchen, sich wegzuducken - nicht nur als SPD, auch ganz Deutschland könnte sich vor der Digitalisierung verstecken; verschlafen tun wir sie ja in Teilen leider schon. Das heißt aber nicht, dass so ein Megatrend nicht trotzdem massiv auf Deutschland einwirkt. Hier gilt: Je weniger ich mich selbst einbringe, desto mehr werde ich fremdbestimmt, auch als ganzes Land.

(Beifall FDP)

Schon jetzt entstehen die meisten Entwicklungen in den USA oder China. Damit degradieren wir uns in Deutschland und Europa am Ende zum einfachen Konsumenten. So müssen wir damit leben, was an

dere nicht nur Waren oder Dienstleistungen erstellen, sondern - noch schlimmer - müssen uns auch deren Regularien unterwerfen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns proaktiv, auch von der Geisteshaltung her, mehr einbringen, liebe Kollegin Frau Pauls.

(Beifall FDP - Zuruf Birte Pauls [SPD])

Der Wandel wird kommen. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wollen wir diesen Wandel aktiv begleiten oder tatenlos danebenstehen?

Ein Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln, Facetten und Gesellschaftsbildern zu betrachten, bringt meistens eine tragfähigere Lösung. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn Sie sich prinzipiell mehr öffnen. Wenn das Zukunftslabor weitermacht, sollten wir gucken, dass die Termine so passen, dass alle dabei sein können, damit wir den Austausch dort führen können und ihn nicht nur in der eigenen Partei weitertragen. Bisher hat der große Wurf der SPD bundesweit offensichtlich keinen Widerhall gefunden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Jamaika-Koalition hat vor mittlerweile mehr als zwei Jahren ihren verheißungsvoll klingenden Antrag „Zukunftslabor soziale Sicherung“ in den Landtag eingebracht. Darin sollte zeitnah ein Zukunftslabor mit den Akteuren der Arbeitsmarktpolitik und aus der Wissenschaft ins Leben gerufen werden, in dessen Rahmen die Umsetzbarkeit neuer sozialer Absicherungsmodelle, zum Beispiel ein Bürgergeld, ein Grundeinkommen oder die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme, diskutiert und bewertet werden. Das Land sollte so fit für die Herausforderungen der Zukunft gemacht werden. So hauchte hier der grüne Geist durchs Haus.

In der Begründung des Antrags heißt es, dass sich der Arbeitsmarkt in den letzten 15 Jahren dramatisch verändert habe, daher müssten auch die Instrumente zur Arbeitsmarktsteuerung und der sozialen Absicherung der Menschen neu ausgerichtet werden. Die Haushaltsmittel für diese links-grüne Pro

jekt „Zukunftslabor“ sind von anfangs 250.000 € jährlich auf 270.000 € für das Haushaltsjahr 2020 erhöht worden.

Meine Damen und Herren, wir haben dem Antrag im Landtag damals trotz einiger Bedenken zugestimmt, den wir haben damit Hoffnungen verbunden. Wir hatten die Hoffnung, dass diese Landesregierung im Interesse der Menschen unseres Landes tatsächlich an Lösungen und innovativen Konzepten gerade für die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme arbeiten wird. Leider sind wir hier gründlich enttäuscht worden.

Bei den Themen Bürgergeld, Grundeinkommen und soziale Sicherungssysteme handelt es sich um Bundesrecht. Die Arbeit des Zukunftslabors hätte damit zielgerichtet auf die Entwicklung parlamentarischer Initiativen im Bundesrat ausgerichtet werden müssen. So stand es auch im Antrag.

Das ist leider in der bisher zweijährigen Arbeit des Zukunftslabors gründlich fehlgeschlagen. Die Ergebnisse der Arbeit des Zukunftslabors sind ausweislich des jetzt vorgelegten Berichts der Landesregierung niederschmetternd. Die Arbeit des Zukunftslabors ruht derzeit. Das Auftragsverhältnis mit dem Institut für Sozialökologie ist durch die Landesregierung am 5. Februar 2020 gekündigt worden. Hierbei sollten wir es auch belassen, denn - um es auf den Punkt zu bringen - das Ergebnis des Zukunftslabors ist schlichtweg null.

Ich zitiere aus dem Bericht der Landesregierung: