Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen mit Behinderung haben die gleichen Rechte wie alle anderen auch. Inklusion ist unser Leitbild für das Zusammenleben in der Gesellschaft. Teilhabe und Mitbestimmung sind wichtig für das gesellschaftliche und politische Leben. Menschen sollen sich und ihre Interessen selbst vertreten können. Wer dazu auf Unterstützung angewiesen ist, muss diese erhalten.
Das sind die grünen Grundregeln für Politik mit und für Menschen mit Behinderung. Beauftragte sind ein Instrument, um dieses Empowerment umzusetzen, und es ist ein gutes Instrument. Wir sehen es an Uli Hase und seinem Team. Sie machen einen sehr guten Job!
Die Arbeit des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung hat sich bewährt, und sie ist nicht nur in Schleswig-Holstein unverzichtbar. Landesweit gibt es zurzeit circa 50 kommunale Beauftragte für Menschen mit Behinderung. Nahezu alle Kreise und kreisfreien Städte haben einen oder eine Behindertenbeauftragte bestellt, es gibt aber nur sehr wenige in den Gemeinden. Die geltenden gesetzlichen Regelungen in der Kreis- und Gemeindeordnung sehen Behindertenbeauftragte als freiwilliges Instrument vor.
Woher kommt es, dass Kreise und kreisfreie Städte diese Kann-Regelung umsetzen und es ganz offenbar einen Bedarf gibt? Zum Teil sind diese Positionen sogar hauptamtlich besetzt, was deutlich über die Vorgaben der Kreisordnung hinausgeht. Allein dies spricht dafür, dass Behindertenbeauftragte auf dieser Ebene wichtig sind und für notwendig erachtet werden. Ich freue mich darauf, in der Anhörung zum Gesetzentwurf weitere Details zu hören.
Auf der Ebene der Kreise und kreisangehörigen Städte sieht es ganz anders aus. Keine 40 von 1.100 nutzen diese Chance. Das ist sehr überschaubar. Wieso ist das so? In meiner kommunalpolitischen Praxis ist es wichtig, von Betroffenen zu hören, wo zum Beispiel Barrierefreiheit im öffentlichen Raum noch nicht gewährleistet ist und wo wir besser werden müssen.
Wir interpretieren ihn als Rückenwind für die Inklusion. Klar ist aber auch, dass dieses Gesetz Konnexität nach sich ziehen würde. Das allein ist kein Argument, es abzulehnen, aber wir sollten besonders sorgfältig Nutzen und Kosten abwägen. Vor allem müssen wir die Meinung der betroffenen Menschen dazu hören. Der SSW macht eine Rechnung auf. Bei der Rechnung wären wir schnell in einem Millionen-Bereich, auch wenn wir die Beauftragten nicht in jeder kleinen Kommune für verpflichtend erklären würden. Ich bin nicht der Auffassung, dass Inklusion am Geld scheitern darf, aber wir sollten schon darauf gucken, was hilfreich, sinnvoll und effektiv ist und was die betroffenen Menschen wollen.
In der Anhörung werden wir hören, wie die Situation in den Kommunen ist und welche Bedarfe gesehen werden. Wir freuen uns auf die Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss und die Einschätzung der Expertinnen und Experten in eigener Sache. Vielen Dank.
on feiert in diesen Tagen ihr zehnjähriges Jubiläum in Deutschland. Auch nach zehn Jahren debattieren wir hier im Plenum das Thema Inklusion und wie wir unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Einschränkungen im Alltag weiterhelfen können. Auch wenn die Konvention ihr zwanzigstes oder ihr dreißigstes Jubiläum hier in Deutschland feiern wird, wird man auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene weiter über bessere Wege bei der Inklusion diskutieren müssen.
Retroperspektiv können wir sagen, dass wir in Schleswig-Holstein bereits große Fortschritte gemacht haben. Wir konnten die Lebensqualität der Betroffenen und die ihrer Angehörigen in vielen Bereichen steigern. Erfolgreich abgeschlossen kann Inklusion wiederum niemals sein, da die Anforderungen hieran zu Recht stetig angepasst und gesteigert werden. Die Gewährleistung eines selbstbestimmten Lebens für alle ist eine der grundlegenden, dauerhaften und immerwährenden Aufgaben der Politik.
Es wurde schon angesprochen: Wenn wir auf Landesebene Themen haben, die Menschen mit Behinderung betreffen, dann holen wir uns meistens die Expertise des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Herrn Dr. Hase, und seines Team ein. Das klappt stets konstruktiv, aber auch kritisch, und das ist auch richtig so. Besonders wegen der Umsetzungsvorhaben zum Bundesteilhabegesetz ist dies unerlässlich.
Aber auch die Einwohnerinnen und Einwohner wenden sich direkt an die Beauftragtenstelle. Im Jahresschnitt passiert dies mehrmals am Tag. Hieraus ergeben sich häufig wertvolle Empfehlungen, wo Gesetzgeber, aber auch wo Gesellschaft nacharbeiten sollten. Dafür möchte ich im Namen der FDP-Fraktion noch einmal unseren Dank an Herrn Hase und sein Team richten.
Wir von der FDP-Fraktion erachten das Angebot des Landesbeauftragten als sehr niedrigschwellig und barrierefrei. Die spürbare Verbesserung der Inklusion durch Kommunalbeauftragte ist zukünftig noch zu klären. Bei insgesamt 1.106 Gemeinden klingt das zunächst etwas zergliedert. Die darüber liegenden Verwaltungsebenen wie Ämter und Kreise werden von beiden Gesetzentwürfen ebenfalls angesprochen. Die Schaffung solch einer Funktion auf Ämterebene wäre eine rechtliche Neuerung, die wir bisher so nicht hatten, wobei man konstatieren
muss: Die Ämter sind keine politischen Entscheidungsgremien, sondern sie wickeln Verwaltungshandeln ab. Da wir Deutsche aber auch so etwas wie Gleichstellungsbeauftragte haben, ist es nicht ganz wesensfremd, auch auf dieser Ebene darüber zu diskutieren.
Sowohl in den Gemeinden als auch in den Kreisen ist es jetzt schon möglich, Beiräte für gesellschaftlich bedeutsame Gruppen zu bilden. Am geläufigsten ist hier der Seniorenbeirat. Leider in geringerer Ausprägung vorhanden sind Kinder- und Jugendbeiräte, aber auch der benannte Beirat für Menschen mit Schwerbehinderung ist zu nennen. Beide Gesetzentwürfe sehen eine Ist-Regelung zur Etablierung des Beauftragten vor; beim SSW auf allen Ebenen, bei der AfD nur auf Kreisebene.
Wenn ich den SSW-Gesetzentwurf nehme, so würde hierdurch direkt Konnexität durch das Land ausgelöst werden. Ich denke, das ist unstrittig. Darüber muss man diskutieren, weil natürlich entsprechend investiert werden muss. Im Zweifel würde auch eine Verpflichtung aller 1.106 Gemeinden im Land ausgelöst, solch einen Beauftragten zu benennen. Hier vermisse ich zum Beispiel einen Hinweis auf die Gemeindegröße. Es macht sicherlich einen Unterschied für eine ehrenamtliche Person in dieser Beauftragtenposition, ob ich das Ehrenamt für Kiel oder Arnis wahrnehme. Darüber werden wir in den Ausschüssen sicherlich noch einmal sprechen.
Die bestehende Regelung zur Beiratsbildung ist dagegen eine Kann-Regelung. Sie überlässt der Kommune damit auch die eigene Entscheidungsfindung. Ob und inwieweit eine ehrenamtliche Beauftragtenfunktion gegenüber der bisherigen Bildung eines Beirates mit gleichen Kompetenzen, zum Beispiel nach § 47 e Gemeindeordnung mit Teilnahme an den jeweiligen Sitzungen oder Antrags- und Rederecht der Personengruppen, der jeweiligen Personengruppe mehr Unterstützung zuführen kann, werden wir klären. Dazu wird uns in der Anhörung sicherlich etwas vorgetragen werden.
Es könnte sein, und das wäre ein Vorteil, dass zwar eine betreffende Person in dieser Gemeinde zur Verfügung stünde, aber für einen Beirat - der zwangsläufig aus mehreren Personen bestehen muss, sonst wäre es kein Beirat - nicht mehrere Personen zur Verfügung stehen könnten. Es könnte sein, dass nicht genug Freiwillige vorhanden sind, denn jedes einzelne Ehrenamt braucht eine Person, die es zeitlich und fachlich ausfüllen kann. Insofern ist es ein interessanter Aspekt, statt eines Beirates, der aus mehreren Personen besteht, die Benennung einer einzelnen Person zu prüfen.
Dass trotz der Möglichkeit für alle Gemeinden derzeit landesweit gerade einmal 50 Beiräte für Menschen mit Behinderung etabliert sind, wird voraussichtlich Gründe haben. Wir werden darüber beraten müssen, warum nicht mehr Gemeinden dieses freiwillige Element wählen. Dabei ist die jeweilige Situation in den Gemeinden genau zu betrachten.
Die Zielvorstellung der Gesetzentwürfe ist eine möglichst flächendeckende Etablierung von Beauftragten bis hin zu den Kleinstkommunen. Damit könnte das Thema Inklusion breiter gesetzt werden, das wäre dann positiv. Es kann aber auch zu größerem Abstimmungsbedarf und Bürokratieaufbau führen. Das werden wir sehen. Hierzu kommen wir sicherlich in der Ausschussberatung. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für das Innenministerium ist diese Thematik im Kern nicht neu. In den vergangenen Monaten ist diese Anregung wiederholt auch an uns herangetragen worden, und ich teile die Auffassung, dass es ein gesellschaftliches Ziel sein muss, Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Ich glaube, das ist selbsterklärend und auch selbstredend.
Dass es auch weiterhin Anstrengungen zu unternehmen gilt, um ihre Situation landesweit zu verbessern, auch darüber brauchen wir, so glaube ich, nicht zu debattieren. Gerade das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzen, verdient unsere besondere und hohe Wertschätzung. Ich bin deshalb sehr froh, dass es auch auf Landesebene bereits vielfältige Ansätze dazu gibt, insbesondere möglichst weitgehende Barrierefreiheit zu verwirklichen.
Als Innenministerium haben wir beispielsweise gemeinsam mit dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung ein praxisorientiertes Konzept zur Wahlinformation ausgearbeitet und umgesetzt.
Gleichwohl halte ich die Aufnahme von verbindlichen Regelungen zu Beauftragten - zumal nur für eine Bevölkerungsgruppe - in die Kommunalverfassung nicht für den richtigen Weg.
Dies gilt auch für die Regelung von zwingenden Beteiligungsrechten nach einer freiwilligen Bestellung von Beauftragten auf gemeindlicher Ebene, wie es dem Alternativantrag vorschwebt.
Bereits seit 1995 - wir haben es vorhin schon einmal gehört - können die Gemeinden Beiräte für gesellschaftlich relevante Gruppen schaffen; so heißt es in der Gemeindeordnung. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber mit der Novelle der Gemeindeordnung damals neu eröffnet. Diesen Beiräten stehen Einrichtungen sowie das Antrags- und Rederecht in den Vertretungen und den jeweiligen Ausschüssen zu. Für bestimmte Themenbereiche können die Gemeinden auch selber Beauftragte bestellen; allerdings haben diese keine eigenen Initiativ- und Rederechte.
Aus meiner Sicht ist es alles andere als eine Kleinigkeit, verpflichtende Beteiligungsrechte zugunsten von Personen und Gruppierungen zu schaffen, die nicht durch die Wählerinnen und Wähler unmittelbar demokratisch legitimiert sind. Insbesondere mit Blick auf das Recht der kommunalen Selbstverwaltung und auch hinsichtlich möglicher Folgewirkungen sollten wir das sehr genau beachten. Denn wenn wir uns für die Einrichtung verbindlicher Rechte zugunsten einer gesellschaftlichen Gruppe entscheiden - auch wenn es noch so verständlich ist -, werden wir nur schwer erklären können, warum für andere Bereiche nicht eine gleichlautende Regelung getroffen wird. Es gibt bereits auch aus anderen Bereichen Forderungen nach Schaffung verbindlicher Beteiligungsrechte. Ganz abgesehen davon müsste man sich dann immer auch der Konnexitätsforderung stellen - auch das ist vorhin angesprochen worden -, die mit der Einführung neuer gesetzlicher Standards zwangsläufig verbunden wäre.
Als echter kommunaler Praktiker bin ich ein starker Verfechter der kommunalen Selbstverwaltung in dem Verständnis einer möglichst großen kommunalen Gestaltungsfreiheit vor Ort. Ich glaube fest, dass verantwortungsvolle Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort die Belange ihrer Einwohnerinnen und Einwohner im Blick haben. Deshalb: Was kommunalpolitisch veranlasst werden sollte, hängt maßgeblich von der örtlichen Situation, von den örtlichen Verhältnissen ab. Holzschnittartige Verpflichtungen der Kommunen - aller Kom
Seien wir ehrlich: Was nützen gesetzliche Verpflichtungen, wenn sie vor Ort nicht gelebt werden oder möglicherweise sogar Abwehrreflexe erzeugen? Ich will hier praktische Beispiele, die wir alle vor Augen haben, nicht explizit nennen.
Aus meiner Sicht sollten wir den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern vertrauen. Sie haben den Blick darauf, welche Anforderungen bei ihnen vor Ort bestehen, und sie wissen, wie vor Ort das oben skizzierte Thema, nämlich die gleichberechtigte Teilhabe, bestmöglich verwirklicht werden kann.
In der vergangenen Wahlperiode hat man einige Standards zur Aufgabenerfüllung im kommunalen Bereich zusätzlich geschaffen oder verschärft. Nach meiner Kenntnis hat dies nicht gerade überall für Begeisterung gesorgt. Wir sollten daher eher freiwillige Entwicklungen fördern und unterstützen. Dies entspricht auch dem im Koalitionsvertrag zum Ausdruck gebrachten Grundverständnis, auf eine eigenverantwortliche kommunale Selbstverwaltung zu setzen. Dort, in der Gemeinde, liegt die Aufgabe; in der Gemeinde liegt die Verantwortung. Ich glaube auch, in der Gemeinde wird es die Lösung geben. - Ich danke Ihnen.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 19/1286 sowie den Gesetzentwurf Drucksache 19/1327 (neu) 2. Fassung in den Innen- und Rechtsauschuss und in den Sozialausschuss zu überweisen.
Der Innen- und Rechtsausschuss federführend, der Sozialausschuss mitberatend. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig der Fall.