Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Eröffnungsrede des Ministerpräsidenten auf der HUSUM Wind wurde in der Presse von einer Ruckrede gesprochen, wie man sie sonst nur von Bundespräsidenten kennt. Der Herr Oppositionsführer hat in der gestrigen Debatte bereits darauf hingewiesen. Diese Ruckrede war auch richtig und notwendig; denn schließlich lagen die schleswig-holsteinischen Vorschläge schon seit Anfang des Jahres auf dem Tisch - zum Teil sogar noch länger -, und es hat in Berlin gefühlt eine Ewigkeit gedauert, bis daraus jetzt konkrete Entscheidungen geworden sind. Das sage ich durchaus selbstkritisch mit Blick auf meine eigene Partei.
Diese Rede des Ministerpräsidenten bei der HUSUM Wind jetzt von der AfD zum Anlass für eine Aktuelle Stunde zu nehmen, ist insofern lächerlich, als der Herr Ministerpräsident nur das wiederholt hat, was wir hier in Schleswig-Holstein schon ganz lange sagen und was im Übrigen auch schon Gegenstand von Debatten hier im Plenum des Landtags gewesen ist, nämlich eine CO2-Bepreisung einzuführen und in diesem Zusammenhang das System der Steuern und Abgaben auf Energie grundlegend neu zu ordnen.
Die AfD schafft es noch nicht einmal, die grundlegenden formalen Voraussetzungen für eine Aktuelle Stunde einzuhalten; denn die Rede des Ministerpräsidenten fand schon drei Tage vor Antragsschluss statt. Sie hätten also die Möglichkeit gehabt, ganz regulär einen Antrag in das Plenum einzubringen, und hätten nicht auf das Instrument der Aktuellen Stunde zurückgreifen müssen.
Ich will mich aber gar nicht länger damit beschäftigen, wie die AfD versucht, hier laienhaft Opposition zu spielen. Das ist derart kläglich, dass es dazu keiner weiteren Worte bedarf.
Worüber es sich aber lohnt, heute zu diskutieren darauf will ich meine restliche Redezeit gern verwenden -, sind die inhaltlichen Aspekte, die in dem Antrag zur Aktuellen Stunden angesprochen worden sind und die sich im Ergebnis des Berliner Kli
maschutzkonzepts niedergeschlagen haben. Darin finden wir nahezu alles wieder, was wir in Schleswig-Holstein in den letzten Monaten an Vorschlägen, Ideen und Bundesratsinitiativen entwickelt und auf den Weg gebracht haben.
Zuallererst ist unsere bereits erwähnte Bundesratsinitiative zur CO2-Bepreisung zu nennen. Das Klimaschutzpaket sieht jetzt vor, für die Sektoren Wärme und Verkehr, die nicht dem europäischen Emissionshandel unterliegen, eine Steuerung mittels Zertifikaten auf nationaler Eben einzuführen.
Der eigentliche Clou unserer Bundesratsinitiative bestand darin, die Mehreinnahmen aus der CO2-Bepreisung zielgerichtet für eine Senkung der EEGUmlage einzusetzen und damit das größte Hemmnis, das wir mittlerweile bei der Energiewende verzeichnen, zu beseitigen. Der Zertifikatehandel bietet den entscheidenden Vorteil, dass es sich dabei eben nicht um eine Steuer handelt, deren Einnahmen in den allgemeinen Bundeshaushalt fließen. Stattdessen können die Einnahmen aus dem Zertifikatehandel zweckgebunden für eine Senkung der EEG-Umlage oder andere Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt werden.
Genau diese Kopplung sieht nun auch der Beschluss des Klimakabinetts vor, und das ist entscheidend; denn nur so wird eine doppelte Hebelwirkung für den Klimaschutz erreicht. Das ist, wie gesagt, genau das Konzept Schleswig-Holsteins, das jetzt Eingang in das Berliner Konzept gefunden hat.
Damit aber nicht genug. Es findet sich, wie gesagt, eine ganze Reihe schleswig-holsteinischer Punkte im Beschluss des Klimakabinetts wieder.
Die Senkung der Umlagen für Landstrom ist jetzt beschlossene Sache, und selbst für die vom SSW geforderte Anschlusspflicht an Landstrom wird die Bundesregierung jetzt eine europaweite Initiative ergreifen.
Für die hier im Landtag viel diskutierte Nutzung von Wasserstoff erarbeitet die Bundesregierung bis zum Jahresende eine nationale Wasserstoffstrategie.
Für den Einsatz von Power-to-X-Kraftstoffen, für die sich der Landtag in seiner Drucksache 19/379 ausgesprochen hatte, wird die Bundesregierung jetzt die Voraussetzung für großvolumige Elektrolyseverfahren schaffen und auch den Aufbau der Tankstelleninfrastruktur fördern.
Die Einführung eines 365-€-Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr, wie sie meine geschätzte Kollegin Eka von Kalben ins Spiel gebracht hat,
wird die Bundesregierung in Form von zehn Modellprojekten unterstützten. Auch Lübeck oder Kiel könnten mit dabei sein.
Schienenverkehrsprojekte sollen zukünftig per Gesetz ermöglicht werden, so wie es dieser Landtag mit der Drucksache 19/855 für den Ausbau der Marschbahn gefordert hat. Der legale Ausbau für Schienenprojekte ist nun Bestandteil des Maßnahmenpakets aus Berlin.
Auch die CDU-Aufforstungsinitiative findet sich im Maßnahmenpaket insoweit wieder, als die Bundesregierung das Anlegen von Forststreifen auf landwirtschaftlichen Flächen unterstützen will, indem sie die Anpflanzung von Hecken, Knicks und Alleen fördert. Das ist exakt eine der vielen Ideen, die beim CDU-Waldgipfel im September entwickelt worden sind.
Außerdem sieht der Beschluss vor, die Wiederbewaldung von Schadflächen und den klimarobusten Waldumbau zu fördern. Schleswig-Holstein ist hierbei bereits Vorreiter und hatte deshalb in diesem Sommer auch weniger Schäden zu verzeichnen als andere Bundesländer. Anstelle von Hilfen für die Schadensbeseitigung brauchen wir aber finanzielle Unterstützung für generelle Aufforstungsmaßnahmen. Als waldärmstes Bundesland darf SchleswigHolstein nach dem gestrigen Bundeswaldgipfel nicht leer ausgehen. Das habe ich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in dieser Woche auch in einem Brief geschrieben.
Meine Damen und Herren, die Bundesratsinitiative des Landes Schleswig-Holstein aus dem letzten Jahr zur Anhebung des Deckels bei der OffshoreWindenergie ist jetzt insofern erfolgreich, als dass das Ausbauziel bis zum Jahr 2030 immerhin auf 20 GW angehoben wird.
Auch bei Windkraftanlagen an Land folgt das Klimakabinett dem schleswig-holsteinischen Weg mit einem Mindestabstand von 1.000 m zur vorhandenen Wohnbebauung. Das könnte auch die SPD ruhig einmal akzeptieren, wenn Sie es jetzt in Berlin mit uns gemeinsam mittragen, zumal vollkommen klar ist, dass wir die Länderöffnungsklausel ziehen werden, um bei bestehenden Windkraftflächen weiterhin einen geringeren Abstand zur Wohnbebauung zuzulassen.
Meine Damen und Herren, als Schleswig-Holsteiner können wir deshalb mit dem Klimaschutzprogramm 2030 insgesamt - glaube ich - sehr zufrieden
sein. Es enthält - wie schon gesagt - so gut wie alles, was wir an Vorschlägen, Ideen und Bundesratsinitiativen entwickelt und in Berlin eingebracht haben. Damit aber noch nicht genug, denn die Bundesregierung setzt an vielen weiteren Stelle an, um das Klimaziel 2030 zu erreichen:
Die Kfz-Steuer wird sich ab dem 1. Januar 2021 noch stärker am CO2-Ausstoß orientieren. Die Luftverkehrsabgabe wird bereits am 1. Januar 2020 erhöht, und im Gegenzug wird die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten von 19 % auf 7 % gesenkt. Das war ein Vorschlag, der vor wenigen Wochen bei uns in Schleswig-Holstein mit großer Begeisterung diskutiert worden ist, und auch dieser Vorschlag beinhaltet genau diese Kopplung, die ich vorhin versucht habe, herauszuarbeiten. Um nämlich eine doppelte Hebelwirkung zu erzielen, werden Flugtickets teurer und Bahnfahren billiger. Das ist genau das gleiche gute Konzept.
Und dann gilt es vor allem noch einmal, die Abwrackprämie für Ölheizungen zu nennen. Ich bin mir sicher, dass die Kombination von einer 40-prozentigen Förderung von neuen klimafreundlichen Anlagen zusammen mit einem weitreichenden Verbot für den Einbau neuer Ölheizungen ab dem Jahr 2026 zu einem wahren Boom beim Austausch von Ölheizungen in den nächsten Jahren führen wird.
Diese ursprüngliche Idee der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer hat offensichtlich auch Gefallen bei der SPD-Landtagsfraktion gefunden, wie Sie es mit Ihrer Drucksache 19/1623 zum Ausdruck gebracht haben. Nach diesen weitreichenden Beschlüssen auf Bundesebene dürfte ein eigenes Landesprogramm damit jetzt obsolet sein.
Meine Damen und Herren, insgesamt 66 Einzelmaßnahmen für den Klimaschutz in Deutschland was lange währt, wird endlich gut. Zu dem SSWAntrag zum Thema CCS wird gleich mein Kollege Heiner Rickers noch etwas sagen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Klimaschutz ist die große Aufgabe unserer Zeit. Es ist unsere Verantwortung gegenüber den Kindern und Enkeln, dass sie in einer lebenswerten Welt und in Wohlstand und Frieden leben können, wie wir das auch können. Darin muss alle Kraft gesteckt werden. Das ist keine Ideologie, sondern das ist der breite wissenschaftliche Konsens aller Expertinnen und Experten. Man muss ehrlich sagen, die Herausforderung ist auch deshalb so groß, weil wir zu lange geschlafen und gezögert haben. Diesen Vorwurf muss sich die Politik gefallen lassen, ich glaube, am Ende praktisch alle Parteien.
Es gibt aber auch diejenigen, die aus politischen Gründen so tun, als könne man den Klimawandel ignorieren. Auch diese intellektuell traurige Position haben wir heute Morgen wahrnehmen müssen. Ansonsten war die Rede von Herrn Nobis intellektuell - ich möchte einmal sagen - dermaßen untertourig, dass es Verschwendung von Lebenszeit wäre, sich damit zu beschäftigen. Das will ich deswegen auch nicht tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt aber auch andere Stimmen, die man ernst nehmen muss. Das sind diejenigen Menschen, die sich aus guten Gründen Gedanken darüber machen, wie sich der Klimaschutz auf ihr Leben auswirkt, zum Beispiel, weil sie auf dem Land leben und keine Alternative zum Auto haben oder weil sie ihr Leben lang ein kleines Haus abbezahlt haben, aber jetzt von ihrer Rente weder die energetische Sanierung noch die CO2-optimierte Heizungsanlage bezahlen können. Wir sind gut beraten, die Bedenken dieser Menschen ernst zu nehmen und Klimaschutz nicht gegen sie, sondern mit ihnen zu gestalten. Das ist das, was wir gern tun möchten.
Wer sich die Beschlüsse der Großen Koalition in Berlin ansieht, der sollte darüber weder jubeln, noch sollte man diese verteufeln. Immerhin hat man sich auf ein Klimapaket verständigt, aus dem zwei Kernbotschaften deutlich werden. Erstens. CO2 bekommt einen Preis. Zweitens. Die Einhaltung der Klimaziele wird festgeschrieben und kontrolliert. Jedes Ressort ist in der Pflicht, die Ziele im eigenen Bereich einzuhalten. Die Verantwortung kann nicht weiter weggeschoben werden. Das ist das, was Svenja Schulze wollte. Das ist erstmals so geregelt, und das ist gut so, weil es nämlich nicht dazu führt, dass wir das wieder verschlafen, sondern dass wir eigreifen können und dies auch tun sollten.
wer in der Großen Koalition antreibt und wer in dieser Frage bremst. Trotzdem muss ich Ihnen ehrlich sagen, dass das, was jetzt vorgelegt worden ist, mehr ist als das, was aus einem Jamaika-Bündnis herauskommen würde. Das will ich Ihnen mit Blick auf zwei Dinge sagen: Erstens. Schauen Sie sich einmal an, was Sie hier in Schleswig-Holstein für die Windenergie leisten. Da nützen auch hohe Reden in Husum nichts. Das ist tote Hose. Das ist Punkt eins.
Zweitens. Wenn Sie sich die Vereinbarungen zu den Sondierungsergebnissen der dann gescheiterten Jamaika-Gespräche in Berlin ansehen, dann umfassen diese weniger als das, auf das wir uns hier auch in Bezug auf die Grundrichtung verständigt haben.
Ja, natürlich hätte SPD pur anders ausgesehen. Wir hätten uns eine höhere Bepreisung von CO2 vorstellen können. Ich will aber auch Äußerungen von denjenigen entgegentreten, denen der Preis von CO2 nicht hoch genug sein kann. Das Ziel darf doch nicht sein, dass denjenigen, die schon jetzt den Euro zweimal umdrehen müssen, am Ende nur noch der totale Verzicht bleibt. Das ist eine Gesellschaft von oben und unten, die wir nicht wollen.
Das ist nicht akzeptabel, jedenfalls für die Sozialdemokratie ist es das nicht. Darum darf man den CO2Preis nicht isoliert betrachten, sondern als Teil eines Pakets. Ich bin sehr verwundert darüber, mit welcher Verächtlichkeit in den letzten Tagen das eine oder andere betrachtet wird. 10 Milliarden € in den kommenden Jahren als zusätzliches Eigenkapital für die Bahn sind kein Klein-Klein, sondern das ist ein großer Schluck aus der Pulle. Nebenbei bemerkt: Das ist auch eine Absage an diejenigen, die die Bahn privatisieren wollen. Auch das ist ein Aspekt, der darin enthalten ist.
Das Gleiche gilt für die Absenkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets, während gleichzeitig Dumpingpreise bei Fluttickets angegangen werden. Wenn Sie mich fragen, dann sollte es auf Dauer überhaupt keine Mehrwertsteuer auf Bahntickets geben.