Allein die Tatsache, dass Hunderte oder vielleicht sogar Tausende Betroffene bis heute massiv unter den Folgen leiden, ist einfach zutiefst erschütternd.
Natürlich ist auch bei diesem Thema ein differenzierter Blick wichtig. Niemandem ist damit geholfen, wenn wir die Zustände in Kindererholungsheimen in den 50er- bis 80er-Jahren pauschal verurteilen. Im Gegensatz zur Situation von Kindern, die in diesem Zeitraum dauerhaft in Heimen untergebracht waren, ist dieser Bereich bis heute noch kaum erforscht.
Aber ich gehe davon aus, dass die Berichterstattung rund um den Kongress auf Sylt zum Elend der Verschickungskinder bekannt ist. In diesem Zusammenhang wurden erstmals fast 1.000 Berichte ausgewertet mit dem recht eindeutigen Ergebnis, dass 94 % der ehemaligen Kurkinder ihre Erfahrungen negativ bewerten.
Es ist sehr wichtig, dass wir dieses Thema richtig einordnen und das Ausmaß begreifen. Allein in den alten Bundesländern gab es weit über 800 Erholungs- und Kurheime. Seit den späten 40er- bis in die frühen 80er-Jahren wurden zwischen 1 Million bis 3 Millionen Kinder in diesen Einrichtungen untergebracht, manche im Alter von gerade einmal zwei Jahren. Für viele waren die sechs bis acht Wochen in diesem Heim die schlimmsten ihres Lebens.
Wir müssen leider davon ausgehen, dass viele dieser Kinder misshandelt worden sind. Betroffene berichten zum Beispiel von Esszwang, Toilettenverbot und körperlichen Strafen oder von systematischen Demütigungen und Erniedrigungen. All das liegt zwar Jahre zurück, ändert aber nichts daran, dass es viele bis heute noch verfolgt.
Für den SSW kann es keinen Zweifel daran geben, dass diese Geschehnisse aufgearbeitet werden müssen. Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass wir hier einen gemeinsamen Antrag gestellt haben. Man soll sich nichts vormachen: Auch Schleswig-Holstein ist hiervon berührt. Hier gab es viele Heime, hier lebten und leben viele Betroffene, aber auch viele Menschen, die für die Taten verantwortlich sind oder waren.
Und auch bei uns im Land gibt es natürlich Beteiligte, wie etwa Ärzte oder Kosten- und Heimträger, die sehr wahrscheinlich von diesen Misshandlungen wussten und diese trotzdem jahrzehntelang ignoriert haben, nicht zuletzt deshalb, weil sie von diesem System auch profitiert haben.
Wie wir wissen, geht es den Betroffenen vor allem um die sachgerechte Aufarbeitung dieser Geschehnisse. Die wenigen Akten, die bisher zu diesem Thema gesichtet wurden, scheinen diesen Wunsch klar zu bestätigen.
Laut Pressemitteilung der Initiative „Verschickungskinder“ offenbaren allein schon diese zufälligen Stichproben gravierende Verstöße gegen den Kinderschutz. Es scheint sogar konkrete Hinweise auf Medikamentenversuche oder sogar auf Todesfälle in Kinderkuren zu geben.
Für uns ist das Grund genug, nicht nur diesen Dingen nachzugehen, auch die Anzahl der Betroffenen und die institutionellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen müssen umfassend aufgeklärt werden.
Wir erwarten, dass sich die Landesregierung gemeinsam mit anderen betroffenen Ländern an diesem Prozess beteiligt - wir haben in dem Bericht ja auch bereits gehört, dass das der Fall ist -, nicht zu
letzt auch finanziell; denn sowohl die Anlaufstellen für Beratung und Vernetzung der Betroffenen wie aber auch Forschungsprojekte hierfür sind nötig. Beides gibt es nun einmal nicht zum Nulltarif. Aber diese Hilfe ist nun wirklich das Mindeste, das wir für die Betroffenen tun können. - Jo tak.
Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag in der Drucksache 19/1873 (neu) durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Der Tagesordnungspunkt ist somit erledigt.
Meine Damen und Herren, wir setzen die Sitzung fort. Ich schätze, dass im Laufe des Nachmittags noch einige Abgeordnete zu uns treffen werden.
Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1886 (neu)
Somit eröffne ich die Debatte. Das Wort für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Vorsitzenden, Lars Harms.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren im „prall gefüllten“ Sitzungssaal des Schleswig-Holsteinischen Landtags! Am 6. Dezember 2019 hat das Landesverfassungsgericht entschieden, dass das Land Schleswig-Holstein Fracking wasserrechtlich nicht verbieten könne. Der Bund habe von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht. Damit könne der Landtag keine entgegengesetzte Regelung für Schleswig-Holstein treffen.
Auch wenn wir bedauern, dass es so ist, musste man doch damit rechnen, dass das Urteil so ausfallen würde. Nun ist es so. Zumindest haben wir jetzt Klarheit.
Klar ist aber auch, dass der Kampf gegen Fracking weitergehen muss. Wir sind es unserer Heimat und den nachfolgenden Generationen schuldig, uns dagegen zu wehren, dass wir nur für den Profit von Großunternehmen auf einer tickenden Zeitbombe leben sollen.
Denn letztlich ist es das: Kommt Fracking, müssen wir jederzeit mit erheblichen Umweltschäden rechnen.
Wir haben in den letzten Jahren, insbesondere in den letzten zwölf Monaten, intensiv über Klimaschutz gesprochen. Jedem ist klar, dass es effektiven Klimaschutz nur dann geben kann, wenn wir aus den fossilen Energieträgern aussteigen. Jetzt noch mithilfe von Fracking Öl und Gas zu fördern, verlängert nur die Zeit, in der man nicht darüber nachdenken muss, wie man die Energiewende hinbekommen kann. Wer meint, dass CO2-Verpressung fortschrittlich sei, ist auf dem Irrweg.
Auch diejenigen, die behaupten, dass zukünftige Technologien hier schon irgendwann einen Weg weisen könnten, müssen zugeben, dass es dann aber auch eines Anreizes bedarf, sich genau um diese neuen Technologien zu kümmern. Das ist, wenn man so will, ein klassisch marktwirtschaftlicher Gedanke zugunsten des Klimas. Wer sozusagen künstlich die Lebensdauer von veralteten und schädlichen Technologien verlängert, verhindert neue und bessere Technologien - und somit wirtschaftlichen Fortschritt in Deutschland. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir hier in Schleswig- Holstein vorangehen und ein vollständiges Fracking-Verbot in Deutschland fordern.
Im Übrigen muss die Frage erlaubt sein, ob man sicherstellen kann, dass am möglichen neuen Gasterminal in Brunsbüttel kein gefracktes Gas angelandet wird. Denn seien wir ehrlich: Sich hier in Schleswig-Holstein hinzustellen und diese Art der Gas- und Ölförderung mit Recht zu verdammen, aber dann das gleiche Gas und Öl aus anderen Ländern zu importieren, verschiebt die Umweltprobleme nur in andere Regionen. Das Gleiche gilt dann auch hier wieder für den längeren Verzicht auf die
Erforschung von alternativen Energiegewinnungsmöglichkeiten. Deshalb müssen wir ehrlicherweise auch hier klare Regelungen schaffen, dass wir gefracktes Gas oder Öl nicht importieren. Das aber nur am Rande.
Bisher ist in Deutschland Fracking unterhalb von Gesteinsarten erlaubt, die es vornehmlich hier bei uns gibt. In Schleswig-Holstein wird bisher überhaupt nicht gefrackt; aber das droht jetzt. Bisher sind wir - auch dank der tollen Arbeit der Bürgerinitiative - von Fracking verschont geblieben. Die Bevölkerung hat ihre Meinung ganz klar kundgetan. Das hat bisher gewirkt. Aber wir können eben nicht sicher sein, dass es so bleibt. Deshalb ist es wichtig, schnell auf Bundesebene tätig zu werden. Dort geht es nicht nur darum, mit dem einen oder anderen zu sprechen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Das Thema Fracking ist für uns so existenziell, dass wir schnell ein klares Verbot in Deutschland brauchen.
Durch Fracking kann das Grundwasser immens geschädigt werden. Die entstehenden kleinen Eruptionen des Bodens würden eine Vielzahl von Schädigungen an Gebäuden, Verkehrswegen und vielem mehr hervorrufen. Kommt Fracking, schadet es der Umwelt, schadet es der Wirtschaft, schadet es den Privatleuten. Somit schadet es auch der Allgemeinheit. Da wir alle der Allgemeinheit gegenüber verpflichtet sind, kann es nichts anderes als ein bundesweites Fracking-Verbot geben, meine Damen und Herren.
Gerade vor diesem Hintergrund bin ich äußerst dankbar dafür, dass alle demokratischen Fraktionen unserem Antrag beigetreten sind und wir hier einen gemeinsamen Beschluss fassen. Wir hoffen natürlich inständig, dass die Landesregierung schnell handelt und mit der Bundesratsinitiative in Gang kommt, damit die Diskussion auch auf Bundesebene schnell angeschoben wird. Ich hoffe immer noch - ich bin ein hoffnungsvoller Mensch -¸dass wir es tatsächlich hinbekommen, Fracking in ganz Deutschland zu verbieten. Dann wäre Deutschland ein leuchtendes Beispiel dafür, dass man die Energiewende auch auf solche Art und Weise unterstützen kann. - Vielen Dank.
Mir ist mitgeteilt worden, dass am Donnerstagnachmittag nach Mitteilung der CDU-Fraktion der Abgeordnete Volker Nielsen erkrankt ist. - Wir wünschen gute Besserung.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, bitte begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Altenholz. - Seid uns herzlich willkommen!
Da ich sehe, dass wir langsam wieder beschlussfähig werden, möchte ich darauf hinweisen, dass ich was ich gern zu Beginn der Nachmittagssitzung gemacht hätte - nach diesem Tagesordnungspunkt noch einmal den Tagesordnungspunkt 15, Geschehnisse im Rahmen von Kinderkuren in SchleswigHolstein aufarbeiten, aufrufen werde, da er sich nicht erledigt hat. Es ist nicht nur ein Berichtsantrag, sondern auch ein Beschlussantrag gestellt worden. Sobald mir dieser wieder vorliegt, werde ich ihn nach diesem Tagesordnungspunkt noch einmal aufrufen.
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Wiederholt haben wir klargemacht, dass es mit der CDU in Schleswig-Holstein kein Fracking geben wird. Sie wissen, dass wir uns mit diesem Thema schon über Jahre hinweg beschäftigen. Alles das, was Sie, Lars Harms, inhaltlich zum Thema Fracking vorgetragen haben, teilen wir. Wenn bestimmte Stoffe in die Erde eingebracht werden, um Gesteine aufzusplitten und das darin verborgene Gas zu gewinnen, dann birgt das Gefahren. Ein solches Verfahren der Gasgewinnung passt nicht nach Schleswig-Holstein. Es passt auch nicht zur Energiewende. Wir, das Energiewendeland SchleswigHolstein, wollen Fracking nicht.
Der Ansatz der Volksinitiative, durch eine Ergänzung von § 7 des Landeswassergesetzes ein vollständiges Fracking-Verbot in Schleswig-Holstein umzusetzen, ist gescheitert. Das Landesverfassungsgericht - Lars Harms, das haben Sie schon gesagt - hat im Herbst 2019 entsprechend entschieden. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Begründung:
„Der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber hat keine Zuständigkeit für die von der Volksinitiative begehrte Regelung eines § 7 a