Protocol of the Session on November 15, 2019

Ich möchte gern ein Beispiel geben, das ist das Projekt grüner Wasserstoff und Dekarbonisierung im industriellen Maßstab an der Westküste. Das Reallabor soll, wenn dort die Endausbaustufe erreicht ist, 700 MW Wasserstoff produzieren, braucht dafür allerdings 10 GW erneuerbaren Strom. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Industriegeschichte Deutschlands.

Wir werden also auf Importe angewiesen sein, aber wir müssen auch auf die Stärken in unserem Land achten. Wir haben in Schleswig-Holstein ausreichend erneuerbaren Strom. Wir haben das Reallabor Westküste 100 in Dithmarschen, in Heide gibt es die Kaverne zur Speicherung von Wasserstoff, wir haben die Raffinerie in Heide mit dem Projekt KEROSyN 100 als Vorzeigeprojekt. Hinzu kommen die Industrieanlagen im Industriegebiet Brunsbüttel, die erhebliche Erfahrung im Umgang mit Wasserstoff haben. Mit dem Brunsbüttel-Port steht ein Hafen für den möglichen Import von grünem Wasserstoff zur Verfügung. Diese Auflistung macht deutlich. Die Westküste ist die Energieregion in Schleswig-Holstein.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP] und ver- einzelt CDU)

- Da wohnt auch ein Kollege. Guten Morgen, Herr Kumbartzky.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 73. Sitzung - Freitag, 15. November 2019 5591

(Andreas Hein)

Ihr Antrag für eine schleswig-holsteinische Wasserstoffstrategie ist in der Sache ein logischer Schritt und listet eine ganze Reihe von guten Maßnahmen auf. In der norddeutschen Wasserstoffstrategie wird eine landeseigene Strategie einfließen können. Was jedoch fehlt, ist die Zuweisung einer konkreten Zuständigkeit.

Deshalb sind wir dafür, dass wir in diesem Land ein Wasserstoffkompetenzzentrum einrichten, um die Strategien zu bündeln. Ein Kompetenzzentrum kann Ansprechpartner für alle Wasserstoffthemen werden und Kontinuität über die langen Planungszeiträume der Energiewende schaffen. Es muss vor allem sicherstellen, dass ein desinteressiertes Nebeneinander oder gar Gegeneinander in SchleswigHolstein oder zwischen den Ländern oder dem Bund nicht passiert. Wir wollen alle an einem Strang ziehen. Darüber hinaus bietet die Umsetzung und Erweiterung ihres Maßnahmenkatalogs, wie die Bündelung des landesweiten Know-hows, einen entscheidenden Beitrag für die Wasserstoffstrategie unseres Landes. Bei der Vernetzung mit Forschenden, Start-Ups und interessierten Gemeinden könnte ein kompetenter Ansprechpartner zur Seite gestellt werden.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. - Bei der Größe der Aufgabe, die vor uns liegt, brauchen wir ein Wasserstoffkompetenzzentrum als sinnvollen Ansatz. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Die Anträge haben so viel Inhalt, dass es sich lohnt, sie zu überweisen und im zuständigen Ausschuss noch weiter zu erörtern. Aber wenn dafür keine Mehrheit vorhanden ist, werden wir Ihrem Antrag zustimmen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall SPD und vereinzelt CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die SPD für die freundlichen Worte zu diesem Antrag. Den sauberen Weg über Wasserstoff als saubere Energie be

schrieb Jules Verne bereits vor fast 150 Jahren, 1870, in „Die geheimnisvolle Insel“. Wenn ich zitieren darf mit Erlaubnis der Präsidentin:

„Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“

Jules Verne fehlte noch die günstige und saubere grüne Energie. Wir haben das Glück, mitten in der Zukunft zu stehen, in der alle Energien in nicht allzu ferner Zukunft aus Wind- und Solarenergie kommen werden: sauber, günstig.

Das zügige und konsequente Wirken für eine klimafreundliche Zukunft ist für unser Land Herausforderung, aber es ist - das wissen wir alle - letztlich unsere einzige ökonomische Perspektive. Das hat durch unsere nachhaltige politische Arbeit die Bundesregierung in Teilen realisiert und will eine nationale Wasserstoffstrategie auf den Weg bringen. Durch die Arbeit unserer Landesregierung ist die gemeinsame norddeutsche Strategie in der vergangenen Woche auf den Weg gebracht worden; sie geht in die Umsetzung. Schleswig-Holstein mit seiner privilegierten Lage bei der Erzeugung von Erneuerbaren tut gut daran, mit einem Maßnahmenkatalog für eine Strategie seine Potenziale gerade an dieser Stelle zu stärken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinzu kommt: Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Erneuerbaren-Branche haben bereits in den letzten Jahren bei uns im Land diesen Weg beschritten. So finden hier ebenso wie auch viele neue Unternehmerinnen und Unternehmer in SchleswigHolstein den Nährboden für Innovationen für direkte Anwendungen. Meine Kollegen haben es bereits gesagt: Grüner Wasserstoff sichert Mobilität bei schweren Transporten auf langen Strecken, kann helfen, energieintensive Industrieprozesse sauber zu machen, eignet sich für stoffliche Nutzung, Speicherung, Transport und erneuerbare Energien, um nur einiges zu nennen. Und die vorhandene Gasinfrastruktur ist hier eine wichtige Option, die man immer mit im Auge haben muss.

Ansonsten sind Investitionen in Alttechniken in Zukunft verlorenes Geld. Das hat gerade in dieser Woche die Europäische Investitionsbank deutlich gemacht mit dem Beschluss des Verwaltungsrats, nach 2022, nachdem sie bereits aus Kohle ausgestiegen ist, auch aus Erdgas auszusteigen. Es wird

(Thomas Hölck)

mit diesen grünen Antworten auch der Deindustrialisierung und der Verlagerung von Erzeugung von Rohstoffen in ferne Weltregionen begegnet. Regionen stärken, aber nicht nur bei uns! Nur so werden wir die Klimaziele erreichen und schaffen es, erhebliche regionale Wertschöpfung auch hier bei uns im Land auszubauen. Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Wir schaffen es, das Zwischenziel 10 GW Onshore-Wind 2025 zu erreichen

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und dazu den Ausbau weiterer Erneuerbarer, wie zum Beispiel 12 GW Photovoltaik, verteilt auf Dächer und Flächen.

Wasserstofftechnik bietet den Vorteil der Skalierbarkeit. Großtechnische Anwendungen sind ebenso denkbar wie dezentrale regionale Anlagen. Wir machen das bereits in Schleswig-Holstein vor, und man muss und kann dann auch eine Antwort auf die Verluste geben, die uns immer wieder bei der Wasserstoffelektrolyse vorgehalten werden. Die anfallende erneuerbare Wärme, ungefähr 80°C, bietet sich geradezu dazu an, sie für Wohnungswärme zu nutzen, eventuell auch saisonal zu speichern.

Für die verschiedenen Formen müssen wir Rahmen setzen, und zwar sowohl dem wirtschaftlichen wie auch dem planungs- und genehmigungsrechtlichen Rahmen. Wir haben Punkte wie Bau-, Emissionsrecht, Abgabenrecht und dergleichen mehr zu regeln; die Kollegen haben dies bereits alles angesprochen. Leitfäden für die Planung und die Genehmigung helfen letztlich bei einer zügigen Einführung und Verbreitung dieser neuen Techniken und geben den Genehmigungsbehörden Sicherheit.

Noch wichtiger aber als die Frage, was man mit Wasserstoff macht, ist die Frage, wo der Wasserstoff herkommt. Er kann zwar aus Kohlenwasserstoffen wie Erdgas über dreckige Verfahren, CO2Freisetzung, gewonnen werden. Aber damit ist nichts gewonnen. Weit über 95 % des Wasserstoffs kommen heute aus solchen Verfahren. Wasserstoff wird auch nicht erneuerbar, wenn CO2 abgespalten wird, im CCS-Verfahren verpresst wird; auch dann ist überhaupt nichts gewonnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb lassen Sie mich betonen: Wir brauchen nicht nur eine Wasserstoffstrategie, sondern wir brauchen das, wo wir in Schleswig-Holstein stark sind; wir brauchen eine Wasserstoffstrategie der erneuerbaren Energien.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ja, ich weiß, die Messlatte ist hoch. Aber ich glaube, wir sind hier im Land stark genug, darüber hinwegzuspringen und nicht darunter hindurchzulaufen.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zum SPD-Antrag. Ich glaube, wir arbeiten hervorragend mit den verschiedenen Ministerien des Landes zusammen und haben hervorragende Strukturen. Ein bisschen zeigt sich das auch bei dem Antrag, einen Gesetzestext zu machen. Sie müssen nicht unbedingt die Organigramme der Landesregierung schreiben. Aber man kann ja auch einmal solche Anträge stellen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oliver Kumbartzky.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir setzen uns dafür ein, in Schleswig-Holstein eine grüne Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. An der Westküste ist dazu ja schon einiges im Gange. Meine Vorredner haben schon die Beispiele aus Brunsbüttel und Heide genannt. Sie sehen mal wieder: Dithmarschen ist da ganz vorne.

(Heiterkeit CDU)

Aber wir wollen natürlich das ganze Land mitnehmen; denn das ganze Land hat enormes Potenzial gerade bei diesem Thema. Das trifft aber nicht nur auf unser Land zu, sondern wir können das Thema auch norddeutsch denken. Deswegen finde ich es auch sehr gut, dass diese norddeutsche Strategie in der letzten Woche veröffentlicht worden ist. Das ist ein ausgezeichnetes und sehr frisches Konzept. Wir sollten und werden uns auch hier im Echten Norden an dieser Wasserstoffstrategie der norddeutschen Bundesländer orientieren und diese mit Leben füllen. Deswegen bitte ich ganz herzlich darum, unserem Antrag heute zuzustimmen und ihn nicht in den Ausschuss zu überweisen, weil wir diese Maßnahmen jetzt konkret voranbringen wollen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum SPD-Antrag: Den können wir gern in den Ausschuss überweisen und dort gern noch einmal darüber reden, wie denn so etwas aussehen soll. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir das EEK.SH haben. Ich weiß auch nicht, ob wir einzelne Kompetenzzentren bräuchten, wenn wir das Thema nord

(Bernd Voß)

deutsch denken wollen. Vielleicht sollten wir uns auch darüber austauschen. Im Übrigen haben wir auch jetzt schon kompetente Ansprechpartner in den beiden Ministerien unserer Landesregierung.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wasserstoff ist eine Schlüsseltechnologie für eine gelingende Energiewende. Die Energiewende ist leider immer noch, wie ich finde, zu sehr eine Stromwende. Die Stromerzeugung wird ausgebaut, aber die richtigen Rahmenbedingungen für eine gelingende Sektorkopplung fehlen leider noch.

(Beifall FDP)

Die Energiewende muss technologieoffen gestaltet werden; denn keiner weiß, welche Technologie in Zukunft unsere Energieversorgung sicherstellen wird. Wasserstoff ist ein wichtiges Bindeglied für die Energiewende, die eben über alle Sektoren greift, wenn der Bund endlich einmal die richtigen technologieoffenen Rahmenbedingungen setzt. Wasserstoff hat sogar das Zeug dazu, in vielen Bereichen Öl, Benzin und Diesel als Kraftstoff beziehungsweise als Energiespeicher zu ersetzen.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter Kumbartzky, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Die FDP ist doch immer für freie Marktwirtschaft und lehnt eigentlich Markteingriffe -

(Zuruf FDP: Soziale Marktwirtschaft!)