Wenn wir als Nationalstaaten versuchen, mit den Muskeln zu spielen, werden wir daran scheitern. Denn es gibt weltweit andere Nationen, die andere Gewichte in die Waagschale werfen als wir in Europa. Das sind Länder wie China, das sind Trump und Co. und so weiter. Die haben mehr Muskeln. Deshalb habe ich keine Lust, mich als Deutscher zurück in ein Schneckenhaus zu verkrümeln und mich von anderen auslachen oder gar anspucken zu lassen.
Das will ich nicht mehr, und ich bin froh, dass es heute überall in Europa so ist, dass ich umarmt und anerkannt werde, dass ich sozusagen mit der Familie auf Tour sein kann.
Dieses geeinte Europa, das wir jetzt haben, wackelt vielleicht, weil es Nationalisten gibt, die so denken wie Sie, aber das hat nur eine sehr begrenzte Wir
kung, denn ich bin sicher, dass wir Europa wieder auf das Gleis der Solidarität zurückführen können. Egoismus bringt uns mit dem Rücken an die Wand, das brauchen wir nicht. Insofern: Hetzreden in diesem Parlament brauchen wir auch nicht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Schnurrbusch, Sie haben gerade eben gefragt, warum wir dazu auffordern, demokratische Parteien zu wählen. Das Erste, was ich jetzt feststellen kann, ist: Durch Ihre Rede haben Sie deutlich gemacht, dass Sie als AfD sich nicht dazuzählen. - Das ist zunächst einmal eine Klarstellung, für die ich vor der Wahl sehr dankbar bin.
Warum wollen wir, dass demokratische Parteien gewählt werden? - Ich kann Ihnen das sagen: Demokratische Parteien stehen für Ausgleich, stehen für Kompromiss, stehen für gleichberechtigte Koexistenz, für das Suchen nach Gemeinschaft, für Solidarität und vor allen Dingen für das Wichtigste, nämlich für Frieden. Deshalb ist es wichtig, demokratische Parteien zu wählen. Deshalb ist dieser Wahlaufruf hier aus dem Landtag auch genau die richtige Aufforderung.
Meine Damen und Herren, wofür stehen denn Parteien wie NPD, III. Weg, AfD oder auch andere antidemokratische Parteien?
(Volker Schnurrbusch [AfD]: Werfen Sie uns doch nicht in einen Topf! Das ist doch belei- digend! Das ist doch nicht wahr!)
Die stehen für Abgrenzung, sie stehen für Menschenfeindlichkeit, sie stehen dafür, dass sie immer wieder betonen, dass die Menschen unterschiedlich sind. Menschen sind aber nicht unterschiedlich, Menschen haben die gleichen Rechte, alle Menschen haben die gleichen Rechte. Deshalb ist es wichtig, dass wir zur Wahl gehen und Demokraten wählen - und damit basta.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man überlegt sich in so einer Debatte, ob Sie es wert sind, dass man sich hier zu Wort meldet. Das sind Sie eigentlich nicht, daher müsste man Sie eigentlich komplett ignorieren.
- Nein. Der Punkt ist: Ich äußere mich deswegen, weil wir hier über einen Wahlaufruf reden. Demokratie zeichnet sich auch dadurch aus, dass Leute hier am Mikrofon Unfug reden dürfen, dass Sie hierher kommen dürfen und dass wir das ertragen. Hätten Sie die Mehrheit, dann würden wir vermutlich verhaftet und dürften hier nicht frei reden. Das ist der Unterschied zwischen unserem System und demjenigen, das Sie richtig finden. Das will ich ganz deutlich sagen.
Herr Schnurrbusch, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und ihre Fraktion in diesem Haus braucht von Ihnen überhaupt keine Belehrung, was unsere innerparteiliche Demokratie angeht und wie wir unsere Wahlverfahren durchführen. Auch die sind nämlich demokratisch.
(Vereinzelter Beifall SPD - Volker Schnurr- busch [AfD]: Dann fragen Sie mal den Kolle- gen Rother! Fragen Sie mal Ihre eigenen Leute!)
Zur Demokratie gehört übrigens noch etwas anderes, nämlich eine freie Presse, die selber berichtet und beurteilt. Im letzten Jahr ist hier etwas passiert. In der zweiten September-Tagung hat Ihre Fraktion durch Ihre Landesvorsitzende, die inzwischen ausgetretene Abgeordnete, hier Reden gehalten, die von allen beklatscht worden sind, die behauptet haben, wir hätten keine freie Presse, sondern wir hätten eine gelenkte Systempresse, eine Lügenpresse. Auch das unterscheidet Sie von uns. Sie dürfen das sagen, und die freie Presse berichtet auch darüber. Aber das ist ein fundamentaler Unterschied zwischen uns.
Worüber wir hier im Haus unter den demokratischen Parteien streiten mögen - und wir tun dies leidenschaftlich -, auch das ist Teil der Demokratie. Mit Ihnen werden wir niemals etwas gemein haben. Unser Bestreben geht dahin, zu verhindern, dass die Bürgerinnen und Bürger, indem sie nicht in ausreichender Stärke zur Wahl gehen, Ihnen und Ihresgleichen in Europa einen Einfluss geben, den Sie nie haben dürfen. Solche Leute wie Sie dürfen niemals mehr etwas zu sagen haben - nicht in Deutschland und nicht in Europa.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dr. Ralf Stegner hat etwas sehr Richtiges gesagt, und ich möchte das noch erweitern. Es reicht nicht aus, zwei Ohren und dazwischen ein Gehirn zu haben. Man muss nicht nur wahrnehmen, man muss auch verstehen können.
Diese demagogischen Aussagen, die hier immer wieder fallen, sei es zu Großbritannien, zum Brexit oder zu anderen weltwirtschaftlichen Themen, wundern mich alle nicht. Ich freue mich über die Aussagen, die Sie hier machen, zeigen Sie damit doch Ihr wahres Gesicht. Ich würde mich freuen, wenn alle das, was Sie hier heute verbreitet haben, auch wahrnehmen, denn dann fällt den meisten die Wahlentscheidung nicht so sehr schwer.
Von den 73 dem Parlament angehörenden Abgeordneten sind 68 pro-europäisch eingestellt, fünf nicht. Sie liegen bei 7 %. Ich hoffe, dass Sie nicht einmal diesen Wert bei der Europawahl erreichen. Dass Sie sich selbst als Nicht-Demokraten deklassieren, ist auch von Lars Harms gesagt worden. Obwohl nur demokratische Parteien zur Europawahl zugelassen sind, gehören Sie seltsamerweise dazu.
Aber Sie schaffen es immer wieder, das Hohe Haus hier in die richtige Richtung zu bringen: Nach einem Wortbeitrag des Fraktionsvorsitzenden, den Herr Schnurrbusch versucht hat, ein bisschen abzumildern, fühlen sich alle noch einmal dazu berufen, dazu Stellung zu beziehen. Das ist das Positive an Ihren Reden, dass wir alle gemeinsam noch einmal sagen: Wir sind pro- europäisch, wir brauchen diese Europäische Union. Sie beziehen sich auf Charles
de Gaulle, eine „Union der Vaterländer“. Ich glaube, Sie beziehen sich auf Herrn Honecker: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“, hat der gesagt. Das haben Sie umgedreht: Rückwärts immer, vorwärts nimmer.
Nur so haben wir die Chance, im Spiel der Kräfte auf dieser Welt weiter eine entscheidende Rolle mitzuspielen. Anders wird uns das nicht gelingen. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Frau Dr. Sabine Sütterlin-Waack.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Europawahl naht. Bei der Abstimmung kommende Woche wird es um die Kernfrage gehen, wie wir den europäischen Einigungsprozess künftig gestalten wollen und wer an die Schalthebel in Brüssel gelangen wird: Europafreunde oder solche, die Europa schaden wollen.
Diese Europawahl wird eine Richtungswahl sein, daher sage ich gleich, wo wir politisch stehen: Wir dürfen uns die Europäische Union in der öffentlichen Diskussion nicht von europafeindlichen Kräften schlechtreden lassen.
Wir dürfen nicht zulassen, dass die Erfolge der EU kleingeredet werden. Wir müssen deutlich machen, dass die EU ziemlich gut funktioniert und beachtliche Erfolge vorweist.
auch wenn die See stürmisch ist. Wer nur Tretboot fahren kann, darf in der EU nicht auf die Kommandobrücke.
Klar ist: Die Zukunft Europas ist auch für unser Land von entscheidender Bedeutung. SchleswigHolstein profitiert von einer starken und geeinten EU. Daher bin ich sehr froh über die seit Jahrzehnten pro-europäische Grundhaltung, die uns hier im Landtag fast alle verbindet. Das macht auch der gemeinsame Wahlaufruf deutlich, den wir über fast alle Parteigrenzen hinweg verabschieden werden.
Der Aufruf ist ein starkes Zeichen parlamentarischer Solidarität für die Europäische Union, denn es ist unsere Europäische Union. Es ist nicht die Union derer, die sie verächtlich machen und ein falsches Bild von ihr malen. Es ist die Union der Demokratie, der Rechtstaatlichkeit und der Solidarität.
Aber gute Politik in und mit der Europäischen Union zu machen, ist kein Wünsch-dir-was-Spiel. Die Herausforderungen sind immens. In vielen Mitgliedstaaten haben wir es mit einem nie erlebten Erstarken nationalistischer und europaskeptischer Kräfte zu tun. Setzt sich dieser Trend bei der Europawahl fort, dürfte die Entscheidungsfindung in Brüssel künftig noch schwieriger werden. Neben die traditionellen Differenzen der nördlichen und südlichen Mitgliedstaaten, etwa in der Wirtschaftsund Währungspolitik, ist eine neue Spaltung zwischen Ost und West getreten. Sie zeigt sich speziell beim Thema Migration.
Darüber hinaus sehen wir, dass die in den Europäischen Verträgen verankerten gemeinsamen Werte in einigen Mitgliedstaaten erheblich unter Druck geraten sind oder gar missachtet werden. Dies gilt insbesondere für die Rechtsstaatlichkeit, ein Umstand, der mich als Justizministerin sehr besorgt. Am Beispiel von Polen und Ungarn zeigt sich, dass die bestehenden Instrumente nicht ausreichend sind und regelmäßig zu spät zum Einsatz kommen. Da haben Sie, Herr Nobis, glaube ich, irgendwie etwas falsch verstanden: Es wird darüber nachgedacht, den Staaten, die die Rechtsstaatlichkeit verletzen, europäische Fördermittel vorzuenthalten.
Natürlich gehört auch der Brexit zu den Herausforderungen. Positiv ist, dass sich der Brexit nicht als Spaltpilz der EU-27 erwiesen hat.