Protocol of the Session on September 21, 2017

In den vergangenen Wochen wurde uns durch die Abschiebung der Familie aus Kirchbarkau noch einmal vor Augen geführt, wie notwendig diese Initiative ist. Auch unsere Gesellschaft kann es sich angesichts eines zunehmenden Fachkräftemangels nicht leisten, gut integrierte lern- und arbeitswillige Zuwanderinnen und Zuwanderer abzuschieben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und Beifall Oliver Kum- bartzky [FDP])

Kirchbarkau zeigt, dass wir eine besondere Situation haben, der wir Rechnung tragen müssen, aber Kirchbarkau ist keine zu verallgemeinernde Blaupause für alle Fälle.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Kay Richert [FDP])

Doch müssen wir uns sehr wohl Gedanken machen, wie wir in solchen Fällen in Zukunft verfahren wollen. Einfache Lösungen kann ich Ihnen hier und heute nicht präsentieren, und das wird niemand können. Dazu ist das Rechtsgefüge viel zu komplex und vielschichtig. Es geht um das Aufenthaltsrecht und eine erfolgversprechende Perspektive darauf. Dazu besteht eine Reihe von Möglichkeiten. Die sogenannten vollziehbar zur Ausreise verpflichteten und regelmäßig geduldeten Menschen können sich direkt aus der Duldung heraus und ohne Ausreise aus dem Bundesgebiet darum kümmern - ohne Ausreise aus dem Bundesgebiet! Beispielsweise gibt es Aufenthaltserlaubnisse für besonders qualifizierte Geduldete, für gut integrierte Jugendliche und Her

anwachsende und auch entsprechend integrierte Erwachsene.

Es gibt perspektivisch aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten für Geduldete, die eine qualifizierte Berufsausbildung aufgenommen haben. Auch das haben wir hier wiederholt diskutiert und gehört. Für Asylbewerberinnen und -bewerber, die sich noch im Verfahren befinden, sind entsprechende Möglichkeiten bislang nur zum Teil gegeben. Hier wird der Schwerpunkt unserer Überlegungen liegen müssen, und hier sehe ich mögliche Schwierigkeiten, die uns zu großer Sorgfalt, aber auch zu großem Engagement verpflichten. Beispielsweise gilt es, die Menschen im Asylverfahren nicht besserzustellen als qualifizierte Drittstaatenangehörige, die über ein reguläres Visumverfahren in den Arbeitsmarkt hierherkommen.

Wir behandeln hier ein sehr komplexes Thema, was nicht durch einseitige Berichterstattung polemisiert werden darf. Dafür ist das Thema viel zu sensibel. Es wird uns sicherlich auch alle eine lange Zeit beschäftigen. Die notwendigen rechtlichen Überlegungen und politischen Gespräche zwischen den Fraktionen mit dem Bund und anderen Ländern werden uns in jedem Falle eine lange Zeit in Anspruch nehmen. Ich wünsche mir, dass dieses Thema gemeinschaftlich gelöst wird. Es ist zu schade, um es zu einem parteipolitischen Zankapfel zu machen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Vielen Dank, Herr Minister. - Der Minister hat seine Redezeit um 1 Minute 27 Sekunden überschritten. Gibt es Fraktionen, die von dieser Redezeit Gebrauch machen wollen? - Das sehe ich nicht. Es liegen auch insgesamt keine Wortmeldungen vor. Ich schließe somit die Beratung.

Wir kommen nun zu Punkt a), dem Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/149. Hier ist Abstimmung in der Sache beantragt. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist dies mit den Stimmen der CDU-Fraktion, der SPDFraktion, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der AfD-Fraktion so beschlossen.

(Minister Hans-Joachim Grote)

Wir kommen nun zur Abstimmung zu b), dem Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache 19/154, sowie dem Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP mit der Drucksachennummer 19/206. Hier ist Ausschussüberweisung an den Innen- und Rechtsausschuss beantragt worden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 22, 27 und 28 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Mündlicher Bericht zum Integrierten Rückkehrmanagement

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/151 (neu)

b) Maghreb-Staaten als „sichere Herkunftsstaaten“ einstufen

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/156

c) Abschiebehaft sicherstellen - Reaktivierung der Abschiebehaftanstalt Rendsburg und sofortige Schaffung von Abschiebehaftplätzen in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/157

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag zu a) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem Berichtsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist es einstimmig so beschlossen.

Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.

Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Die Anzahl der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen wird steigen. Das ist bekannt. Diese Heraus

forderung erfordert auf allen Ebenen erhebliche Anstrengungen - beim Bund, beim Land und auch in den Kommunen.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD]: Beim Steuerzah- ler!)

Die Situation bei uns stellt sich folgendermaßen dar: Seit 2016 haben wir ein Rahmenkonzept zum integrierten Rückkehrmanagement. Das Konzept sieht in mehreren Stufen Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht vor. Die erste ist eine flächendeckende Rückkehrberatung. Die Menschen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, müssen wissen, was von ihnen erwartet wird und welche Folgen das hat und welche Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten für ihre Rückkehr ins Heimatland bestehen. Das integrierte Rückkehrberatungsund Managementkonzept, das das Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Kooperation mit dem Diakonischen Werk Schleswig-Holstein betreut, leistet sehr wertvolle Hilfe dazu.

Die zweite Maßnahme ist die Beteiligung des Landes an weiteren, bereits etablierten Rückkehrförderprogrammen, beispielsweise denen der internationalen Organisation für Migration - IOM - sowie die Entwicklung eigener Fördermöglichkeiten.

Dritter Punkt des Konzepts ist eine Landesunterkunft für Ausreisepflichtige. Seit Beginn des Jahres besteht diese beim Landesamt für Ausländerangelegenheiten. Ausreisepflichtige aus den Kreisen und kreisfreien Städten können verpflichtet werden, dort zu wohnen. Dann wird das Landesamt die zuständige Ausländerbehörde. Das hat mehrere Vorteile. Die Erreichbarkeit der Betroffenen ist gewährleistet, keine unangekündigte Abschiebung aus den Wohnungen erfolgt zur Nachtzeit, Betroffene können ihren Rückkehrprozess geordnet mitgestalten, und die zentrale Unterbringung ist auch hilfreich, wenn trotz aller Beratung eine Abschiebung dann doch erforderlich sein sollte.

Das belegt die bisherige Bilanz. Mehr als die Hälfte der untergebrachten Personen - das sind seit Frühjahr über 100 - ist innerhalb weniger Wochen freiwillig - freiwillig! - ausgereist. Nur zwei Personen mussten abgeschoben werden. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Rund 10 % sind untergetaucht.

Auch beim Aufbau erforderlicher Strukturen - ein weiterer Punkt des Konzepts - haben wir Erfolge. Das zuständige Dezernat „Rückkehrmanagement“ wurde dazu personell erheblich verstärkt.

Nun zu den Rückkehrzahlen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind weniger Menschen ausge

(Vizepräsident Rasmus Andresen)

reist. Das lässt sich leicht erklären: Letztes Jahr waren vor allem Personen aus den sogenannten Westbalkanstaaten ausreisepflichtig. Mit Chartermaßnahmen konnten sie relativ unkompliziert ausreisen.

Nun geht es allerdings um Aufenthaltsbeendigungen von Staatsangehörigen aus anderen Herkunftsländern. Die sind mit deutlich höherem Aufwand verbunden, von der Passersatzbeschaffung bis zum Vollzug. Hier sind wir auch darauf angewiesen, dass es dem Bund gelingt, mit den Herkunftsländern Rückführungsmöglichkeiten mittels entsprechender internationaler Passersatzdokumente beziehungsweise Einreisedokumente zu verhandeln.

Damit komme ich zum letzten Punkt des Rahmenkonzepts: Im Einzelfall kann die Anordnung von Ausreisegewahrsam oder Abschiebungshaft notwendig sein, um die Ausreisepflicht durchzusetzen, aber für uns gilt dies als Ultima Ratio.

Abschiebungshaft ist weder Beuge- noch Strafhaft. Die EU-Rückführungsrichtlinie nennt hier strenge Restriktionen.

Wir tragen diesem Grundsatz auch bei der Gestaltung der Unterbringungsstandards in Abschiebungshaftanstalten Rechnung. In der ehemaligen Abschiebungshaftanstalt in Rendsburg können diese nicht gewährleistet werden, und sie wird daher auch nicht mehr genutzt werden.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Schleswig-Holstein hat mit der Freien und Hansestadt Hamburg bereits eine Verwaltungsvereinbarung über fünf Plätze im Ausreisegewahrsam Hamburg. Zulässig ist dort allerdings nur eine Dauer von maximal zehn Tagen.

Wenn Betroffene jedoch keine Papiere haben oder für die Abschiebung eine Sicherheitsbegleitung erforderlich ist, also mehr Zeit benötigt wird, muss unter Umständen Abschiebungshaft beantragt werden. Um diese auch vollziehen zu können, planen wir mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern eine gemeinsame Abschiebungshafteinrichtung. Hierzu laufen derzeit Verhandlungen. Die Gespräche sind so, dass jedes Bundesland einen Standort genannt hat, und diese werden jetzt gegeneinander abgewogen und erläutert.

Meine Damen und Herren, ein letztes Wort zu den Maghreb-Staaten. Die Koalitionspartner in Schleswig-Holstein haben hinsichtlich der Einstufung von Staaten als sichere Herkunftsstaaten im Sinne von Artikel 16 a des Grundgesetzes unterschiedliche

Auffassungen. Dies ist immer offen und transparent kommuniziert worden.

Ich verschweige nicht, dass ich persönlich für eine Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten bin. Hier teile ich persönlich die Auffassung des Bundesinnenministeriums. Ich akzeptiere und trage aber mit, dass es in der Koalition auch eine andere Haltung gibt. Auch für diese gibt es durchaus gute Argumente. Für die Landesregierung gilt die klare Regelung des Koalitionsvertrags, und diese wird von ihr inhaltlich voll umgesetzt.

Meine Damen und Herren, erfolgreiche Migrationspolitik muss sich auch oder gerade an dem Umgang mit denjenigen messen lassen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben. Diese gesellschaftspolitische Herausforderung nehmen wir an und werden sie lösen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Mitglieder des Deutschen Hausfrauen-Bundes, Ortsverein Schleswig, und Amts- und Würdenträger aus dem Bereich Geltinger Bucht. - Herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort zu seinem ersten Redebeitrag im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat der Abgeordnete Claus Christian Claussen für die CDU-Fraktion.

(Beifall)