Protocol of the Session on February 19, 2020

Einschränkungen gibt es natürlich auch: Umfangreiche Planungsunterlagen und ein schlechter Internetzugang passen nicht zusammen. Wer Zeile für Zeile auf den Aufbau einer Internetseite warten muss, kann diesen neuen Service gar nicht nutzen. Hier zeigt sich einmal mehr: Eine gut ausgebaute Internetinfrastruktur ist das Nadelöhr der Modernisierung unseres Landes. Ohne leistungsfähiges Internet bleiben bestimmte Orte und Regionen von der modernen Bürgerbeteiligung abgeschnitten. Darum bleibt - bisher jedenfalls - die Auslegung der Unterlage in Papierform absolut nötig.

Bürgerfreundliche Öffnungszeiten, damit man auch nach Feierabend einen Blick in die Unterlagen werfen kann, müssen daher in allen Ämtern und amtsfreien Gemeinden unbedingt gewährleistet werden. Bislang sind die Ämter aber gar nicht darauf eingerichtet. So ist beispielsweise das Amt Südtondern nachmittags geschlossen. Nur am Donnerstag ist es von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Ich würde mir wünschen, dass bürgerfreundliche Öffnungszeiten während der Auslegung von Planungsunterlagen verbindlich im Gesetz geregelt werden.

Meine Damen und Herren, auch das muss man diskutieren, wenn man die Menschen intensiv beteiligen will und vor allem, wenn man alle Menschen, auch diejenigen, die noch keinen so guten Internetzugang haben, mit beteiligen möchte. Darüber können wir uns in Ruhe im Ausschuss unterhalten. Vielen Dank.

(Beifall SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe somit die Beratung. Es ist beantragt wor

den, den Gesetzentwurf Drucksache 19/1952 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages unsere Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Tätigkeitsbericht 2017 und 2018 der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Drucksache 19/1831

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau El Samadoni, schön, dass es geklappt hat, dass Sie kommen konnten, denn wir haben den Tagesordnungspunkt ja ein bisschen vorgezogen.

Die Wichtigkeit des Themas ist auf jeden Fall da, und ich freue mich deshalb sehr, heute über den Bericht reden zu dürfen. Vielen Dank an Ihr Team, dass sicherlich daran mitgewirkt hat, dass vielen Leuten geholfen werden konnte.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Man stelle sich einfach einmal vor: Man möchte mit ausländischen Freunden eine Diskothek in Schleswig-Holstein besuchen. Weiterhin stelle man sich vor, dass diese Freunde vielleicht nicht europäisch aussehen, sondern irgendwie anders, beispielsweise, weil sie aus Afghanistan kommen. Da kann man in einigen Diskotheken in Schleswig-Holstein ganz schön Ärger bekommen. Man wird wahrscheinlich nicht reingelassen. Diese Erfahrung haben mehrere Personen gemacht. Warum werden sie nicht reingelassen? Sie werden nicht reingelassen, weil sie anders aussehen. Das ist kaum zu glauben, aber bittere Realität bei Besucherinnen und Besuchern von einigen Diskotheken - nicht von allen.

(Lars Harms)

Ebenfalls kaum zu glauben ist, dass man sich dann Sätze anhören muss wie: „Nein, ihr seid Ausländer, ihr kommt hier nicht rein!“ Oder: „Heute könnte Obama vor der Tür stehen, den würden wir auch nicht reinlassen!“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist unverblümter Rassismus. Die besagte Diskothek ist nach Medienrecherche dafür bekannt, dass es Rassismusvorwürfe gibt und schon mehrere Personen dort ähnliche Erlebnisse machen mussten wie die Person, die sich an Frau El Samadoni gewandt hat. Deshalb ist es gut, dass die Antidiskriminierungsstelle Kontakt zum Betreiber aufgenommen hat und ihm die Vorfälle geschildert hat. Daraufhin meldete sich der Anwalt des Betreibers und wies alle gegen die Diskothek erhobenen Vorwürfe zurück. Er hat ausgeführt, es gebe keinen Rassismus bei ihnen und es gebe auch keine Diskriminierung aus ethnischen Gründen. Mit der besagten Begründung seien an dem Abend Gäste eingelassen, aber sie seien auch abgewiesen worden - unabhängig von der Hautfarbe. Zudem wurde auf das Hausrecht des Betreibers hingewiesen und auf den Aspekt, dass auch die Türsteher einen Migrationshintergrund hätten.

Da fragt man sich ernsthaft, was das denn für eine Relevanz hat. Hausrecht hin oder her, das Hausrecht begründet diskriminierendes und rassistisches Verhalten nicht, wie es an dem Eingang der Diskothek geschehen ist. All das geschah auch noch unter Zeugen.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

Auf Anraten der Antidiskriminierungsstelle wären hier rechtliche Schritte einzuleiten. Die betroffenen Männer verzichteten jedoch darauf, weitere rechtliche Schritte einzuleiten, auch wegen ihres Aufenthaltsstatus und der drohenden zusätzlich anfallenden Bürokratie.

Rassistische Diskriminierung ist verboten und sollte demzufolge ins Ordnungsrecht aufgenommen werden, um uneinsichtige Betreiber solcher Stätten zum Umdenken zu bewegen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Beifall Serpil Mi- dyatli [SPD])

Mit dem Team der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein gibt es seit 2013 eine Anlaufstelle rund um das Anti-Diskriminierungsgesetz des Bundes für Bürgerinnen und Bürger, für Unternehmen, für Verbände und auch für Behörden. Diese Stelle funktioniert sehr gut.

Es werden Menschen diskriminiert, weil sie angeblich nicht der allgemeinen Norm entsprechen. Es muss auch darauf geachtet werden, dass die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2017 bezüglich der Berücksichtigung des dritten Geschlechts gemacht hat, umgesetzt werden.

Diskriminierung fängt schon bei der Sprache an. Sie sollte keine starre Einheit sein, sondern sich den gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen. Gerade auch bei Stellenausschreibungen ist es wichtig, dass diese geschlechterneutral erfolgen. Es ist fast nicht zu glauben, wie intolerant manche Menschen reagieren und agieren. Altersdiskriminierung ist weiterhin ein großes Problem. Mal ist eine Person beispielsweise zu jung für einen Job, mal ist eine Person zu alt für einen Job. Über 80-Jährige bekommen keine Internetverträge mehr. Auch das ist ein Skandal.

Probleme gibt es auch vermehrt im Umgang mit Transsexuellen. Besonders empörend ist der Fall einer Trans-Frau im Frauenfitnessstudio. Ihr wurde der Vertrag nachträglich storniert mit der Begründung: Wie sieht die denn ausgezogen aus! Das können wir unseren Frauen doch nicht zumuten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde so etwas haarsträubend und menschenverachtend. Gut, dass wir diese Stelle bei uns beim Landtag haben, die dies thematisieren kann.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Auch wird über massive Schwierigkeiten bei der Mitnahme von Assistenzhunden in Lebensmittelund Einzelhandelsfachgeschäfte berichtet sowie in Kliniken und Reha-Einrichtungen.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Dennys Bornhöft [FDP] und Jet- te Waldinger-Thiering [SSW])

Eigentlich sollte es dort keine Schwierigkeiten mehr geben. Das ist alles geregelt.

Aber aus diesen genannten und auch weiteren Gründen ist es gut, diese Anlaufstelle zu haben, die sich für die Menschen einsetzt, die diskriminiert werden - aus welchen Gründen auch immer.

Sie setzte sich dafür ein, den Betroffenen zu helfen, bekämpft Benachteiligungen und setzt sich gegen Rassismus und Ausgrenzung ein. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

(Katja Rathje-Hoffmann)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Diskriminierung, das ist Alltag in Schleswig-Holstein - leider. Der Bericht der Antidiskriminierungsstelle bei der Bürgerbeauftragten - vielen herzlichen Dank dafür - zeigt wieder einmal sehr deutlich, dass wir diese Stelle brauchen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist sehr bedrückend, wie Menschen in Schleswig-Holstein tatsächlich Diskriminierung erfahren müssen. Dabei sind das Geschlecht, die Herkunft oder auch die sexuelle Orientierung ein Grund. Es kann aber auch das Alter, wenn man zu jung oder zu alt ist, sein. All das führt in Schleswig-Holstein zu Diskriminierung. Katja Rathje-Hoffmann ist schon auf die Einzelbeispiele in der Arbeitswelt eingegangen: eine Servicekraft, die zu jung ist, um in der Gastronomie zu arbeiten - da wundert man sich tatsächlich, dass die Gastronomie es sich bei dem Fachkräftebedarf überhaupt noch leisten kann, Menschen zu diskriminieren; das ist schon allerhand -, aber auch Mitarbeiter bei einer Sicherheitsfirma, die aufgrund ihres hohen Alters diskriminiert werden.

Manchmal ist tatsächlich auch die Flucht ins Privatrecht ein Problem, wenn kommunale Unternehmen den Beschäftigten nicht die Rechte zukommen lassen, die den Beschäftigten gegenüber einem öffentlichen Arbeitgeber eigentlich zustehen würden. Oder das Beispiel rückwirkender Änderungen der Personalakte bei Transpersonen: Hier hat mich besonders betroffen gemacht, dass wir in SchleswigHolstein immer noch keine ausreichende ambulante Versorgung für Transpersonen haben, nur in Kiel und in Heide. Das ist tatsächlich nicht ausreichend.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Das Zivilrecht, die Massenverträge - darauf hat Katja Rathje-Hoffmann schon hingewiesen.

Das Beispiel „Selbst Barack Obama käme nicht rein“ verwundert mich persönlich nicht so sehr, muss ich ganz ehrlich sagen, denn ich selbst habe die Erfahrung an den Türen machen müssen. Rassismus an der Diskothekentür ist keine Neuigkeit. Das gibt es schon seit Jahrzehnten. Was tun wir da

gegen? Diese Frage muss man sich tatsächlich einmal stellen.

Wirklich ganz besonders hat mich der Bericht einer Mitarbeiterin erschüttert, die mit einer Gruppe von Menschen mit Behinderung ein Café besuchen wollte. Das muss man sich einmal vorstellen. Ihr macht einen Ausflug, geht mit Freunden, mit einer Gruppe mit Menschen mit Behinderung, in ein Café. Dann sagt die Besitzerin einem kackfrech ins Gesicht: „Personengruppen nehmen wir hier nicht auf“, und die dürfen in diesem Café tatsächlich nicht Platz nehmen. Das muss man sich einmal vorstellen, dass so etwas passieren kann. Die Behauptung, es handelte sich um eine zu große Gruppe, ist Schwachsinn, denn auf der Internetseite sind deutliche Einträge, dass dieses Café Menschen mit Behinderung tatsächlich diskriminiert und hier ganz klar eine Haltung zutage kommt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, von daher stellt sich die Frage: Was tun wir? Wir brauchen die Antidiskriminierungsstelle, damit die Menschen einen Ort haben, an dem sie Hilfe und Unterstützung bekommen. Aber dieser Bericht zeigt wieder einmal sehr deutlich auf, dass das AGG, das wir nach den EU-Richtlinien damals in Deutschland leider immer noch unzureichend umgesetzt haben, einer Novellierung bedarf,

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn wir können nicht Jahr für Jahr von diesen Diskriminierungen hören, dann aber feststellen: Hier passiert nichts. Oder wir gehen einen Schritt weiter, wie es das Land Berlin macht - da würde ich gern auf Sie zukommen wollen -, dass wir ein Landesantidiskriminierungsgesetz auf den Weg bringen, das mehr Merkmale mit aufnimmt, als es zum Beispiel im AGG der Fall ist. Das in Schleswig-Holstein umzusetzen, ist immer wieder ein Rat von Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Frau El Samadoni.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sagen immer wieder: „Wir haben eine klare Haltung, wir sind tolerant, wir leben eine offene Gesellschaft in Schleswig-Holstein“, aber die Realität sieht anders aus. Sie wird eben nicht überall gleich gelebt. Daher ist es sehr wichtig, Haltung zu haben und sie überall und gleich zu zeigen.