Protocol of the Session on May 7, 2020

Um einen Themenschwenk zu machen weg von der Ökologie hin zum Fokus, den auch der Ministerpräsident heute nach vorn gestellt hat: Es ist richtig, dass sich die Koalition und der Haushalt sehr stark auf die Belange von Familien und Kindern richten. Lange Zeit gab es die Debatte, ob Familien oder Kinder aus dem Fokus geraten seien. Das ist mitnichten der Fall. Von vornherein wurde immer wieder darüber diskutiert, welche Auswirkungen die Krise auf Spielplätze und Kitas hat. Wir müssen die wissenschaftliche Lage immer wieder orten und gucken, welche Studien es gibt, was in China publiziert wird, was in gerade in Island publiziert wird und so weiter. Das ist mit Sicherheit alles nicht einfach.

An dieser Stelle muss man ganz dringend einen deutlichen Dank an die Erzieherinnen und Erzieher aussprechen, die sich täglich sowohl in der Notbetreuung als auch künftig in der erweiterten Betreuung einer Situation aussetzen, wo nicht jedes Kind eineinhalb Meter Abstand einhält und die vier Seiten der Kita- oder Schulleitung gelesen hat, sondern wo das nicht immer so möglich ist, und die immer wieder ohne Schutzkleidung im Einsatz sind. Es ist schon ein herausragender Akt, der dort stattfindet. Vielen, vielen Dank dafür!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Es ist richtig, dass wir insgesamt über 100 Millionen € für Kita und Ganztag ausgeben, dass wir 3 Millionen € für Stornokosten bei Klassenfahrten vorsehen, dass wir für die Sommerakademien Geld vorsehen, dass wir 15 Millionen € für Digitalisierung und Teilhabe in Schulen bereitstellen. Es ist wichtig, auf beides zu verweisen. Auf der einen Seite geht es um Digitalisierung der Schule und die Frage von Lernplattformen, auf der anderen Seite aber auch um Teilhabe. Wie kommt man an digitale Endgeräte? Homeschooling hängt maßgeblich vom Home ab. Wir müssen Rücksicht darauf nehmen, dass nicht alle Familien gleich ausgestattet sind.

Wir müssen die Krise stets von den Schwächsten her denken, ohne uns dabei verrückt zu machen. Das bedeutet aber auch, dass man Interesse und Probleme derer wahrnehmen muss, die nicht die lautesten Stimmen haben und nicht die Lautesten sein können. Wir haben sicherlich einige Gruppen im wahrsten Sinne des Wortes im Ohr, die anders aufgestellt sind. Da muss man auch einmal nach Problemen suchen, wie wir es auch sonst machen; jetzt ist das allerdings noch viel stärker notwendig.

Das zeigt sich auch - auch diesen Satz möchte ich einmal gesagt haben -: Es ist nicht die Zeit für einen schwachen Staat. Es klingt irgendwie pathetisch, aber es ist einfach so. Hätten wir einen schwachen Staat, hätte uns das in den ersten Wochen der Krise in massive Probleme gestürzt.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Die Krise kostet Geld, und Staat wird als aufgebläht wahrgenommen. Dem möchte ich widersprechen. Diese Krise wird Geld kosten, sie kostet schon jetzt Geld, und zwar viel Geld. Aufgrund der Schuldenbremse, die nun einmal besteht, werden wir dieses Geld zurückzahlen müssen, und zwar Cent für Cent bis 2043, Stand jetzt. Frau Heinold hat vorhin gesagt - ich bin dann 53 Jahre alt -, dann werden wir das womöglich abgezahlt haben. Das weiß heute ehrlicherweise keiner. Da hängt davon ob, wie sich weitere Entwicklungen ergeben. Wir müssen schon jetzt Maßnahmen, die wir diskutieren, daran messen. Die Maßstäbe gehen doch ein Stück weit verloren. Wir haben letztes Jahr noch ein halbes Jahr über 3 Millionen € diskutiert, und jetzt kommen 8 Millionen €, 15 Millionen €, 50 Millionen €, 300 Millionen € fast im Tagestakt.

Ein Maßstab, den ich anreichen möchte, ist, in der Tilgungszeit zu denken: Ein Kita-Monat kostet uns ein Jahr Tilgung.

(Beifall Annabell Krämer [FDP])

Es ist nicht ohne, wenn wir von 35 Millionen € sprechen. Wir werden 700 Millionen in 20 Jahren in 35-Millionen-€-Schritten tilgen. Das ist nicht ohne. So sollte man die eine oder andere Maßnahme als Indikator messen.

Tilgungsjahre dürfen dabei nicht zulasten der Schwachen gehen. Sie dürfen nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Kinder, Studierenden, Schülerinnen und Schüler gehen. Das ist in der Vergangenheit der Bundesrepublik und der Vergangenheit vieler Länder viel zu häufig passiert. Ein Staat kann seine Ausgaben hauptsächlich durch Steuern und Abgaben, durch Schulden und Kredite oder durch Kürzungen finanzieren.

Steuern und Abgaben will man offenbar nicht erhöhen, höre ich aus der einen Ecke des Hauses. Man möchte auch keine Schulden machen, höre ich aus der gleichen Ecke des Hauses. Insofern muss man überlegen, wie man es in Zukunft finanziert, wenn die Einnahmen automatisch sinken. Das wird teilweise nur über Kürzungen gehen. Das hat Potenzial für massive Konflikte in unserer Gesellschaft. Es ist

(Lasse Petersdotter)

gut, dass wir IMPULS haben, aus denen in den nächsten Jahren Mittel abfließen können.

Ich weiß ganz genau, dass ich hier schon einmal stand und gesagt habe: Dass IMPULS-Mittel nicht schnell abfließen, ist ärgerlich, aber es ist vielleicht gar nicht so schlimm, wenn sich die Konjunkturlage einmal ändert, dann haben wir eine Art von Deficit Spending. Ich bin sehr gespannt darauf und hoffe, dass das unsere regionale Wirtschaft und Infrastruktur in den nächsten Monaten stärken wird.

Wenn ich gerade über soziale Konflikte gesprochen habe - ich beeile mich jetzt auch -, komme ich noch kurz zur AfD. Herr Nobis, ich habe eben ein bisschen mitgeschrieben. Sie behaupten, es gingen so viele Kosten für mehr Geflüchtete drauf. Ich habe Sie gestern im Finanzausschuss gefragt, ob Sie sich wenigstens ein bisschen dafür schämen, dass Sie Anfang des Jahres groß Welle in der Presse gemacht haben, dass wir Mittel für den LeVo-Park für den Fall der Fälle zurückgehalten haben. Jetzt sind wir innerhalb weniger Tage und Wochen in der Lage zu reagieren, weil wir den LeVo-Park aufrechterhalten haben. Nein, Sie trauen sich da doch immer wieder heraus, anstatt einzugestehen, dass Ihre Skepsis dort unberechtigt ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dann kommen Sie zu den Ausgaben für Kredite und sagen, ursprünglich sei geplant gewesen, in zehn Jahren zu tilgen. Ja, bei 500 Millionen €. Verdoppelt man die Gesamtsumme, ist es nur schlüssig, dass man dann auch die Zeit der Tilgung erhöht. Das ist bei fast jedem Handyvertrag so. Sachsen hat in seiner Verfassung eine Zeit von acht Jahren Tilgung festgehalten. Die versuchen, das jetzt zu ändern, weil kein Mensch das halten kann. Nordrhein-Westfalen hat 50 Jahre Zeit für die Tilgung. Die meisten Länder liegen zwischen 20 und 30 Jahren. Schleswig-Holstein hat nicht die Finanzausstattung, um den Primus zu spielen und schneller zu tilgen, als man es sich leisten kann. Ein Zeitraum von 20 Jahren und der Beginn im Jahr 2023 sind völlig okay.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die AfD wollte die Überschüsse aus dem letzten Jahr direkt aus der Infrastruktur rausziehen, bestehende Verträge am liebsten aufkündigen und das alles jetzt für die Krise verwenden. Das ist völlig unverantwortlich.

Ich möchte auf Ihren Antrag eingehen. Sie haben drei Sätze geschrieben und fordern, die Regierung solle Vorschläge machen, wo man kürzen kann. Was ist das für ein parlamentarischer Vorschlag? Unsere Antwort darauf ist, dass mittlerweile jeder Ausgabe vom Finanzausschuss zugestimmt werden muss. Wir sind ein verantwortungsbewusstes und selbstbewusstes Parlament und wollen nicht die Regierung unsere Arbeit machen lassen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW - Jörg Nobis [AfD]: Im lau- fenden Haushalt!)

Wir entscheiden heute über einen Nachtragshaushalt, der noch lange nicht das letzte Wort zu Corona sein wird, der aber einen handlungsfähigen Staat und eine krisenfeste Gesellschaft zeigt. Das macht zuversichtlich, aber es ist kein Anlass zur Leichtfertigkeit. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Annabell Krämer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Mit der Verdoppelung der Notkredite auf 1 Milliarde € reagieren wir auf eine beispiellose Krise. Neben den unerlässlichen Ausgaben für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung müssen wir unserer mittelständischen Wirtschaft unbürokratisch unter die Arme greifen, damit sie die aktuelle Durststrecke überlebt.

Unser zukünftiger Wohlstand hängt davon ab, ob es uns gelingt, gesunde Unternehmen auf breiter Front zu erhalten, die durch Corona völlig unverschuldet in finanzielle Not geraten sind.

(Beifall FDP)

An diesen Unternehmen hängen hunderttausend Arbeitsplätze, milliardenschwere Wertschöpfung und unendlich viel Herzblut von Eigentümern und ihren Beschäftigten. Hier geht es jetzt wirklich um Existenzen.

Der Motor unseres Landes ist der Mittelstand. Erst wenn dieser nicht mehr stottert, werden wir die Krise bewältigt haben.

(Beifall FDP)

Um dauerhafte Wohlstandseinbußen zu vermeiden, braucht es nach der Krise mehr denn je eine wachs

(Lasse Petersdotter)

tumsfreundliche Politik, die unternehmerische Innovationen zur Entfaltung bringt und einen verlässlichen Ordnungsrahmen bietet. Was wir dagegen nicht brauchen, sind ständig neue Verbote und Regulierungen, die unsere Wirtschaft zusätzlich belasten und Investitionsunsicherheit schaffen.

(Beifall FDP)

Wirtschaftliche Freiheit ist die Voraussetzung für Wohlstand, und Wohlstand ist die Voraussetzung für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem und eine hohe Lebenserwartung. Diese Zusammenhänge sollten wir uns gerade in dieser Krise bewusst machen.

Kommen wir zum vorliegenden Nachtragshaushalt. Es hat sich gezeigt, dass das Soforthilfeprogramm des Landes für Unternehmen mit 11 bis 50 Beschäftigten stark nachgefragt wird. Oftmals ist die Liquidität in den Betrieben bereits aufgebraucht, sodass unabwendbare Betriebskosten - nur davon reden wir - nicht anders zu decken sind.

Um alle berechtigten Auszahlungen leisten zu können, stocken wir das Soforthilfeprogramm heute um 50 Millionen € auf 150 Millionen € auf. Diese Mittel ergänzen das Soforthilfeprogramm des Bundes, das sich an Soloselbstständige und Kleinunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten richtet. Bund und Länder greifen den kleinen und mittleren Unternehmen somit nicht nur mit lebensnotwendigen Liquiditätshilfen, sondern auch mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen unter die Arme. Diese Zuschussprogramme sind wichtig, weil sie dazu beitragen können, eine Überschuldung der Unternehmen abzuwenden.

Neben dem genannten Zuschussprogramm hilft das Land dem Hotel-, Beherbergungs- und Gastronomiegewerbe mit besonders günstigen Krediten aus dem Mittelstandssicherungsfonds. In dieser Branche betragen die Einnahmeausfälle bis zu 100 %, wie Sie alle wissen.

Gerade als tourismuspolitische Sprecherin meiner Fraktion bin ich erleichtert, dass unsere Hoteliers und Gastronomen heute endlich eine Perspektive aufgezeigt bekommen haben, bald wieder öffnen zu dürfen, denn jeder Tag, der ohne Umsatz vergeht, ist ein herber und schmerzhafter Rückschlag im Kampf um die wirtschaftliche Existenz. Es geht um einen Wirtschaftszweig, der für unser Land zwischen den Meeren bedeutsam ist. Es geht aber auch um ein großes Stück Lebensqualität für uns alle.

Mit dem Nachtragshaushalt beschließen wir weitere wichtige und teils auch gesetzliche Hilfen. Letzt

eres betrifft die Mehrausgabe nach dem Infektionsschutzgesetz in Höhe von 64,3 Millionen €. Hiermit erstattet das Land entstandenen Verdienstausfall wegen angeordneter Quarantäne oder der Schließung von Schulen und Kitas. Weitere 81,5 Millionen € fließen in das Gesundheitssystem, konkret in medizinische Geräte und Schutzausrüstung, Investitionen in Krankenhäuser und als Erstattungen an Reha-Kliniken für das Vorhalten von Betten.

Zudem war es uns Freien Demokraten äußerst wichtig, die Erforschung der Auswirkungen des Coronavirus insbesondere auf Kinder und Jugendliche voranzutreiben. Mit 2 Millionen € unterstützen wir unsere hervorragenden Institute im Land, uns wichtige Erkenntnisse zu liefern, welche Schutzvorkehrungen im Umgang mit Kindern wirklich erforderlich sind.

(Beifall FDP)

Die Ausgaben im Bereich Gesundheit und Forschung sind für uns ebenso essenziell wie die Finanzhilfen für unsere Wirtschaft.

Für Familien ist die gegenwärtige Situation eine enorme Belastung. Die geschlossenen Kitas und Schulen erfordern eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung und stellen die Eltern vor die Herausforderung, die Beschulung ihrer Kinder größtenteils selbst zu übernehmen. Wenn die Betreuung in Kita oder Schule nicht stattfindet, ist es nur fair, wenn die Eltern entsprechende Beiträge für nicht erbrachte Leistungen von den Kommunen erstattet bekommen. Viele Eltern befinden sich in Kurzarbeit und müssen ihre Ausgaben mit reduziertem Einkommen bestreiten. Für eine Entlastung der Eltern ohne Belastung der Kommunen stellen wir heute in Summe 105 Millionen € bereit. Es ist ein starkes Signal, dass wir heute außerdem 15 Millionen € für das digitale Lernen an Schulen zur Verfügung stellen. Diese Gelder ergänzen die DigitalPakt-Mittel von Bund und Land und sollen Heimunterricht erleichtern oder erst ermöglichen.

Ich kann leidvoll berichten, dass ich als Mutter zweier Kinder in den letzten Wochen hautnah erleben durfte, welche Defizite in der digitalen Infrastruktur im Bildungsbereich noch bestehen. Es darf nicht passieren, dass ein Schuljahr faktisch für beendet erklärt wird, weil man nicht für alle Schüler die gleichen Lernbedingungen gewährleisten kann.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb brauchen wir für alle Schüler digitale Endgeräte, geprüfte Lernsoftware sowie Unterstützung

(Annabell Krämer)