Protocol of the Session on December 11, 2019

Offene Diskussionen, Mitbestimmung und die Erfahrung, mitentscheiden zu dürfen, sind wichtig für eine positive Einstellung zur Demokratie. Das müssen wir noch viel mehr an unseren Schulen vermitteln. Neben der Partizipation ist es natürlich auch wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler in WiPo unterrichtet werden und es dafür genügend Lehrkräfte gibt. Es darf nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler nach der Klasse 9 oder 10 die Schule verlassen, ohne jemals WiPo-Unterricht gehabt zu haben. Dabei geht es zum einen darum, den Aufbau unseres demokratischen Systems zu kennen, aber noch viel wichtiger ist es, sich mit politischen Themen und den Spielregeln unserer Demokratie auseinanderzusetzen. Deshalb unterstützen wir, dass WiPo an Gemeinschaftsschulen in Zukunft den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern zugeordnet wird und verbindlicher stattfinden soll.

Wir sollten uns aber nicht nur auf das Fach WiPo konzentrieren. Die Anforderungen, die Sie, lieber SSW und liebe SPD, in Ihrer Begründung an die Schulen stellen, sind ja richtig. Ich stimme Ihnen zu, dass Schule die zentrale Aufgabe und Verantwortung hat, demokratische Werte zu vermitteln und Schülerinnen und Schüler die Teilhabe an einer sozialen und demokratischen Gesellschaft zu er

möglichen. Aber das macht Schule eben nicht nur in WiPo, das macht sie auch durch Beteiligung.

An den Gemeinschaftsschulen wird dies im Weltkundeunterricht erreicht. WiPo wird dort in Weltkunde integriert. An vielen Schulen gibt es Weltkunde bis einschließlich Klasse 10. An so einer Schule habe ich gearbeitet, bevor ich mein Abgeordnetenmandat übernommen habe. Ich habe auch Weltkunde unterrichtet. Es war allen Lehrkräften klar, dass politische Bildung hier eine große Rolle spielt. So steht es auch in den Fachanforderungen und in den Fachcurricula der einzelnen Schulen. Dort stehen Themen wie: Menschenrechte, das friedliche Zusammenleben in einer Welt mit unterschiedlichen Kulturen, Religionen, Gesellschaftsformen, Völkern und Nationen, Gleichstellung und Diversität, Wertschätzung gesellschaftlicher Vielfalt und Partizipation. Deshalb sollten die Schulen die Freiheit bekommen, die WiPo-Stunden auch in Weltkunde zu integrieren, um mehr Zeit für vertieftes Arbeiten und für Projekte zu haben.

Noch kurz zu WiPo in der Oberstufe. Auch jetzt schon kann WiPo in der Qualifikationsphase abgewählt werden, wenn man nicht das gesellschaftspolitische Profil gewählt hat. In Zukunft wird WiPo in der Eingangsphase weiterhin Pflicht sein. Außerdem entlasten wir das Fach WiPo, weil die Berufsorientierung in einem eigenen Fach in Klasse 11 stattfindet. WiPo wird also nicht geschwächt.

Mit der Neuregelung der Oberstufe soll eine größere Wahlmöglichkeit erreicht werden. Die Schülerinnen und Schüler wollen eigene Schwerpunkte nach Interesse setzen. Das ist eine Forderung, die sowohl von den Lehrkräften als auch von den Schülerinnen und Schülern immer wieder gestellt wird. Wenn man mehr Auswahl hat, kann man auch Fächer abwählen. Das liegt in der Natur der Sache.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. - Wir werden zusätzliche Seminarstunden in der Oberstufe bekommen. Dort kann auch WiPo stattfinden, wenn die Schule es will, oder auch ein gesellschaftspolitisches Projekt.

Noch kurz zu unserem Abstimmungsverhalten. Wir möchten gern, dass dieser Antrag in den Bildungsausschuss überwiesen wird. Uns ist es wichtig, dass wir dieses Thema auch mit Expertinnen und mit Experten weiter beackern, natürlich auch mit den

(Ines Strehlau)

Schülervertretungen, um dann zu einer guten Lösung zu kommen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Ministerin, für den Bericht. Ich schließe mich auch Ihrem Dank an die Akteure an; denn ohne diese wäre vieles, was wir im Jahr der politischen Bildung auf den Weg gebracht haben, nicht zu machen gewesen.

Meine Damen und Herren, zu der Oberstufenreform ist schon einiges gesagt worden. Ich kann nur dazu einladen, dass sich alle Personen, die mehr oder weniger daran beteiligt oder davon betroffen sind da gucke ich die Schülerinnen und Schüler an -, dann auch aktiv dort einbringen.

Meine Damen und Herren, die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre, aber insbesondere seit 2016, haben uns allen deutlich gezeigt, dass unsere Demokratie viel weniger gefestigt ist, als wir uns das in den vergangenen Jahrzehnten haben weismachen wollen; denn die Bedrohung der westlichen Demokratien durch autoritäre Kräfte hat ohne Zweifel zugenommen, und es brauchte vergleichsweise wenig, um scheinbar gefestigte Glaubenssätze zu erschüttert. Von daher wird es wirklich höchste Zeit, dass wir uns der Thematik stellen und uns auch aktiv zur Wehr setzen.

(Beifall FDP)

Wir müssen deutlich machen, dass wir bereit sind, Zeit, Energie und Überzeugung in unsere Lebensund Wertevorstellungen zu legen. Die politische Bildung in der Schule ist für mich und für uns Liberale ein ganz wichtiger Teil davon. Daher bin ich ein großer Anhänger des Jahres der politischen Bildung. Wenn es nach mir persönlich ginge, könnten wir nahtlos weitermachen.

Es ist hier mehrfach schon erwähnt worden, der dialogP ist ein Erfolgsmodell, und wir sollten alles tun, um das in den Schulen weiter zu etablieren, damit gerade auch der Austausch mit den Jugendlichen erfolgt, auch wenn teilweise gesagt wurde, oje, da sind andere Fächer liegengeblieben, Stunden sind ausgefallen. Aber das Ergebnis ist: Jugendliche

haben sich mit aktuellen Themen auseinandergesetzt.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unter politischer Bildung verstehe ich nicht nur zu lernen, wie man den Bundespräsidenten wählt oder ob Referenden ein sinnvolles Element der Demokratie sind. Vielmehr sollte unseren Kindern von klein auf aufgezeigt werden, dass Pluralismus ein erstrebenswerter Zustand ist, weil nur so garantiert werden kann, dass jeder in einer Gesellschaft Gehör finden kann. Denn den Grad der Entwicklung einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie es schafft, mit ihren Minderheiten umzugehen.

(Unruhe - Glocke Präsidentin)

Es darf nicht darum gehen, dass man jemanden belehrt oder ihm vorgibt, was er gefälligst zu denken oder zu essen hat et cetera. Es geht darum, den anderen und seine Meinung, die von der eigenen abweichen kann, wahrzunehmen und sie bei überzeugenden Argumenten vielleicht sogar anzunehmen oder den anderen überzeugen zu können. Wichtig ist aber auf jeden Fall, sie gelten zu lassen, solange dies in einem demokratischen Umfeld stattfindet. Das sehe ich als primäre Aufgabe der politischen Bildung an.

Darüber hinaus bin ich ebenso davon überzeugt, dass wir den gesellschaftlichen und politischen Tendenzen nicht allein Einhalt gebieten können, indem wir die Stundenanzahl von Politikunterricht erhöhen oder das Jahr der politischen Bildung ausrufen. Ich bin auch der Auffassung, dass wir uns nicht so sehr darum streiten sollten, in welcher Klassenstufe, in welcher Schulform wie viel reiner Politikunterricht stattfindet. Anders als der eine oder andere hier im Haus bin ich eben doch der Meinung, dass politische Bildung sich nicht allein auf ein Fach reduziert, sondern schon eine Querschnittsaufgabe ist.

(Martin Habersaat [SPD]: Wer hat denn das behauptet?)

- Es ist vorhin gesagt worden, Kollege Habersaat. Ich bin der Meinung, dass wir genau schauen müssen, wie die verschiedenen Forderungen mit den vorhandenen Lehrplänen gut in Einklang zu bringen sind. Es gibt Vorstellungen, dass ab der fünften Klasse WiPo verpflichtend eingeführt werden soll. Andere sagen, das brauchen wir erst später und dafür mehrstündig. Ich denke, wir werden das im Bildungsausschuss und in den Arbeitskreisen intensiv mit den Betroffenen diskutieren, um eine Lösung zu finden.

(Ines Strehlau)

Denn die andere Seite ist: Wollen wir insgesamt mehr Unterrichtsverpflichtung, dann brauchen wir mehr Lehrkräfte. Können wir das bewältigen? Wollen das die Schülerinnen und Schüler? Und ist der Nutzen da?

Meine Damen und Herren, ich denke, das ist eine ganzheitliche Aufgabe, und das muss von den Lehrerinnen und Lehrern jeden Tag gemeinsam mit den Schülern in den Schulen geleistet werden.

Ich sehe auch uns Politiker in der Pflicht, unseren Teil zur Demokratiebildung zu leisten, auch und gerade außerhalb der Schule. Es kann nicht sein, dass wir uns allein deshalb zufrieden auf die Schulter klopfen, weil ein Klassenverband mehr Unterricht bekommen hat. Nein, wir müssen die Werte vorleben, die wir hier vom Podium aus einfordern beziehungsweise predigen. Dazu gehört zu allererst ein angemessener Umgang untereinander, der in der Sache gerne hart sein kann, aber der immer die Meinung des anderen anhört und sie respektiert, ohne in Beleidigungen und Diffamierungen abzugleiten.

Ich danke auch dem Landesbeauftragten für politische Bildung, dass er uns immer wieder mit neuen Ideen, mit neuen Konzepten darauf aufmerksam macht, wie wir in den Schulen die Jugendlichen direkt ansprechen; denn sie sprechen teilweise eine andere Sprache, als wir hier manchmal glauben, und das müssen wir respektieren.

Wir müssen auch hinhören. Das zu betonen, ist mir zum Schluss noch einmal ganz wichtig, weil es uns in den Diskussionen mit den Schülerinnen und Schülern immer wieder dargestellt wird. Politikunterricht, auch wenn wir es vorgegeben haben, wird an den Schulen sehr unterschiedlich gehandhabt. Auch wenn wir glauben, dass die Schulen gut ausgestattet sind, müssen wir leider wahrnehmen - ich habe es bis vor Kurzem auch nicht wirklich glauben wollen -, dass WiPo ersatzlos ausfällt und andere Unterrichte stattfinden. Wenn es vor Ort nicht gelebt wird, können wir hier natürlich viel gut reden. Da werden wir hinschauen, da nehmen wir euch sehr ernst, und da werden wir sehen, wie wir mit den Lehrkräften eine Regelung finden, damit es besser wird.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich auf die weitere Beratung im Ausschuss, wo wir auch noch einmal darüber diskutieren werden, welche Rolle Religion hat und welche Möglichkeiten wir haben, wenn es einen Staatsvertrag gibt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Martin Habersaat [SPD])

Das Wort für die AfD hat der Abgeordnete Frank Brodehl. - Bevor er spricht, bitte ich Sie wiederholt darum, Ihre Seitengespräche einzustellen oder rauszugehen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schüler, die freiheitliche Demokratie beruht darauf, dass die Mehrheit der Bürger ihr dauerhaft zustimmt, und diese Zustimmung lässt sich natürlich nur dann gewinnen, wenn die Bürger die Prinzipien der Demokratie auch kennen: Pluralismus, Kompromissfähigkeit und die Bereitschaft, sich selbst aktiv am politischen Geschehen zu beteiligen. Damit wird dann auch der Sinn und Zweck politischer Bildung klar: Es geht darum, Zustimmung für und Partizipation an Demokratie zu erzielen.

Auf welchem Weg dieses Ziel erreicht werden soll, darüber gehen die Meinungen in diesem Haus mitunter auseinander. Die heutige Debatte über das Jahr der politischen Bildung ermöglicht jedoch einen Rückblick und eine Bewertung genau darüber. Für viele Jugendliche war ja das Jahr 2019 das Politikjahr schlechthin, vor allen Dingen wegen der Fridays-for-Future-Bewegung.

Seit Ende 2018 wird während der Unterrichtszeit auch vor dem Landtag demonstriert. Genau dies wurde von Ihnen am 15. Februar 2019 in diesem Haus wahlweise als „gelebte politische Beteiligung“ oder „gelebte politische Bildung“ ausdrücklich begrüßt. Hierdurch haben Sie aber nicht nur den Schülern gegenüber das fatale Zeichen gesetzt, dass Verstöße gegen Recht und Gesetz prinzipiell in Ordnung seien, solange sie nur im Namen der Klimarettung begangen würden; nein, Sie haben dadurch auch für extremistische Gruppen ein Einfallstor geschaffen, die den Idealismus vieler junger Menschen für eigene Ziele missbrauchen.

Dass die Landesregierung diese absehbare Entwicklung im Februar 2019 noch nicht sehen wollte, ist das eine. Dass sie aber bis heute ihren politischen Fehler nicht einräumt und ihre Unterstützung für Fridays for Future nicht öffentlich zurückzieht, erweckt den Eindruck, dass ihr die Radikalisierung der Bewegung offensichtlich gleichgültig ist.

(Anita Klahn)

Es werden Klimanotstandsgesetze gefordert, es wird der Systemwechsel propagiert, und der Sozialismus wird glorifiziert.

(Unruhe)

- Hören Sie einmal zu! - Fridays for Future macht das nicht? Man muss sich überlegen, mit wem man auftritt. Ich komme noch dazu.

Im gleichen Atemzug wird über die Schwerfälligkeit der demokratischen Institutionen fabuliert und darüber, dass die Demokratie eingeschränkt oder ergänzt werden müsse, wenn es um die Klimarettung gehe. Spätestens dann hätte dieser Landtag aktiv werden müssen.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Sie verwechseln da Gruppierungen!)

Sie hätten unmissverständlich klarstellen müssen: Eine Klimarettungsmoral steht nicht über dem Gesetz. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Die Demokratie wird nicht irrelevant, sobald es um Klimafragen geht, ganz im Gegenteil. Wer hier etwas ändern will, muss im Rahmen demokratischer Willensbildung Mehrheiten schaffen.

Personen, die dies infrage stellen, muss Jamaika ganz klar eine rote Karte zeigen, ganz gleich, ob sie von Fridays for Future, Ende Gelände, Extinction Rebellion, von den GRÜNEN oder von den Jusos kommen - oder von der neuen SPD-Spitze, die ja bekanntermaßen vom echten Sozialismus träumt.

Wie dem auch sei, meine Damen und Herren, die Chancen wirklicher politischer Bildung anlässlich der Klimaproteste sind weitgehend ungenutzt geblieben. Zumindest haben Sie in Ihrem Bericht, Frau Ministerin Prien, nichts dazu gesagt.

Aber auch andere Informationen habe ich vermisst, vor allem vor dem Hintergrund dessen, was Sie im September 2018 angekündigt haben, als wir hier zum ersten Mal über das Jahr der politischen Bildung gesprochen haben. Im Unterrichtsfach Deutsch als Zweitsprache sollte, so sagten Sie damals, künftig über unsere Regeln gesprochen werden, über Verständnis und Toleranz, über das friedliche Zusammenleben in unserem Land.