Protocol of the Session on March 18, 2020

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Unser vielfältiges Ehrenamt unterstützt mehr denn je die Hauptamtler, auf die es jetzt besonders ankommt. Wir müssen jetzt vor allem dafür sorgen, dass Ärzte und Pflegekräfte, aber auch alle betroffenen Ehrenamtler im Gesundheitsbereich bestmöglich ausgestattet werden, um sie schützen zu können. Ihnen muss unsere besondere Unterstützung gelten. Die Gesundheitsämter werden stetig weiter aufgerüstet und die Testinfrastruktur ausgebaut.

Ich danke aber auch den Menschen, die zum Beispiel in der Lebensmittelversorgung tätig sind, auch unseren Landwirten sowie unseren Polizeibeamten,

Feuerwehrleuten und auch Paketboten, die in diesen Zeiten vor eine besondere Herausforderung gestellt und besonderen Risiken ausgesetzt sind. Auch die Menschen in der öffentlichen Verwaltung sind jetzt mehr denn je gefordert, Pragmatismus zu zeigen. Das kennen sie im Zweifel schon aus dem Jahr 2015 und den nachfolgenden Jahren, aber jetzt ist das noch einmal eine ganz neue Herausforderung.

Viele Menschen haben die nächsten Wochen viel Zeit, um das Arbeitszimmer aufzuräumen, den Garten herzurichten oder Bücher zu lesen, wie man jetzt vielfach hört und liest. Ich empfehle, dabei auch einmal darüber nachzudenken, ob man sich nicht irgendwo ehrenamtlich dauerhaft einbringen könnte, falls man das bisher nicht getan hat.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Volker Schnurrbusch [AfD])

Es mag vielleicht im ersten Moment komisch klingen, aber ich glaube, viele Menschen sollten auch darüber nachdenken, demnächst bei der Ernte zu helfen, denn mit Sicherheit werden viele Menschen, die uns aus den osteuropäischen Ländern dabei bisher unterstützt haben, in Kürze nicht zu uns kommen können.

Was mich besonders ärgert, ist die Glorifizierung der Krise, die im Netz teilweise wahrnehmbar ist. Das ist wirklich völlig daneben und unangebracht. Es ist keine Zeit für Urlaub. Jeder kann und sollte seinen Beitrag leisten, um in der Krise zu helfen.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige Punkte kurz ansprechen. Die Schließungen insbesondere von Schulen und Kitas sind für viele Familien eine besonders große Herausforderung. Ich war etwas überrascht, wie wenige Kinder schon ab dem ersten Tag in die Notbetreuung gegeben wurden. Wir hatten mit anderen Zahlen gerechnet. Viele Menschen arbeiten daran, ihre Kinder nun möglichst sinnvoll zu beschäftigen, um keinen Lagerkoller aufkommen zu lassen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann jetzt nicht nur zeigen, wie effektiv er die Erwachsenen informieren kann, sondern auch, was er zur Bildung der Kinder und Jugendlichen beitragen kann.

(Zuruf)

- Genau, das tut er auch schon, aber da ist trotzdem noch etwas zu tun. - Auch viele private Bildungsanbieter stellen ihre Inhalte jetzt kostenlos ins Netz. Dafür vielen Dank. Ich hoffe, dass viele Kinder die

(Christopher Vogt)

Zeit zu Hause auch dafür verwenden können, um diese zu nutzen.

Nicht wenige Schulen bieten digitale Lerninhalte an, aber wir könnten und müssten da in Deutschland natürlich deutlich weiter sein. Es wird sicherlich eine der vielen Lehren aus dieser Krise sein, dass wir hier zukünftig viel engagierter sein müssen. Das betrifft natürlich auch die Hochschulen mit Online-Vorlesungen und viele andere Dinge.

Dass wir die Touristen, von denen viele Menschen in Schleswig-Holstein leben, einmal auffordern würden, abzureisen oder gar nicht erst anzureisen, hätte ich ebenfalls nicht gedacht. Aber es muss leider sein, um die Infektionsketten besser unterbrechen zu können.

Nicht nur der Tourismusbranche musste in den letzten Tagen de facto die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden, sondern vielen anderen leider auch. Es ist richtig, dass die Bundesregierung darauf reagiert und Steuerstundungen, die Ausweitung der Kurzarbeit und weitere KfW-Kredite beschlossen hat. Ich glaube aber nicht, dass dies ausreichen wird. Viele Unternehmen und Freiberufler brauchen jetzt schnelle und unbürokratische Hilfe, damit sie die Krise überstehen können.

Deshalb beschließen wir heute, 500 Millionen € freizugeben, mit denen die Landesregierung die Maßnahmen des Bundes für diejenigen ergänzen kann, die in ihrer Existenz bedroht sind. Wir begegnen damit nicht nur den gesundheitlichen, sondern auch den ökonomischen Sorgen vieler Menschen. Die genaue Ausgestaltung wird sehr zeitnah erarbeitet werden. Bund und Länder sollten sich auch hier abstimmen und sinnvoll ergänzen.

Wir wollen den wirtschaftlichen Schaden begrenzen, aber wir sollten uns nichts vormachen: Dieser wird gewaltig sein. Das ist - glaube ich - nicht vergleichbar mit der Finanzkrise vor zwölf Jahren. Wir lassen niemanden im Stich - das ist das gemeinsame Signal des Hohen Hauses mit dem heutigen Beschluss. Über wichtige Investitionen hinaus, die jetzt ein bisschen in den Schatten treten, beschließen wir schnelle Hilfen. Man möchte den Menschen jetzt natürlich insgesamt gern eine Perspektive aufzeigen - viele Menschen fragen uns danach -, aber das ist leider extrem schwierig.

Wichtig ist zu sagen, dass diese Krise glimpflicher ausgehen und schneller überwunden werden kann, wenn wir alle unseren Beitrag leisten. Dann können wir irgendwann wieder die Grenzen öffnen und die verschiedenen Maßnahmen schrittweise aufheben.

Es gibt da nichts, was ich dauerhaft beibehalten möchte.

Es wird über den Katastrophenfall gesprochen. Ich bin dem Innenminister sehr dankbar, dass er darauf hingewiesen hat, dass viele Menschen unterhalb der Ausrufung des Katastrophenfalls freigestellt werden können, dass viele Maßnahmen, die damit verbunden werden, jetzt schon möglich sind. Man muss schauen, ob das sinnvoll ist oder nicht.

Ich hoffe, dass es schnell Forschungsergebnisse und neue Medikamente und vor allem Impfstoffe geben wird. Jetzt geht es aber erst einmal um Verantwortungsbewusstsein und Zusammenhalt.

Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie gesund bleiben und wir diese Krise gemeinsam gut bewältigen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Jörg Nobis [AfD])

Das Wort für die Fraktion der AfD hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

„Es sind nur ein paar Tage bis zur Ausgangssperre in Deutschland.“

So wird ein hoher EU-Beamter gestern Abend online auf „Welt+“ zitiert. Deutschland würde sich dann einreihen hinter Italien, Spanien, Frankreich, Österreich und Belgien.

Sehr geehrter Herr Günther, der Ministerpräsident des Landes NRW, Armin Laschet, spricht von einer „dramatischen“ Entwicklung und will auch für Nordrhein-Westfalen Ausgangssperren nicht mehr ausschließen. Sie haben gestern auf Nachfrage betont, über diese Möglichkeit im Kabinett noch nicht gesprochen zu haben. Wollen wir hoffen, dass uns dieser Schritt erspart bleibt!

Für Ihre eindringlichen und mahnenden Worte zur Corona-Pandemie danke ich Ihnen deshalb. Es ist wichtig, dass wir alle begreifen, dass es sich eben nicht um eine gewöhnliche Grippewelle oder eine etwas stärkere Erkältung mit Husten handelt. Die Situation ist ernst, sehr ernst.

Meine Damen und Herren, im Vergleich mit allen anderen Bundesländern ist Schleswig-Holstein bislang bei den eingeleiteten Maßnahmen vorwegge

(Christopher Vogt)

gangen - und das bei vergleichsweise noch niedrigen Fallzahlen. Das begrüße ich ausdrücklich, Herr Ministerpräsident.

Trotzdem wird - wenn man die letzten Tage und Wochen einmal Revue passieren lässt - eines klar: Wir alle waren gewarnt. Die erste Warnung kam von den Chinesen selbst an die WHO; das war am 31. Dezember 2019. Am 7. Januar 2020 wurde das neue SARS-CoV-2-Virus als Erreger identifiziert. Den ersten Todesfall gab es am 11. Januar 2020. Ab dem 13. Januar 2020 begann die Ausbreitung außerhalb Chinas, während am 23. Januar 2020 Wuhan unter Quarantäne gestellt wurde. Am 24. Januar 2020 gab es die ersten bestätigten Fälle in Europa, und einen Tag später weitete China seine Isolationsmaßnahmen massiv aus.

Am 27. Januar 2020 wurde der erste Fall in Deutschland bekannt - doch Kontrollen an Flughäfen? - Fehlanzeige. Einreiseverbote? - Fehlanzeige. Erst heute wird durchgegriffen. Das ist gut so, aber das kommt zu spät.

Russland hatte bereits Mitte Februar 2020 seine Grenze zu China geschlossen, und am 20. Februar 2020 ein Einreiseverbot für chinesische Staatsbürger verfügt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte auch die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen in Angriff nehmen müssen. Wochenlang schien Corona weit weg. Während weltweit Virologen warnten und konsequentes Einschreiten forderten, übten sich Regierungsstellen und das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Beschwichtigen. Während Italien bereits massiv betroffen war und ganze Städte abriegelte, lief im Bayrischen Rundfunk noch ein Videospot, der uns erklärte, wie harmlos das Coronavirus in Wirklichkeit sei. Von einer Erkältungskrankheit war die Rede.

Andere europäische Nachbarn haben sich besser aufgestellt und sehr früh das öffentliche Leben heruntergefahren, bis hin zu Grenzkontrollen, Grenzschließungen oder Ausgangssperren. Unsere osteuropäischen Nachbarn, allen voran Polen, haben mit der Schließung ihrer Grenzen beherzt durchgegriffen. Sie sind damit auf dem richtigen Weg, WorstCase-Szenarien für ihre Länder tatsächlich noch in letzter Sekunde zu vermeiden.

Und bei uns? - Da erschien erst am 26. Februar 2020 der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf der Bildfläche, wusch sich öffentlichkeitswirksam die Hände. Während andere Länder ihre Grenzen schlossen und Einreiseverbote aussprachen, wurde bei uns propagiert, dass Grenzschließungen

nun auch nichts mehr brächten; das Virus sei ja nun einmal schon da.

Seit dieser Woche sieht das zum Glück anders aus, meine Damen und Herren. Wir sehen: Grenzkontrollen sind möglich, und sie schützen die Bürger. Grenzen zu - das geht eben doch, wer hätte das gedacht.

Bis dahin war es aber ein weiter Weg, ein Schlingerkurs, eine Salamitaktik inmitten eines wilden, föderalen Klein-Kleins, bei dem zwischenzeitlich sogar Landkreise richtigerweise die Entscheidungen trafen, die eigentlich durch die Landesregierungen hätten getroffen werden müssen. Das Hickhack um die Durchführung von Veranstaltungen - unter 1.000 Personen, über 1.000 Personen, 999 Personen - ist ein Lehrstück darin, wie man es nicht macht. Die Abstimmung zwischen den Bundesländern bei der Frage der Schulschließungen lief da schon etwas sortierter ab, ist aber ebenfalls noch entfernt davon, als optimal bezeichnet zu werden.

Die Landesregierungen in NRW und in BadenWürttemberg handelten definitiv zu spät und viel zu zögerlich. Wir laufen im Land nach wie vor der Krise hinterher.

Damit lässt sich auch gut zusammenfassen, was in Berlin im Zuge der Corona-Krise getan wurde: Die Bundeskanzlerin Merkel hat eindrucksvoll belegt, dass ihr ein Führungsanspruch für dieses Land nicht mehr zusteht. Sie hat es wochenlang versäumt, konkrete und einschneidende Maßnahmen zu treffen und stattdessen eine Politik der Beschwichtigung und Verharmlosung betrieben.

So sehr dies vielfach - auch für Schleswig-Holstein - galt, erkenne ich doch an, dass Sie, Herr Günther, mittlerweile das Richtige und mehr tun als die meisten anderen Landesregierungen. Ihr aktuelles Vorgehen trägt dazu bei, dass wir alle gemeinsam das Gesundheitssystem hoffentlich vor einem Kollaps bewahren. Dazu müssen wir nämlich die Ausbreitung des Virus in Schleswig-Holstein bremsen. Das geht nun einmal nicht ohne einschneidende Maßnahmen. Deshalb haben Sie uns - ich weiß, das hören Sie nicht gern - an Ihrer Seite, Herr Ministerpräsident.

Diese Krise hat neben den drastischen Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem allerdings auch ganz verheerende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Menschen im Land. Wir stehen nicht nur bei der akuten Bewältigung durch unser Gesundheitssystem, nein, auch bei ökonomischer Betrachtung vor einer Riesenherausforderung. Von der „Mutter aller Rezessionen“ ist gar die Rede.

(Jörg Nobis)

Ein Monat Stillstand kostet Deutschland etwa 4 % Wirtschaftswachstum. Noch gibt es keine Garantie, wann es wieder in vollem Umfang weitergehen kann. An den anderen hier im Haus vorbereiteten Maßnahmen lässt sich ablesen: Das Landeshaus bereitet sich zumindest auf die Möglichkeit vor, dass eben nicht alles in vier oder sechs Wochen wieder „auf normal“ gestellt werden kann. Dieser Zustand kann länger andauern. Das muss uns bewusst sein.

Wenn die Wirtschaft am Boden liegt, heißt dies sehr schnell, dass Existenzgrundlagen in Gefahr geraten. Dafür werden jetzt verschiedene Rettungsschirme gespannt. Das Kurzarbeitergeld soll - sogar rückwirkend - einfacher und großzügiger gezahlt werden. KfW-Notkredite sollen Liquiditätslücken schließen, sind aber frühestens in zwei bis drei Wochen verfügbar. Machen wir uns bitte nichts vor: Kurzarbeitergeld hilft übergangsweise, auch KfWKredite helfen übergangsweise, ebenso die Absenkung von Steuervorauszahlungen und -stundungen.

Es ist deshalb richtig, dass Sie jetzt auch Geldmittel zur Bewältigung dieser außerordentlichen Situation bereitstellen. 500 Millionen € sind ein guter erster Schritt. Ob die Summe mit fortschreitender Zeit ausreichen wird, darf gleichwohl bezweifelt werden. Entscheidend ist jetzt, dass dieses Geld auch bei denjenigen ankommt, die es am dringendsten benötigen. Das sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen, aber eben auch Einzelunternehmer. Dazu gehören auch Selbstständige und Freischaffende, dazu gehören Künstler ebenso wie kleine Einzelhändler. Sonst wachen wir nämlich in einigen Wochen auf und finden die ohnehin schon kriselnden Innenstädte leer vor.

Kleinen inhabergeführten Betrieben ohne viele Angestellte hilft das Kurzarbeitergeld kaum. Auch KfW-Kredite sind da nicht besonders zielführend. Hier brauchen wir im Land zielgenaue Hilfsprogramme, denn auf den Bund dürfen wir nicht warten. Dazu gehört natürlich unser Tourismus mit der Veranstaltungsindustrie und dem gesamten Gastgewerbe. Die plötzlichen Umsatzeinbußen werden ohne Hilfen von vielen Betrieben kaum zu stemmen sein. Dass die 500 Millionen €, die jetzt bereitgestellt werden, kreditfinanziert werden, obwohl das kürzlich abgeschlossene Haushaltsjahr einen Überschuss von 557 Millionen € erbracht hat und auch im laufenden Haushalt viel Geld für viele politische Lieblingsprojekte bereitgestellt wird, ist zwar bedauerlich, aber offensichtlich aktuell und auf die Schnelle nicht anders darstellbar.