Protocol of the Session on November 15, 2019

Wir haben sie an das Bundeswirtschaftsministerium übersandt, damit in den nächsten Wochen unsere norddeutsche Wasserstoffstrategie in das, was der

Bund nun tatsächlich vorlegen wird, einfließen kann. Es gibt in diesem Bereich Herausforderungen, denen wir uns zwingend stellen müssen. Viele Dinge liegen hier auf Ebene des Bundes.

Erstens. Es ist hier mehrfach völlig zu Recht gesagt worden: Solange wir das Umwandeln von grünem Strom in Wasserstoff mit der EEG-Umlage belegen, schaffen wir einen staatlich induzierten Strompreisbestandteil, der es von vornherein unwirtschaftlich macht, Wasserstoff zu produzieren. Das muss weg.

(Beifall FDP, CDU und AfD)

Dafür kämpfen wir seit Jahren mit Bundesratsinitiativen und vielem anderen mehr.

Ich hoffe, dass sich im Zuge der Wasserstoffstrategie etwas an der Haltung in Berlin ändert. Im Klimapaket der Großen Koalition in Berlin war davon leider nichts zu besichtigen, obwohl es naheliegend gewesen wäre, im Klimapaket auch hierauf einzugehen und zu sagen: Wir brauchen eine Reform dieser staatlich induzierten Strompreisbestandteile.

Zweitens. Wir brauchen eine Experimentierklausel, um technologieoffen etwas machen zu können. Diese Experimentierklausel ist wichtig, weil wir auch in anderen Bereichen Rahmenbedingungen testen müssen.

Drittens. Wir brauchen eine CO2-Bepreisung mit echter Lenkungswirkung.

(Beifall FDP, CDU und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die ganze Diskussion um den Vorrang der Einspeisung ins Gasnetz erübrigt sich in dem Augenblick, in dem CO2 in allen Bereichen des Marktes den gleichen Preis hat. Heute liegt der CO2-Preis im Energie- und Industriebereich pro Tonne CO2 bei 28 € bis 29 €. Warum wir in einem anderen Bereich - bei Wärme und Verkehr - dann 10 €/t ansetzen, mag verstehen, wer will. Nur, wenn wir mit Marktgegebenheiten tatsächlich dahin kommen, dass dieser Preis sich nach Angebot und Nachfrage entwickeln kann, werden wir die Ströme dorthin lenken, wo es sich mit dem finanziell geringstmöglichen Aufwand am meisten lohnt, CO2 zu vermeiden. So treibt man das Thema über Marktwirtschaft an, was mit dem bisherigen Modell nicht gewährleistet ist.

(Beifall FDP, Volker Schnurrbusch [AfD] und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Viertens. Wir brauchen Anreize, indem wir beispielsweise im Bereich der Individualmobilität die Anrechnung von Wasserstoff auf die Flottenemissi

onswerte schaffen. Es ist hier ganz viel nach dem Motto gesagt worden: Es wird sich irgendwann rechnen, und es ist wichtig, dass man im individualmobilen Bereich darauf achtet, dass es grüner Wasserstoff ist. - Natürlich ist es wichtig, sonst macht es gar keinen Sinn.

Das gilt übrigens für alle Teile der Elektromobilität: Wenn man den Strom aus einem Kohlekraftwerk bezieht, um ein E-Auto zu fahren, steht nur der Auspuff woanders.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Lars Harms [SSW] und Volker Schnurrbusch [AfD])

Es ist deshalb ziemlich unsinnig, den Fahrzeugherstellern zu sagen: Die Produktion eines Elektroautos ist zu 100 % auf deine Flottenemissionswerte anrechenbar, die Zahl der Elektroautos darfst du komplett abziehen. Wenn du aber ein Wasserstoff-Fahrzeug baust, gilt das nicht, weil da die Wheel-toTank-Philosophie nicht passt.

Was ich jetzt sagen werde, geht besonders in Ihre Richtung, Herr Hölck, weil Sie gesagt haben, wenn ich von Sozialdemokraten umgeben sei, komme so etwas dabei heraus:

(Heiterkeit FDP und CDU)

Frau Schulze, Ihre Bundesumweltministerin, haben wir gestern schon an anderer Stelle für Ihre wesentlichen Beiträge gelobt oder auch nicht gelobt. Frau Schulze und mich verbindet inzwischen eine nette Brieffreundschaft zu der Frage, warum wir das nicht in die europäische Renewable Energy Directive II aufnehmen. Dort wird festgelegt, ob man die Emissionen von Wasserstoff-Fahrzeugen auf Flottenemissionen anrechnen kann. Sie weigert sich beharrlich, das zu tun. Das ist ein Hemmnis und macht keinen Sinn.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Lars Harms [SSW] und Volker Schnurrbusch [AfD])

Fünftens. Dies ist die wichtigste Erkenntnis, die uns allen klar sein muss: Wir in Schleswig-Holstein bauen die erneuerbaren Energien aus, wir werden keine 1.000-m-Regelung des Bundes anwenden. Herr Nobis, wir haben im Übrigen auch nicht vor, dauerhaft an einem Moratorium festzuhalten. Es ist unser Wille, den Ausbau und das Ausweisen von Vorrangflächen für die Windenergie so schnell wie möglich zu schaffen, weil wir glauben, dass dieser Zubau in diesem Land wichtig ist und wir mehr davon brauchen.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber bei aller Nutzung regenerativer Energien - ob aus Onshore- oder Offshore-Windkraft, ob aus Photovoltaik oder woher auch immer - muss uns allen klar sein, dass der Energiebedarf in Deutschland durch das hier vorhandene Energiepotenzial nicht zu decken sein wird. Herr Hölck hat das gesagt. Ein ganz wesentlicher Teil der Wasserstoff-Strategie muss daher sein, Importkapazitäten zu schaffen. Energiebedarf heisst zum Einen natürlich: Stromleitungen. Heute decken wir unseren Energieimportbedarf fast ausschließlich, indem wir Öl und Gas importieren. Zukünftig muss es heißen, dass wir möglichst erneuerbar erzeugte Energien importieren. Glauben wir denn, dass wir das mit 380-kVLeitungen einmal quer um die Welt tun können? Es wird notwendig sein, erneuerbar erzeugte Energien in Molekülform nach Deutschland zu bringen.

Deshalb, meine Damen und Herren, macht ein Importterminal für gasförmige Stoffe so viel Sinn. Es geht eben nicht darum, Fracking-Gas aus den USA zu importieren, sondern es ist eine LNG-ImportInfrastruktur, die bewirkt, dass zukünftig erneuerbar erzeugte Energien nach Deutschland importiert werden können. Dieser Gedanke ist viel zu wenig in den Köpfen der Menschen verankert: Wir tun das nicht, um fossile Energien nach Deutschland und Europa zu bringen, sondern um dafür zu sorgen, dass wir zukünftig bei den erneuerbaren Energien Wasserstoff nach Deutschland importieren können.

(Beifall FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Dr. Buchholz, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, gern.

Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass irgendwann nur noch Wasserstoff im Gasnetz unterwegs ist. Sie wissen, dass das nicht so ist. Ich kann ihn nur in kleiner Menge beimischen, weil er immer noch hochexplosives Knallgas ist. Wir werden also auf sehr lange Sicht auf Erdgas nicht verzichten können. Das ist doch klar.

(Zuruf: Quatsch!)

- Das ist mir auch klar. Die Beimischungsmengen, die wir mit Wasserstoff erzielen können, sind aber hoch. Jeder Kubikmeter, den wir erneuerbar erzeugt haben und der deswegen emissionsfrei ist, ist gut für das Klima, Herr Nobis. Deshalb sollten wir das ausbauen.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Wasserstoff ist ein wichtiges Element einer zukünftigen Energiewende, aber kein Allheilmittel. Es darf nicht so sein, dass wir komplett auf das eine oder das andere setzen.

Als Land haben wir gerade 55 Triebfahrzeuge mit Akkubetrieb für den Schienenverkehr angeschafft. Technologieoffenheit heißt nicht ideologisch verbohrt in die eine oder andere Richtung zu gehen. Ich sehe mit Schrecken Diskussionen in der Politik, aber auch draußen im Netz, bei denen alle Beteiligten sich immer ganz genau erklären können, warum das eine vom Teufel und das andere so richtig sei. Das ist ein großer Unsinn, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Technologieoffenheit heißt eben auch, vieles auszuprobieren. Ich bin gern dafür, liebe Damen und Herren von der SPD, die Kompetenzen zu bündeln. Lassen Sie mich aber zu Ihrem Antrag sagen: Wir sollten das, was wir gerade auf der Ebene der Küsten-Wirtschafts- und Verkehrsminister machen, nämlich gemeinsam eine Strategie für den Norden zu entwickeln, nicht durch Einzelmaßnahmen konterkarieren, dass das eine Land sich hier ein Kompetenzzentrum hin baut und das andere Land dies dort tut.

Wir werden das Thema bei der norddeutschen Wasserstoffwirtschaft nur gemeinsam, im Verbund mit den anderen Bundesländern anpacken können. Deswegen ist ein solches Kompetenzzentrum vielleicht eine gute Idee, es muss dann aber aus meiner Sicht eines für alle fünf norddeutschen Bundesländer sein. Darüber sollten wir im Ausschuss diskutieren.

Ich sehe uns in Schleswig-Holstein beim Wasserstoff-Thema auf gutem Weg. Wir haben beste Voraussetzungen durch die Windenergie, die wir bei uns an der Küste erzeugen. Wir produzieren mehr Strom, als wir verbrauchen. Wir müssen das weiter ausbauen. Es gibt noch viel in Forschung und Entwicklung zu tun. Es ist aber eine industriepolitisch herausragende Chance für dieses Land, wenn wir es schaffen, Wasserstoff nicht nur als tolles Mittel zu

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

sehen, sondern ihn auch wirtschaftlich zu produzieren. Das kann ein Exportschlager in die ganze Welt sein. Diesen Weg wollen wir gehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um fast 7 Minuten überschritten. Diese Zeit steht jetzt auch allen Fraktionen zu. Ich sehe aber nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Alternativantrag, Drucksache 19/1829, dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen.

(Widerspruch)

- Dem Wirtschaftsausschuss oder dem Umweltausschuss?

(Zurufe)

- An den Wirtschaftsausschuss. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so geschehen.

Ich lasse jetzt über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/1830, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag gegen die Stimmen der AfD mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, FDP und CDU abgelehnt.

Ich lasse dann über den Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/1801, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe -

(Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [frakti- onslos]: Ich habe auch dem Antrag der AfD eben zugestimmt! Das haben Sie nicht ge- sagt!)

- Okay, dann sage ich das Abstimmungsergebnis noch einmal: Sie haben als Fraktionslose dem Antrag Drucksache 19/1830 auch zugestimmt.