Protocol of the Session on February 19, 2020

(Zuruf FDP: Jetzt kommt der Studienrat!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Vogt! Werte wenige verbliebene Gäste! Der Landtag hat am 17. November 2016 erstmals über die Gründung eines Schleswig-Holsteinischen Instituts für Berufliche Bildung debattiert. Diese Debatte war von einem sehr hohen Maß an Einigkeit geprägt.

Das Plenum verabschiedete bei Enthaltung der FDP einen Auftrag an die damalige Landesregierung, die Errichtung eines SHIBB vorzubereiten; das ist ja eben schon gesagt worden. Im Beschluss des Landtags war eindeutig die Rede davon, dass die Steuerungshoheit für die beruflichen Schulen beim Bildungsministerium verbleiben sollte.

Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl war das plötzlich alles nicht mehr wahr, und die staunende Öffentlichkeit war mit einer ganz neuen bildungspolitischen Philosophie konfrontiert: „Jetzt wird auseinanderdividiert, was zusammengehört.“ Die neue Koalition vereinbarte, dass es zukünftig Schulen geben sollte, für die das Bildungsministerium zuständig sein sollte, nämlich die allgemeinbildenden Schulen, und solche, deren oberster Chef der Wirtschaftsminister sein sollte, nämlich die beruflichen Schulen.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP] - Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Wir sprechen über die allgemeinbildenden Schulen und über die berufsbildenden Schulen, lieber Kollege Vogt.

Dass dies eine Kurswende weg von der Vorstellung eines durchlässigen Bildungssystems wäre, ist in den vergangenen drei Jahren von nahezu jedem geäußert worden, der irgendetwas mit beruflicher Bildung zu tun hatte.

Die Landesregierung legt heute einen Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes vor, der nach eigenem Bekunden gesetzgebungstechnisch erst einmal nur eine Fingerübung ist. Das SHIBB wird durch dieses Gesetz nicht errichtet, sondern - ich zitiere -:

(Peer Knöfler)

„Es handelt sich um abstrakt-generelle Regelungen, die überdies erst Geltung erlangen, wenn das SHIBB rechtswirksam errichtet worden ist.“

Das Gebot der Gesetzgebungsklarheit, das eigentlich Grundlage für die Tätigkeit des Gesetzgebers sein sollte, wird durch diesen Entwurf in sein Gegenteil verkehrt. Mir tut jetzt schon jeder Leiter einer Berufsschule leid, der mit diesem Gesetz umgehen müsste. Da wird Migräne zur Berufskrankheit.

(Beifall SPD)

Die Schulaufsicht - die Ministerin hat es gesagt hat künftig drei Ebenen; aber für jede Schule sind nur eine oder zwei Ebenen zuständig: entweder das Schulamt und das Ministerium bei den Grundschulen und Gemeinschaftsschulen oder nur das Ministerium bei den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe oder künftig das SHIBB und das Ministerium bei den Berufsschulen.

Und dann wird es völlig absurd: Das SHIBB wird dem Geschäftsbereich des Wirtschaftsministers zugewiesen, dem die oberste Dienstaufsicht über die berufsbildenden Schulen einschließlich der Regionalen Berufsbildungszentren übertragen wird. Aber die Fachaufsicht über das SHIBB soll wiederum beim Bildungsministerium verbleiben. Das macht so keinen Sinn.

Sie schaffen ohne jegliche Not ein Kompetenzwirrwarr, auf den Daedalos bei der Konstruktion des Labyrinths von Knossos neidisch geworden wäre. Daedalos wollte ja auch nur den Minotauros einsperren. Sie pferchen rund 100.000 Lernende und Lehrende an den beruflichen Schulen in dieses verschlungene Regelungswerk.

Sie greifen auf den Beschluss des Landtags von 2016 zurück, in dem Sie ein Kuratorium mit beratender Funktion vorsehen. Wir werden uns das Errichtungsgesetz zum SHIBB ansehen und prüfen, ob dieses Gremium den Mindestanforderungen an eine Mitbestimmung genügt.

Der Gesetzentwurf regelt zusätzlich eine Frage, die nichts mit dem SHIBB zu tun hat, nämlich die Einführung eines Klassensprechers für die gesamte Jahrgangsstufe in der Oberstufe, wenn die Klassenverbände aufgehoben sind. Das ist im Prinzip sinnvoll, aber an großen Schulen, an denen eine Jahrgangsgruppe schon einmal über 100 Schülerinnen und Schüler umfassen kann, stößt es an die Grenzen, wenn ein Klassensprecher oder eine Klassensprecherin beziehungsweise deren Stellvertretungen Mitschüler vertreten sollen, mit denen sie im Ext

remfall nie gemeinsam Unterricht haben. Welche Schüler wenden sich an den eigenen Klassensprecher, wenn sie die Person gar nicht kennen? Hier muss nach unserem Empfinden ein klügerer Weg gefunden werden.

Der Kollege Knöfler hat es eben angesprochen. Es ist zum Beispiel deswegen erforderlich, um auch bei den Klassenkonferenzen vertreten zu sein. Aber in einer Klassenkonferenz über einen Schüler zu befinden, den ich selbst überhaupt nicht kenne, halte ich schon für relativ schwierig. Auch der Schüler wird in dem Moment nicht so wahrgenommen, wie es eigentlich der Funktion eines Klassensprechers wert wäre. Vielmehr ist das nur eine Alibifunktion.

Hier muss aber bis August eine Regelung gefunden werden, weil das alles zu Beginn des neuen Schuljahres geregelt sein muss.

Für das SHIBB gilt das aber nicht. Wir werden hier verkürzten Anhörungen nicht zustimmen, falls das beantragt werden sollte. Notfalls kann man die Regelung zu § 65, also den Jahrgangssprechern, als eigenen Gesetzentwurf auskoppeln und unabhängig von den Bestimmungen über das SHIBB schnell verabschieden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun liegt der Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes vor. Mit ihm werden die Weichen für die Errichtung eines Schleswig-Holsteinischen Instituts für Berufliche Bildung, kurz SHIBB, gestellt. Pläne dazu gab es bereits in der vergangenen Wahlperiode. Wir Grüne hatten die Initiative auf den Weg gebracht. Es gab dazu einen einstimmigen Beschluss des Landtags, allerdings unter anderen Vorzeichen.

Ziel eines SHIBB ist die Stärkung der beruflichen Bildung. Durch Bündelung der fachlichen Kompetenz aus verschiedenen Ministerien in einem gemeinsamen Institut kann dies besser gelingen. Hamburg hat mit dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung, dem HIBB, gezeigt, dass dieses Ziel tatsächlich erreicht werden kann. Das HIBB, das der Behörde für Schule und Berufsbildung zu

(Kai Vogel)

geordnet ist, besteht seit mehr als zehn Jahren und ist sehr positiv evaluiert worden.

Mit der Zusammenführung der fachlichen Expertise aus verschiedenen Ministerien im SHIBB soll gewährleistet werden, dass Jugendliche optimal auf den Weg von der Schule in den Beruf begleitet werden und gleichzeitig dem Fachkräftemangel begegnet wird.

Anlass zum Konzept des SHIBB waren Reibungsverluste zwischen den verschiedenen Ministerien, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf berufliche Bildung sahen und deshalb keine optimalen Beschlüsse im Sinne der Jugendlichen gefasst hatten.

Berufliche Bildung muss die Förderung und Unterstützung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ins Zentrum ihres Handelns stellen. Die Jugendlichen bringen unterschiedliche Biografien mit. Damit sie ihren Weg in den Beruf finden, muss die berufliche Bildung ihre Bedarfe erkennen und entsprechende Angebote machen. Dabei ist der Bereich der dualen Ausbildung zentral. Etwa 60 % der Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen sind in einem Ausbildungsverhältnis.

Hier gibt das Berufsbildungsgesetz die Rahmenbedingungen für die einzelnen Ausbildungsberufe vor. - Ein kurzer Exkurs: Das Berufsbildungsgesetz ist ein Bundesgesetz. Es gibt bundesweit einheitlich den Rahmen für die Ausbildung vor.

Bei der beruflichen Bildung klappt also die bundeseinheitliche Regelung. Bei den Schulen sind wir leider noch nicht so weit; aber wir arbeiten daran.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

40 % der Schülerinnen an beruflichen Schulen sind an Fachschulen, in der Berufsvorbereitung, an den Fach- und Berufsoberschulen sowie an den beruflichen Gymnasien. Es ist von zentraler Bedeutung, dass im Bereich der beruflichen Bildung auch diese Bildungsgänge gestärkt und weiterentwickelt werden. Die Klassen für kaufmännische Assistentinnen und Assistenten, die Fachschulen für Sozialpädagogik oder auch die Berufsintegrationsklassen für Zugewanderte sind wichtige Angebote, die erhalten werden müssen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das berufliche Gymnasium ist vor allem für Schülerinnen aus Gemeinschaftsschulen ein toller Weg zum Abitur. Die Schülerinnen können Profile nach ihren Interessen wählen und erreichen gute Ergeb

nisse. Die Abiturientinnen an beruflichen Gymnasien haben oft eine genaue Vorstellung davon, was sie nach dem Abitur machen wollen, und sind bei Ausbildung oder Studium in ihren Bereichen sehr erfolgreich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

- Da sitzt einer.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Die Beispiele zeigen: Berufliche Bildung ist auch Persönlichkeitsbildung und darf nicht allein dem Ziel der Fachkräftegewinnung untergeordnet werden.

Einige Schülerinnen und Schüler brauchen mehr Zeit, um ihren Weg zu finden. Sie brauchen Unterstützung bei der Orientierung und Angebote, sich auszuprobieren. Hier leisten die berufsbildenden Schulen hervorragende Arbeit. Stärkung von beruflicher Bildung heißt, dass dieses breite Spektrum erhalten werden muss. Ein wichtiger Teil - aber eben nur ein Teil - ist die duale Ausbildung auch in der Fläche.

Genauer betrachtet beginnt die berufliche Bildung schon in der allgemeinbildenden Schule. Um den Übergang von der Schule in den Beruf zu verbessern, ist eine intensive Berufsvorbereitung wichtig. Das Bildungsministerium ist dabei, die bestehenden Konzepte weiterzuentwickeln; das unterstützen wir sehr.

Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir prüfen wollen, ob Berufsschullehrkräfte als Expertinnen und Experten für berufliche Bildung bei der Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen unterstützen können. Die Zusammenarbeit und der fachliche Austausch von Lehrkräften an beruflichen und an allgemeinbildenden Schulen wären gut für die Berufsorientierung. Die Fachleute aus den Berufsschulen könnten an den allgemeinbildenden Schulen aus erster Hand über die verschiedenen Berufe informieren. Diese übergreifende Arbeit zwischen den Ministerien muss auch nach Einrichtung des SHIBB möglich sein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Peer Knöfler [CDU])

Die Stärkung der beruflichen Bildung mit ihrer ganzen Bandbreite an Angeboten, auch in der Fläche, durch die Errichtung eines SHIBB beim Wirtschafts- und Arbeitsministerium ist eine große Herausforderung. Aber man wächst bekanntlich mit den Aufgaben. - Vielen Dank.

(Ines Strehlau)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich wirklich, dass ich heute hier stehen und feststellen kann, dass wir auf dem Weg zur Errichtung des Schleswig-Holsteinischen Instituts für Berufliche Bildung - kurz SHIBB - mit der heutigen ersten Lesung des Schulgesetzentwurfs einen ganz großen Schritt vorangekommen sind.

(Beifall FDP)