Protocol of the Session on January 23, 2020

Handlungsbedarfe sehe ich auch in Geschäftsbereichen mit technischen Berufen. Hier sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, ich bin auch Technikerin: Frauen sucht man da mit der Lupe. Man muss aber darüber reden und beispielsweise Mädchen am Girls‘ Day an diese Berufe heranführen und so die Meinungen verändern.

Die gleiche Situation besteht im Innenministerium, in dem es nach wie vor eine deutlich geringere Repräsentanz von Frauen im Bereich der Polizei gibt. Es ist deshalb ratsam, dass die Landesregierung Maßnahmen ergreift, Frauen gezielter für diese Bereiche des öffentlichen Dienstes zu interessieren und zu gewinnen.

Eine weitere Unterrepräsentanz von Frauen gibt es bei den Führungspositionen auf der Ebene der A-Besoldungen. Im Spitzenamt A 16 liegt der Frauenanteil bei nur 35 %. In der B-Besoldung im unmittelbaren Landesdienst ist mit 19,8 % nur jede fünfte Person weiblich. Dieser Wert lag bereits vor zehn Jahren genauso niedrig. Hier sollte gehandelt werden. Auf Ebene der obersten Landesbehörden wird knapp jede dritte Referatsleitung von einer Frau ausgeübt - mit einer Steigerung von sechs Prozentpunkten zum vergangenen Berichtszeitraum.

Positiv sieht es im Fachbereich Steuern aus. Dort gibt es die Parität der Geschlechter.

Jede fünfte Hochschulprofessur ist mit einer Frau besetzt. Bei den unbefristeten Juniorprofessuren ist mit einem Frauenanteil von 47,2 % fast die Parität erreicht.

Schlechter sieht es bei der Polizei aus. Zum Stichtag des Gleichstellungsberichts - die Ministerin und ich hatten es schon einmal besprochen - gab es leider keine Behördenleiterin. Es ist aber erfreulich, dass wir seit dem 1. April 2019, also bald seit einem Jahr, eine Frau als Behördenleiterin haben.

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Genau!)

Das ist auch einen Applaus wert!

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Zum Schluss kann man resümieren: Diese aktive Gleichstellungspolitik bringt deutliche Erfolge. Über das Tempo kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber es bewegt sich doch etwas, und es passiert etwas. Man kann das nicht per Knopfdruck umswitchen, sondern das braucht Zeit. Der Anteil von Frauen in nahezu allen Besoldungs- und Entgeltgruppen im unmittelbaren Landesdienst ist gestiegen, manchmal auch deutlich.

Trotzdem gibt es etwas Luft nach oben, wie zum Beispiel bei den Referatsleiterinnen. Man arbeitet aber dran, das ist die Hauptsache: mit der Förderung der Führung in Teilzeit und der immer besser werdenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie einer flexiblen Organisationsstruktur und der Weiterentwicklung einer modernen Führungskultur.

Zum Ende noch eine Bemerkung: Frauen müssen stärker in kommunalen Aufsichtsgremien beteiligt werden. Das muss jedoch mit der Forderung und Förderung von Frauen in der Kommunalpolitik einhergehen. Da haben wir noch eine offene Flanke, wie ich finde. Ohne diese Forderung und Förderung wird eine weitere Steigerung der Repräsentanz von Frauen in Gremien, für die die Kommunen die Entsenderechte haben, nicht wirkungsvoll erreicht werden können. Da muss noch etwas geschehen, und wir müssen mit allen Beteiligten reden, wie wir die Frauen in der Kommunalpolitik stärken.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Die SPD sieht da auch nicht viel besser aus, Herr Dr. Stegner. Wir müssen sehen, wie wir es den Frauen dort etwas behaglicher machen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Mimimimimi!)

Das ist unsere Aufgabe, lassen Sie uns alle daran arbeiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Beate Raudies das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frauen! Ich grüße die Vertreterinnen des LandesFrauenRats und der Gleichstellungsbeauftrag

ten. Seit 25 Jahren bekennt sich der Staat im Grundgesetz zu seiner Verpflichtung, bestehende Benachteiligungen von Frauen zu überwinden. Seitdem ist klar: Begünstigende Regelungen sind zulässig, vor allem, wenn es faktische Benachteiligungen gibt, sprich: Frauenförderung ist erlaubt. Das ist gut so. Ich füge hinzu: Sie ist nach wie vor geboten und dringend erforderlich.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beifall Katja Rathje-Hoffmann [CDU], Dennys Bornhöft [FDP] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Frau Ministerin, das sagen uns die Zahlen des Gleichstellungsberichts. Sie haben eine Interpretation; ich teile die in Bereichen, interpretiere aber die Zahlen ein wenig anders als Sie.

Wir haben viel erreicht. Dieses Fazit lässt sich zumindest für die Bereiche des Landesdienstes ziehen, die man früher den mittleren und gehobenen Dienst nannte. Frauen sind in den Einstiegsämtern inzwischen chancengerecht vertreten, teilweise sogar überrepräsentiert, und in fünf von acht Geschäftsbereichen der Landesregierung sind über alle Laufbahngruppen mehr Frauen als Männer beschäftigt. So weit, so gut. Allerdings - auch das haben meine Vorrednerinnen schon gesagt - haben wir eine geringe Repräsentanz von Frauen im Bereich der Polizei, und auch in technischen Berufen sind Frauen unterrepräsentiert.

Darum ist für mich klar: Die Landesregierung muss Maßnahmen ergreifen, um mehr weibliche Nachwuchskräfte für diese Bereiche zu gewinnen. Auch Schulen und Universitäten sind gefordert, Mädchen und Frauen für überwiegend männlich besetzte Fachgebiete zu begeistern.

Meine Damen und Herren, weniger positiv sieht es dagegen in den herausgehobenen Führungspositionen aus. Im Spitzenamt A 16 sind nur 28,5 % der Stellen mit Frauen besetzt. Der Frauenanteil in der B-Besoldung liegt nur bei 20 %. Genauso schlecht stellt sich die Situation an den Hochschulen dar: Nur jede fünfte Hochschulprofessur ist mit einer Frau besetzt. Kein Wunder, dass wir so wenig Mädchen für die MINT-Berufe begeistern können. Da fehlen schlicht die Vorbilder.

Mein Fazit: Führung ist in diesem Land noch weitgehend Männersache, und das, obwohl so viele junge Frauen in den Landesdienst eintreten.

(Zuruf Werner Kalinka [CDU])

Da hilft es auch wenig, dass im Fachbereich Steuer jede zweite Behördenleitung mit einer Frau besetzt

(Katja Rathje-Hoffmann)

und mehr als jede zweite Schulleitung weiblich ist. Es gibt nach wie vor großen Handlungsbedarf bei der Ansprache und Unterstützung potenzieller weiblicher Führungskräfte. Führung und Teilzeit dürfen sich nicht ausschließen. Das wird in manchen Behörden Änderungen in den Organisationsabläufen erfordern. Hier gilt es, alte Zöpfe abzuschneiden, lieb gewordene Gewohnheiten zu hinterfragen und ganz kleine Schritte zu gehen.

(Beifall SPD, Dennys Bornhöft [FDP] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Erlauben Sie mir ein Beispiel aus meiner eigenen Geschichte.

(Zuruf Werner Kalinka [CDU])

Ich war Sachgebietsleiterin in einem Finanzamt in Teilzeit. Es dauerte ein Jahr, bis ich meine Kollegen davon überzeugt hatte, die wöchentlich stattfindende Besprechung eine Stunde vorzuverlegen. Die Vorverlegung um eine Stunde ermöglichte mir, an der Besprechung teilzunehmen und meinen Sohn rechtzeitig von der Kita abzuholen. Eine Stunde, ein Jahr! Das müssen alle Frauen durchmachen, die auf solchen Positionen sitzen. Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Wenn das trotzdem alles nichts hilft, brauchen wir weitere, brauchen wir verschärfte Quotenregelungen. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall SPD - Werner Kalinka [CDU]: Das ist ja unglaublich! - Widerspruch AfD)

Ganz viel zu tun - das finde ich die erschreckendste Botschaft dieses Berichts - haben wir noch beim Thema Familienarbeit. Im Landesdienst SchleswigHolstein ist Teilzeit weiblich und Elternzeit Frauensache. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel getan für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Landesdienst, aber die Männer nehmen ihre Verantwortung für die Familien so gut wie gar nicht wahr.

(Widerspruch)

Hier braucht es ein gesellschaftliches Umdenken. Leute, lest den Bericht, guckt auf den Landesdienst, hört genau zu! Zahlen sollen ja eigentlich nicht lügen.

(Werner Kalinka [CDU]: Unglaublich, was Sie erzählen!)

Frau Ministerin, ich bin bei Ihnen, es ist höchste Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie wir neuen Schwung in die Gleichstellungspolitik krie

gen. Dabei sollten Sie das Parlament ruhig einbinden.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, vor 25 Jahren, im Dezember 1994, trat in Schleswig-Holstein das erste Landesgleichstellungsgesetz Deutschlands in Kraft. Mit ihm sollte der Verfassungsvorgabe „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ mehr Leben eingehaucht werden, und das ist teilweise gelungen.

(Anhaltende Unruhe - Glocke Präsidentin)

Mich macht es nach wie vor stolz, dass es vor allem Sozialdemokratinnen waren, die in der ersten Reihe für Gleichstellung gekämpft und diese Gesetzgebung vorangetrieben haben,

(Beifall SPD)

gegen nicht unerhebliche Widerstände, bei nicht unerheblichen Gegenreden, bösen Vergleichen und was wir uns damals alles anhören mussten.

Darum möchte ich meine Rede mit einem Zitat unserer früheren Frauenministerin Gisela Böhrk schließen. Frau Präsidentin, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus einer Rede, die Gisela Böhrk vor fünf Jahren zum 20-jährigen Jubiläum des Gleichstellungsgesetzes gehalten hat:

„Das Gleichstellungsgesetz hat das Land nicht in ein feministisches Zeitalter geführt.“