Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sagen immer wieder: „Wir haben eine klare Haltung, wir sind tolerant, wir leben eine offene Gesellschaft in Schleswig-Holstein“, aber die Realität sieht anders aus. Sie wird eben nicht überall gleich gelebt. Daher ist es sehr wichtig, Haltung zu haben und sie überall und gleich zu zeigen.
Ich möchte ein Beispiel nennen, das mich vergangene Woche sehr erschüttert hat. Da ging es um den Würzburger Kicker Leroy Kwadwo. Der hat rassistische Beleidigungen von dem Fanblock Preußen Münster - so hieß der Club - erfahren; das kennen wir auch schon länger. Was aber ist passiert? Die Gastgeberseite - die Fans - haben sich auf die Seite des Kickers Leroy Kwadwo gestellt und gerufen: Nazis raus! - Daraufhin ist natürlich die Polizei eingeschritten und hat diesen Täter dort festgenommen. Polizeiliche Ermittlungen liegen vor. Viel wichtiger für diesen Menschen ist aber, dass sie, wenn sie diskriminiert werden, nicht allein dastehen, nicht hilflos sind und vor allem nicht das Gefühl bekommen: „Die Gesellschaft ist insgesamt gegen mich“, sondern die Menschen, die diskriminieren, werden zur Verantwortung gezogen. Deswegen ist es so wichtig, dass Menschen, wenn sie diskriminiert werden, feststellen: Die Gesellschaft steht an ihrer Seite und duldet dies nicht.
Deswegen freue ich mich sehr darüber, dass dieser unsägliche Fan - unabhängig davon, wie die Ermittlungen ausgehen werden - drei Jahre bundesweit Stadionverbot bekommen hat. Das ist eine Haltung, die wir viel öfter und klarer formulieren müssen, damit Schleswig-Holstein weiterhin ein offenes und vielfältiges Land wird. Dafür braucht es tatsächlich die Arbeit aller Menschen, nicht nur in den Parlamenten, sondern überall, sei es in der Arbeitswelt, den Vereinen, Verbänden, oder seien es Bürgerinnen und Bürger mit einer standhaften Zivilcourage. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wie oft habe ich schon gehört: Mir ist es egal, wie du aussiehst, wen du liebst, wo du herkommst oder an welchen Gott du glaubst. - Menschen denken in der Regel, sie seien mit dieser Aussage besonders weltoffen oder besonders fortschrittlich. Es ist im Kern aber eine ignorante Aussage, weil sie verkennt, dass
es in unserer Gesellschaft Menschen gibt, denen es sehr wichtig ist, wie man aussieht, wen man liebt, woher man kommt oder an welchen Gott man glaubt.
Die Frage ist insofern relevant, als dass Menschen bereit sind, schwarze Menschen zu beleidigen, Menschen mit Migrationsgeschichte zu degradieren, homosexuelle Menschen, Inter- und Transpersonen Gewalt zuzufügen, Menschen muslimischen Glaubens die Daseinsberechtigung abzusprechen und jüdische Menschen zu verletzen. Genau das war in den letzten Tagen Thema: eine rechte Terrorzelle, die Anschläge auf Moscheen, Asylsuchende und auch auf Politikerinnen und Politiker plante. Das ist die Realität, in der wir uns bewegen. Diejenigen, die Aussagen treffen wie: „Es ist mir egal, wo du herkommst“, sind dazu aufgefordert, mehr zu tun, als diese halbherzige Aussage zu treffen. Es ist notwendig, für diese Menschen einzustehen.
Ja, auch in Schleswig-Holstein, wo wir uns so gerne als weltoffen bezeichnen, ist es notwendig. Das zeigt der Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle.
Folgende Situation: Samstagabend, irgendwo in Schleswig-Holstein, möchten Jasmin und Lena auf den Jahrmarkt gehen, denn heute ist Date Night, bei der alle Paare 50 % Rabatt bei allen Fahrgeschäften bekommen. Das klingt super - doof nur, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fahrgeschäfts den Aktionstag ausschließlich auf heterosexuelle Paare bezogen haben. Daraufhin recherchierte die Antidiskriminierungsstelle, und es wurde deutlich, dass mehreren homosexuellen Paaren dieses Recht verwehrt worden ist.
Ein Szenenwechsel - wieder Samstagabend in Schleswig-Holstein -: Amir und Farid, zwei geflüchtete Männer aus Afghanistan, wollen feiern gehen. Als sie eine Disco betreten wollen, sagt der Türsteher: Nein, ihr seid Ausländer. Ihr kommt nicht rein. Heute könnte Barack Obama kommen, selbst der käme nicht rein.
Die Antidiskriminierungsstelle wird wieder aktiv, recherchiert und stellt fest, dass es bereits einige Zeitungsartikel zu Rassismusvorwürfen gegen die Disco gibt. Außerdem gibt es zahlreiche FacebookPosts, in denen Personen ähnliche Erfahrungen schildern.
Erstens. Diskriminierung - in diesem Fall Rassismus und Homofeindlichkeit - sind in SchleswigHolstein leider etwas Alltägliches.
Zweitens. Diskriminierung findet in der Mitte unserer Gesellschaft statt, von ganz normalen Menschen, die auf dem Jahrmarkt oder als Türsteherinnen oder Türsteher arbeiten. Dafür muss man nicht an den sogenannten rechten Rand unserer Gesellschaft blicken.
Drittens - ich werde nicht müde, das in meinen Reden immer wieder zu betonen - handelt es sich bei Diskriminierung nicht um gefühlte Wahrheiten. Es sind auch keine traurigen Einzelfälle. Es geht um strukturelle Diskriminierung. Schon die einfache Online-Recherche der Antidiskriminierungsstelle in diesen beiden Fällen machte deutlich: Es handelte sich nicht um Einzelfälle, sondern um kollektive Erfahrungen.
Um strukturelle Probleme zu bekämpfen, braucht es strukturelle Maßnahmen. Eine Antidiskriminierungsstelle ist unter anderem eine solche Maßnahme. Ich danke an dieser Stelle der Bürgerbeauftragten und ihrem Team, die mit dem, was sie tun, eine wichtige Arbeit leisten.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und Tobias Koch [CDU] - Minis- terin Dr. Sabine Sütterlin-Waack: Da dürfen wir nicht klatschen, machen wir aber einfach einmal!)
Wir als Politik, wir als Politikerinnen und Politiker sind gefragt. Der Landesaktionsplan gegen Rassismus, der Aktionsplan „Echte Vielfalt“ für die Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten, der Vertrag zur Förderung des jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein, der Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - das alles ist kein Selbstzweck. Wir müssen unsere Gesellschaft gegen Diskriminierung immunisieren. Das ist Sinn und Zweck solcher Aktionspläne.
Wir führen in Deutschland auf der einen Seite Debatten darüber, ob es bestimmte Formen von Menschenfeindlichkeit tatsächlich gibt, während es auf der anderen Seite an der Tagesordnung ist, dass Menschen Diskriminierung erfahren.
Wir müssen dringend wegkommen von dem Modus des Zweifelns. Wir müssen anerkennen, dass Rassismus, Sexismus und viele andere Diskriminierungsformen gesellschaftliche Realitäten sind. Wir müssen aktiv werden in unserem Handeln, in unserer Politik. Wir müssen vor allem die Zusammen
Ich will das einmal beispielhaft anführen. Schauen wir uns einmal an, dass restriktive Asylpolitik immer angeführt wird, sobald es gesellschaftliche Konflikte gibt! Führen wir uns die immer wieder neuen leidigen Debatten über Leitkultur vor Augen! Das führt dazu, dass in unserer Gesellschaft natürlich auch rassistisches Denken und Handeln wieder auf der Tagesordnung stehen.
Ich erwarte von uns mehr als Lippenbekenntnisse. Ich erwarte von uns politisches Handeln mit größter Überzeugung. Das ist es, was uns dieser Tätigkeitsbericht zeigt. Der Bericht ist eine Anforderung und eine Aufforderung an uns in der Politik. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beginnen möchte ich stellvertretend für die Freien Demokraten mit einem Dank, liebe Frau Samiah El Samadoni, als Leiterin für die Antidiskriminierungsstelle für Ihren Bericht und insbesondere Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die in den Jahren 2017 und 2018 geleistete Arbeit. Aufrichtigen Dank dafür!
Auch wenn sie in Teilen schon erwähnt wurden, möchte ich einige Fälle anreißen. Es gibt zwei Männer afghanischer Herkunft, die abends gern feiern gehen würden und abgewiesen werden mit den Worten, dass selbst ein ehemaliger US-Präsident namentlich Barack Obama - nicht reinkommen würde. Wir haben eine Date Night auf dem Jahrmarkt, bei der mehrere homosexuelle Pärchen nicht als Paare anerkannt werden und dementsprechend die angepriesenen Rabattierungen als Pärchen nicht erhalten. Wir haben ein Café, in das eine Gruppe von Menschen mit Behinderung gern als Gast reingegangen wäre und abgewiesen worden ist mit den Worten: Ich entscheide selbst, wen ich in meinem Café bediene. - Eine Frau wird wegen ihres Assistenzhundes beim Fleischer nicht reingelassen, obwohl selbst das Veterinäramt erklärt, dass ein Assis
tenzhund vor einer Fleischtheke aus hygienischen Gesichtspunkten kein Problem sei. Ein Kunde mit nicht geläufigem Nachnamen ruft bei einer Investmentfirma an und wird dort begrüßt mit: „Ha, ha, ein Neger.“
Da kommt doch direkt die Frage auf: Wo leben wir hier eigentlich, und vor allem, wann? Nicht nur in Teilen der Aktuellen Stunde heute Morgen fühlte und fühle ich mich manchmal hier in SchleswigHolstein und in Deutschland 100 Jahre zurückversetzt. Es ist mehr als beschämend, was in Teilen der Gesellschaft in Schleswig-Holstein selbst noch im Jahr 2017 und im Jahr 2018 und vermutlich auch im Jahr 2020 noch möglich ist.
Die Gleichbehandlung eines jeden Menschen ist in unserem Staat ein grundgesetzlich verankertes Prinzip. Durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wird es im Alltag und am Arbeitsplatz mit Leben gefüllt. Jeder Mensch - gleich welcher Herkunft, gleich welcher Religion, gleich welcher äußeren Erscheinungsmerkmale, hat das Recht, vorurteilsfrei behandelt zu werden. Das ist der liberale Grundsatz der freiheitlichen Grundordnung, den es immer und überall zu verteidigen gilt.
341 Eingaben wurden bei der Antidiskriminierungsstelle im Prüfungszeitraum aufgenommen. Hinzu kommen all die Fälle, die ungenannt bleiben, Fälle, in denen die Betroffenen nicht den Mut oder die Energie hatten, sich an die Antidiskriminierungsstelle zu wenden. Dabei hält uns dieser Bericht einen Spiegel vor, wo wir nachbessern können und müssen.
Der Zuwachs der Anfragen vom vergangenen Berichtsjahr zu diesem lässt sich zum einen durch die wachsende Bekanntheit des AGG und die Antidiskriminierungsstelle erklären, aber auch damit, dass die Sensibilisierung in der Gesellschaft für das Vorhandensein von Diskriminierung wächst und nicht alles mit einem „Hab dich nicht so!“ runtergeschluckt wird.
Eines der größten Probleme der Arbeit ist nicht, Diskriminierung zu erkennen, sondern den Betroffenen auch zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Betroffenen sind im Falle eines Rechtsstreites häufig auf sich allein gestellt, die Hürden sind hoch, oder man scheut sich, einen Gerichtsprozess zu starten und bis zum Ende durchzustehen.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat bereits 2016 einige konkrete Vorschläge gemacht, wie man den Diskriminierungsschutz erhöhen kann, beispielsweise durch längere Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen, dass man beispielsweise
erst mit einem gewissen Abstand dazu kommt zu sagen: Das, was hier passiert ist, ist wirklich verletzend, und ich möchte, dass das beendet wird.
Die Vorschläge sowohl des Europarates als auch der Europäischen Kommission gehen in dieselbe Richtung. Die Bundesregierung hat 2019 zugesagt, dass sie diese Vorschläge prüfen wird. Wir in SchleswigHolstein werden das aufmerksam verfolgen.
Den Dank, den ich zu Beginn geäußert habe, möchte ich gern erweitern, denn nicht zu vergessen sind zahlreiche Kooperationspartner, die sich gegen Diskriminierung in Schleswig-Holstein wenden. Beispielhaft nenne ich die Beratungsstellen der LGBTIQ-Community, die ich besonders erwähnen und denen ich meinen Dank aussprechen möchte, denn insbesondere Transpersonen werden weiterhin in vielen, eigentlich in allen Lebensbereichen, auch in Schleswig-Holstein, diskriminiert. Wir haben es gehört: Selbst im Fitnessstudio werden sie gegängelt, wie wir in mehreren Fällen im Bericht aufgezeigt bekommen haben.
Diskriminierung entschlossen entgegenzutreten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Schließlich gibt es Diskriminierung nicht nur am Arbeitsplatz oder bei der Wohnungssuche. Auch im restlichen Alltag sind Ressentiments leider weiterhin sprichwörtlich Alltag. Lassen Sie uns den vorliegenden Bericht als Kompass nehmen und unsere Anstrengungen in den aufgezeigten Bereichen weiter verstärken. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und die Anteilnahme.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Vielen Dank auch von meiner Seite für den Bericht der Antidiskriminierungsstelle. Der Berichtszeitraum weist eine Steigerung der Beratungsnachfrage von 325 auf 341 Fälle auf. Seit Bestehen der Antidiskriminierungsstelle im Jahr 2013 hat es dann insgesamt rund 1.000 Beratungen gegeben. Schwerpunkte waren Diskriminierung im Arbeitsleben und im Alltag, überwiegend wegen einer Behinderung oder aufgrund des Geschlechts. Schließlich war Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft ein weiteres Haupt