Protocol of the Session on February 21, 2020

Einträge früher messen - Verursacherprinzip beim Nitrateintrag durchsetzen

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1998

Grundwasser effektiv schützen!

Alternativantrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2010

Differenzierungsmöglichkeiten mit der Düngeverordnung ermöglichen

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2014

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Wir haben nicht dafür demonstriert, dass man uns einfach eine Summe vor die Füße kippt. - Mit diesen deutlichen Worten kommentierte einer der schleswig-holsteinischen Organisatoren des Bündnisses „Land schafft Verbindung“ die Entscheidung der Bundesregierung, den Landwirten in den kommenden Jahren eine weitere Milliarde an Fördermitteln zukommen zu lassen.

Auch der Bauernverband Schleswig-Holstein bewertet diese milde Gabe eindeutig negativ. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidiums:

„Wir nehmen die Milliarde als Schuldanerkenntnis, mehr ist das nicht.“

Der Aktionismus der Bundesregierung in dieser Sache dürfte einmal mehr bloß wahltaktische Gründe haben; denn am 15. März 2020 finden in Bayern Kommunalwahlen statt. Deshalb herrscht im Freistaat große Nervosität; denn auch dort wenden sich Landwirte - so wie in Sachsen - jetzt der AfD zu; denn sie sind die Gängelei und den überbordenden Bürokratismus aus Berlin und Brüssel endgültig satt.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: So ist das!)

Die bundesweiten Proteste der Landwirte rund um die Novellierung der Düngeverordnung haben gezeigt: Hier lauert gesellschaftlicher Sprengstoff. Bauern laufen Sturm, Landwirte sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Sicher, die Bundesregierung muss auf das drohende EU-Sanktionsverfahren reagieren; denn das wird sehr, sehr teuer.

Aber gleichzeitig muss dringend vermieden werden, dass - ich zitiere noch einmal mit Erlaubnis des Präsidiums -,

„das Düngerecht ohne qualifizierte Folgenabschätzung im Eilverfahren durchgewunken und die fachlichen Grundsätze einer ordnungsgemäßen Düngung und eines präzisen Gewässerschutzes dem politischen Druck geopfert werden.“

Dies fordert der Deutsche Bauernverband, und er tut dies zu Recht. Die Düngeverordnung polarisiert, und so wundert es nicht, dass die Kritiker auf die Barrikaden gehen oder auf ihren Trecker steigen.

Einer der immer wieder vorgebrachten Kritikpunkte, unter anderem auf der Trecker-Demo hier in Kiel, bei der ich auch anwesend war, lautet, dass die Ermittlung von Nitratkonzentrationen an Grundwassermessstellen nicht ausreichend ist, um den Verursachern auf die Spur zu kommen. Die Aussagekraft der jetzigen Messungen wird angezweifelt, hier in Schleswig-Holstein, aber auch in Niedersachsen, in Rheinland-Pfalz und in Bayern. Bundesweit gibt es gerade einmal 229 Messstellen, und das ist einfach viel zu wenig. Hier muss dringend nachgebessert werden. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat bereits angekündigt, Schwachstellen im Messnetz zu ermitteln und zusätzliche Messstellen einzurichten. Das wäre auch für Schleswig-Holstein eine sinnvolle Maßnahme. In NRW - das darf ich ergänzen - sind im Übrigen im September Kommunalwahlen.

(Vizepräsidentin Aminata Touré)

Wir beantragen heute die Einführung des Verursacherprinzips beim Nitrateintrag, so wie es die Landesregierung von Niedersachsen jetzt von der Bundesregierung gefordert hat. Ein emissionsbasierter Ansatz führt bei der Ausweisung von Risikogebieten zu einer differenzierten Bewertung; denn es werden genau die Gebiete identifiziert, bei denen die Düngung zu erhöhten Nitratwerten im Sickerwasser führt. Dies ermöglicht zugleich eine schnellere Reaktion; denn auf zu hohe Konzentrationen im Grundwasser kann logischerweise erst viel später reagiert werden; denn das Nitrat ist - im Gegensatz zu anderen von der Landwirtschaft ausgebrachten Stoffen - im Boden mobil. Das heißt, es sickert sehr schnell durch die Bodenschichten ins Grundwasser, und es bleibt gerade nicht dort, wo es ursprünglich ausgebracht wurde.

Es muss auch dafür gesorgt werden, wie wir finden, dass landwirtschaftliche Betriebe mit geringerem Nitratausstoß von strengeren Regelungen einer neuen Düngeverordnung ausgenommen werden. Merke: Wenn alle Landwirte über einen Kamm geschoren werden, gibt es zu viele Härtefälle.

(Beifall AfD)

Wir fordern daher die Landesregierung auf, die Initiative Niedersachsens auf Bundesebene zu unterstützen, damit mit der Neuregelung der Düngeverordnung das Verursacherprinzip beim Nitrateintrag eingeführt wird; denn unsere Landwirte brauchen kein Schweigegeld, sondern Gerechtigkeit.

Wir beantragen Abstimmung in der Sache. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Es geht mal wieder um die Düngeverordnung und um die Demos. Wer erinnert sich nicht daran, dass wir seit Anfang Oktober 2019 auch hier aus dem Parlament heraus durchaus diese Demonstration aufgesucht und den Bauern auch etwas versprochen haben? Versprochen haben wir, dass wir Gewässerschutz, Grundwasserschutz im Einklang mit der Landwirtschaft, und zwar praxisgerecht, angehen werden, im Einklang mit der Landwirtschaft Lösungen vorbereiten und dann auch abarbeiten wollen. Das haben nicht nur wir von der CDU-Fraktion ver

sprochen, sondern das haben auch der Landwirtschaftsminister und die anderen hier anwesenden Fraktionen getan.

(Beifall CDU, FDP und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Zu diesem Versprechen wollen wir natürlich auch stehen.

Eine der Forderungen der Demonstranten, die Kernforderung, war, eine Düngeverordnung vorzulegen, mit der wir in der Praxis leben können, die Planungssicherheit über Jahre schafft und die wir anerkennen, auch wenn sie aus der EU-Kommission kommt, weil wir nachvollziehen können, warum die politischen Entscheidungen so vorbereitet wurden, wie sie vorbereitet worden sind und wie letztendlich das Ganze abgearbeitet werden soll. Ich will noch einmal betonen: Unser erklärtes Ziel muss sein, Wasserschutz und Landwirtschaft in Einklang zu bringen.

(Beifall CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Herr Schnurrbusch, der Antrag aus Niedersachsen ist in sich schlüssig, und er ist nicht schlecht. Er kommt ja aus der Feder der dortigen CDU-Agrarsprecher. Aber er ist so kompliziert, was das Bewertungsverfahren angeht, dass ich relativ wenig Chance sehe, dass das auf Bundesebene umgesetzt und von der EU-Kommission anerkannt wird. Insofern: Es ist ein guter Ansatz, der aber nicht zielführend ist.

Ich will Ihnen erklären, warum wir einen anderen gewählt haben. Der Druck ist groß. Die Zeit drängt. Sie werden vielleicht mitbekommen haben, dass es Hinweise aus Berlin gibt, dass das Ganze ohne Kabinettsbefassung bereits am 4. April 2020 im Bundesrat verabschiedet werden soll. Die Hoffnung des Berufsstandes ist es, dass es noch in irgendeiner Form Abmilderungen geben wird, was die Umsetzung angeht: also kein 20-prozentiger Abzug oder eine Lockerung der 170-kg-N-Grenze oder die Erlaubnis, bei Zwischenfrüchten im Herbst Dünger ausbringen zu dürfen. Aber es sieht im Moment nicht so aus, dass diese Hoffnung noch in Erfüllung gehen könnte. Der Berufsstand ist insofern unter Druck, und die Politik ist gefordert, bis zum 4. April 2020 Vorschläge zu erarbeiten und über die Bundesregierung vorzulegen, die dann auch tragen.

Was bleibt uns in Schleswig-Holstein? Jetzt kommen wir zu unserem Antrag und zu der Lösung: Wir müssen ran an die roten Gebiete.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

(Volker Schnurrbusch)

Wir müssen ran an die Messverfahren. Wir müssen ran an die Messstellen. Glauben Sie mir, wir alle von Jamaika haben uns darum bemüht. Mir liegt die Tabelle vor. Es sind bundesweit nicht 230 Messstellen, sondern allein in Schleswig-Holstein sind es gut 320 aus unterschiedlichen Bereichen, die herangezogen werden, um Vorsorge im Hinblick auf den Grundwasserschutz zu treffen. Das Messstellennetz ist über 20 Jahre von Grundwasserschützern - nicht von Landwirten - vorbereitet worden. Herzlichen Dank dafür. Unter dem Gesichtspunkt, Vorsorge im Hinblick auf Grundwasserschutz zu betreiben, ist das inhaltlich gut gemacht.

(Beifall CDU und Dennys Bornhöft [FDP])

Wenn wir da ran wollen, dann müssen wir sie bewerten. Wir - beziehungsweise ich als Agrarsprecher für die CDU - tun das natürlich für die 320 Messstellen in Schleswig-Holstein. Wir werfen da durchaus Fragen auf: Warum misst man in Tiefen von 1 bis 5 m? Das ist so, als wenn Sie hinter dem Güllewagen eine Probe nehmen. Ist das repräsentativ oder nicht? Ist es inhaltlich wirklich so ausgewogen, dass die Landwirtschaft das nachvollziehen kann? Warum haben wir in Schleswig-Holstein Berechnungsverfahren, die es nicht überall gibt vielleicht noch in Niedersachsen, wo man das Ganze noch verschärft? Dort nimmt man nicht den tatsächlich gemessenen Nitratwert, sondern rechnet Sicherheitszuschläge obendrauf. Das führt dazu, dass die roten Gebiete wesentlich größer werden. Warum berechnen wir das nicht gemeinsam mit der Landwirtschaft noch einmal neu?

Es wird auf Bundesebene eine Verwaltungsvorschrift geben. Das ist gestern aus dem Haus der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner angekündigt worden. Sie fordert einheitliche Analytikund Messmethoden, einheitliche beziehungsweise vergleichbare Messtiefen und eine einheitliche, vergleichbare Standortauswahl der Messstellen bundesweit - und das innerhalb des nächsten halben Jahres.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Ich will abschließend betonen: Wer als Landwirt oben auf dem Acker alles richtig macht, der darf doch durch diese Düngeverordnung am Ende nicht abgestraft werden, nur weil er sich in einem roten Gebiet befindet. Wenn er es falsch macht, muss das Problem gelöst werden.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

Ich hoffe, wir werden uns darauf verständigen können, und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FPD und Volker Schnurrbusch [AfD])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Über das Thema Düngerecht diskutieren wir jetzt seit rund 20 Jahren. Das muss uns klar sein, vor allen Dingen, wenn solche Sachen gesagt werden wie: Das würde jetzt übers Knie gebrochen, und das Düngerecht würde im Eilverfahren geändert. Ich würde doch raten, einfach die Situation zur Kenntnis zu nehmen.

(Unruhe)

Die Diskussionen laufen seit Jahren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind in Schleswig-Holstein doch eigentlich nah beieinander; wir diskutieren über das Wie, aber nie über das Ob.

(Beifall SPD)