Protocol of the Session on May 17, 2019

Noch wichtiger ist aber in dieser Situation, einmal eine Metaebene einzunehmen und mit den Schülern darüber zu sprechen, was hier eigentlich passiert. Wozu führt es, wenn sich die Initiatoren der Demo

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

bewusst über Recht und Gesetz hinwegsetzen? Was sind die Folgen davon, wenn der Staat Verstöße gegen das Gesetz mit zweierlei Maß bemisst? Dann bricht nämlich Gesinnung das Recht, und reine Willkür wäre die Folge.

Meine Damen und Herren, viele Schüler nehmen seit nunmehr fast einem halben Jahr freitags nicht mehr am Unterricht teil. Das ist ein chaotischer Zustand,

(Zurufe CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

den ich mir gelinde gesagt vor wenigen Jahren nicht hätte vorstellen können. Der war faktisch auch heute Morgen wieder draußen, und nächste Woche wird es auch wieder so sein.

(Anhaltende Unruhe - Glocke Präsidentin)

Diese Situation wurde durch vollkommen zweideutige Signale auch aus diesem Landtag heraufbeschworen. Heute hoffen die einen darauf, die jetzt stiller sind, Sie nicht, dass sich das hoffentlich still und heimlich ausläuft, und die anderen arbeiten aktiv daran, dass das alles noch viel mehr wird. Beides ist unverantwortlich und respektlos den Schülern gegenüber, und zwar denen gegenüber, die die Schule besuchen, und auch denen gegenüber, die schwänzen.

(Beifall AfD)

Was diese jungen Menschen für Schlüsse daraus ziehen müssen, wenn Verstöße gegen die Schulpflicht wahlweise konsequent, halbherzig oder gar nicht geahndet werden, ist die eigentliche Herausforderung in diesem Augenblick. Wir sollten das als Erwachsene, als Politiker alles gut überblicken können und unserer Verantwortung gerecht werden, Klartext zu sprechen. Unser Antrag hierzu ist ein Schritt in genau diese Richtung, und deshalb appelliere ich: Stimmen Sie unserem Antrag zu. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die CDU hat der Abgeordnete Tobias Loose das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brodehl, wir haben bereits im Februar intensiv über das Thema Schulpflicht und die Klimademonstrationen diskutiert und eindeutige

Standpunkte vertreten. Ich werde es wiederholen, damit Sie noch einmal mitbekommen, wie das gewesen ist. Ich kann Ihnen nämlich versichern, dass die Schulpflicht für uns von allerhöchster Bedeutung ist. Für die CDU-Landtagsfraktion ist klar, dass eine Demonstration zur Schulzeit nicht wünschenswert ist. In meiner letzten Rede habe ich das noch einmal deutlich gemacht. Schulpflicht bleibt Schulpflicht.

(Beifall CDU - Zurufe SPD)

Ich glaube, das teilen alle hier, dass Schulpflicht Schulpflicht bleibt. Es steht auch nicht zur Debatte, dass eine Beurlaubung vom Unterricht für eine Teilnahme an einer Demonstration genutzt werden kann. Wenn sich Schulen oder Schulklassen - darüber haben wir auch diskutiert - einmalig dafür entscheiden, an einer Demonstration teilzunehmen, dann bedarf es auch einer kritischen Auseinandersetzung im Unterricht - Stichwort: Beutelsbacher Konsens. Der wurde mittlerweile hier häufiger diskutiert. Das findet nach unserer Einschätzung und nach dem, was ich von Schulleitungen erfahren habe, auch statt.

Sollten sich Schülerinnen und Schüler dafür entscheiden, dem Unterricht mehrfach für eine Demonstration fernzubleiben, so muss das zu verhältnismäßigen zu Konsequenzen führen. Auch das haben wir hier diskutiert. Jemand, der von der Schule fernbleibt, sollte das auch spüren. Nach vielen Gesprächen mit Schülern, Lehrern und Schulleitungen haben nach unserer Einschätzung Schulen dazu sinnvolle Lösungen gefunden. Ich habe zum Beispiel alle Schulen in Kiel zu diesem Thema angeschrieben und die Schulleitungen befragt. Ich habe nicht wahrgenommen, dass das ein Problem ist, dass die Klassen tatsächlich an jedem Freitag leer sind. Ich glaube, wenn wir uns überlegen, wie viele Schüler wir vor diesem Landtag haben -

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Es fehlen ein paar!)

- Es fehlen ein paar. - Aber ich finde schon, dass Unterricht insgesamt stattfindet. Also noch einmal: Schülerinnen und Schüler haben am Unterricht teilzunehmen. Punkt. Das möchte ich mir von Ihnen auch nicht unterstellen lassen. Sie haben diese Debatte so angefangen. Wir haben uns in dieser Frage immer klar positioniert. Ich möchte auch sagen, dass die Bildungsministerin - Sie dichten ja geradezu an, dass die Landesregierung dazu eine andere Position hat - eine klare Position hat. Das hat sie hier in einer Rede deutlich gemacht.

Wir werden Ihren Antrag ablehnen, weil er etwas regeln will, was nicht geregelt werden muss. Im

(Dr. Frank Brodehl)

Übrigen sei angemerkt, dass es sich gerade für Sie lohnen würde, sich weniger mit Schulpflicht und Bestrafung auseinanderzusetzen, sondern ich glaube, für Sie wäre es besser - wenn ich bestimmte Plakate hier im Umfeld des Landtags bedenke -, sich eher mit Klimaschutz und Erderwärmung auseinanderzusetzen.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dabei könnten Sie wahrscheinlich sehr viel lernen, und so viel soll es auch zu diesem Thema von mir gewesen sein. - Danke.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Sandra Redmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da reden wir in vielen Debatten, wie man Jugendliche beteiligt, mit dem § 47 f Gemeindeordnung haben wir dies auf kommunaler Ebene angeschoben. Wir führen seit Jahren die Veranstaltung „Jugend im Landtag“ durch, um für Politik zu begeistern.

Wir gehen in Schulen und diskutieren, Klassen kommen in die Landtagssitzungen. Wir wünschen uns interessierte junge Menschen, die sich einbringen, engagieren und selbstbewusst ihre Meinung vertreten. Und tun sie das, dann bricht in der AfD Panik aus.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie ärgern sich offenbar über die wöchentlichen Aktionen von Fridays for Future, da die Demonstrationen dem gesellschaftlichen Ziel Klimaschutz zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, denn dies ist ja nicht in Ihrem Sinne. Die geistreichen Beiträge von AfD-Politikern zum Thema Klimaschutz stehen in einer Reihe mit den Vorstellungen derer, die völlig losgelöst von den Realitäten die Welt wahlweise als Scheibe, als Hohlkugel oder als Eiskugel sehen wollen.

Nach den Vorstellungen der AfD ist die Schule ein politischer Reinraum, in dem jede und jeder sofort gemaßregelt wird, der zu jeder These nicht sofort die dazugehörige Antithese liefert. In einer ganzen Reihe anderer Bundesländer ist die AfD mit ihrem Versuch bereits gewaltig gegen die Wand gelaufen,

Denunziationsportale gegen Lehrkräfte einzurichten, die es gewagt haben, eine Meinung zu haben und diese auch noch zu äußern. Jetzt wird das also auch auf die Schülerinnen und Schüler ausgedehnt, die ihre Meinung zum Klimaschutz entweder für sich behalten oder am Sonntagnachmittag bei Kaffee und Kuchen im Familienkreis von sich geben sollen.

Fridays for Future ist eine Aktionsform, die bewusst Regeln verletzt, weil die Schülerinnen und Schüler, die sich daran beteiligen, geltend machen, dass die Störung des Weltklimas eine sehr viel einschneidendere Regelverletzung ist, die denjenigen, die noch 60 oder 70 Jahre auf diesem Planeten zubringen wollen, eines Tages die Lebensgrundlage entziehen könnte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen vor einer der größten Herausforderungen unserer Zeit. Städte rufen den Klimanotstand aus, Forscher warnen seit Jahren vor der Entwicklung, und trotzdem war das in der gesellschaftlichen und auch politischen Diskussion eher ein Randthema. Den jungen Menschen ist mit Fridays for Future etwas gelungen, das Umweltschützer und Umweltschützerinnen, Klimaforscher und Klimaforscherinnen, Journalisten und Journalistinnen sowie Politiker und Politikerinnen jahrzehntelang nicht geschafft haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Klimaschutz ist endlich bei den Menschen - zumindest bei vielen Menschen - angekommen. Das ist ein Verdienst der Schülerinnen und Schüler, und ich sage: Das ist großartig. Sie wissen noch gar nicht, wie großartig das ist, aber in vielleicht 10 oder 20 Jahren werden auch Sie das begriffen haben.

Wir haben noch nicht ein einziges Mal das Gefühl gehabt, dass die Schülerinnen und Schüler nur deshalb an den Freitagsdemonstrationen teilnehmen, weil sie gerade einmal keine Lust auf Mathematik haben. Dass die Teilnahme an einer Demonstration niemanden vom Erreichen des Klassenziels freistellt, ist klar und wurde hier auch von niemandem bestritten. Das ist eben ausgeführt worden. Dass die Schulen das Fehlen von Schülerinnen und Schülern vermerken, ist eine Selbstverständlichkeit und hat etwas mit ihrer Aufsichtspflicht zu tun. Aber will jetzt wirklich jemand die große Keule herausholen und mit Schulverweisen drohen, weil Schülerinnen und Schüler mehrmals hintereinander am Freitag nicht im Klassenraum Platz genommen haben?

(Tobias Loose)

Der Antrag der AfD geht völlig ins Leere. Er leistet nicht den geringsten Beitrag dazu, die Erziehung junger Menschen zu mündigen Staatsbürgern zu fördern. Aus ihm spricht der Geist des obrigkeitshörigen Denkens.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich habe Vertrauen in unsere Schulen, mit dem Konflikt zwischen Schulpflicht und gesellschaftlichem Engagement konstruktiv und pädagogisch reflektiert umzugehen. Kein Vertrauen habe ich in die Fähigkeit der AfD, Anträge zu stellen, die uns in irgendeiner Weise auch nur im Ansatz weiterhelfen. Auch diesen Antrag werden wir ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Die Zeit läuft uns davon. Wir rennen sehenden Auges ins Verderben. Es wurde viel zu lange viel zu langsam agiert, wenn überhaupt.“

So wird heute der Klimaforscher Mojib Latif, der auch ein Mitglied von Scientists for Future ist, in den „Kieler Nachrichten“ zitiert.

Die Hütte brennt, Politik muss handeln, und was macht die AfD? - Sie stellt den Antrag, unbedingt, auf jeden Fall, die Schülerinnen und Schüler in die Schulen zu zitieren, zur Not mit Druck eines Ordnungsgeldes für die Eltern. Sie wollen die Fridaysfor-Future-Bewegung auf diesem Weg zerschlagen, weil Ihnen die Richtung nicht passt. Sie behaupten in Ihrem Antrag, die verfassungsrechtlich verankerte Schulpflicht sei mit den Fridays-for-Future-Demos einer fortschreitenden politischen Relativierung ausgesetzt.

Das sehe ich völlig anders. Die Schulpflicht ist weiterhin ein hohes Gut, und niemand zweifelt ihre Bedeutung an.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Aber es gibt Situationen, da gibt es Existentielleres als den Schulbesuch. Wenn die Zukunft in Gefahr ist, darf auch der Schulbesuch mal hintanstehen.