Protocol of the Session on April 17, 2020

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Spielchen kennen wir ja schon: Als sechster Redner nach der AfD muss man ein bisschen auf den Unsinn eingehen, den man vorher gehört hat. Auch wenn ich kein Gesundheitspolitiker bin - ich war es einmal -, die Berichterstattung über den Fall in Rümpel habe ich so verstanden, dass diejenigen Bewohner, die angesteckt sind, von denen gepflegt werden sollten, die schon angesteckt sind, aber noch keine Symptome haben, also pflegen können. Man kann sich dann ja nicht mehr gegenseitig anstecken. Diejenigen, die nicht angesteckt sind, sowohl Pfleger als auch Bewohner, sollten von diesen Menschen getrennt werden. Daran finde ich nichts Unlogisches, ich finde es ziemlich vernünftig und finde auch nicht, dass man das wie der Kollege Nobis skandalisieren sollte. Man sollte sich genau informieren, wie es dort läuft. Ich habe volles Vertrauen zum Sozialministerium, dass das geschieht.

(Jörg Nobis)

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ein zweiter Punkt: Der Kollege Nobis hat durchblicken lassen, dass es nicht genügend Tests gebe, dass nicht getestet werde, dass die Welt zusammenbreche, weil das Sozialministerium nicht von heute auf morgen, jeden Tag die aktuellen Zahlen liefern kann. Auch ich kenne das Geschäft etwas länger. Es kann manchmal ein bisschen länger dauern, weil die kommunale Ebene dafür zuständig ist, die Daten zusammenzutragen, und weil diese Ebene davon abhängig ist, wie schnell diejenigen das liefern, die gerade hart am Arbeiten sind, die Ärzte, die Pfleger; die sind richtig am Ackern.

(Christopher Vogt [FDP]: Die haben andere Sorgen!)

Da muss ich mich auch als Oppositionspolitiker ein bisschen zurücknehmen und sagen: Lasst die Leute erst einmal arbeiten; wenn wir mit der Arbeit fertig sind, wenn wir die Krise überstanden haben, können wir gern gucken, was wir in Zukunft machen sollten. Auch diese Schelte fand ich unberechtigt.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, es ist ganz anders: Politik handelt, und das ist gut so. Politik handelt parteiübergreifend, auch in Schleswig-Holstein. Das empfinde ich als sehr wohltuend.

Wenn ich mir einmal angucke - wir werden das in der nächsten Landtagstagung intensiver beraten -, was durch die neuen Hilfen in der zweiten Tranche alles auf den Weg gebracht worden ist, und das durchaus immer in Absprache mit uns Oppositionsparteien, dann finde ich das schon gut. Die Hilfen für die Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern führen dazu, dass 98 % der betroffenen Betriebe eine Chance haben, Geld zu bekommen. Das ist ganz wichtig. Das sichert nicht, dass diese Betriebe überleben können - das ist auch nicht Aufgabe der Politik, da würden wir uns übernehmen -, es kann aber eine ganz wichtige Hilfe fürs Überleben sein, und es kann eine ganz wichtige Hilfe dafür sein, dass Betriebe ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten können. Auch das ist ein Selbstzweck, der damit verbunden ist. Das ist nicht schlecht, das können wir als SSW sehr gut unterstützen.

Es ist aber noch mehr geschehen. Wir haben festgelegt, dass diejenigen Institutionen, die Ganztagsund Betreuungsangebote an Schulen anbieten, Ausfälle von Beiträgen erstattet bekommen, dass die Eltern den Kita-Beitrag erstattet bekommen, dass

Kultur- und Bildungseinrichtungen, die kurz vorm Zusammenbruch standen, Gelder bekommen, weil all ihre Kurse ausfallen, ihr komplettes Geschäftsmodell kaputt ist, hinter dem oft ehrenamtliche Träger stehen. Es ist toll, dass Politik das leisten kann, das ist richtig klasse.

Ein weiterer Punkt, der mir sehr wichtig ist - wir haben kurz darüber miteinander telefoniert, Frau Ministerin -, ist die Zusage, dass alle Kulturträger mit Landesförderung diese behalten können, auch wenn sie zugesagte Veranstaltungen nicht durchführen können. Das ist für die Kulturträger eine Riesenentlastung. Dass die Mittel jetzt schnell ausgezahlt werden, ist großartig und zeigt: Politik funktioniert. Das finde ich sehr bemerkenswert.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, bei all den Punkten, die ich gerade genannt habe, werden auch die Minderheiten berücksichtigt. Sie werden oft extra genannt, damit klar ist, dass diese Institutionen in freier Trägerschaft mit berücksichtigt werden. Auch dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Man sieht, dass die Gespräche zwischen uns ganz gut laufen. Im Übrigen auch bei einem anderen Punkt, was ich ganz toll fand: Gestern haben der Ministerpräsident und ich uns über Tierparks unterhalten, und da hat er gesagt: Das nehme ich einmal mit, das müssen wir noch beraten, damit das auch klappt.

(Zurufe)

Und heute sehe ich: Es klappt. Das ist doch wunderbar! Wir beide können miteinander, das funktioniert gut, und es freut mich, dass viele Familien mit ihren Kindern wieder in Tierparks gehen können. Das ist auch besser, als andere Veranstaltungen zuzulassen.

(Zurufe)

- Lieber Kollege Vogt, ich bin ja nicht nur dafür da, hier Lob und Dank auszusprechen - das ist eher die Aufgabe, die in den Kirchen erledigt wird -, sondern mir geht es auch darum, deutlich zu machen, dass es wichtig ist, dass wir uns regelmäßig darüber austauschen, wo es haken, wo es kneifen könnte. Das hat in der Vergangenheit funktioniert. Ich möchte ein Problem ansprechen, das mir sehr am Herzen liegt.

(Christopher Vogt [FDP]: Wir nutzen Ihre zo- ologische Kompetenz!)

Von diesem Problem haben wir als SSW erst kürzlich erfahren, und es ist heute im Wirtschaftsaus

(Lars Harms)

schuss schon angesprochen worden. Uns ist zugetragen worden, dass die Bundesagentur für Arbeit anscheinend nicht für ursprünglich geplante Berufsbildungsmaßnahmen in Berufsbildungswerken zahlen möchte, weil die ausfallen. Wenn dem so ist, wäre das eine Riesenkatastrophe, weil für die Berufsbildungswerke dann ein komplettes Standbein wegfiele.

(Beifall Tobias von der Heide [CDU])

Wir müssen darauf achten, dass das nicht passiert. Das ginge zum Nachteil der Schwächsten in der Gesellschaft, die darauf angewiesen sind, dass es gut funktionierende Berufsbildungswerke gibt. Deswegen meine herzliche Bitte an die Landesregierung, dies zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Gelder entsprechend fließen können.

Meine Damen und Herren, der eigentliche Anlass heute ist sozusagen der Ausstieg aus dem Einstieg, der Ausstieg aus sämtlichen Beschränkungen, die wir so haben. Auch ich möchte einzelne Punkte ein bisschen bewerten und Vorschläge machen, wie man sich auf Bundesebene dazu verhalten sollte.

Der SSW findet es richtig, dass wir eher vorsichtig sind, dass wir Stück für Stück etwas zulassen, dass wir lieber dreimal überlegen, bevor wir etwas zulassen. Ich glaube, das ist die richtige Vorgehensweise, und es ist klüger, es langsam zu machen, als alles wieder zuzulassen und dann wieder einsammeln zu müssen.

Wir merken, wie schwierig es ist, Schulen nur teilweise anlaufen zu lassen. Das ist eine Riesenherausforderung. Wir werden wahrscheinlich alle von Lehrerinnen und Lehrern angesprochen, wie schwierig es ist, das umzusetzen; das ist auch nicht einfach.

Ich möchte einen anderen Punkt anbringen, der mir wichtig erscheint und der garantiert vergessen wird: Das ist die Schülerbeförderung. Viele Buslinien sind inzwischen eingestellt worden. Wir haben Schulen in freier Trägerschaft - nicht nur meine dänischen Schulen, sondern auch Waldorfschulen und kirchlich gebundene Schulen -, die Transporte zu Orten vorzunehmen haben, die ein bisschen weiter entfernt sind. Mein Sohn fährt jeden Tag 40 km zur Schule und 40 km zurück.

Es muss sichergestellt sein, dass die Buslinien zu den Schulen fahren können. Wenn ein Schichtsystem eingeführt wird, dass eine Schulklasse am Vormittag und eine am Nachmittag unterrichtet wird, wird ein Mehrbedarf entstehen. Da Träger der Schülerbeförderung die Kommunen sind, meine

herzliche Bitte, in die Gespräche mit den Kommunen mitzunehmen, dass sie sicherstellen, dass die Schulen nicht nur offen sind, sondern die Schülerinnen und Schüler dort auch hinkommen können.

Ebenso wie anderen Kollegen geht es mir, was die Öffnung der Geschäfte angeht: Die 800-m²-Regelung ist für mich nicht einleuchtend. Baumärkte und Supermärkte mit riesigen Verkaufsflächen zeigen, wie hervorragend es gehen kann. Vor dem Hintergrund auch da meine herzliche Bitte: Überdenken Sie diese Frage noch einmal, damit wir diesen Unsinn in den nächsten Verhandlungen mit den anderen Bundesländern schnell gestrichen kriegen und die Leute nicht ständig Pappwände aufstellen müssen, nur damit man auf 799 m² Verkaufsfläche kommt. Es wäre besser, wenn alle Geschäfte offen hätten.

(Beifall FDP)

Es ist gut, Großveranstaltungen bis zum 31. August 2020 abzusagen. Davon werden nicht nur viele Volksfeste betroffen sein, damit werden auch viele Sportveranstaltungen nicht stattfinden können. Wir müssen darüber nachdenken, die Sportvereine entsprechend zu unterstützen. Ich denke insbesondere an die Handballvereine, aber auch an die vergleichsweise mittelklassigen Fußballvereine.

(Unruhe - Zuruf: Holstein Kiel!)

- VfB Lübeck zum Beispiel, oder Weiche Flensburg.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Keine Schärfe hier!)

Die sind sehr stark abhängig von Zuschauerzahlen. Wenn die Zuschauer nicht kommen dürfen, wird es für sie schwierig, zu überleben, ihre Gehälter zu zahlen. Deshalb müssen wir genau darauf achten, dass wir diese sportliche Infrastruktur aufrechterhalten. Ansonsten - da wird der Kollege Stegner mir sicher zustimmen - ist es auch gut, wenn wir in Zukunft in den Profi-Ligen Geisterspiele durchführen können.

(Christopher Vogt [FDP]: Beim HSV ändert das gar nichts! - Heiterkeit)

Das wäre nicht nur für die Sportvereine gut, sondern auch im Sinne der Bevölkerung, um ein bisschen Unterhaltung als Dank dafür zu bekommen, dass man so lang diszipliniert war.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Nehmen Sie also bitte die Anregung mit, dass wir Geisterspiele zulassen sollten.

(Lars Harms)

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ein dritter Punkt ist uns ganz wichtig - da sind wir in der Tat ein bisschen uneinig -: Es ist der Tourismus. Der ist schwer geschädigt. Wir dürfen nicht glauben, dass dem nicht so wäre. Man hat damit gerechnet, nach einer langen Winterpause Ostern, Pfingsten und über den 1. Mai wieder geöffnet zu haben und das Geld zu verdienen, um über den nächsten Winter zu kommen.

Der Winter kommt erst noch. Die stöhnen jetzt schon, weil sie nicht weiterwissen. Dann wird es richtig hart für unsere Unternehmen, wenn der nächste Winter kommt. Deshalb glaube ich, dass es für die touristischen Unternehmen dringend wichtig ist zu erfahren, wie sie es hinbekommen können und welche Auflagen sie erfüllen müssen, damit sie wieder an den Start gehen können.

Insbesondere macht mir die Gastronomie Sorgen. Die ist ganz hart betroffen, das weiß ich aus eigener Anschauung von sehr vielen Leuten, die ich bei mir in Husum kenne. Viele Unternehmen stehen kurz vor der Insolvenz. Das sind viele Arbeitsplätze, niedrig bezahlte Arbeitsplätze, aber auch Arbeitsplätze, die einen Nebenerwerb für die Familien darstellen.

Es sind vor allen Dingen - das sage ich ganz deutlich - Arbeitsplätze von Frauen, die hart bedroht sind und wegfallen, wenn wir der Gastronomie nicht helfen, hier wieder in Gang kommen zu können. Deswegen ist es ganz dringend, dass wir gastronomischen Betrieben - mit Sicherheit mit Einschränkungen - die Chance geben, wieder zu öffnen.

(Beifall SSW, CDU, FDP und Abg. Lasse Pe- tersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zwei Dinge möchte ich noch erwähnen. Den ersten Punkt kann ich kurz abhandeln - es ist hier schon einmal angesprochen worden, und Sie werden es sicherlich irgendwann einmal auf Bund-Länder-Konferenzen beraten -: Eine App, die Bewegungsprofile erstellt, kann man nur auf freiwilliger Basis zulassen. Es darf nicht sein, dass eine solche App womöglich zwingend vorgeschrieben wird.

(Beifall Stephan Holowaty [FDP])

Es ist auch ganz wichtig: Es darf keinen Gruppendruck geben. Wenn jemand diese App nicht benutzen möchte, weil er sich nicht überwachen lassen will, dann ist das auch in Ordnung. Dann dürfen wir auf solche Menschen, sollte es diese App irgendwann einmal geben, keinen Druck ausüben, dass sie sie unbedingt einsetzen müssen.