Protocol of the Session on September 20, 2017

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Habersaat, wir machen jetzt endlich ernste Bildungspolitik und nicht den Witz, den Sie in der Vergangenheit gemacht haben. Wir schaffen es, dass Schleswig-Holstein aus der bildungspolitischen Isolation herausgeholt wird, in

(Ines Strehlau)

dem wir die Irrtümer der vergangenen Politik revidieren und endlich flächendeckend zu G 9 zurückkehren. An dieser Stelle möchte ich ganz deutlich sagen: Die Wahlfreiheit, für die wir immer gestritten haben, hatte einzig und allein das Ziel, nicht flächendeckend G 8 zu bekommen, sondern G 9 als gutes pädagogisches Angebot zu behalten. Ich respektiere und meine Fraktion respektiert heute, dass wir an Schulen inzwischen zehn Jahre erfolgreich G 8 durchgeführt haben. Wir wollen eben nicht den Fehler machen, den Sie damals gemacht haben, und einfach par ordre du mufti sagen: „Wir wissen, was besser für alle ist.“

Wir wollen den Schulen, den Familien, die G 8 wollen, die sagen: „G 8 läuft bei uns, wir wollen G 8 behalten“, die Möglichkeit geben, dies mit einer qualifizierten Mehrheit über die Schulkonferenz zu beschließen.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Dr. Stegner, Sie stellen jetzt fest, dass im Land mehr soziale Gerechtigkeit sein müsse. Kümmern Sie sich doch einmal um die Dinge, die Sie alle hätten machen können.

In den Schulen gibt es eine Schulkonferenz mit drei Gruppen. Eine Gruppe kann, wenn sie dagegenstimmt, alles zunichtemachen. Was Sie mit Ihrer Zweidrittelmehrheit wollen, ist genau das. Nichts anderes ist es, was Sie beantragen. Damit sorgen Sie nur dafür, dass die Schulen weiterhin in einer Hängepartie bleiben. Die Schulen wollen endlich Ruhe haben. Ich finde das mehr als richtig. In Koalitionsverhandlungen verständigt man sich eben auf einen Kompromiss. Unser Kompromiss ist die deutliche Mehrheit, 75 %. Das heißt, alle Gruppen müssen sich damit einverstanden erklären, dass G 8 an der Schule beibehalten wird.

(Zuruf Birgit Herdejürgen [SPD])

Ich persönlich habe mich seit vielen Jahren dafür eingesetzt, dass G 9 an den Schulen ermöglicht wird. Ich bin der CDU sehr dankbar, dass sie jetzt auch erkannt hat, dass G 8 allein, was sie anfänglich vertreten hat, nicht das Ziel sein kann. Ich danke auch den Grünen, dass sie in den Koalitionsverhandlungen anerkannt haben, dass wir die Chancengerechtigkeit schaffen wollen, und wir nicht zwischen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen ein Feld aufmachen, das nicht sein muss. An den Gemeinschaftsschulen gibt es G 9. Warum sollte es an den Gymnasien nicht ermöglicht werden?

Wenn Bildung „die Anregung aller Kräfte des Menschen... zu einer sich selbst bestimmenden Indivi

dualität und Persönlichkeit“ ist, wie es ein Liberaler, nämlich Wilhelm von Humboldt, einmal formulierte, dann müssen wir diese Freiheit den Schülern einfach lassen. Jeder Schüler ist einzigartig, hat ein individuelles Entwicklungs- und Lerntempo. Dem müssen wir Rechnung tragen.

Schule sollte zur Anstalt werden, nach Möglichkeit nicht zu einer Einheitsschule. Wir möchten sie als Ort der individuellen Persönlichkeitsbildung.

Leider ist unser damaliger Vorstoß, Wahlfreiheit herzustellen, gescheitert. Auch der Bildungsdialog, den Sie so gepriesen haben, ist gescheitert. Sie haben uns nicht zugehört und den Eltern die Möglichkeit der Wahlfreiheit nicht gegeben, weil Sie wollten, dass alles gleich sein soll. Sie wollten die Gemeinschaftsschulen stärken und dafür die Gymnasien schwächen.

Meine Damen und Herren, das Wahlergebnis hat für sich gesprochen. Die Eltern haben sich für das bessere Produkt in der Schule entschieden, G 9.

Ich komme zu dem, was Sie immer kritisieren, dem Passus im Schulgesetz, wonach das Bildungsministerium das letzte Wort haben soll.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Stegner, ich finde Ihre Beiträge ausgesprochen hilfreich. Sie müssen schlicht und einfach erkennen: Ihre Bildungspolitik war schlecht. Sie hat versagt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Man ist verzwei- felt!)

- Ja, was soll man machen. Ich versuche, ihm jetzt zu erklären, warum wir dem Bildungsministerium die letzte Entscheidung nach der Anhörung der Verbände ermöglichen. Erstens: Es ist üblich, es gehört dazu. Zweitens nehmen wir natürlich auch die Bedenken der Schulträger ernst. Meine Damen und Herren, aus Gründen der Rechtssicherheit ist das vorgegeben, und wir werden das so durchführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass Sie, wenn Sie sich wirklich ernsthaft um die Schulbildung unserer Kinder Sorgen machen, unserer Schulgesetzänderung konstruktiv beiwohnen, sie mitgestalten und ihr vielleicht am Ende auch zustimmen, damit wir in Schleswig-Holstein endlich Ruhe und Frieden für die Familien, für die Schülerinnen und Schüler haben, damit sie sich darauf konzentrieren können, was in der Schule vermittelt wird, und damit es nicht mehr nur allein um die Organisationsform der Schulen geht, denn diese Frage

(Anita Klahn)

ist in den letzten zehn Jahren prägend gewesen. Das hat wirklich alle politikverdrossen gemacht, und das ist Ihre Verantwortung, liebe SPD.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Es ist davon auszugehen, dass dies in diesem Landtag wohl die letzte Debatte zum Thema G 8/G 9 sein wird. Vielleicht wird uns in bildungspolitischer Hinsicht in diesem Hause etwas fehlen, aber selbst wenn: Schüler, Eltern, vor allem aber auch Lehrer werden am Ende dieser Geschichte drei Kreuze machen, und zwar nicht nur, weil dann endlich Klarheit herrschen wird, sondern weil es in all den Jahren immer wieder allzu offensichtlich war, dass es bei der ganzen Diskussion mit Sicherheit nicht immer um die Frage ging, was das Beste für unsere Kinder ist. Vielmehr, und wer wollte das bestreiten, ging es um eine Mischung aus Ideologie, Wahlkampf und taktischen Überlegungen.

Am Sonntag ist Bundestagswahl. Um den noch Unentschlossenen eine kleine Entscheidungshilfe zu geben, lassen Sie uns noch einmal die Highlights der Diskussion Revue passieren: Als G 8 eingeführt worden ist, wurden immer wieder zwei Gründe genannt: die europäische Harmonisierung und die Forderung der Wirtschaft, endlich früher an Nachwuchs zu kommen.

Für die Sozialdemokraten und etwas später auch für die Grünen ging es noch um eine ganz andere Sache: Mit der Einführung von G 8 wurde die Hoffnung verbunden, dass möglichst viele Eltern, deren Kinder leistungsmäßig etwa zwischen Gymnasialund Realschulniveau schwanken, ihren Nachwuchs im Zweifel lieber auf die von Ihnen geliebte Gemeinschaftsschule schicken würden. Davon, dass der Weg zum Abitur auf dem Gymnasium kürzer und damit schwieriger würde, haben sich viele eine Stärkung der Gemeinschaftsschule versprochen. Das hat die Gemeinschaftsschule überhaupt nicht nötig. Darauf ist sie gar nicht angewiesen. Gleichzeitig wurde gebetsmühlenartig wiederholt, dass ja beide Wege vollkommen gleichwertig seien.

Fast hätten die Wähler Ihnen geglaubt. Ich glaube, es war vor zwei Wochen, dass einmal mehr durch

die Presse ging, wohin Sozialdemokraten ihre eigenen Kinder schicken: natürlich nicht auf die Gemeinschaftsschule, sondern aufs Gymnasium. Manchmal darf es auch die Privatschule sein. Ihre Kollegin Manuela Schwesig macht es vor. Ich gehe übrigens jede Wette ein, dass das auch hier im Haus nicht anders sein wird.

(Beate Raudies [SPD]: Mein Sohn geht auf eine Gemeinschaftsschule!)

- Genau, wir können einmal durchzählen. Ich weiß: Sie kämpfen gern für die Einheitsschule für die Kinder anderer Leute, aber für die eigenen soll es dann doch das Gymnasium sein - obwohl ja beides vollkommen gleichwertig ist.

(Zuruf FDP: Oder die Privatschule!)

- Oder die Privatschule, das habe ich schon gesagt. Also, ich nehme jede Wette an.

Immer wieder schön zu beobachten ist auch, wann welche Partei für oder gegen G 8 oder G 9 stimmt. In den diesjährigen Landtagswahlkämpfen gab es das Kuriosum, dass sich die CDU im Saarland aus der Rolle der dortigen Regierungspartei klar gegen G 9 ausgesprochen hat und dass die SPD als Oppositionspartei für G 9 gekämpft hat. Beides war bei uns fast genauso, nur eben mit vertauschten Rollen. Die CDU war für und die SPD gegen die Rückkehr zu G 9. Für die Wähler ist und war das - gelinde gesagt - eine Zumutung.

Verehrte Kollegen von der CDU und von der FDP, mit dem deutlichen Wahlergebnis im Rücken hätten Sie nunmehr die Rückkehr zu G 9 ohne Weiteres durchsetzen können. Kein Demokrat hätte Ihre Entscheidung anfechten können, denn Sie hätten schlichtweg Ihr Wahlergebnis umgesetzt. Stattdessen implementiert die Koalition jetzt einen Passus „Wahlfreiheit“.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Stand in unserem Wahlprogramm!)

Dass es durchaus Ausnahmen von der Regel für einzelne Gymnasien geben darf und auch sollte, dafür hätte der Austausch mit den kommunalen Schulträgern gereicht. Es tut mir leid, die Vermutung liegt also nahe, dass es sich bei der Wahlfreiheit um ein reines Zugeständnis an den grünen Koalitionspartner handelt.

(Anita Klahn [FDP]: Nein! - Christopher Vogt [FDP]: Das steht im Programm der FDP! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)

Liebe CDU, schade, dass Sie hier nicht mehr Mut bewiesen haben. Für die Wähler wäre es gut gewe

(Anita Klahn)

sen, ein ganz klares Zeichen gesetzt zu bekommen, um endlich Klarheit zu haben.

(Zuruf FDP: Ja!)

- Ja, 75 %. Die Wahlfreiheit wirft mehr Fragen auf als alles andere. Das Wahlergebnis war eindeutig.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie haben nicht einmal die Programme gelesen!)

- Das habe ich.

Meine Damen und Herren, trotz allem: Eine deutliche Mehrheit der Schleswig-Holsteiner und auch eine Mehrheit in diesem Hause sprechen sich ganz klar für eine Rückkehr zu G 9 aus. Dass sich in dem vorgelegten Gesetzentwurf nun - ich füge ein - nach meiner Empfindung und auch nach der Empfindung vieler Wählerinnen und Wähler ein koalitionsbedingtes Zugeständnis befindet: Sei es für dieses Mal darum.

Entscheidend sollte heute für uns sein, dass der Wählerwille rasch umgesetzt wird. Deshalb stimmt die AfD dem Entwurf zu. Wir gehen davon aus, dass die notwendigen Gespräche mit den kommunalen Schulträgern etwa über Fragen der Räumlichkeiten, die spätestens in acht oder neun Jahren gebraucht werden, rechtzeitig geführt werden. - Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne bei der AfD: Es bedarf einer Schulgesetzänderung, um G 9 flächendeckend in Schleswig-Holstein einzuführen. Insofern ist es die Aufgabe und ein guter Vorsatz der Landesregierung und der sie tragenden JamaikaKoalition, diesen Gesetzentwurf auch auf den Weg zu bringen. Ich möchte sagen, dass damit aber auch ein Hürdenlauf für die Schülerinnen und Schüler, für die Lehrerinnen und Lehrer und auch für die Schulträger in unseren Kommunen beginnt.