Protocol of the Session on September 21, 2017

Meine Damen und Herren, Sie befördern den Tod des deutschen Sozialstaats auf Raten. Der Unterschied ist: Die AfD meint, was sie sagt, die grüne FDP hingegen täuscht nur vor, etwas zu meinen. Bezeichnend ist übrigens, dass niemand von Rechtspopulismus spricht, wenn sich Herr Lindner entsprechend äußert.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Weil es keiner ist!)

- Nein. Es wissen eben alle, dass es sich lediglich um Wahlkampfgetöse handelt. Das ist der Unterschied.

(Christopher Vogt [FDP]: Mein Gott!)

Deswegen lehnen wir beide Anträge ab. - Vielen Dank.

(Beifall AfD - Christopher Vogt [FDP]: Dan- ke dafür!)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat nun Lars Harms.

(Zurufe: Soll ich dir gleich das Desinfekti- onsspray geben? - Riecht es da noch nach Schwefel?)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich ein Skript gehabt, aber das lasse ich jetzt einmal beiseite - Sie können es nachher im Internet nachlesen -, denn die Rede von

(Jörg Nobis)

Herrn Nobis macht es erforderlich, ein paar Korrekturen anzubringen.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Erstens, Herr Nobis: Asyl in der Bundesrepublik Deutschland bekommt man nach dem Grundgesetz, wenn man politisch verfolgt ist. Dies ist ein Recht, das jeder Mensch hat, der hier herkommt. Das ist gut so, und zwar nicht nur aufgrund der Erfahrungen aus der Geschichte. Ich finde es grundsätzlich gut, dass Menschen, die politisch verfolgt werden, hier in Deutschland Asyl bekommen.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Zweitens. Es gibt subsidiären Schutz aus humanitären Gründen. Menschen aus Ländern, in denen Bürgerkrieg herrscht oder Kriegshandlungen stattfinden, denen es schlecht geht und die vom Tod und anderen schlimmen Dingen bedroht sind und sich deswegen hierher durchkämpfen, gewähren wir Schutz. Formalrechtlich ist das ein zeitlich begrenzter Schutz. Manchmal passiert es aber, dass diese Menschen sehr lange hier sind, gut integriert sind und wir uns wünschen, dass diese Menschen hierbleiben und unsere Kultur bereichern können. Auch das ist eine Tatsache und auch gut so.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Drittens, Herr Nobis. Sie haben gesagt: In Syrien fiebert man dem Kriegsende entgegen. Ich dachte, ich bin auf einem anderen Planeten oder so etwas. Was für ein Schwachsinn!

(Jörg Nobis [AfD]: Das hat der UN-Syrien- botschafter gesagt!)

Was für ein Blödsinn! Da herrscht Krieg! Man bekriegt sich bis aufs Messer. Dort herrschen Mord und Totschlag. Selbst wenn man Frieden hätte, würde möglicherweise in großen Teilen des Landes Herr Assad das Regime führen. Glauben Sie, dass das dann ein Hort des Friedens ist, dass die Menschen dann auf einmal wunderbar entspannt und ohne Bedrohung leben können? Im Gegenteil! Das ist ein Land, das wahrscheinlich auf Dauer unter den schlimmsten Bedingungen zu existieren hat. Die Menschen haben einen Anspruch auf Schutz. Es muss Länder geben, die diesen Schutz gewährleisten.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Ich sage Ihnen noch etwas. Es stimmt: Es sind viele Menschen hierhergekommen. Ich als Bürger dieses Landes bin froh darüber. Ich bin in der Tat ein bisschen stolz darauf, dass wir als Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit eine so tolle Rolle gespielt haben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage aber auch - Sie stehen ja auf ein schönes konservatives Familienbild -: Menschen aus Familien können sich nur gut integrieren, wenn ihre Familie bei ihnen ist. Sollten Teile einer Kernfamilie fehlen, dann ist es unser Job, dafür Sorge zu tragen, dass sie eine Chance haben, ihre Familienangehörigen hier herzuholen, damit sie sich gut integrieren können, vor allen Dingen dann, wenn sie zu Hause eben keine Chance haben.

Der Antrag der Jamaika-Koalition ist genau der richtige. Das ist ein Antrag, der die derzeitige politische Situation widerspiegelt. Wir würden uns an manchen Stellen auch mehr wünschen, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Wir müssen mehr Familiennachzug ermöglichen, damit sich die Menschen wirklich integrieren können. Sonst haben die Menschen ihren Kopf völlig woanders - Aminata Touré hat das eben erklärt -: Man macht sich tierisch Gedanken über seine Familie. Das kann es nicht sein. Das hilft nicht bei der Integration, das verhindert Integration. Deswegen brauchen wir Familiennachzug.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir brauchen auch ein Einwanderungsgesetz, und die Chance war noch nie so groß in der Diskussion wie jetzt vor der Bundestagswahl, dass wir ein Einwanderungsgesetz bekommen. Dafür sollten wir uns alle einsetzen, gleich welcher Couleur. Es geht dabei auch - das finde ich ganz wichtig - nicht nur um die „normale“ Einwanderung, wie wir sie gern hätten, indem man mit einem Punktesystem die Menschen ins Land holt, die man möchte; das ist wichtig, gar keine Frage, das sollte man auch so machen, das ist auch okay. Ein Einwanderungsgesetz muss aber immer auch Passagen enthalten, die es ermöglichen, dass man Menschen auch aus humanitären Gründen hierbehalten kann, selbst wenn sie die formalrechtlichen Kriterien nicht erfüllen. Das ist das Entscheidende. Darauf müssen wir hinarbeiten.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

(Lars Harms)

Sie haben es schon gemerkt, ich rege mich manchmal ein bisschen auf. Ich hoffe, das war nicht zu doll. Es gibt zwei Dinge, die bei der Einwanderung entscheidend sind. Das eine ist in der Tat eine Errungenschaft, die wir als Bundesrepublik Deutschland haben, und das ist die Rechtsstaatlichkeit. In Deutschland muss alles nach Recht und Gesetz gehen, alle Menschen müssen vor dem Gesetz gleich sein, egal ob man Deutscher ist oder einen anderen Hintergrund, einen anderen Pass hat.

(Vereinzelter Beifall CDU, FDP und Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Das andere ist - das ist für mich ganz wichtig, weil es einen Kern unserer Gesellschaft betrifft -: Es muss human zugehen. Die Humanität muss sich in diesem Gesetzentwurf, wenn er denn irgendwann einmal kommt, widerspiegeln. Dann bekommen wir ein vernünftiges Einwanderungsgesetz.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

Im Grunde genommen sind wir uns darüber in großen Teilen dieses Parlaments auch einig. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank. - Wir kommen zu den Dreiminutenbeiträgen. Zunächst hat das Wort die Kollegin Eka von Kalben für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Haus für diese Debatte danken. Ich möchte auch unseren Koalitionspartnern danken, dass wir den Antrag gemeinsam so vereinbaren konnten, wie wir das im Koalitionsvertrag verhandelt haben. Vielen Dank, Frau Ostmeier, für Ihre Rede, die mir gezeigt hat, dass wir nicht nur etwas abarbeiten, weil es vereinbart wurde, sondern dass Sie auch wirklich dahinterstehen. Das fand ich gut.

Ja, es handelt sich um einen Jamaika-Beschluss, und deshalb ist in Berlin lange noch nicht alles umgesetzt. Wir müssen bei der nächsten Bundesregierung, wie auch immer sie nach der Wahl aussehen wird, dafür werben, dass ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht wird.

Erstens. Es wird immer gesagt: Es muss alles rechtsstaatlich zugehen. - Dabei ist es doch eine

Selbstverständlichkeit, dass es rechtsstaatlich zugeht. Das war in unserer Koalitionszeit so, und das ist in der Jamaika-Koalition so. Ich glaube auch, dass das in weiten Teilen in Deutschland so ist.

Es ist schwierig, gerade bezogen auf die Kolleginnen und Kollegen von der rechten Seite des Hauses, wenn wir das infrage stellen, wenn wir so tun, als ob es in Deutschland keine Rechtsstaatlichkeit gibt oder gegeben hat. Es ist falsch, das so zu betonen. Es mag überforderte Verwaltungen oder überforderte Menschen gegeben haben, weil wir vor einer bestimmten Aufgabe standen - das ist so, das gab es auch in früheren Situationen -, aber dieses Land ist ein rechtsstaatliches Land, und das ist gut so.

(Beifall CDU und FDP)

Worüber man streiten kann, ist, ob die Gesetze immer richtig sind und ob die Gesetze human genug sind, lieber Lars Harms. Dazu kann man auch unterschiedliche Positionen haben, zum Beispiel wenn es darum geht, welche Belastungen auf uns zukommen, wenn mehr Menschen zu uns kommen. Wie regeln wir das in Schulen und Kindergärten und so weiter? Das sind alles politische Auseinandersetzungen, die man führen kann. Aber ich möchte mich ganz stark dagegen aussprechen, hier so zu tun, als ob es bei uns nicht rechtsstaatlich zuginge.

Zweitens. Frau Midyatli, Sie haben eben den Spurwechsel angesprochen - liebe, Serpil, ich glaube, hier muss man sich siezen - und dass in unserem Koalitionsvertrag völlig unklar sei, was wir wollen. Es ist eben nicht unklar. Gut, der Begriff „Einwanderungsgesetz“ ist darin nicht präzisiert, aber der Spurwechsel ist enthalten. Wir sind uns sicher einig, dass das ein sehr wichtiger Bestandteil eines Einwanderungsgesetzes sein soll.

Letzter Punkt. Meine Gasttochter aus Syrien hat gerade geheiratet, worüber ich mich sehr freue. Ihre Eltern konnten nicht dabei sein, was für sie als einzige Tochter wirklich tragisch gewesen ist. Ihre Eltern leben in Syrien in einem Gebiet, in dem relativ wenige Kriegshandlungen stattfanden. Von wegen, es ist alles sicher: Sie können nur zu bestimmten Zeiten einkaufen gehen, weil geschossen wird. Sie haben keinen Strom mehr, deshalb konnten die Eltern leider auch nicht per Skype oder per Telefon an der Hochzeit teilnehmen. Wenn Sie hier erzählen: „In Syrien ist kein Krieg“, dann weiß ich wirklich nicht, wovon Sie träumen. Wir brauchen Familiennachzug, und wir brauchen einen vernünftigen Schutz für Menschen, gerade aus Syrien. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

(Lars Harms)

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Christopher Vogt zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich nicht in diese Debatte einmischen. Ich habe mich trotzdem zu Wort gemeldet, weil der Fraktionsvorsitzende der AfD hier einen Beitrag abgeliefert hat, der mit dem Wort „unterirdisch“ noch höflich umschrieben ist. Ich sage ganz ehrlich: Ich möchte mich ungern von einer Partei provozieren lassen, deren Landesvorsitzende tatsächlich öffentlich erklärt, die Deutschen seien im Ausland noch nie so unbeliebt gewesen wie heute, und sich dabei ausdrücklich nicht nur auf die letzten 70 Jahre bezogen hat, sondern auch auf die Zeit davor. Das ist geistig auf einem Niveau, das einen erschaudern lässt. Eigentlich lohnt es kaum, darauf einzugehen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich glaube, in den 40er-Jahren gab es durchaus Zeiten, in denen wir unbeliebter waren. Solche Äußerungen zeigen, wessen Geistes Kind Sie sind. Herr Nobis, Sie haben heute gezeigt, dass Sie die Maske fallen lassen, dass Sie nicht die konservative Partei sind, die Sie vorgeben zu sein, sondern dass Sie ganz klar eine rechte Partei sind und sich mittlerweile auch derart widerlich äußern wie Ihr Freund in Thüringen.

(Wortmeldung Doris Fürstin von Sayn-Witt- genstein [AfD])