Protocol of the Session on December 13, 2019

Die Entstehungsgeschichte des landesweiten Semestertickets ist ein Beispiel dafür, was alles erreicht werden kann, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen und ihre persönlichen Animositäten und Eitelkeiten weitgehend zurückstellen.

Die Landes-ASten-Konferenz hat das Ticket mit den Verkehrsunternehmen verhandelt. Die Vereinbarung über das Ticket wurde zwischen diesen beiden geschlossen, und das Land hat die Verhandlungen unterstützt, und zwar vonseiten der NAH.SH und vonseiten der Politik. NAH.SH hat die Verhandlungen mit fachlichem Rat und administrativ unterstützt, und von uns kam sowohl politischer Rückenwind als auch die Anschubfinanzierung von bis zu 9 Millionen €.

Natürlich geht ein solch großes Projekt nicht ohne Geruckel ab. Das landesweite Semesterticket ist ein Solidarticket, deswegen musste das fertig verhandelte Vertragswerk von allen Studierendenparlamenten im Land ratifiziert werden. An einigen Hochschulen wurde schwer um die Details des Pakets gerungen. Es gab auch StuPas, die die Annahme der Vereinbarung aufgeschoben haben, zum Beispiel die Hochschule in Flensburg, bei mir zu Hause. Mittlerweile sind aber alle bis auf die FH Westküste an Bord, und das sind insgesamt 55.000 Studenten. Das ist eine sehr gute Nachricht für Schleswig-Holstein.

Letztlich war es gut, dass schwer gerungen wurde, anstatt das Ticket einfach durchzuwinken. Warum? Das zeigt uns, dass sich die Studentenschaft mit diesem Thema ernsthaft beschäftigt hat und das, was dabei herausgekommen ist, das ist, was die Studierenden wollen. Außerdem - auch das ist eine gute Nachricht - zeigt es, dass in unseren Hochschulen eine demokratische Kultur gelebt wird.

Was passiert nun weiter? Ein Jahr nach Start des landesweiten Semestertickets wird es eine sogenannte Kalibrierung geben. Die wird uns zeigen, ob die geschätzten Fahrgastströme, auf die es ausgelegt ist, die Nutzungszahlen und Kostenerwartungen dem tatsächlichen Reiseverhalten entsprechen. Je nach Ergebnis wird dann der Preis für das Ticket angepasst. Mit dem Verfahren stellen wir sicher, dass keiner der Vertragspartner, weder die Verkehrsunternehmen noch die Studierenden, über den Löffel barbiert wird und alle weiter mit einem guten Gefühl unterwegs sein können.

(Beifall FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, das landesweite Semesterticket ist etwas, was wir Freien Demokraten und bei uns natürlich besonders die Jungen Liberalen schon lange wollen. Das eint uns mit unseren Koalitionspartnern.

Ich freue mich sehr, dass wir nun die Umsetzung dieses lange laufenden Projekts erleben. Wir entlasten damit eine große Anzahl von Studierenden, die

(Dr. Andreas Tietze)

täglich zum Studieren pendeln. Für junge Menschen aus dem ländlichen Raum wird es nun einfacher zu studieren, gerade wenn man sich kein Auto leisten kann. Wir entlasten den Wohnungsmarkt in den Universitätsstädten und an den Hochschulstandorten, weil es nun auch attraktiv wird, sich im Umland eine Bleibe zu suchen. Und wir stärken den ÖPNV und leisten damit einen wertvollen Beitrag zum Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz.

(Beifall FDP und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir machen den Hochschulstandort Schleswig-Holstein attraktiv, und ganz nebenbei ermöglichen wir es den jungen Menschen, auch wenn sie nicht aus Schleswig-Holstein kommen, unser schönes Land zu entdecken. Das ist gut für die Bindung von zukünftigen Fachkräften. Wer Schleswig-Holstein einmal erlebt hat, will hier nicht wieder weg.

(Beifall FDP und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das landesweite Semesterticket ist ein echter Gewinn oder - wie es mir einmal eine Studentin während eines Info-Gesprächs mit dem AStA gesagt hat -: Für unter 200 € durch ganz Schleswig-Holstein inklusive Hamburg, was für ein geiles Angebot! - Vielen Dank.

(Beifall FDP, Tim Brockmann [CDU] und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe gern zu: In unserem Wahlprogramm stand nichts vom Semesterticket. Aber wir sind ja lernfähig, und auch die AfD-Fraktion hat in der Plenardebatte im April und bei den vorherigen Gesprächen für ein landesweites Semesterticket gestimmt. Denn auch wir halten das Ticket für eine sinnvolle Maßnahme, mit der die Mobilität von mehr als 50.000 Studenten in Schleswig-Holstein gefördert und die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs gesteigert werden kann.

(Beifall AfD)

Dementsprechend begrüßen wir heute, dass die Einführung eines Semestertickets durch die entsprechende Vereinbarung zwischen Verkehrsunterneh

men, Landesregierung und Vertretungen der Studentenschaft realisiert worden ist.

Die Förderung mit maximal 9 Millionen € über einen Zeitraum von bis zu acht Semestern halten wir für ausgewogen, wenn man berücksichtigt, dass es hier darum geht, die Differenz zwischen kalkuliertem Einführungspreis und tatsächlichen Ticketpreisen auszugleichen. Bereits im ersten Semester liegt der Ticketpreis für die Studenten bei 124 € und damit lediglich knapp 30 € unter dem von NAH.SH kalkulierten Einführungspreis.

Die in den darauffolgenden Semestern erfolgenden schrittweisen Steigerungen des Preises nähern sich dem kalkulierten Einführungspreis weiter an. Dies halten wir ebenso haushalterisch für sinnvoll wie die Begrenzung der Subventionierung auf insgesamt acht Semester.

Das Semesterticket und das ihm zugrunde liegende Solidarmodell werden sich in der Praxis bewähren müssen. Es ist deshalb zu begrüßen, dass der Geltungsbereich auch Hamburg und den HVV-Ring A und B umfasst.

Wenn nun als Folge der Einführung des Semestertickets weitergehende Erwartungen und Forderungen geäußert werden - wir haben es hier gerade gehört bis hin zu einem generellen Jobticket für Arbeitnehmer, ist jedoch Zurückhaltung geboten. Hier sehen wir eher die Arbeitgeber am Zug, die dies zum Beispiel als Zusatzleistung für dringend benötigte Arbeitskräfte anbieten könnten.

Hoffen wir vor allem, dass die Bahn, die durch das Semesterticket zu erwartenden Steigerungen im Fahrgastaufkommen bewältigen kann. Bereits im vergangenen Jahr hieß es von dort, man werde dieses Projekt zum Anlass nehmen, die Fahrpläne auszuweiten. Das ist zu begrüßen. Noch mehr allerdings wäre es zu begrüßen, wenn die Fahrpläne endlich einmal zuverlässig eingehalten werden würden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für den SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum aktuellen Wintersemester 2019/2020 gibt es nun erstmals das landesweite Semesterticket in Schleswig-Holstein. Die Vordebatten waren recht intensiv, Vorzüge und Nachteile

(Kay Richert)

wurden ausführlich diskutiert, und auch im Bildungsausschusses hat uns die Landesregierung die ausgehandelten Grundbedingungen erläutert.

Grundsätzlich haben wir vom SSW ein solches Solidarticket unterstützt. Die Einführung ist daher zu begrüßen. Gleichzeitig war jedoch auch immer klar, dass ein solches Vorhaben eine Herausforderung an die Kostenträger sowie an die Infrastruktur in unserem Land stellen würde.

Durch die Nutzung des landesweiten Semestertickets sollen die Studierenden ermuntert werden, auf ein eigenes Auto zu verzichten und stattdessen umweltschonender mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Auch die Hoffnung auf eine Entspannung des Wohnungsmarkts durch verstärkte Umzüge ins Umland ist damit verbunden.

Dies sind alles schöne Überlegungen, doch Tatsache ist, dass es dafür noch immer einen umfangreichen Ausbau des ÖPNV bräuchte. Nicht ohne Grund beteiligt sich beispielsweise die Fachhochschule Westküste in Heide vorerst nicht an dem Ticket. Es fehlen die Anbindungsmöglichkeiten, und dann ist ein Solidarticket nicht die kostengünstigste Option.

Der Kostenfaktor ist überhaupt nach wie vor ein großer Streitpunkt. Natürlich ist klar, dass ein Solidarticket nur funktioniert, wenn die Kosten auf möglichst viele Schultern verteilt werden können. Dennoch bleiben bei dieser Lösung Studierende zurück, die sich finanziell ausgenommen fühlen, weil sie für etwas mitzahlen müssen, das sie nur sehr eingeschränkt nutzen können und daher auch gar nicht wollen. Nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund sollte die jetzige Solidarlösung noch einmal auf den Prüfstand, ohne sie grundsätzlich infrage zu stellen.

Darüber hinaus möchte ich an dieser Stelle gern zwei weitere Punkte nennen, die ebenfalls zu prüfen sind: pendelnde Studierende im deutsch-dänischen Grenzland und die potenzielle Erweiterung des Nutzerkreises.

Das jetzt eingeführte Semesterticket ist ein guter erster Schritt, aber klar ist auch, dass unsere Studierenden im Norden nicht vergessen werden dürfen, Stichwort: Europa-Universität Flensburg. Die dortigen Studierenden der grenzüberschreitenden Studiengänge pendeln nicht nur über Stadt-, sondern auch über Landesgrenzen hinweg nach Sønderborg. Diese haben mit der jetzigen Regelung das Nachsehen, und das ausgerechnet in unserem viel gelobten Grenzland. Eine Einigung über ein entsprechend ähnliches Solidarticket zusammen mit

Sydtrafik muss und wird einer der nächsten logischen Schritte sein.

Ein weiterer Schritt wird sein müssen, dass dieses Solidarticket für weitere Nutzergruppen zu öffnen ist. Auszubildende, Berufsschülerinnen und Berufsschüler, Freiwilligendienstleistende - viele pendeln unter schwierigen finanziellen Voraussetzungen zwischen ihrem Wohnort, ihrer Schule, ihrer Ausbildungsstätte beziehungsweise Dienststelle. Mit Pech liegen Wohn- und Arbeitsort auch noch weit auseinander.

Das Sonderangebot des Solidartickets muss also auch für diejenigen nutzbar sein, die in ihre Betriebe und Berufsschulen fahren, nicht nur für diejenigen, die zur Uni fahren. Wir vom SSW fordern hier gleiches Recht für alle. Daher hatten wir diese Forderung ja auch im Rahmen unserer Haushaltsanträge eingebracht und aufgezeigt, dass die Finanzierung durchaus machbar wäre. Wir werden diesbezüglich dranbleiben!

Insgesamt läuft dieses Projekt nun natürlich erst einmal an, und wir müssen dann zu gegebener Zeit prüfen, wo es erfolgreich läuft und wo noch Nachbesserungsbedarf besteht.

Natürlich müsste ein umfassend geltendes Solidarticket dann vernünftig durchgeplant, verhandelt und erneut gegenfinanziert werden. Aber diese Überlegungen müssen wir meines Erachtens berücksichtigen, um mittel- bis langfristig eine Tarifgerechtigkeit im ganzen Land herzustellen. Es braucht letztendlich auch in dieser Hinsicht ein groß angelegtes Konzept, von dem die Menschen in ganz Schleswig-Holstein inklusive des deutsch-dänischen Grenzlandes profitieren.

Da ich heute die letzte Rednerin bin - davon gehe ich jedenfalls aus, wenn es keine Dreiminutenbeiträge mehr gibt -, möchte ich allen ein schönes, besinnliches und gesegnetes Weihnachtsfest wünschen. Glædelig jul! Vielen Dank für 2019. Ich freue mich auf 2020, wenn der Landtag auch das hundertjährige Bestehen der friedlichen Grenzziehung zu Dänemark feiert. Insofern tusind tak! Kommt gut rein ins neue Jahr!

(Lebhafter Beifall SSW, CDU, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Doris Fürs- tin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Frau Abgeordnete, Sie waren zwar nicht die letzte Rednerin, aber es war trotzdem nett.

(Heiterkeit)

(Jette Waldinger-Thiering)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat jetzt die Abgeordnete Beate Raudies.

Auch ich habe die Weihnachtsdeko angelegt. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bevor ich zu den Weihnachtsgrüßen komme, möchte ich mir in dieser Debatte noch einen Hinweis erlauben:

Zunächst finde ich es toll, dass es dieses Semesterticket gibt. Aber, liebe Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss, habt ihr es nötig, darüber zu streiten, wer jetzt was gemacht hat? Ich finde es toll, es ist eine Riesenleistung für das Land. Es sind zahlreiche Studierende, die davon profitieren. Genau da liegt auch der Punkt.

Herr Buchholz wird jetzt gleich vielleicht mit den Augen rollen. Aber Sie wissen, auch ich fahre mit der Bahn. Ich kann berichten, das funktioniert. Die Züge sind nämlich jetzt voll. Wir werden bei der Evaluation auch auf diesen Punkt achten müssen, Herr Minister; denn ich erlebe es täglich, dass der Zug morgens so voll ist, dass die Leute zum großen Teil schon ab Bordesholm stehen müssen. Wenn die Leute aber stehen müssen, werden sie irgendwann auch wieder ins Auto steigen. Behalten Sie das im Blick: zusätzliche Züge, mehr Züge, längere Züge all das wird auf uns zukommen. Das ist dann auch der Preis, wenn zusätzlich 55.000 Leute die Möglichkeit haben, wieder mit der Bahn zu fahren.

Ich finde das gut, wollte aber gern noch diesen Gesichtspunkt aus der Sicht derjenigen einbringen, die ja auch viel Geld dafür bezahlen, mit der Bahn fahren zu dürfen.