Protocol of the Session on September 27, 2019

Heute haben Menschen von der „Seebrücke“ vor dem Landeshaus demonstriert. Sie haben sich mit unseren Anträgen auseinandergesetzt. Die Menschen setzen sich sehr wohl mit dem auseinander, was wir hier drinnen tun. Sie tun das auch im Detail.

Die Rückmeldung ist wie folgt: Sie hätten sich sehr gewünscht, dass wir als Land der Initiative beitreten. Das ist unbestritten. Was ihnen aber auch wichtig ist, ist, dass das Land die Bereitschaft zur Aufnahme signalisiert. Das haben wir in der Vergangenheit getan, und das werden wir auch in Zukunft tun.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Was tun wir heute? Die Zustimmung zum SPD-Antrag würde nicht dazu führen, dass Kommunen zusätzliche Quoten aufnehmen können. Die Personen

würden dann einfach nur auf die normale, sowieso schon bestehende Verteilungsquote angerechnet.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

Entscheidend ist, dass man rechtlich klärt, wie die 12 Kommunen in Schleswig-Holstein zusätzliche Quoten aufnehmen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn die Mittelmeerflüchtlinge, die wir im April aufgenommen haben, waren keine zusätzliche Quote, das ist im Rahmen des Dublin-Verfahrens geschehen. Dadurch mussten die Kommunen keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen.

„Seebrücke“ möchte aber, dass zusätzliche Quoten aufgenommen werden. Dafür gibt es derzeit leider keine Möglichkeit. Kommunen sind nicht in der Lage, eigenständig aufzunehmen. Das kann man nur durch das Okay des Bundesinnenministeriums tun, und dazwischen sind immer die Länder, die durch § 23 des Aufenthaltsgesetzes eine Zustimmung des Innenministeriums brauchen. Dafür braucht es eine rechtliche Klarstellung und das Bemühen der Landesregierung.

An dieser Stelle möchte ich noch Folgendes sagen: Es gab mehrere Momente, in denen wir als Grüne explizit auf die Landesregierung zugegangen sind und den Ministerpräsidenten Daniel Günther gebeten haben, in Berlin unsere Unterstützung, unsere Aufnahmebereitschaft zu signalisieren. Das hat er jedes Mal getan. Deshalb habe ich überhaupt keine Zweifel, dass ich mich darauf verlassen kann, dass diese Landesregierung das auch in Zukunft tun wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP)

Vorhin erst hat Staatssekretär Geerdts den Demonstrierenden von „Seebrücke“ zugesagt, dass er sich mit ihnen an einen Tisch setzen und über Lösungsvorschläge diskutieren wird. Das finde ich klasse und sehr hilfreich in der gegenwärtigen Situation.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Genau das fordert unser Jamaika-Antrag: Wir bitten die Landesregierung, aufnahmebereite Kommunen zu unterstützen und weitere Kommunen zu begeistern, Flüchtlinge aufzunehmen. Ich bin mir sicher, dass diese Landesregierung das tun wird, und wir unterstützen sie dabei.

Ich möchte mich für die Bemühungen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben, bei dieser Koalition und bei dieser Landesregierung noch einmal ausdrücklich bedanken. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schleswig-Holsteinische Landtag bekennt sich heute zu seiner humanitären Verpflichtung, an einer Problemlösung des Dramas, das sich im Mittelmeer tagtäglich seit Jahren abspielt, aktiv mitzuwirken. Damit beginnen wir nicht erst morgen, nach der heutigen Plenarsitzung, sondern wir gewähren in Schleswig-Holstein schon heute in Not geratenen Menschen immer wieder humanitäre Hilfe.

Wir haben uns verpflichtet, ein eigenes Landesaufnahmeprogramm aufzusetzen und im Rahmen des europäischen Hilfsprogramms einen zusätzlichen Beitrag zu leisten. Die ersten Menschen werden noch in diesem Jahr zu uns kommen, um die Not und das Elend, dem sie ausgesetzt waren, hinter sich zu lassen und Schutz in Anspruch zu nehmen, den wir gewähren wollen.

Unsere Landesregierung hat im Juni dieses Jahres unbürokratisch und unkompliziert 22 aus Seenot geretteten Flüchtlingen Schutz gewährt und für eine Aufnahme in unserem Bundesland gesorgt. Dafür danke ich dem Innenministerium und allen, die dafür gesorgt haben, ausdrücklich.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Tragödien, die sich tagtäglich im Mittelmeer abspielen, die Toten, die nicht aus Seenot gerettet werden konnten, die kriminellen Machenschaften von Schleuser- und Schlepperbanden werden wir nicht beenden können, wenn wir uns darauf beschränken, nur den in Seenot geratenen Menschen Schutz zu gewähren. Das würde die Bereitschaft der Menschen, für eine Flucht nach Europa lebensgefährliche Risiken einzugehen, nur steigern, und das wäre eine fatale Entwicklung.

(Beifall FDP und CDU)

(Aminata Touré)

Deshalb müssen wir endlich damit beginnen, Maßnahmen zu entwickeln, mit denen wir die Fluchtursachen bekämpfen. Das wäre die wirksamste humanitäre Hilfe, die wir den Menschen, die in Nordafrika gestrandet sind, gewähren können. Das liegt aber bedauerlicherweise nicht allein in unserer Hand, wir stehen hier eher in der zweiten als in der ersten Reihe. Aber wir können unsere Landesregierung bitten, ihren Einfluss, den sie in Berlin hat, geltend zu machen, wenn es darum geht, internationale Lösungen für diese humanitären Katastrophen zu entwickeln und umzusetzen.

Darüber hinaus wird es wirklich Zeit, an einer gesamteuropäischen Lösung zu arbeiten. Das wissen wir seit Jahren. Hier muss sich auch die Bundesregierung Kritik gefallen lassen. Die Öffnung der Grenzen 2015 war unter humanitären Gesichtspunkten fraglos die richtige Entscheidung, aber der Alleingang Angela Merkels hat eine gesamteuropäische Lösung eher schwerer gemacht als erleichtert. Denn die Koalition der Unwilligen, die wir in der Europäischen Union haben, hat aus dem Verhalten Deutschlands völlig falsche Schlussfolgerungen gezogen und meint, sich durch Abwarten aus der Verantwortung stehlen zu können. Deswegen müssen wir ran an Dublin III, wir müssen die Verordnung reformieren, wir brauchen ein Verfahren, das alle europäischen Nationen gleichermaßen in die Verantwortung nimmt.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Kommen wir nun zur Initiative der Kommunen, aus Seenot geretteten Menschen einen sicheren Hafen in Schleswig-Holstein zu gewähren. Wir begrüßen dieses Engagement ausdrücklich und werden es aktiv unterstützen. Es ist gut zu wissen, dass Kommunen in Schleswig-Holstein trotz aller ausländerfeindlichen Polemik am rechten Rand ein Zeichen für Humanität und Hilfsbereitschaft setzen, und es ist gut, dass wir dies heute in dieser Debatte würdigen können. Es ist gut und wichtig zu wissen, in welchen Kommunen Flüchtlinge willkommen sind. Ich spreche den Kommunen, die sich dem Bündnis „Städte Sichere Häfen“ angeschlossen haben, im Namen meiner Fraktion ausdrücklich meinen Dank aus.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Land und Kommunen werden hier Hand in Hand zusammenarbeiten müssen. Deshalb bitten wir die Landesregierung, auf die hilfswilligen Kommunen zuzugehen und zu klären, welche Aufnahmekapazitäten in unserem Land vorgehalten werden können.

Allein zu wissen, wo Flüchtlinge willkommen sind, ist eine außerordentlich große Hilfe, wenn es darum geht, auf Notfallsituationen schnell, unbürokratisch und unkompliziert zu reagieren.

Wenn Sie uns jetzt fragen, warum wir dem Bündnis „Seebrücke - Schafft sichere Häfen“ als Land nicht beitreten, habe ich dafür durchaus Verständnis; meine Kolleginnen haben das meines Erachtens plausibel erläutert. Die Stärke des Bündnisses liegt darin, dass aus den Kommunen und der Gesellschaft heraus konkrete Hilfe geleistet wird. Das ist die wesentliche Voraussetzung für eine gelingende Flüchtlingspolitik.

Unsere Aufgabe als Land sehe ich nicht darin, sich dem einfach anzuschließen, sondern stattdessen die freie Entscheidung der Kommunen zu unterstützen. Das Land muss und wird die Ziele des Bündnisses unterstützen und mit den beteiligten Kommunen zusammenarbeiten.

Dies hat die Landesregierung schon in der Vergangenheit getan und wird das auch in Zukunft machen. Mit unserem Antrag konkretisieren wir unsere Vorstellungen, wie das Land und die Kommunen zusammenarbeiten sollen. Das ist für mich das bessere Signal als der Beitritt zu dem Bündnis. Ich bitte daher um Zustimmung zum Antrag der JamaikaKoalition. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Abgeordneten der AfD hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Es ist wieder einmal Zeit für Symbolpolitik - eine linke Symbolpolitik, die substanz- und wirkungslos daherkommt und von der man sich in den Reihen der Genossen offenbar einen politischen Aufschwung erhofft. Schleswig-Holstein soll nun zum „sicheren Hafen“ werden. Das klingt schön und scheint irgendwie zum Land zwischen den Meeren zu passen.

Konkret soll Schleswig-Holstein als erstes Bundesland dem Bündnis „Seebrücke - Schafft sichere Häfen“ beitreten. Immerhin haben dies bereits elf Kommunen und Städte getan, so der Antrag. Uns lässt das hoffen, denn die verbleibenden acht Kreise sowie eine kreisfreie Stadt scheinen bislang nicht vom rot-grünen Virus der Zuwanderung für alle be

(Jan Marcus Rossa)

fallen zu sein. In der Tat gibt es in Schleswig-Holstein nicht in allen Gemeinden Zustimmung zum Projekt „sicherer Häfen“, wie die Ablehnung eines ähnlichen Antrags im Kreis Pinneberg anschaulich macht.

Warum ist das ein Thema, das offenbar zunehmend auf Kritik stößt? Schauen wir einmal in die Selbstdarstellung des Bündnisses Seebrücke, denn dort will man unter anderem Folgendes erreichen: Man möge sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer positionieren und diese aktiv unterstützen sowie die Patenschaft und finanzielle Unterstützung für ein ziviles Seenotrettungsschiff übernehmen oder sich daran beteiligen.

Meine Damen und Herren, Seenotrettung ist eine Selbstverständlichkeit, eine international anerkannte Pflicht und ebenso selbstverständlich auch eine deutsche Aufgabe. Seenotrettung ist aber eben nicht das Aufnehmen von Menschen in küstennaher Seenot und das anschließende Verbringen an ferne europäische Küsten. Seenotrettung ist das Retten und Verbringen zu einem nächsten sicheren Hafen. Die Definition „sicherer Hafen“ ist eine Definition im seerechtlichen Sinne, nicht die eines Bündnisses und schon gar nicht die der SPD oder anderer Linksaußenparteien.

(Beifall AfD - Lachen SPD)

Die derzeitige Praxis der NGO-Schiffe ist dabei folgende: Diese sogenannten Rettungsschiffe laufen direkt in die Nähe der nordafrikanischen Küste, treffen dort punktgenau auf Boote mit Menschen, die nach Europa wollen, und dann bringen sie diese nach Europa. Das sind das Aufnehmen von Migranten an zuvor verabredeten Treffpunkten und das anschließende Schleusen nach Europa. Dies sind Erkenntnisse, die immer häufiger ans Tageslicht kommen und nunmehr von italienischen, spanischen und lybischen Sicherheitsbehörden bestätigt werden. Im Volksmund nennt man das Schlepperei.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Diese ist strafbar, und selbstverständlich darf sich eine Landesregierung nicht daran beteiligen. Das klang vorhin schon an: Zuständig für die Aufnahme ist der Bund, genauer das Bundesinnenministerium, und eben nicht das Land Schleswig-Holstein. Für Ihre Symbolpolitik ist in diesem für unsere Gesellschaft mit so gravierenden Folgen behafteten Themenfeld einfach kein Platz.

(Zuruf Sandra Redmann [SPD])

Es wird tatsächlich dem schleswig-holsteinischen Bemühen um die Migrationskrise nicht gerecht, denn dies ist längst ein Land, in dem bereits das Eintreffen als Asyl- oder Schutzsuchender zu einem dauerhaften Aufenthalt führt, ganz gleich, ob ein Aufenthaltsrecht oder eine Aussicht darauf besteht. Ein ineffizientes Rückkehrmanagement und überwiegend ausbleibende Abschiebungen stehen wie zum Beweis einem Aufnahmeprogramm für weitere Migranten gegenüber.

Eine konsequente Sicherung der EU-Außengrenze, geschlossene Häfen in Italien und die aktive - beispielsweise vor Ort in Marokko erfolgende - Grenzsicherung Spaniens haben zu massiven Rückgängen der Zahlen auf den Mittelmeerrouten geführt. Auch Frontex führt diese Maßnahmen als Grund dafür an, dass mit den fallenden Flüchtlingszahlen auch die Zahl der Ertrunkenen deutlich zurückgegangen ist. Meine Damen und Herren, Grenzsicherung rettet Leben. Das ist eine Wahrheit, die hier einmal offen ausgesprochen werden muss.

(Beifall AfD)