Wenn das zutrifft, fallen also Zehntausende von Flüchtlingen für den Arbeitsmarkt glatt aus. Da nützt auch ein neues Gesetz nichts; denn Traditionen erweisen sich in den meisten Kulturen als sehr beständig.
§§ 11 und 12 vorgesehen ist, hilft nicht; denn Teilhabe muss nicht gesetzlich geregelt werden. Nach diesem Entwurf steht ja selbst solchen Zugewanderten eine Teilhabe zu, die sich nicht integriert haben. Hier wird der zweite Schritt vor dem ersten getan, und dieser Schritt bereitet aus meiner Sicht in der Konsequenz eine Quote für Migranten vor, egal, ob diese integriert sind oder nicht. Das klang ja eben auch schon an.
Zuwanderer haben sehr viele Möglichkeiten zur Teilhabe; diese gibt es schon. Ich habe gestern bei der Ostsee-Parlamentarierkonferenz mit einer jungen Frau aus Syrien gesprochen. Sie ist seit drei Jahren hier, spricht hervorragend Deutsch - und sie praktiziert Teilhabe, denn sie gibt ehrenamtlich Sprachunterricht, spielt Theater und engagiert sich im Landesjugendparlament. Was diese Frau braucht - nach ihren Worten, nicht nach meinen; ich bitte, das zu unterscheiden -, sind nicht mehr Gesetze und Vorschriften, sondern Mitbürger - ich nenne sie einmal Lotsen -, die den Flüchtlingen die Vielzahl der Vorschriften, die sich teilweise überschneiden, erklären.
Der vorliegende Gesetzentwurf ändert nichts an der Situation. Er sollte in den Ausschussberatungen sehr, sehr gründlich überarbeitet und stark abgeändert werden - sofern dies überhaupt möglich ist. Geschieht das nicht, ist er ein komplett falsches Signal sowohl an die Mehrheitsgesellschaft als auch an die integrationswilligen Zuwanderer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja jetzt eine ganze Menge zur Gesetzestechnik hier in diesem Haus gehört, und wir haben uns anhören dürfen, warum dieser Gesetzentwurf der Jamaika-Koalition viele Voraussetzungen, die an ein Gesetz gestellt werden, angeblich nicht erfüllt.
Den größten Unsinn allerdings habe ich gehört, als hier ausgeführt wurde, dass es sich um Staatszielbestimmungen handele, die in die Verfassung gehören.
Herr Schaffer, ganz im Ernst: Fragen Sie Ihre juristischen Fachberater, was Staatszielbestimmungen sind. Sie finden in diesem Gesetz solche nicht.
Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass der Gesetzgeber einen Rahmen aufstellt, wie bestimmte Maßnahmen am Ende durchzuführen sind. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: § 112 SGB III, Teilhabe am Arbeitsleben. Dort heißt es:
„Für behinderte Menschen können Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art und Schwere der Behinderung dies erfordern.“
Das sind Rahmenbedingungen, die dort gesetzt werden, die zu beachten sind, wenn es um die Integration von Behinderten ins Arbeitsleben geht. Genau das tun wir hier. Sie müssen einfach aufmerksam lesen: Da stehen Verpflichtungen an die zuständigen Behörden gerichtet, wie Integrationsarbeit in diesem Land auf der Grundlage des Bundesrechts zu einem überwiegenden Teil zu gestalten sein wird. Insofern schafft dieses Gesetz etwas Neues. Das mögen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, aber mir ist die Art und Weise der Kritik, die Sie hier vielfach vorgebracht haben, wirklich zu platt, als dass man sich mit Ihnen wirklich intensiv dazu auseinandersetzen kann.
Frau Midyatli oder Herr Stegner, wir haben auch in andere Bundesländer geschaut, und wir kennen die dortigen Regelungen. Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, ob wir ein sogenanntes Artikelgesetz schaffen,
indem wir nämlich bestimmte landesgesetzliche Vorschriften mit Blick auf Integrationsbezug anpassen und ergänzen. Wir haben uns am Ende nach langen Diskussionen dagegen entschieden. Das mag richtig oder falsch sein, aber es gab durchaus vernünftige Gründe, sich gegen ein Artikelgesetz zu entscheiden und zunächst einmal mit allgemeinen Pflichten für die Beteiligten zu starten, die sich an Integration zu beteiligen haben. Das ist hier geschehen. Ich finde den Lösungsansatz rechtlich richtig, zulässig und in der Sache förderlich.
Ich will noch einen Punkt zur Frage der Bringschuld nennen: Sie verkennen völlig, dass wir als deutsche Gesellschaft ein überragendes Interesse daran haben, dass die Menschen, die in diesem Land leben, in die Gesellschaft integriert sind.
Deswegen ist es eine Aufgabe des Staates, die wir mit diesem Gesetz erfüllen wollen. Wir können uns nicht darauf zurückziehen, dass das lediglich eine Bringschuld sei. Dass der Migrant, der zu uns kommt, mitwirken muss, ist eine Selbstverständlichkeit.
- Das haben wir hineingeschrieben, Herr Nobis, das können Sie lesen. Aber der entscheidende Punkt ist: Wir gestalten unsere Gesellschaft, und das regeln wir hier. - Vielen Dank.
Unsere Kritikpunkte zu diesem Integrationsgesetz hat mein Fraktionsvorsitzender Lars Harms gerade genannt. Ich habe mich extra noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich glaube, die AfD macht sich manchmal oder eigentlich meistens die Welt so, wie sie sie eigentlich sehen möchte
und verkennt total die Realität. Es ist - da muss ich dem Kollegen Rossa einfach recht geben - so, dass wir alle ein großes Interesse daran haben müssen, dass die Menschen, die zu uns kommen, die Möglichkeit zur Integration bekommen, weil wir als Gesellschaft es uns gar nicht leisten können, die Menschen zu verlieren, die zu uns kommen.
Wir haben heute über Stärkung des Unterrichts von Herkunftssprachen gesprochen. Wir haben über Teilhabe von Menschen mit psychischen Krankheiten gesprochen. Wir haben in der Tat über so viel Teilhabe gesprochen, dass ich es beschämend finde, dass die AfD hier wieder so eine Plattform bekommt.
Sie fängt mit Frauenpolitik und Quote an: Deshalb dürfen die Geflüchteten auch nicht zur Arbeit gehen und Ausbildungen machen, denn sie müssen zu Hause bleiben.
Genau deshalb ist es wichtig, dass wir Gleichstellungsbeauftragte haben, dass wir Beratungsstellen haben.
(Zuruf Jörg Nobis [AfD] - Volker Schnurr- busch [AfD]: Das habe ich nicht gesagt! Mal zuhören, bevor Sie kritisieren!)
Die junge Frau, von der Sie gesprochen haben, Herr Schnurrbusch, die vor drei Jahren zusammen mit ihrem Bruder geflüchtet ist und jetzt in Mecklenburg-Vorpommern lebt und dort auch an unserem BSPC-Jugendforum teilgenommen hat, beklagt, dass sie keinen Ausbildungsplatz bekommt, dass sie nicht weiterstudieren kann, weil sie ein Kopftuch trägt. Ich glaube, wir müssen miteinander auch diese Dinge diskutieren: Wann geben wir diesen Frauen, die ein Kopftuch tragen, die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen und sich damit ein eigenständiges Leben aufzubauen?
Lassen Sie mich noch einen Satz sagen: Integration kostet Geld. - Deshalb hoffe ich, dass Ralf Stegner die Möglichkeit bekommt, sich zusammen mit der CDU und dem Ministerpräsidenten dafür einzusetzen, dass dieses Integrationsgeld weiter fließen kann. Wir haben gesehen: 2015, als diese ganzen geflüchteten Menschen zu uns gekommen sind, hatten wir noch gar nicht so vielfältige Hilfsangebote und Kurse, die wir anbieten konnten. Es wäre schade, wenn sich diese Strukturen zerschlagen würden. Ich muss Aminata und Serpil recht geben: Es müsste ein Teilhabegesetz sein, das eine Querschnittsaufgabe für alle Ministerien oder Verwaltungen ist, denn Teilhabe passiert nicht nur auf einem Gebiet, Teilhabe ist das ganze Leben.
(Beifall SSW und vereinzelt SPD - Volker Schnurrbusch [AfD]: Teilhabe ist vor allen Dingen freiwillig!)
Für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion hat, so glaube ich, eines deutlich gezeigt: Die Gestaltung und Sicherstellung von Integration und Teilhabe sind die zentralen Herausforderungen - jetzt und auch in der Zukunft. Ich begrüße daher außerordentlich, dass aus dem Landtag heraus das Integrations- und Teilhabegesetz auf den Weg gebracht wird. Es zeigt auch, welchen Stellenwert dieses Gesetz haben kann und haben wird und welchen gesellschaftlichen Konsens dieses Gesetz braucht. Ich würde mich freuen, wenn auch diese Diskussion, die durchaus strittige Diskussion - ich sehe sie als befruchtend an -, dazu dient, Anregungen aufzunehmen. Wir sind in einem Prozess. Alle, die sich bis jetzt damit beschäftigt haben, werden diesen Prozess offen fortsetzen.
Liebe Frau Midyatli, die Fragestellung zu thematisieren, ob das Gesetz durch die Regierung oder die regierungstragenden Fraktionen eingebracht wird, ist ein völlig berechtigtes Ansinnen der Opposition. Mich hätte gewundert, wenn Sie dies nicht angesprochen hätten. Ob das allerdings für die betroffenen Menschen von so existenzieller Bedeutung ist, muss ich einfach hinterfragen, und ob es für sie den gleichen Stellenwert hat wie im Rahmen einer parlamentarischen Diskussion. Eines müssen wir allerdings immer festhalten: Die abschließende Entscheidung - egal ob es ein Regierungsantrag oder ein Antrag der regierungstragenden Fraktionen ist trifft immer dieses Parlament
mit Opposition und Regierung. Lassen Sie mich doch bitte wirklich auch mit Ihnen um eine gute Lösung ringen. Die Frage der Beauftragung sollten wir, so glaube ich, nicht in den Vordergrund stellen, sondern wirklich die Inhalte diskutieren.
Integration und Teilhabe - ich habe es vorhin schon einmal gesagt - prägen jeden Bereich der Landesverwaltung, auch in den unterschiedlichsten Herausforderungen. Die Kunst eines Gesetzes, das letztendlich gesellschaftliches Zusammenleben gestalten will, besteht darin, einerseits nicht bloß zur Symbolik zu bilden, sondern auch Veränderungen und neuen politischen Anforderungen Raum zu geben.