Protocol of the Session on June 19, 2019

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Wir werden dem Klimawandel tatsächlich nur dann ansatzweise begegnen können, wenn wir in der Welt und auch in Europa Nachahmer finden. Deutschland sorgt zurzeit für rund 2 % des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen. Wir müssen natürlich zur Kenntnis nehmen, dass die Weltbevölkerung weiterhin rasant wächst, gerade in den Schwellenländern, aber beispielsweise auch auf dem afrikanischen Kontinent. Das weckt mit dem zunehmenden Wohlstand - der Gott sei Dank in vielen Ländern steigt - entsprechende Begehrlichkeiten. Auch die Menschen in China, in Indien, aber auch zunehmend in afrikanischen Staaten wollen gern Auto fahren, wollen ein Smartphone haben und so weiter. Das ist natürlich im Zweifel mit höherem CO2-Ausstoß verbunden.

Unsere Anstrengungen machen deshalb nur dann wirklich Sinn, wenn uns am Ende auch andere folgen. Das wird aus unserer Sicht nur der Fall sein, wenn wir richtig handeln. Der produktive Streit unter Demokraten über den besten Weg beim Klimaschutz ist aus meiner Sicht deshalb dringend erforderlich, damit man auch mit Taten vorankommt. Umwelt- und Klimaschutz sind eine Frage der Generationengerechtigkeit und aus meiner Sicht auch ein großes Freiheitsthema, denn in der Tat hat jede Generation das Recht, eine lebenswerte Umwelt vorzufinden.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Ich werde jetzt gelegentlich gefragt, ob die FDP nun nach der Europawahl grüner werden muss.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber hallo!)

- Ja, Herr Dr. Tietze, wir sind ohnehin manchmal erschreckend nah beieinander, was uns beiden in den eigenen Fraktionen nicht hilft. Ich sage aber trotzdem: Ich bin ein Freund davon, dass die Grünen die Grünen bleiben und die Liberalen die Liberalen.

(Lebhafter Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Eka von Kalben)

Um einen der größten Philosophen der Gegenwart zu zitieren: „Umwelt- und Klimaschutz sind viel zu wichtig, um das Thema nur einer Partei zu sein“, sagte Dr. Robert Habeck kürzlich, und da hat er, glaube ich, recht.

(Vereinzelter Beifall und Heiterkeit BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen aber alle an unseren Konzepten zum Klimaschutz arbeiten, damit unser Land hier erfolgreich sein kann. Den Königsweg hat noch niemand von uns gefunden, wenn wir ehrlich miteinander sind. Ich bin der Überzeugung, dass wir mit dem Jamaika-Koalitionsvertrag zumindest auf dem richtigen Weg sind. Es muss um die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie gehen, oder besser gesagt: Das dürfen in der Zukunft keine Gegenpole mehr sein, das muss miteinander verbunden werden.

Es muss um neue Speicher gehen, um moderne Mobilität, um Sektorenkopplung, Wasserstoff, natürlich vor allem um den Netzausbau, damit auch tatsächlich der Windstrom transportiert werden kann, aber auch - da bitte ich die Grünen um Aufmerksamkeit - um Brückentechnologien wie LNG, deren Nutzung wir gemeinsam vereinbart haben und offensiv vorantreiben.

(Beifall FDP - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die A 20!)

Das ist natürlich gerade in der Schifffahrt wichtig, wie wir schon gehört haben.

Bei all diesen Themen, Herr Dr. Stegner, wünsche ich mir deutlich mehr Engagement der Bundesregierung, denn ohne die geht es nun einmal nicht. Wir können landespolitisch diese Themen leider nur in begrenztem Umfang vorantreiben, und ich sage einmal: Herr Altmaier und Frau Schulze sind wirklich das Duo infernale beim Klimaschutz und bei der Energiewende. Das muss man wirklich sagen. Frau Schulze wusste monatelang nicht, wie sie als Umweltministerin zum Tempolimit steht. Es ist schon sehr konfus, was da aus Berlin kommt. Miteinander funktioniert da gar nichts.

Meine Damen und Herren, ich meine, Klimaschutzpolitik kann nur erfolgreich sein, wenn wir mit Taten Zuversicht und Aufbruchstimmung in unserer Gesellschaft verbreiten, wenn das also insgesamt positiv besetzt ist. Mit Angst und Panikmache wird man meines Erachtens nicht erfolgreich sein. Anstatt auf Verbote, Zwang und neue Steuern sollte man vielmehr auf Anreize, Innovation und Aufklärung setzen.

(Beifall FDP und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Dr. Tietze klatscht schon wieder. Ich weiß nicht, wie das am nächsten Dienstag in der grünen Fraktion bewertet wird. Aber ich sage deshalb auch - Herr Dr. Tietze, wir sind uns da einig -: Ich halte das symbolische Ausrufen eines Klimanotstandes für den völlig falschen Weg. Ich sehe das sehr kritisch, weil der Notstandsbegriff und im Zweifel das, was damit einhergeht, nämlich dass bestimmte Regeln außer Kraft gesetzt werden und Diskussionen nicht mehr stattfinden, sehr problematisch sind.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Gewollt!)

Stattdessen muss es um sinnvolle Maßnahmen auch vor Ort gehen, bei Gebäuden, in den Kommunen, bei der Mobilität oder auch bei der Müllvermeidung. Wir haben in Deutschland bisher sehr hohe CO2-Vermeidungskosten, aber trotzdem nur einen geringen positiven Effekt. Diese Tatsache muss uns zu denken geben. Ich halte deshalb eine CO2-Bepreisung, wie Schleswig-Holstein sie im Bundesrat vorgeschlagen hat, für sehr sinnvoll. Aber es kommt aus meiner Sicht vor allem auf das richtige Modell an. Da gibt es eine Menge Modelle, die in der Diskussion sind. Deshalb hat die Landesregierung ja auch erst einmal Eckpunkte zur Diskussion gestellt. Ich glaube, es spricht Bände, dass diese JamaikaLandesregierung die erste Landesregierung war, die das auf Bundesebene angestoßen hat. Ich hoffe, dass jetzt die Diskussion wirklich in Gange kommt.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

In der Bundesratsinitiative wurde sehr deutlich: Was nicht eintreten darf, ist ein wirtschaftlicher Abstieg unserer Gesellschaft oder soziale Verwerfungen. Es muss also darauf geachtet werden, dass wir die Gegensätze in unserer Gesellschaft - also StadtLand, West-Ost oder auch der wohlhabende Teil der Bevölkerung und der weniger wohlhabende Teil der Bevölkerung - nicht weiter ausbauen, die Gruppen nicht weiter gegeneinander aufbringen, sondern dass wir sie zusammenführen, dass wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken und dafür sorgen, dass umweltfreundliches Handeln belohnt und nicht mehr weiter bestraft wird. Das ist an vielen Stellen tatsächlich der Fall. Wir dürfen Bezahlbarkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit nicht aus den Augen verlieren. Auch Herr Felbermayr vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hat kürzlich erklärt, eine Verlagerung des Problems ins Ausland mache keinen Sinn und sei beim Klimaschutz im Zweifel kontraproduktiv.

(Christopher Vogt)

Es mag an mir liegen - ich bin ja nur ein kleiner Wirtschaftsingenieur -, aber ich habe noch nicht abschließend verstanden, wie der Kohleausstieg im Jahr 2038 funktionieren soll, ohne dass wir bei der Energieversorgung auf Kapazitäten von außen, beispielsweise Atomstrom aus Frankreich oder auch Braunkohle aus Polen, noch mehr als jetzt schon angewiesen sein werden. Das muss man auch der Bevölkerung erklären, wenn man es im Bundestag beschließt, oder man baut massenweise Gaskraftwerke. Aber ich glaube, man muss mehr darüber reden, als nur zu sagen, das sei zu spät, und das werde schon irgendwie werden. Wenn wir die Bevölkerung mitnehmen wollen, müssen wir im Zweifel besser erklären, wie es tatsächlich funktionieren soll.

(Beifall FDP und Lars Harms [SSW])

Herr Dr. Tietze, ich schaue auch auf die Elektromobilität: Der Stromverbrauch wird in Deutschland weiter steigen. Wenn wir den Verkehrssektor massenhaft auf Elektromobilität umstellen, werden wir dafür massiv mehr Strom benötigen.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Wir werden aber trotzdem auch noch auf Individualverkehr angewiesen sein. Auch die zunehmende Digitalisierung wird den Stromverbrauch in Deutschland erheblich steigen lassen. Das müssen wir im Auge behalten.

Deswegen muss es um die richtigen Anreize gehen. Als sinnvoller Weg erscheint mir die Ausweitung und die Schärfung des Emissionshandels über Zertifikate. Das würde den Innovationsdruck in allen Bereichen massiv erhöhen, und man würde sich die Mechanismen des Marktes zunutze machen. Als Liberaler sage ich: Leistung würde sich auch beim Klimaschutz endlich lohnen. Das ist der Punkt, um den es gehen muss.

(Beifall FDP)

Sektorenspezifische Klimaziele, wie sie auch die Bundesregierung noch immer vorsieht, sind meines Erachtens ein Irrweg. Das sagt auch die große Mehrzahl der Experten: Wir sollten CO2 da einsparen, wo es günstig ist. Das muss doch das Ziel sein, man kann nicht einfach Sektorenziele definieren, und dann schaut man, wie man das irgendwie erreicht. Das wäre aus meiner Sicht der Fall, wenn man das über den Emissionshandel entsprechend organisiert.

Wir müssen uns auch die Wirkung der vielen Subventionen anschauen, die es in Deutschland gibt,

und ob die wirklich klima- und umweltfreundlich sind.

(Beifall FDP und Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Beim Steuersystem sollten wir statt über die Einführung einer weiteren Ökosteuer - das droht die CO2-Steuer zu werden - auch über Erleichterungen sprechen, zum Beispiel bei der Nutzung von Bus und Bahn und umweltfreundlichen Verkehrsträgern.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich habe dazu kürzlich einen Vorschlag gemacht, nämlich auf die Mehrwertsteuer bei Bus und Bahn gänzlich zu verzichten. Das würde bundesweit einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag kosten, aber wir haben schon gehört: Klimaschutz wird nicht zum Nulltarif zu haben sein. Insofern halte ich das für eine sinnvolle Diskussion, die man dort führen sollte.

Ich habe festgestellt, dass es mit Blick auf den Klimaschutz auch Zweifel an der Schuldenbremse gibt. Ich möchte ganz deutlich sagen: Ich halte die Schuldenbremse für absolut notwendig.

(Beifall FDP, CDU und Lars Harms [SSW])

Wir müssen aufpassen, dass wir finanzpolitische und umweltpolitische Generationengerechtigkeit nicht gegeneinanderstellen. Aber wir sollten uns auch genau anschauen, welche Mittel wir jetzt schon für den Klimaschutz bereitstellen und wie die verwendet beziehungsweise abgerufen werden. Auch das sollten wir uns zunächst einmal anschauen, da gibt es noch viel zu tun.

(Beifall FDP)

Ich will noch sagen: Wir sollten uns Förderprogramme anschauen, deshalb haben wir den entsprechenden Koalitionsantrag zum ErneuerbareEnergien-Gesetz eingereicht. Auch wir sehen das kritisch, Herr Nobis, aber einfach nur zu sagen, „Wir streichen das Ding - ohne Alternative“, ist dann doch einfach nur destruktive Problembeschreibung. Das können Sie sich vielleicht erlauben, als seriöse Partei machen wir uns das an der Stelle nicht so einfach, sondern sprechen lieber über Alternativen.

Abschließend möchte ich mit Blick auf die SPD noch etwas sagen. Ich habe heute den Öko-Engel Dr. Ralf Stegner kennengelernt. Herr Stegner, zwei Anmerkungen: Erstens müssen Sie wirklich einmal zur Kenntnis nehmen, was Sie beim EEG in der Bundesregierung gemacht haben und welche Aus

(Christopher Vogt)

wirkungen das auf den Windenergieausbau in Schleswig-Holstein hat, wo vieles vorgezogen wurde und Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Sie sollten vielleicht mit Ihren Behauptungen etwas vorsichtiger sein, wenn man Sie beim Thema Windenergiepolitik ernst nehmen soll.

Zweitens. Sie haben Schleswig-Holstein mit dem Bund seit 1990 verglichen; der Bund sei besser bei der Verringerung der Treibhauseffekte. Könnte das damit zu tun haben, dass in den neuen Bundesländern die marode DDR-Wirtschaft zusammengebrochen ist und die Verringerung nach 1990 deshalb auf Bundesebene einen Tick höher ist als im Energiewendeland Schleswig-Holstein?

Ein letzter Punkt: Sie haben die Zahlen von 2017 kritisiert: Die seien skandalös. - Die sind von 2017, Herr Dr. Stegner. Die fallen nicht in die Zeit nach der Landtagswahl, sondern vor allem in Ihren Verantwortungsbereich. Wenn Sie das skandalös finden, sollten Sie bei dem Thema selbstkritischer sein.

(Beifall FDP und CDU)

Abschließend sage ich: Wir sind auf einem guten Weg. Gehen wir weiter vernünftig voran! Es werden viele folgen, wenn wir erfolgreich sind. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)