Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich gehe davon aus, dass der Alternativantrag Drucksache 19/1722 durch die Mitantragstellung zum Alternativantrag Drucksache 19/1731 seine Erledigung gefunden hat. - Widerspruch sehe ich nicht.
Ich eröffne somit die Aussprache. Für die AfDFraktion hat somit der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Wenn wir in ein paar Tagen hier den Tag der Deutschen Einheit in unserer Landeshauptstadt feiern, dann ist das in der Tat ein Grund dafür, ausgelassen und fröhlich zu feiern: mit guter Musik, mit gutem Essen, mit Deutschlandfähnchen, mit allem, was zu einer richtigen Einheitsfeier dazugehört.
Dabei ist der 3. Oktober, wie wir alle wissen, nur das Datum der Vollendung der staatlichen deutschen Einheit, denn ohne die Freiheits- und Demokratiebewegungen in Prag - Charta 77 -, Danzig Solidarność - und vor allem den Abbau der Grenzanlagen durch Ungarn wäre die Wende nicht gekommen. Das Gleiche können auch all diejenigen DDR-Bürger für sich in Anspruch nehmen, die dem
SED-Regime auf offener Straße, unter hohem persönlichen Risiko die Stirn geboten haben. Die Gefahr einer chinesischen Lösung lag durchaus in der Luft.
Der emotionale und historische Höhepunkt der Ereignisse, die letztlich zum 3. Oktober 1990 führten, war der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls. Er jährt sich in diesem Jahr zum 30. Mal. Das ist eine lange Zeit; die Erinnerungen daran verblassen naturgemäß nach und nach. Lassen Sie uns deshalb dafür Sorge tragen, dass das Andenken an 1989 seine Würde behält und sich in unserem Bewusstsein dauerhaft hält.
Wir machen hierzu zwei konkrete Vorschläge. Lassen Sie uns gemeinsam mit weiteren Vertretern der Gesellschaft am 9. November zu einer Gedenkstunde hier zusammenkommen. Lassen Sie uns dabei vor allem der Opfer der deutschen Teilung gedenken. Trennung ganzer Familien, Bevormundung, Zensur und das geistige wie physische Eingesperrtsein in der DDR waren die Mittel und Folgen des real existierenden Sozialismus, des absoluten Tiefpunkts deutscher Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Lassen Sie uns gleichzeitig diejenigen würdigen, die gegen all dies - gegen die Folgen des Sozialismus - mutig aufgestanden sind.
Gleichzeitig ist dafür Sorge zu tragen, dass sich der 9. November 1989 und insbesondere dessen Vorgeschichte dauerhaft im Bewusstsein der Bevölkerung verankern kann.
Damit komme ich zu unserem zweiten Vorschlag: Lassen Sie uns den Ausbau der historischen Gedenkstätten an der ehemaligen schleswig-holsteinischen Grenze zur DDR ins Auge fassen, durchaus entsprechend der großen Marienborner Gedenkstätte in Sachsen-Anhalt. Eine solche Gedenkstätte wird ganz ohne Zweifel Entscheidendes dazu beitragen, der friedlichen Revolution ein bleibendes historisches Vermächtnis zu bewahren. Dies sollte besonders in Zeiten wichtig sein, in denen sich sozialistische Weltverbesserungsphantasien einmal mehr ausbreiten wollen.
Meine Damen und Herren, der 9. November spiegelt die wechselvolle Geschichte Deutschlands wie kein anderes Datum wider: die Abdankung des Kaisers nach dem Ersten Weltkrieg, Hitlers Putschversuch 1923, die Pogromnacht 1938, die den Auftakt zur Shoa bildete. Dass wir 51 Jahre später, 1989, nach dieser Schande einmal das glücklichste Volk
Der 9. November 1989 reiht sich aber noch in einen weiteren Zusammenhang ein: das Wartburgfest 1817, das Hambacher Fest 1832, die März-Revolution 1848 oder natürlich auch die Ereignisse des 17. Juni 1953. Das sind allesamt Ereignisse der Freiheit, mal mit gutem, mal mit schlechtem Ausgang. Zusammengenommen mit den Ereignissen vom 9. November sind sie prägend und identitätsstiftend für unser Volk, für unser Land. Identität verschafft Verbundenheit, Verbundenheit schafft Zusammenhalt.
Der ursprüngliche Alternativantrag der SPD trägt den Titel „Friedliche Revolution und Deutsche Einheit sind untrennbar verbunden“. - Ja, natürlich, man kann das nicht künstlich auseinanderzerren, aber alles hat eben seine Zeit: Zeit, würdig zu gedenken, Zeit, das historische Vermächtnis zu bewahren, und Zeit, richtig zu feiern. So sehr wir den sich am 3. Oktober zum 29. Mal jährenden Tag der Deutschen Einheit feiern, so sehr sollten wir am 9. November den 30. Jahrestag des Mauerfalls 1989 würdigen. Denn er ist das Symbol dafür, dass der Freiheitswille der Menschen die Überwindung der Spaltung Deutschlands und Europas überhaupt erst möglich gemacht hat.
Lassen Sie uns nicht den Hauch eines Verdachtes aufkommen, dass hier Routine und Pflichtübungen bestehen, sondern den Schwerpunkt darauf legen, insbesondere der jungen Generation vorzuleben, was der 9. November 1989 für uns bedeutet! Feiern wir also den 3. Oktober 2019 ausgelassen, und würdigen wir den 9. November 2019! - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir in diesem Jahr des 30-jährigen Jubiläums der friedlichen Revolution und des Falls der Mauer gedenken, ist das für alle Menschen in Deutschland - in den alten wie in den neuen Bundesländern gleichermaßen - Anlass zur Freude. Diese 30 Jahre decken sich für mich persönlich ziemlich genau mit dem Gesamtzeitraum meines eigenen politischen Engagements. Ich bin Anfang 1989
im Alter von 15 Jahren in die Junge Union eingetreten und auch deshalb heute CDU-Mitglied, weil meine Partei sich immer klar und eindeutig für die Wiedervereinigung eingesetzt hat.
Gerade bei uns in Schleswig-Holstein haben wir in Lübeck und im Herzogtum-Lauenburg die Folgen der Teilung, nämlich die innerdeutsche Grenze mit Schießbefehl und Stacheldraht, hautnah miterlebt.
Die allererste politische Aktion, an die ich mich aus meinen Jugendtagen erinnern kann, war unsere Spendensammelaktion zugunsten der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter, jener Einrichtung, die die Aufgabe hatte, politische Verbrechen in der DDR sowie den Schusswaffeneinsatz an der innerdeutschen Grenze zu erfassen, um nach einer erfolgten Wiedervereinigung die Täter zur Rechenschaft ziehen zu können. Diese Institution war weniger als ein Jahr vor dem Fall der Mauer in ihrer Existenz bedroht - aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Mehrere Bundesländer - auch Schleswig-Holstein - waren damals aber bereit, die dauerhafte Existenz zweier deutscher Staaten anzuerkennen und hatten deshalb die jährlichen Zuschüsse gestrichen.
Unser Protest in dieser Spendensammelaktion ist für mich persönlich die hautnahe Erinnerung an dieses so bewegte Jahr 1989. Ich bin mir sicher: Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen werden aus diesem Jahr aus den Tagen vor und unmittelbar nach dem 9. November 1989 ähnliche, ganz persönliche Erinnerungen und Eindrücke besitzen, sodass für jeden von uns dieser Jahrestag ein ganz besonderes Datum ist.
Dem Versuch der AfD, sich hier wieder einmal eines Themas zu bemächtigen, das mit dieser Partei nicht das Geringste zu tun hat, will ich hier entschieden entgegentreten.
Niemand hat auf Ihren Vorschlag einer zentralen Gedenkveranstaltung gewartet, sondern unsere Landesregierung ist hier längst aus eigener Initiative tätig geworden.
Ich will an dieser Stelle den gemeinsamen Festgottesdienst zusammen mit dem Land MecklenburgVorpommern im Ratzeburger Dom genauso erwäh
nen wie eine ganze Reihe weiterer Feste und Gottesdienste in der ehemaligen Grenzregion. Das ist mit Sicherheit der deutlich bessere Ort, um der friedlichen Revolution und des Mauerfalls zu gedenken, als es das Landeshaus je sein könnte.
Falls es der AfD-Fraktion entgangen ist: Auch die Grenzdokumentationsstätte Lübeck-Schlutup wird durch Beschlüsse der Jamaika-Koalition schon längst aus dem Landeshaushalt gefördert, was sich nicht zuletzt in der Ausstellung im Rahmen des Tages der Deutschen Einheit niederschlägt.
Überholt ist auch Ihre Forderung nach einem Konzept, um das historische Vermächtnis der friedlichen Revolution dauerhaft zu bewahren. Mit den im Alternativantrag genannten Punkten sind wir bereits in der konkreten Umsetzung. Der Mut der Menschen in der damaligen DDR bestand darin, unter hohem persönlichen Risiko für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einzutreten. Das sind Werte, die es immer in den Vordergrund zu rücken und auf allen Ebenen zu vermitteln gilt.
Eine ganz besondere Bedeutung kommt dabei der Bildungspolitik zu. Dank der Initiative unserer Bildungsministerin Karin Prien ist dieses Jahr bereits zum Jahr der politischen Bildung ausgerufen worden. Daran lässt sich anknüpfen, und darauf lässt sich weiter aufbauen. Unser Antrag zielt darauf ab, dass sich möglichst viele Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer zukünftig mit dem 9. November 1989 und den dazugehörigen Ereignissen auseinandersetzen können. Anlässlich des 30. Jahrestages bieten sich in diesem Jahr dafür besondere Projekttage an den Schulen ebenso wie die Teilnahme an den genannten Veranstaltungen an.
Für uns ist aber ebenso wichtig, dass dieses Thema nicht nur auf einen einzelnen Tag beschränkt bleibt, sondern ganzjährig an den Schulen aufgegriffen wird. Demokratieprojekttage unter Einbindung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der friedlichen Revolution können zu späteren Zeitpunkten genauso gut durchgeführt werden, wie sich mit der Grenzinformationsstätte Lübeck-Schlutup ein regelmäßiges Schulangebot zum Mauerfall entwickeln lässt - das Ganze natürlich möglichst auch digital im Rahmen des zukünftigen Hauses der Landesgeschichte. All das finden Sie in unserem Alternativantrag wieder.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich schließe deshalb mit folgenden Worten, die Sie ebenfalls in unserem Antragstext finden:
„Nur, wer die Geschichte kennt, kann aus der Geschichte lernen und die Zukunft friedvoll gestalten.“
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die friedliche Revolution 1989 und die deutsche Wiedervereinigung 1990 sind zwei herausragende historische Ereignisse, vermutlich die bedeutendsten der deutschen Nachkriegsgeschichte, und zugleich sind sie untrennbar miteinander verbunden. Das Ende des SED-Regimes brachte Millionen Menschen die politische Freiheit, es ermöglichte die Wiedervereinigung zweier Länder, aber auch unzähliger Familien.
Auf der Suche nach den Ursachen dieser Entwicklung rücken für viele die Annäherungspolitik der Regierung Brandt/Scheel und das politische Tauwetter der 80er-Jahre in den Fokus. Beides sind wichtige Schritte, doch es kam etwas anderes hinzu: der mutige Einsatz der Menschen in Ostdeutschland, die in den Monaten vor dem Mauerfall auf die Straße gingen, der ein unzweifelhaft morsches System zum Einsturz brachte und die friedliche Revolution ermöglichte. Ich freue mich, dass wir dieses Engagement heute mit unserem gemeinsamen Antrag mit breiter Mehrheit würdigen.
30 Jahre nach der friedlichen Revolution und wenige Tage, bevor Schleswig-Holstein Gastgeber der Feierlichkeiten für den Tag der Deutschen Einheit sein darf, ist das ein starkes Signal.
„Wenn der Zug der deutschen Einheit rollt, dann kommt es darauf an, dass wenn's irgend geht dabei niemand unter die Räder kommt.“
Dieses Zitat von Willy Brandt ist aus einer Rede, die der Altkanzler im Juni 1990 im Deutschen Bundestag gehalten hat. Es ist bedauerlicherweise sehr viel weniger bekannt als andere Zitate. Hinter diesem Ausdruck steckt eine Befürchtung, von der sich zeigen sollte, dass sie gerechtfertigt war.