Protocol of the Session on September 26, 2019

„Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den anderen Bundesländern durch einen ‚Hochschulpakt Medizin“ bundesweit 1.000 neue Medizinstudienplätze zu schaffen.“

Auch im Koalitionsvertrag des Bundes wird durch den Masterplan Medizinstudium 2020 der massive Handlungsbedarf erkannt. Der Bund will, so steht es im Koalitionsvertrag, die Länder - sogar eng begleiten. Das finde ich schön, aber ich halte das für etwas allgemein.

Insofern wird das Vorhaben mit dem heute vorliegenden Antrag konkretisiert; wir verdeutlichen das. Wir bilden - das müssen wir auch sagen - in Schleswig-Holstein bereits heute über dem eigenen Bedarf aus. Medizinstudienplätze sind teuer. Es nützt allerdings nichts, wenn nur wir ausbilden. Wir müssen es gemeinsam mit den anderen Bundesländern tun. Hier ist der Bund in der Pflicht. Lassen Sie uns hier aus dem Schleswig-Holsteinischen Landtag ein Signal Richtung Berlin schicken. Ich bitte um Zustimmung zu dem Antrag. - Danke schön.

(Beifall CDU, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Medizinstudium in Deutschland gilt als hochattraktiv, ist aber auch hochkomplex. Es beinhaltet Laborpraktika, verschiedenste Seminare und Praxisphasen. Rund sechs Jahre beschäftigt man sich intensiv mit den verschiedensten Fachbereichen - zu Recht; denn wer später als Ärztin oder Arzt tätig ist, trägt eine immens hohe Verantwortung für die Patientinnen, die Patienten, für ihr Wohlbefinden, ihre Gesundheit, ja, natürlich auch für ihr Leben.

Trotz der hohen Anforderung bei der Bewerbung um einen Studienplatz als auch während des Studiums wollen zahlreiche Menschen in Deutschland ein solches Studium absolvieren. Das ist per se erst einmal ein gutes Zeichen.

Eine Vielzahl dieser Studierenden vertieft sein Wissen über weitere Jahre in einer Facharztausbildung, um so nach über einer Dekade der akademischen wie fachärztlichen Ausbildung Verantwortung für Leib und Leben der Patienten zu übernehmen.

Doch trotz des starken Interesses für den Medizinstudiengang bleibt eine Erkenntnis: Es gibt nicht genug Ärztinnen und Ärzte. Offene Stellen gibt es sowohl in den Kliniken als auch bei den niedergelassenen Praxen. Das führt direkt auch zu mehr Arbeitsbelastung, nicht nur im ärztlichen Bereich, sondern auch im pflegerischen Bereich und bei sonstigen Berufen.

Die demografische Entwicklung wird in den nächsten Jahren dazu führen, dass sich diverse derzeit Praktizierende alsbald aus dem Berufsleben verabschieden - zu Recht.

Politik muss proaktiv agieren, bevor sich bei uns Versorgungslücken realisieren. Aussagen über eine sogenannte Ärzteschwemme und eine Überversorgung mit medizinischem Personal, wie es Anfang der 90er-Jahre politisch debattiert wurde und wie man sich in den Mediatheken noch heute anhören kann - ich erinnere mich nicht daran, ich war etwas zu jung -, kommen einem wie aus der Zeit gefallen vor, wenn nicht wie von einem ganz anderen Stern.

Der demografische Wandel führt zu Fachkräftemangel. Fachkräftemangel führt zu Problemen bei der Unternehmensnachfolge. Das gilt leider auch im Gesundheitssektor. Obwohl zum Beispiel eine Praxis vor Ort gut läuft, findet sich immer häufiger keine Nachfolgerin beziehungsweise kein Nachfolger. Auch in gut bezahlter Anstellung lassen sich zu wenige Ärzte auf eine Tätigkeit in einer ländlichen Region ein.

Über die Attraktivität des ländlichen Raums entscheiden die Menschen auch mit Blick auf die medizinische Versorgung vor Ort, während mangelnde Attraktivität des ländlichen Raumes Ärztinnen und Ärzte davon abhalten können, dort eine Tätigkeit aufzunehmen. Das erinnert ein wenig an die Frage: Henne oder Ei - was war zuerst da? Bei Excel gilt dies als unzulässiger Zirkelschluss.

Über Ursachen ließe sich lange debattieren. Aber ich denke, wir haben einen Weg gefunden. Wir können die Zeit und Energie lieber in die Problembeseitigung stecken. Das machen wir mit dem vorliegenden Antrag.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Anzahl der Studienplätze bundesweit erhöht wird, werden langfristig auch mehr Medizinerinnen und Mediziner für die Patientenversorgung und Forschung - dieser Aspekt ist auch wichtig zur Verfügung stehen.

Die neuen Studienplätze werden die öffentliche Hand viel Geld kosten. Ein Medizinstudium ist eine der teuersten Ausbildungen, die es gibt. Es ist aber Geld, das kaum besser angelegt werden kann.

Da kein Bundesland prinzipiell nur für sich selbst Medizinerinnen und Mediziner ausbildet, sondern potenziell für das gesamte Bundesgebiet, theoretisch sogar für ganz Europa, wird in vielen Ländern der Ruf lauter, dass die Bundesebene mehr Verantwortung übernehmen muss. Deswegen fordern wir, die Regierungskoalition, die Schaffung von 1.000 zusätzlichen Studienplätzen deutschlandweit, wovon dann natürlich auch Schleswig-Holstein strukturell profitieren würde.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die eine Komponente besteht darin, dass wir prinzipiell mehr Studienplätze benötigen. Die zweite ist, dass die Absolventen auch gern in Schleswig-Holstein bleiben dürfen. Die Kampagne des Wirtschaftsministeriums dazu heißt „Bleib oben“. Junge

(Hans Hinrich Neve)

Menschen sollen nach der Ausbildung oder dem Studium hier im Norden bleiben.

Auch im Fall der Medizinerausbildung wollen wir, dass die Mediziner nicht nur auf einem möglichst hohen Niveau ausgebildet sind; wir wollen sie auch hier halten. Deshalb ist es wichtig, dass wir Schleswig-Holstein als Standort in Gänze attraktiv machen. Wir sind nicht nur eine Urlaubsregion. Wir sind auch eine Wirtschafts- und vor allem auch Lebensregion.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

- Ja, da kann man klatschen.

(Martin Habersaat [SPD]: Gibt es auch Nichtlebensregionen in Deutschland?)

- Ich hoffe nicht. Falls dem so ist, sollten wir auch daran arbeiten. - Potenzielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen in Schleswig-Holstein Bedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, Forschung zu betreiben und Verfahren und Techniken zu testen. Auch das ist ein wesentlicher Aspekt der Gesundheitsversorgung. Aber dieses Thema sehe ich bei der Landesregierung in guten Händen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! In Schleswig-Holstein ist knapp ein Drittel der Hausärzte 60 Jahre alt oder älter. Das bedeutet, dass in den nächsten zehn Jahren - Sie sagten es - ein großer Teil, nämlich 650 Mediziner, aufhören wird. Derzeit sind vom Landarztmangel Kreise wie Dithmarschen oder Steinburg bedroht. Ein Mangel an Landärzten ist immer nur der Vorbote einer alarmierenden Entwicklung. Deswegen müssen wir gegensteuern. Der vorliegende Antrag setzt in der Tat das richtige Zeichen.

Auch wir appellieren an die Landesregierung: Setzen Sie sich dafür ein, zusätzlich 1.000 Studienplätze zu schaffen.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, bundesweit werden derzeit rund 9.600 Studienplätze angeboten. Hiervon

entfallen etwas mehr als 400 auf Schleswig-Holstein. Mit Ihrem Antrag schlagen Sie also den richtigen Weg ein, auch wenn klar ist, dass von den zusätzlich geforderten 1.000 Studienplätzen in Schleswig-Holstein genau 34 entfallen werden; so war es in der Zeitung zu lesen. Leider wird auch - das wissen wir - ein nicht unerheblicher Teil dieser Absolventen nach dem Studium das Land wieder verlassen. Darauf komme ich später noch einmal zu sprechen.

Wir müssen also feststellen, dass in der Tat ein ganzes Bündel an Maßnahmen nötig ist, um die Engpässe in der medizinischen Versorgung zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass der Arztberuf insbesondere auf dem Land und in den Krankenhäusern wieder attraktiver wird.

Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Masterplan Medizinstudium 2020 und mit dem im Jahr 2015 in Kraft getretenen GKV-Strukturfonds wurde bereits versucht, gegenzusteuern. Es geht um Nachwuchsgewinnung, es geht um die Gewährleistung einer flächendeckenden Versorgung, und es geht um die Förderung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Gut so. Aber auch, wenn der Bund nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden darf, sind wir in Schleswig-Holstein gefordert, den Ärztenachwuchs zu sichern.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf den von Minister Garg ins Leben gerufenen Versorgungssicherungsfonds des Landes zu sprechen kommen, dessen Zielrichtung es allerdings ist, innovative und zukunftweisende Konzepte zu fördern und nicht die bestehende Regelversorgung. Das ist prinzipiell zwar keine unwichtige Sache, aber auch hier gilt: Eine Maßnahme für sich allein genommen wird noch keine ausreichende Wirkung erzielen können. Wir sollten daher weitere Maßnahmen suchen, auch solche, die vom Land ausgehen.

Meine Damen und Herren, genau aus diesem Grund hat der Kollege Claus Schaffer vor vier Wochen an dieser Stelle das Landarztgesetz hier eingebracht. Sie erinnern sich gewiss noch an die Einwände, dass unsere Initiative ja erst viel zu spät, erst in Jahren, greifen würde. Ja natürlich, wir wissen alle, wie lange die Ausbildung für einen Arzt inklusive Studium und Facharztausbildung dauert. Ich kam auf mindestens elfeinhalb Jahre, Sie sprachen sogar von noch mehr. Das ist nun einmal so, das können wir nicht ändern. Das ist aber auch keine Rechtfertigung für diese Einwände und diese Kritik, ebenso wenig dafür, sich gegen die Initiative heute und gegen das, was Claus Schaffer hier vor vier Wochen eingebracht hat, zu wenden. Das schließt natürlich

(Dennys Bornhöft)

nicht aus, dass Ideen, die in kürzerer Zeit eine Wirkung entfalten können, gesucht werden.

Da sind wir mit unserer Fraktion auf dem besten Weg. Wir denken da zum Beispiel an einen Fonds, der die Regelversorgung im ländlichen Raum sichert oder der der Förderung der Gründung oder der Übernahme von Landarztpraxen dient. In anderen Bundesländern bestehen solche Fonds, die speziell der vertragsärztlichen Tätigkeit als Haus- oder Fachärzte dienen und die auf die Gründung beziehungsweise auf die Übernahme einer Arztpraxis zugeschnitten sind. In diesem Fonds könnte auch eine Rückkehrprämie für Ärzte enthalten sein, die nach einer Tätigkeit im Ausland wieder mit dem Gedanken spielen, zurück nach Schleswig-Holstein zu kommen und sich für eine gewisse Zeit für eine Tätigkeit im ländlichen Bereich verpflichten müssten.

Meine Damen und Herren, es kann uns nicht egal sein, dass Einheimische, hier ausgebildete Ärzte, unser Land verlassen, weil sie anderswo bessere Bedingungen finden. Es kann uns auch nicht gleichgültig sein, dass zumindest ein Teil von den über 40.000 hier bundesweit tätigen Ärzten aus dem Ausland kommen, hier arbeiten und dann in ihrer Heimat fehlen.

Als AfD-Fraktion werden wir daher weiter Initiativen einbringen, die jetzt in der Überlegung sind, gerade auch, um das teils als dröge anmutende Landarztimage aufzupolieren oder positiv zu stimmen. Heute stimmen wir erst einmal aus Überzeugung Ihrer Initiative zu. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich in meine Rede einsteige, möchte ich unserem Kollegen Dennys Bornhöft und seiner Frau Gyde Jensen ganz herzlich zu dem kleinen Mädchen gratulieren.

(Beifall)

Das fand ich ganz wichtig. Gestern haben wir sie schon einmal gehört, und ich denke, sie war mit acht Tagen das jüngste Menschenkind, das hier einen Zwischenruf gemacht hat. - Großartig.

Nun zum Thema. Wir haben den Ärztemangel hier schon mit verschiedenem Fokus debattiert, die eine Einsicht bleibt aber immer: Unser Gesundheitswesen hat ernstzunehmende Versorgungslücken, und die Landesregierung ist hier dringend aufgefordert, zu handeln, und zwar sowohl auf lange Sicht als auch mit Sofortmaßnahmen. Deswegen ist die Entscheidung, diesem Antrag zuzustimmen, bei uns in der Fraktion auch ganz schnell gefallen. Wenn nun mit diesem Antrag gefordert wird, dass der Bund 1.000 zusätzliche Medizinstudienplätze schaffen soll, stimmen wir natürlich zu. Es bleibt aber trotzdem so, dass es mehr als eine Schraube gibt, an der die Landesregierung drehen muss, wenn sie dem Ärztemangel ernsthaft begegnen will.

In der Antragsbegründung wird auf den Bedarf im ländlichen Raum hingewiesen. Das ist ja auch vollkommen richtig. Deswegen ist es auch seit Jahren eine SSW-Kernforderung, die medizinische Versorgung auf dem Land bedarfsgerecht zu sichern. Schleswig-Holstein ist nun einmal ein Flächenland, da können wir es uns einfach nicht erlauben, die wohnortnahe medizinische Versorgung zu vernachlässigen, und zwar ohne Landarztquote und Zwang, sondern mit verbesserten Arbeitsbedingungen, Flexibilität und mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn es liegt nicht unbedingt an mangelnden Studienplätzen, dass sich wenig ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner in einer Landarztpraxis sehen. Es sind eben auch die Rahmenbedingungen, die stimmen müssen. Und dafür muss das Land sorgen. Es muss für Kitas, Schulen, für ein kulturelles Angebot und dafür, dass all dies mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen ist, sorgen. Nicht zuletzt wären wir dann auch wieder beim Breitbandausbau, der auch mit Blick auf die Möglichkeiten der Telemedizin weiter voranschreiten muss. Im letzten Monat hatte ich es bereits angemerkt, auch über finanzielle Anreize sollte unsere Landesregierung ernsthaft nachdenken. Was bei den Lehrkräften geht, sollte in ähnlicher Form auch für Ärztinnen und Ärzte gelten können.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, mir sind die Forderungen der Studierenden der Medizin aus dem letzten Jahr nachdrücklich in Erinnerung geblieben. Das fängt bei der Wohnraumproblematik an, wird aber auch ganz konkret beim Praktischen Jahr deutlich. Ich muss schon sagen, dass ich es schade finde, dass das Land hier keine gute Lösung gefunden hat. Vielleicht sollten wir uns, wenn wir uns alle einig sind, diesem Antrag zuzustimmen und als Land auf Hilfe des Bundes zu zielen, überlegen, ob wir vielleicht eine Bundesratsinitiative genau zu diesem Punkt starten, denn es ist wichtig, dass sich die Stu