Protocol of the Session on March 6, 2019

Die EU-Copyright-Reform soll eigentlich aus einem sehr guten Grund gemacht werden. Künstlerinnen und Künstler sollen geschützt werden. Man will Künstlerinnen und Künstler im Kampf gegen große digitale Plattformen stärken. Das Ziel teilen wir Grüne. Wir glauben aber, dass die EU-Copyright-Reform nicht das zum Ergebnis haben wird. Künstlerinnen und Künstler, die zurzeit vielleicht unter der Armutsgrenze leben, werden nicht dadurch geschützt, dass ihr Material weggefiltert wird, sondern dadurch gestärkt, wenn sie angemessen vergütet werden.

(Beifall SSW)

Deswegen wollen wir Grüne keine Lösungen, die vielleicht noch dazu führen, dass Künstlerinnen und Künstler wie Lady Gaga mehr Kohle verdienen, haben, sondern Plattformen dazu verpflichten, die Vergütung Kunstschaffender hier bei uns stärker zu finanzieren. Es gibt dafür Abgabemodelle, die gänzlich besser geeignet sind als Upload-Filter, wie sie jetzt vorgesehen sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Noch ist es nicht zu spät: Die EU-Copyright-Reform kann noch verhindert werden. Der Ball liegt jetzt beim Europäischen Parlament.

Ich will noch einen Satz zur Großen Koalition in Berlin sagen: Wir Grüne sind über das Verhalten der Großen Koalition in Berlin sehr enttäuscht.

(Zuruf: Genau!)

Dies gilt nicht, weil die SPD sich nicht gegen die CDU durchsetzen konnte - dass man in Koalitionen Kompromisse machen muss, kennen wir -,

(Martin Habersaat [SPD]: Wir hörten davon!)

sondern - Herr Habersaat - weil SPD, CDU und CSU zusammen den Koalitionsvertrag gebrochen haben. Sie haben im Koalitionsvertrag etwas anderes vereinbart. Den Vorwurf müssen sie sich gefallen lassen. Den Vorwurf, sich, obwohl im Koalitionsvertrag etwas anderes steht, im Rat in Brüssel anders verhalten zu haben, muss man auch Katarina Barley machen.

(Beifall FDP, SSW und Lukas Kilian [CDU])

Das geht nicht weg; das ist falsch und sehr enttäuschend. Sie hatte den Koalitionsvertrag auf ihrer Seite, hätte Merkel gegenüber damit stärker wedeln und die Upload-Filter und den Artikel 13 im Rat ablehnen können. Das hätte uns gefreut.

Die Bundesregierung hat es verbockt. Jetzt kommt es auf das Europäische Parlament an. Wir fordern alle Abgeordneten - insbesondere unsere schleswigholsteinischen Europaabgeordneten Ulrike Rodust und Reimer Böge - dazu auf, sich im Europäischen Parlament anders zu verhalten. Wir würden uns freuen, wenn das, was wir heute wahrscheinlich mit großer Mehrheit beschließen werden, von einer Mehrheit im Europäischen Parlament berücksichtigt würde. Dann hat man vielleicht später einmal die Zeit, eine richtige und gute Urheberrechtsreform auf den Weg zu bringen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Der Begriff UploadFilter beschreibt eine Software, die bereits beim Hochladen von Internetinhalten diese vor der Veröffentlichung auf subjektiv unerwünschte Inhalte wie zum Beispiel Beleidigungen oder kinderpornografische Inhalte überprüft. Entsprechende Inhalte werden dann vom Server abgewiesen. Dafür kommen Techniken der Bild-, Sprach- und Texterkennung sowie -bewertung zum Einsatz. So weit die nüchterne Darstellung.

Für den Einsatz von Upload-Filtern gibt es mehrere Gründe und Einsatzmöglichkeiten, die zunächst nachvollziehbar und sinnvoll erscheinen. Da wären zum Beispiel die Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen und das Auffinden von Plagiaten. Es geht aber auch um die Verhinderung von Internetkriminalität, radikalem Extremismus und anderen Verbrechen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist aber auch die Zensur, und hier sollten wir sehr, sehr wachsam sein.

Tatsächlich dreht es sich in der Hauptsache des Streits um zwei gegenläufige Standpunkte: Da ist auf der einen Seite der Wunsch nach dem Schutz des Urheberrechts oder danach, diesen Anspruch auch finanziell durchsetzen zu können. Künstler und Verlage wollen gern und zu Recht für die Nutzung ihrer Erzeugnisse entlohnt werden. GEMAGebühren und Lizenzen schützen diese Rechte nur bedingt. YouTube beispielsweise hat sich erst nach einem jahrelangen Rechtsstreit zur Abführung von Gebühren drängen lassen. Andere - darunter Facebook oder Demio - sind bislang noch nicht auf die

(Rasmus Andresen)

sem Stand. Millionen von Nutzern werden mit Musik und anderen Inhalten versorgt, an denen sie keine Rechte besitzen und für die sie nicht bezahlen.

Der andere Standpunkt zielt auf die Gefahren für die Informations- und Meinungsfreiheit ab. Kritiker der Upload-Filtersysteme sehen diese als Zensurinfrastruktur. In der EU werden die bereits bestehenden Filter nicht zur Wahrung von Urheberrechten eingesetzt, sondern sie erkennen und filtern überwiegend unerwünschte Inhalte, welche auch immer das sein mögen. Wer aber entscheidet, was unerwünschte Inhalte sind? Können sich diese Entscheidungen in der Einflusssphäre politischer Ziele, Ideologien und Machtstrukturen bewegen, ohne dass hier eine durch ein Parlament legitimierte Kontrolle vorliegt? Diese Frage können wir tatsächlich mit Ja beantworten, denn etwas Vergleichbares haben wir bereits erleben müssen.

Wir haben schon ein Gesetz, welches unter der vordergründigen Wahrung von berechtigten Interessen jene Mittel bereitstellt, die ohne jeden Zweifel für eine Zensur missbraucht werden können und auch werden: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, übrigens auch aus dem Hause der SPD. Auch im NetzDG sind es private Unternehmer, die exekutiv und judikativ zugleich auf Inhalte im Internet einwirken können, ohne dass staatliche Gewalten unter rechtsstaatlichen Aspekten daran beteiligt sind.

Nun sind es Software-Lösungen bei den Plattformen, die als Upload-Filter automatisiert filtern können sollen. Das können sie nicht; das hörten wir schon. Parallelen sind hier offenkundig.

Dabei gibt es bereits Filtersysteme, die im Einsatz sind und Inhalte prüfen. Content ID bei YouTube, und auch Facebook hat hier nachgezogen, um dem Urheberrecht mehr Wirkung zu verleihen. Diese stellen ein milderes Mittel dar und können dennoch effizient sein. Upload-Filter gehören definitiv nicht dazu.

Die großen Plattformen haben nach Artikel 13 dieser Regelung keine besonderen Anreize, mildere Maßnahmen zu ergreifen. Wenn sie wissen, dass der Upload-Filter vor Strafen schützt, werden sie ihn natürlich einsetzen. Es ist doch nicht zu erwarten, dass sich Google und Facebook in Unkosten stürzen und teure Gerichtsprozesse führen werden, um die Grundrechte der Nutzer zu gewährleisten. Das wird dann unsere Aufgabe sein.

Auch der EuGH hat hierzu bereits zweimal festgestellt, dass die Praxis der Vorabfilterung unvereinbar mit dem Grundrecht auf Meinungs- und Infor

mationsfreiheit sei und dass darin auch ein Eingriff in die Privatsphäre bestehe.

Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion lehnt die erneute Brüsseler Spitze, den Angriff der EU auf unsere Meinungs- und Informationsfreiheit strikt ab. Zensur im Internet ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall AfD)

Der Antrag der Jamaika-Koalition findet unsere grundsätzliche Zustimmung. Nach dem darin enthaltenen Bedauern über die Einigung kann dann aber auch gern etwas mehr Aktivität kommen. Ich hoffe, dass das EU-Parlament eine bessere und richtige Entscheidung trifft. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Monat wird das Europäische Parlament endgültig über das neue Urheberrechtsgesetz im Netz entscheiden. Bereits am Wochenende kam es zu großen Demos. Immer mehr junge Menschen, für die das Netz zum Alltag gehört, protestieren für die Freiheit im Netz. Viele Menschen fürchten, dass die Urheberrechtsreform die Kreativität der Nutzer blockieren oder behindern wird.

Um es vorwegzuschicken: Freie Mitarbeiter von Verlagen, Musiker, Designer, Filmschaffende und viele andere haben bislang in Sachen Honorar oftmals das Nachsehen. Allzu unbekümmert wird geistiges Eigentum im Netz missachtet. Die Rechteinhaber schauen dann in die Röhre. Da ihre Kreativität ihre Lebensgrundlage ist, ist das durchaus existenzgefährdend. Doch das, was uns jetzt vorliegt, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Das ist Urheberrechtsschutz mit der Brechstange.

Ich bin nämlich - wie viele Experten - überzeugt, dass die großen Plattformen wie YouTube und Co nur mittels automatisierter Upload-Filter zukünftig die gesetzlichen Bedingungen des neuen europäischen Urheberrechts gewährleisten können. Vernünftige Abkommen zwischen Verwertungsgesellschaften und den großen Plattformen wären aber sicherlich der bessere Weg.

Wenn wir schon beim Weg sind: Leider befinden sich auch die regierungstragenden Fraktionen ein

(Claus Schaffer)

wenig auf dem Holzweg. Ich möchte begründen, warum ich das meine: Ein Parlament - also wir soll die Entscheidung eines anderen Parlaments, das die Entscheidung im Übrigen noch gar nicht getroffen hat, bedauern. - Das ist der Kern des vorliegenden Antrags. Per Resolution die Entscheidung eines frei gewählten Parlaments mit erhobenem Zeigefinder zu kritisieren, ist zumindest unglücklich.

Dass im Antrag die EU in Sachen Freiheit in einem Atemzug mit Russland und China genannt wird, passt auch nicht wirklich. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag gestellt, der in seiner Aussage ganz klar ist: Das EU-Parlament wird gebeten, die Richtlinie so nicht zu beschließen, und die Bundesregierung wird aufgefordert, sich über die EUKommission und im Rat der EU gegen die Richtlinie in der derzeitigen Form zu wenden.

Denn eines ist klar: Diese europäische Urheberrechtsreform ist definitiv falsch. Erstens: Das Netz lebt von der Kreativität und dem Publikationsrecht seiner Nutzer. Heute kommunizieren wir über Bilder und Sequenzen, die ein Einzelner in einen neuen Kontext setzt und die dann in den sozialen Medien kommuniziert werden. So entwickelt sich ein kreativer Austausch, oft über mehrere Zeitzonen und Sprachen hinweg. Nicht das meiste Geld oder die größte Zeitung entscheiden, worüber diskutiert wird, sondern die Bürgerinnen und Bürger. So soll es bleiben.

Zweitens: Derzeit kursiert ein Ausschnitt aus dem Film „Pulp Fiction“, in der die Waffenpolitik der Trump-Regierung kritisiert wird. Ein Upload-Filter würde hier eine Urheberrechtsverletzung erkennen und sofort löschen. Damit werden Kritik und Kommunikation verhindert. Ein Upload-Filter kann gar nicht die Kritik oder die Inhalte bewerten, er ist auf das Erkennen von Urheberrechtsverletzungen programmiert. Damit würden Millionen Botschaften gelöscht und die Kritik gleich mit.

Drittens: Gerade die Gruppen, die einen erschwerten Zugang zu offiziellen Medien haben, nutzen soziale Medien als wichtige Informations- und Veröffentlichungskanäle. Ein Upload-Filter würde zur berühmten Schere im Kopf führen. Bevor ein Inhalt gepostet wird, stellt man sich die Frage, ob damit eventuell ein Urheberrecht infrage gestellt wird. Um sich Arbeit zu sparen, reagiert man dann schon präventiv auf Urheberrechtsverletzungen. Damit beschneiden wir uns selbst. Demokratietechnisch ist das ein völlig falscher Weg.

Viertens: Ein Upload-Filter kann nur funktionieren, wenn er ausreichend Vergleichsmaterial hat. Wel

che Datenmengen da im Hintergrund gesammelt werden müssten, ist bislang noch völlig unklar, und auch die Datensicherheit ist offen. Klar ist dagegen, dass der Stromfresser Internet noch einmal kräftigen Stromdurst entwickeln wird. Das ist auch ökologisch gesehen völlig falsch.

Zusammengefasst ist klar: Upload-Filter als Mittel der Urheberrechtssicherung sind falsch. Die Bundesregierung sollte über die EU-Kommission noch einmal neue Vorschläge einspeisen. Alles ist besser als ein anonymisierter Filter, der die Freiheit im Netz massiv einschränkt. Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt, mit dem wir das Parlament direkt auffordern - und es nicht nur bedauern -, den Beschluss zu überdenken, und unsere Bundesregierung auffordern, dafür Sorge zu tragen - sie hat es bisher nicht getan -, dass das so nicht beschlossen wird, sondern ein neuer Vorschlag kommt. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht, das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe vor dieser neuen sehr umfangreichen Funktion als EU-Abgeordneter an dieser Richtlinie mitgearbeitet.

(Zurufe)

- Ich habe ja noch nicht zu Ende geredet; das kommt noch. - Gemeinsam mit dem EVP-Berichterstatter in meinem Ausschuss, im Innen- und Justizausschuss, habe ich eine Stellungnahme erarbeitet, in der wir uns in allen Punkten ziemlich schnell einig waren. Diese Stellungnahme ist so auch von dem entsprechenden Ausschuss, dem Grundrechteausschuss, verabschiedet und in den Prozess eingebracht worden.

Wir waren uns einig, weil wir uns vor allen Dingen über zwei grundlegende Fragen einig waren: Erstens. Es muss klar sein, dass Urheberinnen und Urheber angemessen vergütet werden müssen, auch im Digitalen, und dass es dazu einer Verpflichtung auch großer Plattformen bedarf, geteilte und geschützte Inhalte zu lizensieren. Das ist eine zentrale Funktion, die in dem ursprünglichen Richtlinienentwurf auch so von der Kommission angelegt wurde.