Protocol of the Session on November 14, 2019

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb hätte das schon vor Jahren passieren müssen.

Letztendlich ist die Diskussion um Glyphosat eine Stellvertreterdiskussion, denn es geht hier um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beziehungsweise von Pestiziden in der Landwirtschaft insgesamt, und es geht um eine Umstellung in der Landwirtschaft.

Gerade in diesen Punkten, wenn es um die Belastung von Natur und Umwelt geht, würde ich mir mehr Offenheit und Verständnis vonseiten der Landwirtschaft wünschen. Wie sehr Politik und die Lobby der Landwirtschaft in dieser Frage auseinanderdriften, hat sich insbesondere an der Novellierung der Düngeverordnung gezeigt. Der Druck aus Brüssel war seinerzeit so groß, dass Deutschland gezwungen wurde, seine Düngeverordnung zu verschärfen. Das hat Berlin gemacht, aber es zeigte sich, dass die eingereichten Verschärfungen nicht ausreichend waren, und die angedrohten Strafen aus Brüssel waren damit nicht vom Tisch.

Der Kniefall vor der Landwirtschaftslobby hat dazu geführt, dass weitere Verschärfungen nachgereicht werden mussten. Bei den Landwirten kommt jedoch nur an, dass Politik nicht zuverlässig ist. Das kann man so auslegen, aber selbstkritisch sollte

auch die Lobbyarbeit der Verbände hinterfragt werden.

(Vereinzelter Beifall SSW und SPD)

Das System „Wer nicht wachsen will, der muss weichen“ hat sich seit Jahrzehnten in der Landwirtschaft verfestigt. Das war der falsche Weg, und das hat zu dem jahrzehntelangen Höfesterben geführt. Die EU-Subventionen an die Landwirtschaft waren und sind das süße Gift, das das Höfesterben unterstützt. Eine Umstellung ist hier dringend notwendig. Gesellschaftliche Belange müssen noch stärker in den Fokus der Förderung gerückt werden. Das heißt: weg von der Basisförderung hin zu ökologischen sowie umweltfreundlichen Kriterien, Tierwohl stärker fördern, aber auch soziale Aspekte müssen künftig Berücksichtigung finden.

Die Gestaltung und Zukunft der Landwirtschaft ist vielfältig und mehr als ein abendfüllendes Programm. Wir kommen nicht umhin, uns damit auseinanderzusetzen, und das geht nur im Dialog mit der Landwirtschaft. Zum Dialog gehören immer zwei Seiten. Dass man uns vorwirft, nichts sehen, nichts hören und nichts wissen zu wollen, ist eine sehr einseitige Betrachtung, denn so sieht es in Wahrheit nicht aus. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.

Am Ende dieser Debatte ist mir insbesondere mit Blick auf die Umweltministerkonferenz wichtig, noch einmal zu sagen: Das Aktionsprogramm Insektenschutz ist kein Programm gegen die Landwirtschaft, es ist eine Reaktion auf das dramatische Artensterben bei Insekten.

(Beifall SPD und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Artensterben ist gerade noch einmal durch eine Studie der Technischen Universität München bestätigt worden. Ich habe mir die 65 Seiten des Aktionsprogramms Artenschutz durchgelesen, nicht nur die Zusammenfassung vom Bauernverband - ich musste feststellen: das hilft. Im Aktionsprogramm Insektenschutz ist aufgeführt, dass auch Siedlungsentwicklung, Lichtverschmutzung, Versiegelung

(Flemming Meyer)

von Flächen, die unglaubliche Pest der Schottergärten in unseren Städten

(Vereinzelter Beifall)

und Verkehrsinfrastruktur zum Insektensterben führt. Es wird weiß Gott nicht nur die Landwirtschaft genannt.

(Beifall SPD und Flemming Meyer [SSW])

Das gehört zur Fairness in der Debatte dazu und auch - das ist sowohl der Landwirtschaftsministerin als auch der Umweltministerin durchaus bewusst -, dass man diese Last nicht einfach der Landwirtschaft auf die Schultern packen darf, ohne dass es dafür Ausgleich gibt. Deshalb ist das Programm mit 100 Millionen € unterlegt. Deshalb ist ganz klar formuliert, dass die Position der Bundesrepublik bei den Diskussionen zur Neugestaltung der europäischen Agrarförderung ist, dieses Artenschutz- und Insektenschutzprogramm auch da zu hinterlegen. Das Bewusstsein ist da.

Liebe Jamaikaner, hier sind die Beschlüsse zur Biodiversität und zum Artenschutzprogramm gefasst worden. Sie müssen doch dankbar für dieses Insektenschutzprogramm sein, das vom Bundestag auf den Weg gebracht wird. - Danke.

(Beifall SPD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Anette Röttger.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle noch einmal das Augenmerk darauf richten: Wer hat die Demonstration angestoßen? Die Demonstration der Bäuerinnen und Bauern ist nicht über den Bauernverband angestoßen worden, sondern sie hat sich von ganz unten entwickelt - von da, wo diejenigen sind, die das Land bewirtschaften.

Die Bäuerinnen und Bauern in unserem Land, gut ausgebildete junge Menschen, stehen vor der Frage: Kann ich es in dieser Zeit wagen, den Familienbetrieb meiner Eltern weiterzuführen, in dem ich bereit bin, 365 Tage im Jahr bei Wind und Wetter zu arbeiten, zu wirtschaften, zu tun, was ich gerne mag und immer schon wollte, in dem Bereich, in dem mich die Fachhochschule hier in Schleswig-Holstein ausgebildet hat? Kann ich in dem Bereich bleiben? Habe ich einen Platz in diesem Land, oder ist der Druck der Gesellschaft so groß geworden,

dass ich lieber einen anderen Weg wählen sollte und das Hoftor damit geschlossen wird?

Ich möchte darauf hinweisen, dass es zu diesem Thema für mich auch deswegen eine hochemotionale Debatte ist, weil ich genau das kenne. Auch ich bin eine Bäuerin. Ich kenne den Veränderungsprozess, der stattgefunden hat, mein Leben lang. Auf unserem Betrieb in fünfter Generation gab es in 30 Jahren Anpassung und Veränderung über Flächenentzug durch Autobahnbau, durch Ausgleichsmaßnahmen, Anpassungen im Pflanzenschutz, im Umweltschutz, durch Blühstreifen und durch eine funktionierende Knicklandschaft. All das haben wir getan.

Immer stärker unterhalten wir uns inzwischen im eigenen Berufsstand mit Menschen, die müde sind, nicht mehr können, vor dem Aus stehen und sagen: Ich kann nicht mehr, ich habe schlaflose Nächte, ich schaffe es nicht mehr.

Sehr geehrter Herr Minister, ich bin dankbar, dass wir diese Debatte in dieses Plenum, in unser - so wie ich es vor 30 Jahren erlebt habe eigentlich Agrarland - Schleswig-Holstein gebracht haben. Hier gehört es hin. Ich spreche an dieser Stelle als kulturpolitische Sprecherin mit einem Blick auf eine gepflegte Kulturlandschaft - darüber sind wir uns beide einig -, die wir beide wollen und in unserem Land neben einer existierenden Landwirtschaft, ob ökologisch oder konventionell, auch in Zukunft haben und weiterführen dürfen.

Herr Minister, wenn die Landwirte Sie jetzt mit der Aussage „Wir bitten zu Tisch“ auffordern, sollten Sie das aufgreifen. Es ist eine Entfremdung in den vergangenen 30 Jahren zwischen den Landwirten und denen eingetreten, die früher immer noch einmal irgendwo auf dem Bauernhof reingucken konnten, was jetzt nicht mehr gegeben ist. Da müssen Sie vielleicht dafür sorgen, dass wir in den nächsten Wochen in jedem Supermarkt einen Tisch hinstellen, an dem man mit Landwirten sprechen kann und die Landwirte ihren Rücken aus unserem Haus dafür gestärkt spüren, dass sie in der Lage sind, unsere Teller zu füllen. Das ist ein Angebot. Wir müssen zusammenhalten.

Es ist wie bei den Schulen: Jede kleine Schule, die geschlossen ist, bekommen wir nicht wieder geöffnet, und jedes Hoftor, das geschlossen ist, ebenso wenig. Es ist dringend an der Zeit - ich appelliere in diesem Sinne, weil ich deshalb überzeugte Schleswig-Holsteinerin bin; ich sage das hier überaus emotional -: Es sind schon viele Hoftore geschlossen. Ich möchte nicht, dass wir in Zukunft ein Land

(Kirsten Eickhoff-Weber)

haben, in dem wir sagen: Da ist keiner mehr! - Das geht schneller, als wir gucken können. Und dann? Dann haben wir hier keine glücklichen SchleswigHolsteiner mehr.

(Heiner Rickers [CDU]: So ist das!)

Die Menschen kommen doch auch deshalb, weil wir blühende Rapsfelder haben, wir eine gepflegte Kulturlandschaft haben und es hier schön ist - weil Bauern bereit sind, die Arbeit zu machen. Darauf kommt es in dieser Debatte an.

(Beifall AfD)

Darauf kommt es in dieser Debatte an. Ich bitte darum, das mit Nachdruck zu vertreten. Da liegen wir nicht weit auseinander. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD und Doris Fürstin von Sayn-Witt- genstein [fraktionslos])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe somit die Beratung. Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag, Drucksache 19/1766, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13, 28, 31 und 40 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Hauseigentümerinnen und -eigentümer beim Austausch von Ölheizungsanlagen unterstützen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1623 (neu)

b) Keine weitere Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1789

c) Rückkehr zu einer faktenbasierten Klimaund Energiepolitik, echten Umweltschutz betreiben

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1792

d) CO2-Ausstoß bremsen: Klimabilanz bei der Folgenabschätzung von Gesetzen, Verordnungen und Förderungen aufnehmen

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1802

Eine Stabsstelle für Klimaschutz einrichten

Alternativantrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1821