Protocol of the Session on August 29, 2019

(Beifall Lars Harms [SSW])

Ein weiterer Punkt. Wir alle haben hier im Haus schon häufig über den Fachkräftemangel gesprochen und darüber, dass Lokführerinnen und Lokführer fehlen. Da sitzen sie täglich in einem leeren Zug, fahren die Strecke von A nach B, niemand sitzt drin, und auf anderen Strecken bleiben Hunderte von Menschen an Bahnsteigen stehen, weil wir keine Lokführer haben. Was für ein Anachronismus!

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP - Werner Kalinka [CDU]: Da kenne ich noch eine andere Stre- cke!)

Natürlich fährt die Deutsche Bahn mit einem solchen unsinnigen Modell Verluste ein. Das ist doch klar. Da kann die Bahn keinen Gewinn machen.

Warum macht sie das? Sie macht es, um ihren Profit bei den Autozügen nicht zu verlieren. Gewinnstreben steht über allem, auch über den Daseinsvorsorgeinteressen einer Region, auch über den Interessen von Menschen.

Stellen Sie sich einmal vor, die Skandinavien-Fähren ließen ihre Beiboote zu Wasser, sperrten die Förde und die Fördeschifffahrt, damit niemand mehr durchkommen kann.

Meine Damen und Herren, es wird von Eigenwirtschaftlichkeit gesprochen. Das soll in diesem deutschen Land aber nicht bedeuten, dass sie nachhaltig auf Kosten von anderen Menschen stattfindet, die auch Wertschöpfung betreiben, nämlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zahlreichen Sylter Un

(Präsident Klaus Schlie)

ternehmen. Manche Unternehmen finden auf der Insel kaum noch Fachkräfte, weil sie so einen Hals haben. Immer weniger Menschen sind bereit, die täglichen Belastungen im Alltagsverkehr in Kauf zu nehmen.

Meine Damen und Herren, 1984 änderte der Deutsche Bundestag Artikel 87 e Grundgesetz für mehr Schienenverkehr, für eine bessere Qualität, für diskriminierungsfreien Netzzugang und für die Entlastung öffentlicher Haushalte. Eine EU-Verordnung 1370/2007 sicherte das öffentliche Interesse an öffentlichen Verkehren unter anderem durch die Gewährung ausschließlicher Rechte. Darin steht unter anderem: Niemand darf Nahverkehr fahren, auch wenn er damit Gewinn machen möchte. - Warum hat man das denn gemacht? Weil man genau wusste, dass es schützenswerte Verkehre gibt. Genau die schützen wir auf den 39 km auf Sylt nicht. Deshalb sage ich ganz klar: Wir müssen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, damit wir diesen Unsinn beenden.

Wir alle haben eine Verantwortung auch und gerade für den Bahnverkehr in Schleswig-Holstein. Deshalb sage ich: Der Autozug ist ungeregelt. Er ist das Kind eines Monopolisten. Es passt nicht mehr in die Zeit eines wettbewerblichen Europas. Er widerstrebt jeder marktwirtschaftlichen Orientierung. Er soll die Verkehrsbedürfnisse der Region abdecken das ist der Hauptzweck. Das tut er aber nicht mehr, weil er die Monopolsituation ausnutzt.

Meine Damen und Herren, hier wird nach unserer Auffassung auch Verfassungsbruch ermöglicht. Unser Land Schleswig-Holstein wird durch diese Fernverkehrsnummer der Deutschen Bahn in seinem Recht, Nahverkehr zu betreiben, behindert. Deshalb sage ich an dieser Stelle ganz offen, wobei ich bitte, das nicht persönlich zu nehmen: Lassen Sie uns im Wirtschaftsausschuss - ich plädiere für Ausschussüberweisung - juristisch prüfen, was geht. Wir als Gesetzgeber sind in der Verantwortung. Wir haben das über Bundesratsinitiativen versucht. Wir sind in diesem Verfahren aber auch nicht schutzlos und rechtlos. Deshalb sage ich Ihnen: Wir müssen endlich Konsequenzen ziehen. Der Sylt Shuttle plus muss weg. Er kann nicht fortgesetzt werden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Kai Vogel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Antrag muss man sich fragen, ob Überschrift und Antragsforderung überhaupt zusammenpassen. Eigentlich stellen Sie fast nur bekannte Sachverhalte fest und bewegen nichts. Der Antrag liest sich wie ein Koalitionsantrag zu einem Thema, bei dem man von den Positionen der einzelnen Partner her sehr weit auseinander lag und sich am Ende nur auf diesen Prosatext hat einigen können.

Es ist wirklich nur das Formulieren von bekannten Dingen mit vielen netten Worten. Es wird wiederholt, dass wir wissen, dass die Betriebssituation zwischen Niebüll und Westerland verbessert werden muss. Es wird wiederholt, dass wir wissen, dass Verspätungen auf der Marschbahn auch andere Strecken beeinflussen. Es wird wiederholt, dass wir wissen, dass Sylt mit der Bahn erreicht werden kann. Es wird wiederholt - Andreas Tietze hat es eben noch einmal ganz ausführlich dargestellt -, dass wir wissen, dass der Sylt Shuttle plus wahrlich überflüssig ist.

Seien Sie doch bitte ehrlich: Der erste Teil des Antrags gilt allein dem Schaffen von Quantität. Inhaltlich ist für mich nicht im Ansatz irgendein neuer Erkenntnisgewinn vorhanden. Sie wollen auf das Kernproblem hinweisen: Wir haben auf der Marschbahn ein massives Problem, weil viel zu viele Züge nach Sylt unterwegs sind und die gesetzlich vorgeschriebene Vergabe der Trassen dazu geführt hat, dass der Fahrplan nur theoretisch gefahren werden kann und es praktisch eigentlich an jedem Tag hakt.

Ich kann mich noch genau daran erinnern - Andreas, werter Kollege Dr. Tietze, Du wirst Dich auch noch daran erinnern -, als wir hier im Gebäude mit Vertretern von RDC, der DB und NAH.SH gesessen haben, die uns dargelegt haben, wie das alles funktioniert. Ja, es funktionierte, aber man wusste: In dem Moment, wenn ein einziges Fahrzeug nicht ganz so fix auf den oder von dem Waggon kommt, hakt das ganze System, und alles kommt am Ende ins Rutschen. Genauso, wie wir es damals befürchtet haben, hat es sich realisiert. Alle haben sich das lächelnd angehört, wussten aber ganz genau um das Problem.

Es muss viel zu viel auf den übervollen Gleisen in Westerland rangiert werden. Sie haben das ebenso beschrieben, Herr Kollege, und die Verspätungen schlagen im Extremfall gleich bis nach Hamburg durch - das ist ja das Problem, dass man es nicht

(Dr. Andreas Tietze)

auf Westerland oder bis Niebüll beschränken kann, sondern es sich auf die weiteren Streckenverbindungen durchschlägt.

Zudem hat RDC zu geringe Ladekapazitäten, weil sie nur mit einstöckigen Waggons unterwegs sind. Doppelstockwaggons für Autos sind auf dem Markt nach meiner Kenntnis definitiv nicht einmal im Ansatz irgendwo verfügbar. Teilweise sind auch die jetzigen Waggons so, dass sie nicht benutzt werden können, weil sie noch repariert werden müssen. Beides sind Probleme, bei denen die Politik leider nur zuschauen kann, es sei denn, wir investieren in die Produktion von Eisenbahnwaggons. Ich glaube, dass wir uns dem hier nicht zwingend annehmen sollten.

(Zuruf Lukas Kilian [CDU])

- Ich freue mich schon auf Ihren Beitrag, Herr Kollege Kilian.

(Lukas Kilian [CDU]: Sie haben ja lustige Investitionsgedanken!)

Die Grünen träumen schon seit Jahren davon, diese Strecke in eine Nahverkehrsstrecke umzuwidmen. Auch wir haben in der letzten Legislaturperiode so manche Gespräche geführt. Den Traum finde ich ebenfalls schön. Ich habe aber bis jetzt von niemandem gehört, dass dies ernsthaft juristisch Bestand haben könnte.

(Wortmeldung Dr. Andreas Tietze [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Präsident, ich lasse die Frage gern zu.

Das ist gut, Herr Abgeordneter, dann brauche ich Sie nicht zu fragen, ob Sie sie zulassen wollen.

Vielen Dank, dass Sie darauf hinweisen. Wir haben bereits mehrfach darüber gesprochen. In der Legal-Definition, was Nahverkehr ist, gibt es im Allgemeinen Eisenbahngesetz eine Definition, nämlich: weniger als eine Stunde Fahrzeit, weniger als 100 km Strecke. Würden Sie mir zustimmen, dass all diese Definitionen nur deswegen nicht greifen, weil nicht berücksichtigt wird, dass in diesen Autozügen auch Menschen in ihren Autos sitzen? Die Bahn nutzt eine Definition aus, die wir nicht geregelt haben. Nur so ist dieser Sonderfall überhaupt möglich.

Ja, dem habe ich aber auch gar nicht widersprochen.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber Sie sind doch mit im Gesetzgebungsverfahren drin. Würden Sie mir bitte noch einmal erläutern - -)

Herr Abgeordneter, Sie können hier keinen Dialog führen. Wenn Sie eine weitere Frage stellen wollen, müssen Sie sich melden.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank, Herr Präsident. Ich entschuldige mich. Meine Frage war - -)

Wir haben noch gar nicht geklärt, ob Sie eine Frage stellen dürfen. Sie wollen also eine weitere Frage stellen?

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich würde gern eine weitere Fra- ge stellen!)

Immer schön der Reihe nach. Herr Vogel?

Ich lasse die Frage zu.

Wären Sie noch einmal so freundlich, mir zu erläutern, an welche gesetzlichen Änderungen Sie denken, um den Autozug zum Nahverkehr zu erklären? Wir haben da ja schon gesetzliche Initiativen auf den Weg gebracht.

- Mein Petitum geht im Augenblick gar nicht dahin zu gucken, welche gesetzlichen Möglichkeiten bestehen, sondern zu schauen, ob der Antrag, den Sie formuliert haben, Sinn macht. Da bin ich mir im Augenblick nicht so richtig sicher, ob er in dieser Form Sinn ergibt. Wenn Sie im Weiteren meinem Text folgen, werden Sie feststellen, dass das, was wir 2012 bis 2014 miteinander ausgetauscht haben, nach meinem Verständnis weiterhin Bestand hat.

Insofern ist mein Streben im Moment gar nicht, zu gucken, welche juristischen Möglichkeiten ich da auf den Weg bringen muss. Am Ende geht es natürlich um die Trassenvergabe. Wenn wir die Möglichkeit haben, dass alle gleichrangig betrachtet werden, ist die Trassenvergabe wahrscheinlich für Schleswig-Holstein stimmiger. Da gebe ich Ihnen

(Kai Vogel)

recht. So unsinnige Züge wie der Sylt Shuttle plus würden in dem Moment nicht mehr bestehen.

Ich gehe durchaus konform mit Ihnen. Ich verstehe im Moment gar nicht, wo Sie einen Konflikt sehen, den ich noch nicht einmal in meiner Rede aufgemacht habe.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nach Ihrer Lösung ge- sucht!)

Sie haben nicht das Wort, Herr Abgeordneter Dr. Tietze. Versuchen Sie bitte einfach, sich an die Ordnung zu halten. Das kriegen wir hin!

Herr Abgeordneter Vogel, Sie haben jetzt die Möglichkeit, weiter Ihren Text vorzutragen.

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. - Alle Experten, die ich auf diese Frage angesprochen habe, ob es juristisch überhaupt möglich wäre, antworten mir nur, dass es in hohem Maße eine Entscheidung des DB-Konzerns sei. Dieser Konzern habe kein großes Interesse daran, aus dieser Strecke eine Nahverkehrsstrecke zu machen, weil er augenblicklich richtig viel Geld an dieser Strecke verdient. Das Interesse der DB, diese Strecke an das Land abzugeben, ist daher überschaubar.

Des Weiteren wurde mir immer ein Worst-CaseSzenario beschrieben: Was passiert eigentlich in dem Moment, wenn es so sein sollte und man eine Nahverkehrsstrecke daraus macht? Wir unterhalten uns dann nicht mehr nur über den Sylt Shuttle plus, sondern am Ende auch über die Autozüge. Was passiert, wenn der DB-Konzern nicht in ein weiteres Ausschreibungsverfahren geht? - Dann haben wir auf einmal die Situation, dass wir gegebenenfalls nicht die Verladestationen nutzen können. Andreas, Du weißt auch, dass wir das schon einmal besprochen haben. Diese Verladestationen sind Eigentum der Deutschen Bahn. Des Weiteren besteht auch die Möglichkeit, dass die DB sagt: Die Waggons, die ich nicht mehr brauche, stelle ich dem nachfolgenden Unternehmen auch nicht zur Verfügung. Auch dann haben wir ein riesengroßes Problem.

Dafür gibt es im Moment noch keinen Lösungsansatz. Ich gebe zu, es ist etwas hingesponnen: wenn, wenn, wenn, wenn, wenn! Aber wenn ich das alles betrachte, muss ich zugeben: Eine Lösung habe ich dafür nicht im Ansatz gehört. Ich muss aber auch überlegen: Schiebe ich etwas an, was löse ich damit

gegebenenfalls aus? - Da bin ich mir nicht sicher, ob das so richtig klug ist.