Protocol of the Session on March 8, 2019

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil ich glaube, dass es nicht darum geht, dass wir uns gegenseitig fragen oder zuschreiben, wer persönlich frauenfeindlich ist. Ich glaube, wir sollten uns darüber unterhalten, dass es eine strukturelle Frauenfeindlichkeit gibt.

Der Kollege Christopher Vogt hat vorhin den Hinweis gegeben, dass man auch einmal die Frage stellen muss: Wann beginnen Sitzungen? Wie lange dauern Sitzungen? Wie werden Sitzungen geführt? Ich möchte einmal sagen: Das ist etwas, was ich kenne; das wird auch mir gesagt. Das ist nichts, was nur in den Reihen der Liberalen oder in anderen Parteien auftaucht. Das kenne ich auch aus meiner Partei. Das ist für mich ein Hinweis, dass man an diesen Punkten ansetzen muss. Die Frage wäre ja zum Beispiel, warum die Frau zu Hause bleibt, weil die Sitzungszeit nicht passt, und nicht der Mann, der sagt: Du kannst in die Sitzung gehen, ich mache dann die Familienarbeit. Das ist eine strukturelle Frage.

Jetzt komme ich zur Quote.

(Zurufe AfD - Unruhe)

- Vielleicht lassen Sie mich das einmal sagen, und vielleicht hören Sie zu. Vielleicht lernen Sie noch etwas, ich weiß es nicht, aber ich würde gern meinen Gedanken ausführen, ohne dass Sie von Ihrer Seite immer dazwischen quatschen.

Also: Für mich ist das ein strukturelles Problem, und ein strukturelles Problem kann man nicht lösen, wenn man nicht auch die Strukturen und die Regeln drum herum für alle verbindlich löst.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Deshalb diese Hinweise zur Quote. Wir sind ja nicht die besseren Menschen, wir haben auch nicht die besseren Männer, die sich in die zweite Reihe stellen. Die Quote ist bei den Grünen basisdemokratisch als eine Selbstverpflichtung beschlossen worden. Ich teile das, was der Kollege Dolgner in Bezug auf die Verfassung gesagt hat. Da habe ich auch Schwierigkeiten, Frau Laskowski zu folgen. Das kann ich durchaus unterstützen. Eine verpflichtende Regelung aber, die für alle verpflichtend und verbindlich ist, die führt dazu, dass man nicht jeden Abend aufs Neue diskutieren muss: Gehst du? Oder bringst du die Kinder ins Bett? Sie führt dazu, dass man von vornherein diese Dinge in der Struktur der Aufgabenteilung mitdenkt.

Deswegen, so glaube ich, fordern das im Übrigen nicht nur Frauen der Grünen, sondern viele Frauen in Aufsichtsräten. Das ist angesprochen worden. Ohne eine Quotierung, ohne eine Regelung passiert das nicht. Das ist doch der Punkt, über den wir uns unterhalten müssen. Da ist es mir völlig egal, wer wie im Kopf tickt, sondern die Frage ist: Wenn wir uns dazu entschließen können, eine verbindliche Regelung zu schaffen, die dann automatisch dazu führt, dass man Frauen erstens mehr anspricht und möglicherweise mehr ermutigt, die aber auch zweitens dazu führt, dass Männer in die zweite Reihe treten müssen, weil man ein Reißverschlusssystem hat, dann führt das zu dem Ergebnis, dass man zu einem Anteil von 50 % kommen kann. Individuelle Gedanken zu dem einen oder anderen Punkt führen nicht dazu. Deshalb glaube ich, es lohnt sich sehr wohl, darüber nachzudenken, wie man zu einer solchen Verpflichtung kommen kann, und es ist keine Entmündigung der Wähler, sondern das ist eine demokratische Entscheidung. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

(Kathrin Wagner-Bockey)

Ich glaube, wir kommen langsam zum Ende der Rednerliste. Ich habe jetzt nur noch Lars Harms als Redner auf der Liste. Der Abgeordnete Lars Harms hat das Wort zum vorerst letzten Kurzbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil der Kollege Dolgner gesagt hat: Klar, man kann politisch eine Verfassung ändern, wenn man das politisch will. Das ist richtig. Allerdings muss ich sagen: Wir müssten dann den Artikel 38 Grundgesetz, freie, geheime und gleiche Wahl, ändern, und dieser gehört zu den Grundfesten unserer Demokratie. Das ist ein Artikel, den man sich errungen hat.

(Beifall CDU, FDP und AfD)

Meine Damen und Herren, ich finde: Ganz ehrlich, wir sollten uns schwer tun, diesen zu ändern. Wir sollten uns schwer tun, einfach aus dem Grund, weil dieser Artikel so schwer errungen ist. Vor dem Hintergrund glaube ich, dass es in Ordnung ist, wenn alle sagen: Mensch, wir sind da sehr vorsichtig.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dolgner?

Sehr gern.

Herr Kollege Harms, ich glaube, wir sind uns einig, dass man immer sehr vorsichtig sein muss, bevor man die Verfassung ändert. Das habe ich Ihnen ja auch zu Ihren jüngsten Verfassungsänderungsvorschlägen gesagt. Mir ist aber kein Gutachten bekannt, das besagen würde, dass eine Änderung des Artikels 38 Grundgesetz gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen würde, also quasi verfassungswidriges Verfassungsrecht wäre. Diese Änderung wäre auch nach meiner Auffassung notwendig, weshalb ich in meinem Redebeitrag auch auf die gemeinsame Bundesratsinitiative als ein mögliches Ergebnis abgehoben habe.

Stimmen Sie mir also zu, dass man das natürlich mit Vorsicht machen muss, aber wir sind ja auch gar nicht in der Lage, das Grundgesetz allein zu ändern, dass es aber mitnichten

verfassungswidriges Verfassungsrecht wäre, wenn man das tun würde, und dass man mitnichten gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen würde. Das war meine These. Meine These war nicht, dass man das leichtfertig machen sollte.

- Das kann ich Ihnen relativ einfach beantworten. Es gibt ja den Artikel 79, die sogenannte Ewigkeitsklausel.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Darin steht, welche Artikel man auf gar keinen Fall ändern kann. Der Artikel 38 zählt nicht zu den dort genannten Artikeln, also ist es in der Theorie möglich, diesen Artikel zu ändern. Das wäre auch nicht verfassungswidrig, wie es die AfD behauptet. Das ist richtig, was Sie sagen, und dass Sie dafür eintreten und in Kauf nehmen würden, diesen Artikel zu ändern, ist also - ich will nicht sagen - schadlos, aber das ist nichts, was man Ihnen vorwerfen kann. Ich plädiere nur immer dafür, dann, wenn man solche wichtigen Artikel, die nach meiner Auffassung zu den Grundfesten der Demokratie gehören, ändert, genau zu überlegen, wann man sie ändert, zu welchem Zeitpunkt man sie ändern und auf welcher Basis man sie ändert.

Der einzige Grund ist, dass ich sage: Die Bedenken derjenigen, die diese Bedenken haben, kann ich nicht einfach so vom Tisch wischen.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- Ja. Dass ihr ein grenzenloses Vertrauen darin habt, dass die Landesregierung das beantragt und schon die Regeln finden wird, ehrt euch.

(Weitere Zurufe Serpil Midyatli [SPD])

Darum geht es mir jetzt nicht. Mir geht es darum, dass dies eine ernsthafte Debatte darüber ist, ob man einen Verfassungsartikel einfach so für eine politische Beschlussfassung oder nicht ändert. Dass man diejenigen, die sagen, das ist ein schwerwiegender Eingriff, den sollten wir uns genau überlegen, wir haben hiergegen Bedenken, ernst nimmt und nicht als Frauenfeinde betitelt, darum geht es mir.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das macht doch gar keiner!)

Frau Midyatli, Sie können gern eine Zwischenfrage stellen. Ansonsten antwortet Herr Harms, wenn er es zulässt, noch einmal auf eine Nachfrage von Herrn Dr. Dolgner.

Sehr gern.

Werter Kollege Harms, Sie haben ausgeführt, dass Sie sich wegen meines Dreiminutenbeitrags noch einmal zu Wort gemeldet haben. Jetzt haben Sie mich aber irritiert. Ich glaube, ich habe die rechtlichen Bedenken, die auch über die meiner Fraktion hinausgehen, ziemlich deutlich gemacht. Ich habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass das frauenfeindlich wäre. Ich habe gesagt, das ist eine Frage des politischen Willens, den man haben kann oder nicht. Ehrlich gesagt, ich kann das mit Ihrem letzten Satz überhaupt nicht übereinbringen.

Natürlich, wir haben das Wahlrecht in Schleswig-Holstein schon gemeinsam per Verfassungsänderung geändert. Sie rekurrieren ja auf meinen Beitrag. Ich weiß nicht, wie Sie den Eindruck gewinnen konnten, dass ich unvorsichtigerweise Hand an Verfassungsrecht legen würde. Können Sie mir erzählen, wie Sie diesen Eindruck von meiner Ausschussarbeit gewonnen haben? Ich bin irritiert.

- Lieber Kollege Dolgner, Sie müssen nicht irritiert sein. Ich habe am Anfang auf Ihre Anfrage geantwortet, und ich glaube, da waren wir uns noch einig, dass man den Artikel ändern kann, wenn man das will. Danach kam der Zwischenruf der Kollegin Midyatli, die sinngemäß sagte, dass man das dann auch tun sollte, und nichts anderes wolle man.

(Serpil Midyatli [SPD]: Nein!)

Darauf hatte ich geantwortet, dass es mir darum geht, dass man auch diejenigen Stimmen ernst nimmt, die die Verfassung möglicherweise nicht ändern wollen beziehungsweise Bedenken haben, diesen Artikel zu ändern. Um mehr geht es mir dabei gar nicht. Das ist gar kein Vorwurf gegen die Sozialdemokratie oder gegen irgendjemanden hier. Es geht einfach um das Ernstnehmen der jeweiligen Argumente von beiden Seiten und um die Anerkennung des Willens aller hier, etwas Neues für die Frauen zu schaffen, um Bewegung in die Debatte zu bekommen. Darum ging es mir.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, die Uhr ist zwar weitergelaufen, aber ich möchte noch zwei Punkte, die ich eigentlich sagen wollte, auch sagen dürfen: Nehmen wir als Beispiel den Vorschlag der Kolle

gin von Kalben, der lautete: Wir machen zwei Listen, eine für Frauen, eine für Männer, und ich darf mir als Wähler eine Frau und einen Mann aussuchen. Was mache ich aber als Wähler, wenn ich sage: Da sind aber zwei geeignete Frauen, die finde ich viel besser als die ganze Truppe der Männer, die auf der Liste stehen? Dann werde ich in meinem Wahlrecht eingeschränkt.

(Beifall Lukas Kilian [CDU])

Das ist genau das Problem, das wir haben. Ich möchte auch zwei Frauen wählen können, und ich möchte Männer auch abwählen dürfen, und das kann ich dann nicht, und das ist ein Eingriff in mein Wahlrecht, meine Damen und Herren.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Möglichkeit, wie wir unserem Ziel trotzdem näher kommen können.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten von Kalben?

Wenn die 23 Sekunden bleiben, dann ja.

Keine Kritik jetzt mehr bitte.

Herr Harms, sind wir uns einig, dass Sie beim derzeitigen Wahlrecht eine Erststimme haben und damit eine Person wählen können? Das heißt, wenn Sie auf der Liste der Personen, die Ihnen zur Auswahl stehen, mehrere Menschen gut finden, dann können Sie trotzdem nur eine Person wählen. Ist das richtig?

Das ist richtig.

- So ähnlich ist das System gedacht, das ich vorgeschlagen habe, nämlich dass man auf jeder Liste, auf der Männerliste und auf der Frauenliste, jeweils nur eine Stimme hat, weil wir ja leider nicht unendlich viele Stimmen vergeben können.

- Ich will Ihnen gern antworten: In dem Moment habe ich zwei Stimmen zur Verfügung und werde gezwungen, eine Stimme einem Mann und eine Stimme einer Frau zu geben, obwohl ich davon überzeugt bin, dass die zwei Stimmen, die man mir gegeben hat, eigentlich eher bei zwei Frauen ange

bracht wären, und das ist ein Eingriff in mein Wahlrecht. Das ist das Problem. Das hat man auch in Brandenburg schon festgestellt, und das ist dort auch so vom Wissenschaftlichen Dienst gesagt worden. Trotzdem hat man ein Gesetz gemacht, das sich nicht an unsere Verfassung hält.

(Beifall CDU, AfD und vereinzelt FDP)