Protocol of the Session on January 24, 2020

Wir als demokratische Parteien treten dem entschieden entgegen. Weder Schulen noch Politik verschließen die Augen davor, dass Gewalt und Mobbing an einzelnen Schulen eine Herausforderung darstellen. Dazu gibt es Unterstützung; wir haben Maßnahmen in unserem Antrag dargestellt, und sie werden stetig weiterentwickelt.

Die laut der Datenbank zum Gewaltmonitoring 585 Meldungen im vergangenen Schuljahr machen deutlich, dass wir an einigen Stellen intensiv unterstützen müssen. Wir tun das mit dem Bildungsbonus, Schulsozialarbeit, Schulpsychologinnen und psychologen, Schulassistenz und anderen Maßnahmen. Diese Unterstützung ist wichtig. 585 Ordnungsmaßnahmen bei 370.000 Schülerinnen und Schülern an unseren Schulen machen aber deutlich, dass wir insgesamt ein sehr gutes Miteinander an unseren Schulen haben.

Das Ministerium erhebt überprüfbare Daten. Das ist genau der richtige Weg, um gefühlten Wahrheiten à la AfD etwas entgegenzusetzen. Diese Daten werden wir uns genau anschauen und sehen, ob und wie wir die Unterstützungsmaßnahmen anpassen müssen. Wir stehen für eine faktenbasierte Politik. Deshalb bitten wir um Unterstützung für unseren Alternativantrag. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass das Problem Mobbing und Gewalt an Schulen ein Dauerthema ist, mit dem sich Schulen und auch wir uns auseinandersetzen müs

sen, hat keiner der Redner geleugnet. Das hat auch keiner ignoriert. Insofern finde ich es gefährlich, dass die AfD so tut, als ob wir es täten.

Auch wenn immer gern gesagt wird: „Früher gab es das auch schon, und das ist doch alles gar nicht so schlimm“, denke ich, dass wir sagen müssen: Die Art und Weise der gewaltentsprechenden Handlungen an den Schulen hat sich verändert.

Was wirklich erstmals so ist - das ist eben gesagt worden -: Wir haben im August 2018 erstmalig überhaupt Daten erhoben. Wir kannten vorher nur eine gefühlte Wahrheit. Mit dieser gefühlten Wahrheit jetzt eine Expertenanhörung zu begründen, die sich mit den ersten vorliegenden Zahlen beschäftigen und daraus Erkenntnisse ziehen soll, halte ich schlicht und ergreifend für unseriös.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich müssen wir hingucken, wie sich Mobbing an Schulen im Zusammenhang mit den sozialen Netzwerken verhält. An der Stelle muss man wirklich auch einmal das Soziale an den Netzwerken infrage stellen, das ist es nämlich gerade nicht. Da müssen wir genau hinschauen, und das tun wir auch.

Wir werden Ihren Antrag ablehnen und haben unseren Alternativantrag ganz bewusst formuliert, weil wir in den letzten Jahren schon ganz viele Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, weil wir diese Erkenntnisse bereits hatten. Seit vielen Jahren ist es üblich, dass das Land Schulsozialarbeit finanziert. Die Schulsozialarbeit hat für die Prävention eine ganz wichtige Aufgabe. Wir haben die PerspektivSchulen eingerichtet. Auch das ist eine Antwort darauf, dass es Jugendliche an Schulen gibt, die Probleme haben, die ursächlich nicht allein in der Schule zu suchen sind, sondern die in ihrem privaten Umfeld zu finden sind. Das können Probleme mit den Eltern sein, mit den Freunden, da ist vieles möglich.

Ich bin der Meinung, dass wir mit der Datenbank Gewaltmonitoring an Schulen, die hier angeführt ist, ganz zielgerichtet an diese Probleme herangehen. Wir müssen die Vorfälle an Schulen erfassen, um uns zukünftig ein genaues Bild machen zu können. Mit dem Zentrum für Prävention am IQSH und den umfangreichen Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte haben wir jede Menge Instrumente an der Hand, um Mobbing und Gewalt an Schulen effektiv einzudämmen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von Ihnen infrage stellt, dass das Experten

(Ines Strehlau)

sind. Das sind die Experten, das sind nämlich diejenigen, die jeden Tag damit zu tun haben.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Über eines müssen wir auch diskutieren: Wie definieren wir eigentlich Mobbing? Ich habe manchmal das Gefühl, dass Mobbing von einzelnen Gruppen sehr schnell als Begriff genutzt wird, um etwas zu skandalisieren und aufzubauschen. Das ist auch gefährlich, weil man dem tatsächlichen Mobbing, was wirklich schwerwiegend ist, nicht gerecht wird.

Wir werden uns also mit dem Thema weiterhin befassen. Wir werden das auch intensiv tun und schauen, welche weiteren ergänzenden Maßnahmen wir zu dem bisherigen Handeln noch einführen müssen. Wir wissen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die sich verändert. Wir wissen, dass Werte wie Respekt sich auch verändert haben und wir dagegen etwas tun müssen. Das ist aber eine Aufgabe, die wir nicht politisch verordnen können. Das kann nur jeder Einzelne von uns vorleben und leben. Dazu brauchen wir nicht Ihren Antrag.

Ich bin der Kollegin Ines Strehlau wirklich dankbar dafür, dass sie die kleinen Feinheiten in dem Antrag sehr deutlich noch einmal herausgearbeitet hat. Das hätte ich sonst auch gern gemacht, aber das brauche ich jetzt nicht mehr. Sie versuchen immer wieder zu suggerieren, Sie hätten die Weisheit gepachtet, Sie bieten aber keine Lösung, Sie werfen einfach nur Fragen auf, Sie hetzen. Das ist das, was gefährlich ist.

(Widerspruch Dr. Frank Brodehl [AfD])

Sie haben auch eine Verantwortung dafür, wie wir in der Gesellschaft miteinander umgehen. Auch Sie haben eine Verantwortung hinsichtlich der Art und Weise, wie Sie sich artikulieren, wie Schule als Lernort wahrgenommen wird. Machen Sie Schulen nicht mit solchen Aussagen und Anträgen zu irgendwelchen Hexenkesseln, Löwengruben oder sonst etwas! - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Birgit Herdejürgen [SPD])

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bildungsausschuss hat vor etwas über

einem Jahr die Ministerin darum gebeten, über das Thema Gewalt an Schulen und die Erfahrungen mit der neuen Datenbank über Gewaltvorkommnisse an Schulen schriftlich zu berichten. Dem ist die Ministerin nachgekommen und hat uns gerade erst im letzten Monat, im Dezember 2019, einen schriftlichen Bericht vorgelegt.

Erfasst werden Gewaltvorkommnisse, bei denen Schulen in irgendeiner Form disziplinarische Strafen ausgesprochen haben. Das bedeutet zum einen, dass auch Fälle erfasst werden, die unterhalb von Straftatbeständen und außerhalb von Kriminalstatistiken liegen. Zum anderen bedeutet das aber natürlich auch, dass nicht absolut jeder Vorfall erfasst wird. Ich finde, das ist auch gar nicht so schlimm, denn es geht hier um Strukturen und nicht unbedingt um Fallzahlen.

Wenn wir uns aber die Fallzahlen anschauen, was sind da die ersten Erkenntnisse? - Im Schuljahr 2018/19 gab es an unseren Schulen demnach 585 Einzelfälle mit insgesamt 756 Taten - mehr Taten als Fälle, weil verschiedene Formen von Gewalt, die oft miteinander einhergehen, aufgelistet werden.

Es sind also 585 Fälle bei 370.000 Schülerinnen und Schülern und etwa 28.500 Lehrkräften. Da muss man nun wirklich nicht in Panik verfallen. Das scheint doch eher überschaubar zu sein. Die Hälfte der Taten sind Körperverletzungen, zwei Drittel der Taten spielen sich innerhalb der Schülerschaft ab, ein Drittel trifft auch die Lehrkräfte. Die meisten Taten wurden von Jungen begangen und eher in der Stadt als auf dem Land. - So weit, so gut oder eben auch schlecht.

Das, was uns die AfD nun in ihrer aktionistischen Art mit ihrem Antrag vorgelegt hat, ist, sich an dieser Stelle bereits mit der Auswertung des Ministeriumsberichts auseinandersetzen zu wollen. Die gibt es aber noch gar nicht. Die Ministerin hat selbst schon kundgetan, dass die Dunkelziffer vermutlich höher liegt. Das ist im Übrigen bei 400.000 Menschen im System an 795 Schulen auch nicht weiter verwunderlich.

Das ist es jetzt aber auch erst einmal, was wir aus dem Bericht ziehen können. Das sind noch keine Schlussfolgerungen, sondern die sollen erst noch erarbeitet werden. Alle Fragen, die sich stellen, müssen erst noch durch das Ministerium beleuchtet und bewertet werden. Natürlich müssen wir dann darauf Antworten bekommen und das auch hier im Parlament diskutieren - aber eben erst dann, und nicht schon jetzt, ohne eine solche Auswertung.

(Anita Klahn)

Als Oppositionspolitiker befinde ich mich jetzt in der merkwürdigen Situation, dass ich einer Ministerin beispringen muss. Ich finde, das ist gerechtfertigt. Denn vernünftige Oppositionsarbeit bedeutet auch, dass man Ministerinnen und Ministern zumindest eine gewisse Reaktionszeit zu den Berichten zugesteht. Das wollen wir als Parlament auch immer, wenn wir unsere Berichte bekommen, indem wir sagen: Lass uns das noch einmal in zwei oder drei Monaten anschauen, damit wir uns das Ganze in Ruhe durchlesen und Fachmeinungen einholen können. Ich finde, diese Reaktionszeit steht auch den Regierenden zu.

Aber worum geht es der AfD hier eigentlich? - Es geht ihr eigentlich nur um Effekthascherei, darum geht es, um Stimmungsmache, um negative Stimmungsmache.

Schauen wir noch einmal in den Antrag und darauf, was wir, wenn es nach der AfD geht, beschließen sollen. Da steht: Mobbing und Gewalt hätten sich in einem nicht mehr tolerierbaren Maße Bahn brechen können. - Das ist völliger Käse. 585 Vorfälle bei 370.000 Schülerinnen und Schülern. Ich würde behaupten, in meiner Schulzeit war das nicht anders. Das ist also nichts Neues, meine Damen und Herren. Das ist eine derartige Überspitzung, dass ich mich wirklich frage, in welcher Welt die AfD lebt.

(Zurufe SPD)

Die mediale Berichterstattung über verbale und körperliche Gewalt würde lediglich die Spitze des Ausmaßes der Gewalt darstellen. - Auch völliger Unsinn. Die mediale Berichterstattung war mehr als ausreichend. Deshalb ist es ja zu dem Bericht, deswegen ist es zu der Nachfrage und deswegen ist es zu der Einrichtung der Datenbank gekommen, weil die Medien darüber berichtet haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, die haben das allerdings in einer vernünftigen Art und Weise gemacht. Das ist das, was Ihnen eigentlich nicht passt. Jetzt stehe ich hier also in der merkwürdigen Rolle, als Oppositionsparteimitglied die Regierung zu verteidigen.

(Zurufe SPD)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich verstehe dieses unangebrachte Vorgehen der AfD nicht, hier einfach so per Antrag Stimmung zu machen - die Kollegin Strehlau hat das eben schon ausgeführt -, eine Pressemitteilung herauszuhauen, das Chaos zu verkünden und sich dann hier hinzustellen und zu sagen: „Na ja, so haben wir das alles nicht gemeint, wir wollen lieber staatstragend durch die Gegend

laufen.“ - Das kauft Ihnen inzwischen niemand mehr ab. Sie wollen hier miese Stimmung machen, und das ist das Einzige, was Sie wollen. Das werden wir nicht zulassen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehe mal auf die hellseherischen Fähigkeiten der Kollegin Strehlau oder auch auf den letzten Redebeitrag gar nicht ein, in denen Sie mir immer nur vorgeworfen haben, was ich eigentlich meinte und wie eigentlich meine Strategie sei. Das ist der Rede nicht wert.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Aber kommen wir einmal zur Sache. Herr Loose, Herr von der Heide - entschuldigen Sie -, Sie haben so betont, das sei doch gar nicht so, das sei nur gefühlt, wir könnten uns doch nicht nur auf GEMON stützen.

Ich habe eben schon in der Zwischenfrage angedeutet, dass es jede Menge andere Statistiken gibt. Wer bestreitet, dass dies in den letzten Jahren zu einem größeren Problem geworden ist, ist ein Narr.

Ich möchte aber auf etwas anderes hinaus.

(Zurufe)

Im Bildungsausschuss des Bayerischen Landtags hat es eine ganz ähnliche Diskussion gegeben. Dort waren es die Kollegen von der SPD, die eine ähnliche Anhörung beantragt hatten. Auf der anderen Seite - in Anführungszeichen - waren es Kollegen der CSU, die sagten: Wir brauchen das nicht, wir tun schon genug. Es hat sich nicht so viel geändert, lasst uns erst einmal abwarten. - Dennoch wurde dann diese Expertenanhörung durchgeführt. In meinen Händen halte ich das Ergebnis dieser Anhörung. Und, siehe da, am Ende mussten sich alle Parteien eingestehen: Es ist gut, dass wir uns frühzeitig und auf Expertenebene damit beschäftigt haben.

Sie haben gesagt, dies sei nicht der richtige Zeitpunkt, um eine Anhörung im Plenum zu beantragen. Aus dem Zeitpunkt lasse ich mir keinen Vorwurf machen. Ihre Reaktion wäre doch auch nicht anders gewesen, wenn ich es in einem oder in zwei Monaten beantragt hätte. Sie hätten mir das Gleiche

(Lars Harms)