Protocol of the Session on January 22, 2020

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine ganz wesentliche Voraussetzung für gute Arbeit sind gute Arbeitsbedingungen. Dazu gehört ein wirksamer Arbeitsschutz, sodass Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht gefährdet werden. Für uns als Jamaika-Koalition ist Arbeitsschutz somit ein wesentlicher Bestandteil der Sozialpolitik. Er trägt auch wesentlich zu fairen Wettbewerbsbedingungen bei, denn nicht die sollen belohnt werden, die arbeitsschutzrechtliche Vorschriften umgehen und sich darüber einen Vorteil verschaffen, sondern es muss ein fairer Wettbewerb dadurch entstehen, dass alle Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden. Ich komme später noch einmal darauf zu sprechen.

(Beifall FDP und Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Anforderungen in der Arbeitswelt sind durch Automatisierung und Digitalisierung ständig im Wandel. Dies hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf den Arbeitsschutz. Körperlich belastende Arbeiten sind zwar in vielen Branchen zurückgegangen, in bestimmten Bereichen wie beispielsweise in der Alten- und Krankenpflege oder in der Langzeit- und Akutpflege aber nach wie vor unerlässlich.

Neue Techniken sind häufig auch mit neuen Risiken verbunden, wie das Beispiel von Arbeiten an Offshore-Windenergieanlagen zeigt. Gerade bei neuen Technologien mangelt es an Erfahrungswerten und

müssen Standards erst erstellt werden, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und Kontrollbehörden erfordert. Die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften in den Betrieben überwacht die Staatliche Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse Nord - die sogenannte StAUK -, die als untere Landesbehörde der Aufsicht meines Hauses untersteht. Die Verantwortung für die tatsächliche Einhaltung des Arbeitsschutzes in den Betrieben liegt allerdings - das muss klar gesagt werden - bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern.

So vielfältig die Gefahren für Sicherheit und Gesundheit in der Arbeitswelt sind, so unterschiedlich sind die Rechtsvorschriften beim Arbeitsschutz. Die Aufsichtstätigkeit der Arbeitsschutzbehörde hat sich daher in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Sie ist komplexer und zeitaufwendiger geworden. Im Unterschied zu früher steht es weniger im Vordergrund, die Einhaltung einzelner Vorschriften zu überprüfen. Die Aufsichtskräfte der Arbeitsschutzbehörde führen heute in erster Linie Systemkontrollen durch. Auf die Einführung dieser Strategie haben sich damals die Bundesländer geeinigt, um den Arbeitsschutz einheitlich zu gestalten.

Bei diesen Systemkontrollen wird unter anderem überprüft, ob eine betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung sichergestellt sind, ob eine Gefährdungsbeurteilung erstellt wurde, ob Defizite behoben wurden oder ob ein Arbeitsschutzausschuss eingerichtet wurde. Grundsätzlich gilt dabei: Nur, wenn eine funktionierende betriebliche Arbeitsschutzorganisation vorhanden ist, kann es einen wirksamen betrieblichen Arbeitsschutz geben und können Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden.

Im Vollzug und in der Fachaufsicht setzt Schleswig-Holstein die Grundsätze und Standards für die Überwachungs- und Beratungstätigkeit der Arbeitsschutzbehörden der Länder um, was insbesondere für bundesweit tätige Unternehmen und die Sicherung gleicher Wettbewerbschancen wichtig ist. Außerdem organisiert mein Haus Schwerpunktaktionen und Fortbildungsveranstaltungen etwa für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsschutzbehörde sowie für Arbeits- und Betriebsmedizinerinnen und -mediziner.

Eine solche Schwerpunktaktion gab es beispielsweise zu Unterkünften und Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft. In diesem Zusammenhang habe ich mich - das wissen die meisten von Ihnen inzwischen - auch auf Bundesebene für einen verbesserten Arbeitsschutz eingesetzt. Ich habe auf der

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

Arbeits- und Sozialministerkonferenz im November letzten Jahres einen Beschlussvorschlag mit dem Ziel eingebracht, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für osteuropäische Beschäftigte von Werkvertragsunternehmern zu erreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Beschlussvorschlag ist einstimmig angenommen worden. Sie sehen: Schleswig-Holstein geht beim Thema Arbeitsschutz vorneweg. Ich bin dankbar dafür, dass dies mit dem Jamaika-Bündnis möglich ist.

(Beifall FDP)

Ich sage auch sehr deutlich: Neben dem Gesundheitsschutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leistet das auch einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung fairer Wettbewerbschancen, gerade für die kleinen und mittelständischen Betriebe, die sich an die Vorschriften halten, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich behandeln und diese ordentlich bezahlen. So sollte es weitergehen. - Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ich eröffne die Aussprache. - Für die SPD-Fraktion hat Professor Dr. Heiner Dunckel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, auch von uns aus vielen Dank für Ihre umfangreiche und durchaus informative Antwort auf unsere Große Anfrage. Mein Dank richtet sich natürlich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses, denn eine Große Anfrage in diesem Umfang bedeutet viel Arbeit. Ich hoffe sehr, dass das nicht zu einer zusätzlichen anlassbezogenen Gefährdungsbeurteilung bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führt, aber wenn, wäre das juristisch auch korrekt.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

Sicherlich hat unsere Große Anfrage auch einigen Aufwand bei den Kolleginnen und Kollegen der StAUK verursacht. Ich möchte mich bei diesen explizit bedanken und schon einmal vorab festhalten, dass sich kritische Anmerkungen explizit nicht auf die engagierte Arbeit dieser Kolleginnen und Kollegen vor Ort beziehen.

Natürlich ist mir bewusst, dass die Geschichte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in SchleswigHolstein nicht erst mit der derzeitigen Landesregierung beginnt, aber - wie im Folgenden zu zeigen ist - wir müssen spätestens jetzt für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schleswig-Holstein mehr tun. Sie, sehr geehrter Herr Minister, können das auch.

Stellen wir zunächst anhand großer repräsentativer Studien, zum Beispiel der der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung, kurz BAuA, oder des DGB im Rahmen des „Index gute Arbeit“ fest, dass sich die Belastungen im Allgemeinen und die psychischen Belastungen im Besonderen seit Jahren auf einem hohen Niveau bewegen - mit steigender Tendenz.

In der Untersuchung beispielsweise der BAuA aus dem Jahr 2018 wird festgestellt, dass etwa die Hälfte der Beschäftigten angibt, häufig unter Terminund Leistungsdruck zu arbeiten, häufig bei der Arbeit gestört oder unterbrochen zu werden oder Verschiedenes gleichzeitig bearbeiten zu müssen. Außerdem zeigt sich, dass die wahrgenommenen Belastungen durch die Arbeitsbedingungen über die Jahre zugenommen haben. Die Folgen dieser Belastungen für die Gesundheit sind bekannt, nicht zwangsläufig - wie es in Ihrer Antwort heißt -, aber statistisch absolut gesichert.

So ist zum Beispiel in vielen internationalen Studien belegt, dass Arbeitsstress, insbesondere Zeitdruck, ständige Unterbrechungen, hektische Arbeitsumgebung und so weiter ein eindeutiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, also Herzerkrankungen, ist. Wenn also die psychischen Belastungen, die aus gutem Grund 2013 in das Arbeitsschutzgesetz aufgenommen wurden, auf konstant hohem Niveau bleiben oder sogar steigen, dann können wir eben nicht - wie in Ihrer Antwort mehrfach formuliert - davon ausgehen, dass die Aufsichtsbehörde und die StAUK ihrem gesetzlichen Auftrag mit dem zur Verfügung stehenden Personal nachkommen. Das können wir eben nicht, denn das Gesetz verpflichtet doch jeden Arbeitgeber zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen, insbesondere auch der psychischen Belastungen, zur Entwicklung von Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes - und dies nicht erst seit gestern.

Für mich ist der gesetzliche Auftrag - so steht es zumindest im Arbeitsschutzgesetz -, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Wenn dies offensichtlich nicht erreicht wird, dann wird der gesetzliche Auftrag auch nicht erfüllt.

(Minister Dr. Heiner Garg)

(Vereinzelter Beifall SPD)

Irritierend finden wir auch, dass bei vielen Antworten im Bericht darauf verwiesen wird, dass keine Statistiken vorliegen beziehungsweise die StAUK keine Statistiken führt. Ich erwarte aber von einer Fachaufsicht oder von der für den Arbeitsschutz zuständigen höchsten Landesbehörde, dass wenigstens genaue Zahlen vorliegen beziehungsweise die StAUK veranlasst wird, derartige Zahlen zu ermitteln.

So ganz stimmen Ihre Aussagen dann übrigens auch nicht, denn an der einen oder anderen Stelle finden sich dann doch erstaunlich aussagekräftige Statistiken. Eine möchte ich herausgreifen. In der Antwort zu Frage 56 finden wir die erstaunliche Feststellung - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin -:

„Über alle untersuchten Branchen hinweg war festzustellen, dass bei 63,5 % der aufgesuchten Betriebe keine oder unzureichende Gefährdungsbeurteilungen hinsichtlich psychischer Belastungen vorgelegt wurden.“

Weiter wird erwähnt, dass die Zahl in einigen Branchen noch deutlich höher ist. Ich betone noch einmal: In fast zwei Dritteln - in einigen Branchen deutlich mehr - der aufgesuchten und vermutlich aller Betriebe finden keine oder unzureichende Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen statt, obwohl das Gesetz und einschlägige Urteile des Bundesarbeitsgerichts diese unmissverständlich verlangen.

Lassen Sie mich in aller Kürze noch einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn ich richtig gezählt habe, dann sind derzeit gerade einmal gut 35 VZK der StAUK als Aufsichtsbeamte vor Ort tätig. Das heißt, eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter ist für gut 3.000 Betriebe oder knapp 29.000 Beschäftigte zuständig. Dass das zu wenig ist, sieht man auf den ersten Blick.

Aber auch ein zweiter Blick in die Veröffentlichungen des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik zeigt, dass wir bei der Personalausstattung mit Bezug auf die ILO von einem Verhältnis von einem Inspektor, einem Aufsichtsbeamten, auf 10.000 Beschäftigte ausgehen müssen, um die Aufgaben angemessen erfüllen zu können. Davon sind wir weit entfernt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen - wie eingangs schon angekündigt -, dass wir in Schleswig-Holstein noch viel für den Arbeits- und Gesundheits

schutz tun müssen. Wir konnten heute nur an der Oberfläche kratzen. Viele weitere Fragen sind noch nicht hinreichend beantwortet und bedürfen der ausführlichen Beratung und Würdigung im Sozialausschuss und mitberatend im Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Werner Kalinka das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeitsbedingungen, über die wir uns hier unterhalten, beziehen sich auf 79.000 Betriebe im Land mit rund 1 Million Beschäftigten, auf mindestens 44 Gesetze und Verordnungen, die einzubeziehen sind, auf die Pflicht, zu Einzelvorgängen schriftliche Aufzeichnungen zu machen, Dokumentationen und Statistiken. Dies alles machen weniger als 80 Mitarbeiter bei der Arbeitsschutzbehörde und elf im Referat des Ministeriums. Nicht einmal alle Stellen konnten besetzt werden, einfach wegen des Fachkräftemangels. - Ich muss sagen, was uns hier vorgelegt worden ist, ist trotzdem nicht nur sehr informativ, sondern qualitativ sehr detailliert und mit genauen Statistiken untermauert. Deshalb möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dem Minister dafür danken.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es sind auch klare Aussagen enthalten. Ich zitiere Frau Präsidentin -:

„In den Jahren 2016 und 2017 wurden in Schleswig-Holstein 716 Fälle angezeigt, in denen der Verdacht auf eine berufsbedingte Krebserkrankung besteht. Außerdem wurde in diesem Zeitraum in 312 Fällen anerkannt, dass eine berufsbedingte Krebserkrankung vorliegt. Diese verlaufen oft tödlich.“

Krebs ist nicht heilbar, nur aufschiebbar und aufhaltbar. Wir müssen doch alles dafür tun - es wird auch einiges dafür getan, wie in dem Bericht zu lesen ist -, dass informiert wird, dass diesen Dingen nachgegangen wird, um hier stärker Abhilfe zu schaffen.

Wir haben eine Reihe von Gesundheitsrisiken, die in dem Bericht aufgeführt worden sind. Ich nenne die lärmbedingten Erkrankungen, Schäden an der Lunge und Hauterkrankungen. Dies alles sind ganz

(Dr. Heiner Dunckel)

wichtige Punkte, um die wir uns weiter zu kümmern haben.

Sehr positiv - das wird in dem Bericht deutlich -, ist, dass das Ministerium und die Behörden entsprechende Schwerpunkte setzen. Sie setzen diese bei den Krebserkrankungen, sie setzen diese übrigens auch bei den Biogasanlagen, von denen wir 560 im Land haben. Bei diesen besteht ein erhöhtes Risiko - von einem üblichen Verstoß ist die Rede - von Explosionen, und deshalb ist Explosionsschutz nötig.

Die Fleischindustrie wurde genannt. Sie ist Thema im Sozialausschuss. Derzeit läuft eine schriftliche Anhörung. Es ist in der Tat ein Gebot der Fairness gegenüber den Betrieben, die die Vorschriften einhalten, dass Verstöße sanktioniert werden und dass entsprechende Unterbringungsprobleme angesprochen werden. Der Minister hat dazu ausgeführt, dass auf der Konferenz in Rostock darüber gesprochen worden ist und ein gutes Einvernehmen mit Nordrhein-Westfalen besteht. Dort wurde bereits eine Reihe von Schlachthöfen sehr konzentriert und mit entsprechenden Ergebnissen durchsucht.

Zu den weiteren Antworten möchte ich nur stichwortartig einige Punkte nennen. Wir haben immerhin 18 Verstöße gegen den Mutterschutz festzustellen. Ich finde, das ist eine ganze Menge.

Wir haben immerhin festgehalten, dass wir in der Leitbranche Bau, Steine, Erden nach wie vor viele Unfallstellen auf den Baustellen haben. Auch das ist notwendig festzustellen.

Die Zahl der Arbeitsschutzverstöße hält sich bei den kontrollierten Bereichen mit sechs im Jahr 2018 vergleichsweise in Grenzen. Man muss natürlich wissen: Es ist nur ein Ausschnitt und keine vollständige Wiedergabe.

Die Landesregierung gibt den Bericht, ist aber nicht für alles verantwortlich, denn Arbeits- und Gesundheitsschutz ist etwas, wo der Bund Verantwortung trägt, wo länderübergreifend gearbeitet wird, wo ein einheitliches Vorgehen von Bund und Ländern notwendig ist, wo Kassen betroffen sind, wo Unfallversicherungsträger betroffen sind. Die Frage, die wir uns sicherlich gemeinsam stellen, ist: Müssen wir immer mehr Arbeitsverdichtung haben? Müssen wir immer mehr Druck haben? Sind dies Themen, über die wir künftig einen stärkeren Austausch machen sollten?

Sehr positiv ist die Bewertung der 1.200 Landesdienststellen. Hier gibt es keine erkennbaren Probleme. Wir haben präventives, wir haben strukturelles Vorgehen in den Kitas, in den Schulen, in den