Protocol of the Session on February 14, 2019

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1255

b) Umsetzung des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2019 in SchleswigHolstein

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1240

c) Bericht der Landesregierung zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2019

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/1141

d) Bericht über die Schleswig-Holstein-Büros und Hanse-Offices im Ostseeraum: Bisherige Tätigkeit (2016 - 2018) und weitere Planung (bis 2021)

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/1143

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack.

1 Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt als Anlage bei

(Präsident Klaus Schlie)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon sportlich - wir haben das eben beim Herrn Präsidenten schon gehört -, gleich vier Tagesordnungspunkte in einer fünfminütigen Rede abzuhandeln. Das ist jetzt meine Aufgabe. Gleichwohl sind es die Themen wert.

Beginnen will ich mit dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2019. Mit ihrem Bericht kommt die Landesregierung dem zwischen Landtag und Landesregierung vereinbarten Verfahren zur gemeinsamen Identifizierung der landespolitischen Schwerpunkte aus dem jährlich von der EU-Kommission vorgelegten Arbeitsprogramm für das nächstfolgende Jahr nach. Bei unserer Aussprache über das letzte Kommissionsarbeitsprogramm im Januar 2018 hatte ich gesagt, das Jahr 2018 verspreche, ein spannendes zu werden - für die Europäische Union, aber auch für Schleswig-Holstein. Ich hatte die Brexit-Verhandlungen als größte Herausforderung genannt.

Dass wir heute, ein Jahr später, immer noch nicht wissen, ob es noch eine Last-minute-Verständigung über den Austrittsvertrag gibt oder die EU wie Großbritannien ungeregelt in einen harten Brexit stolpern werden, hätten wir so wohl nicht gedacht. Das zeigt, dass die im Arbeitsprogramm der Kommission für 2018 benannten Schwerpunkte auch weit ins Jahr 2019 die politische Debatte in Brüssel bestimmen werden. Das gilt vor allem für den mehrjährigen EU-Finanzrahmen 2021 bis 2027 und die Mittelausstattung der wichtigsten EU-Förderprogramme.

Mit ihrem aktuellen Arbeitsprogramm nimmt die EU-Kommission Rücksicht auf das Ende ihres eigenen Mandats im Herbst und auf die Neuwahlen des Europäischen Parlaments Ende Mai. Es umfasst daher nur eine begrenzte Anzahl neuer Initiativen. Diese sind eher strategisch an die zehn politischen Prioritäten angelehnt, die Kommissionspräsident Juncker 2014 vorgelegt hat. Ein mehr umsetzungsorientiertes Arbeitsprogramm der nächsten EU-Kommission dürfte erst zum Jahreswechsel 2019/2020 zu erwarten sein.

Zum zweiten Punkt der Debatte: Alle drei Jahre legt die Landesregierung einen Bericht über die Schleswig-Holstein-Büros und Hanse-Offices im Ostseeraum vor. Die im Berichtszeitraum 2016 bis 2018 wichtigsten Ereignisse waren die Zwangsregistrierung des vormaligen Hansebüro-SH-Informationsbüros in Kaliningrad als ausländischer Agent durch

die Moskauer Zentralregierung im Mai 2016 und im Nachgang dazu die Auflösung des Büros und dessen Neugründung in einer neuen Rechtsform nach russischem Recht als Hanse-Office Kaliningrad - das erklärte Ziel dabei war, einer erneuten Einstufung als ausländischer Agent nach der Gesetzgebung der russischen Föderation zu entgehen sowie die Schließung des Hanse-Office Danzig Ende 2016, nachdem der bestehende Vertrag vom örtlichen Träger, das war die Handwerkskammer Pommern, gekündigt wurde. Trotz intensiver Bemühungen konnte kein neuer örtlicher Träger für das Beschäftigungsverhältnis mit dem Leiter des HanseOffice Danzig gefunden werden.

Darüber hinaus sind die zuvor eigenständigen Schleswig-Holstein-Büros in Tallinn, Riga und Vilnius zum ersten Januar 2017 zum SH-Büro Baltikum mit Sitz in Tallinn und Außenstellen in Riga und Vilnius umgewandelt worden. Sie wurden damit an die Organisationsstruktur der deutsch-baltischen Handelskammer als örtlichen Träger angepasst. Einhergehend konnten so die Kosten um rund 50 % reduziert werden, jedoch scheint das aus den 90er-Jahren stammende Konzept der SH-Büros in die Jahre gekommen zu sein. Die Nachfrage nach Dienstleistungen und Beratungen der Büros nimmt spürbar ab. Mögliche Gründe dafür sind, dass sich seitdem die digitale Kommunikation enorm weiterentwickelt hat, auch sind Nachbarstaaten wie Polen und die baltischen Staaten längst im EU-Binnenmarkt angekommen. In der Ostseeregion finden heute Unternehmen, Verbände und viele andere Akteure über das dichte multilaterale Netzwerk der Ostseekooperation leichter und erfolgreicher die richtigen Partner für ostseeweite Projekte.

Entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag habe ich daher eine Evaluation der Nutzung der Dienstleistung der bestehenden Büros eingeleitet. Dabei sollen auch Optionen für deren effektivere Nutzung geprüft werden, um unsere Landesinteressen im Ostseeraum auch weiterhin zu wahren. Diese Evaluation ist ergebnisoffen, doch sollten wir nicht die Augen verschließen, falls wir erkennen, dass das 90er-Jahre-Konzept der bilateralen Partnerschaften nicht mehr zeitgerecht erscheint.

Eine Bemerkung mit Blick auf den vorliegenden Antrag: Im Rahmen der Konferenz der Subregionen des Ostseeraums arbeiten Schleswig-Holstein und die polnischen Woiwodschaften Pommern und Westpommern gut und erfolgreich zusammen. Gleiches gilt für das im Rahmen der EU-Ostseestrategie von meinem Haus und dem polnischen Kulturministerium koordinierte Politikfeld Kultur. Partner

aus Schleswig-Holstein und auch der Stadt Danzig arbeiten hier konstruktiv und engagiert in multilateralen Vorhaben, Projekten und Initiativen zusammen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich erteile für die CDU-Fraktion dem Abgeordneten Harmut Hamerich das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher! Die Europawahl steht an. Woran merkt man das besonders? - Europapolitische Tagesordnungspunkte sind nicht nur auf der Tagesordnung einer Landtagstagung, sie bleiben sogar darauf, und - man höre und staune - wir reden sogar darüber. Mein Dank gilt in erster Linie dem Herrn Landtagspräsidenten. Durch seine Einführung hat er mir schon viereinhalb Minuten Redezeit erspart, da ich das nicht alles habe aufzählen müssen.

Sie sehen, dass ein bunter Strauß an Themen hier ansteht. Jedes für sich wäre schon fast einen fünfminütigen Redebeitrag wert.

(Beifall Klaus Jensen [CDU], Regina Po- ersch [SPD] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Ich darf zu Anfang natürlich nicht vergessen, sehr verehrte Frau Ministerin, erst einmal meinen Dank an das Europaministerium für die beiden Berichte auszusprechen, sowohl für das Arbeitsprogramm der EU-Kommission als auch für die Darstellung der Arbeit in den Hanse-Offices. Die jährliche Aufgabe, das anstehende Arbeitsprogramm der EUKommission auszuwerten, führte Gott sei Dank wieder einmal dazu, dass wir fraktionsübergreifend einen Antrag gestellt haben. Jeder, der den Antrag gelesen hat, hat festgestellt, dass wir aus dem Anhang 1 die Punkte 2, 3, 4, 12 und 15 - Sie ersparen mir, die Titel zu nennen, weil das von der Zeit nicht hinkommen würde - und aus dem Anhang 3 die Positionen 30 und 75 in den Fokus genommen haben. Das findet Widerhall in unserem gemeinsamen Antrag. Wir haben uns darauf verständigt - das macht, so glaube ich, auch Sinn -, dass wir die für Schleswig-Holstein relevanten Themen als Schwerpunkte festgesetzt haben und nicht den gesamten Strauß der Arbeitsaufträge der EU-Kommission auf die Agenda gesetzt haben. Das würde uns, so glaube ich, auch ein Stück weit unglaubwürdig machen.

Der Bericht über die Schleswig-Holstein-Büros und Hanse-Offices zeigt auf der anderen Seite aber auch einmal die zurückgehende Bedeutung der Büros im östlichen Ostseeraum. Die Ministerin ist darauf eingegangen. Die Gründe hierfür sind sicherlich die Weiterentwicklung nach dem Fall der Mauer und der Westöffnung, dann die EU-Mitgliedschaften im Baltikum und die fehlenden Parlamentspartnerschaften in Kaliningrad sowie die sogenannte Zwangsregistrierung als ausländischer Agent. Auch darauf ist die Ministerin eingegangen.

In Polen ist 2018 das Hanse-Office in Danzig geschlossen worden, und dem Bericht zufolge haben wir feststellen müssen, dass es dort im Moment keine Möglichkeit gibt, eine Weiterentwicklung zu betreiben. Ich möchte aber jetzt noch etwas intensiver auf den Antrag der AfD-Fraktion zur Zusammenarbeit mit Polen eingehen. Möglicherweise liegt es daran, dass man noch nicht so lange im Parlament ist: Seit 2004 haben wir partnerschaftliche Verträge mit den Sejmiks in Westpommern und Pommern und ergänzend auch mit Ermland-Masuren. Hieraus ist das PSO, das Parlamentsforum Südliche Ostsee, entstanden. In diesen multilateralen Konferenzen unter Einbindung von Mecklenburg-Vorpommern, der Hamburger Bürgerschaft und des Regionalrats Schonen ist da etwas gewachsen, was wirklich positive Auswirkungen auf die Region der südlichen Ostsee hat.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wir haben weitere Beteiligungen im Bereich der BSPC, wir haben wichtige und persönliche politische Kontakte gepflegt und ausgebaut, ich erinnere an die Konferenzen sowohl der BSPC als auch des PSO, die letzte war in Ermland-Masuren. Wir sind jetzt bei der BSPC in Marienhamn gewesen und werden in diesem Jahr in Oslo sein.

Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, dass auf Initiative des Landtagspräsidenten ein Zusammentreffen der europapolitischen Sprecher dieses Parlaments mit dem Europaausschussvorsitzenden und seinem Stellvertreter, natürlich unter Beteiligung des Landtagspräsidenten, mit Westpommern und Pommern in diesem Jahr - ich meine, vom 4. bis 8. Juni 2019 - stattfindet; die Vorgespräche haben stattgefunden, die Einladung ist ausgesprochen. Ich gehe davon aus, dass es ein ähnliches Gespräch mit Ermland-Masuren in nächster Zukunft geben wird. Ich freue mich auf die Gespräche. Das zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind und sich damit der vorgelegte Antrag der AfD erledigt hat. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack)

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Regina Poersch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tradition der Hanse-Offices im Ostseeraum währt nun schon fast 30 Jahre. Noch viel länger hat die Ostseekooperation insgesamt für Schleswig-Holstein einen hohen Stellenwert. Unser Land hat nach dem Ende des Kalten Krieges die Entwicklung der heutigen Strukturen der Ostseekooperation entscheidend mitgeprägt. Wir pflegen den Austausch mit allen Ostseeanrainern in allen wichtigen politischen und gesellschaftlichen Bereichen und nicht nur in einzelnen ausgewählten Regionen, wie der AfD-Antrag es will.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Unser Land hat Impulse gesetzt bei der integrierten Meerespolitik ebenso wie im E-Health-Bereich; bei der Umsetzung der EU-Ostseestrategie verantworten wir den Kulturbereich. Dass Schleswig-Holsteins Ostseepolitik mit Kontinuität und Beharrlichkeit über so viele Jahre erfolgreich ist, daran haben auch unsere Repräsentanzen einen nicht geringen Anteil.

(Beifall Sandra Redmann [SPD] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Frau Ministerin, auch das gehört in die Waagschale, wenn man evaluiert.

Eine besondere Bedeutung kommt der Partnerschaft des Schleswig-Holsteinischen Landtags mit der Kaliningrader Gebietsduma zu, weil sie zum einen älter ist als zum Beispiel das Parlamentsforum Südliche Ostsee und weil zum anderen eine besondere Situation hinzukommt: Russland, nicht EU-Mitglied, aber EU-Nachbar, Drehscheibe nach Asien, nicht nur wegen der unterschiedlichen Bahnspurbreiten.

(Martin Habersaat [SPD]: Seidenstraße!)

Im nächsten Jahr feiern wir das 20-jährige Jubiläum. Ich freue mich sehr, dass der Europaausschuss aus diesem Anlass auf unsere Anregung eine gemeinsame Sitzung mit dem Ausschuss für internationale und interregionale Beziehungen der Kaliningrader Gebietsduma durchführen wird.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Der Arbeitskreis Europa meiner Fraktion hat sich im vergangenen September vor Ort ein Bild über die wichtige Arbeit im Hanse-Office Kaliningrad gemacht. Über wirtschaftliche und kulturelle Netzwerke hinaus werden hier Schulen bei ihren internationalen Austauschen unterstützt, haben Vereine wie „Chance“, der Waisenkindern ein Zuhause und eine Perspektive gibt, Ansprechpartnerinnen und -partner und Türöffnerinnen und Türöffner.

Ich bin unserer früheren Europaministerin Anke Spoorendonk ebenso wie der amtierenden Europaministerin Dr. Sütterlin-Waack ausgesprochen dankbar für ihren Einsatz für den Fortbestand des Hanse-Office Kaliningrad, dass sie sich trotz aller Widrigkeiten - Sie haben es beschrieben, Frau Ministerin - dafür einsetzen. Diesen Einsatz wünsche ich mir gemeinsam auch für die Zukunft.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Erfolgsgeschichte einer umfassenden schleswig-holsteinischen Ostseepolitik wollen wir fortsetzen. Ich freue mich über unser gemeinsames Bekenntnis dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.

Mit demselben Blick über den Tellerrand, mit dem wir unsere Ostseepolitik verfolgen, entgeht uns auch kein Vorhaben der Europäischen Kommission. Auch für dieses Jahr haben wir gemeinsam die für Schleswig-Holstein relevanten Themen identifiziert. Das hat bei uns Tradition, nicht nur im Jahr einer Europawahl. Aber gerade in diesem Wahljahr ist es von großer Bedeutung, sich ein paar Vorhaben der Europäischen Kommission etwas genauer anzusehen, und zwar alles, was Europa den Menschen näherbringt. Beispiel Klimaschutz: Anders als von interessierter Seite behauptet, lässt sich Klimaschutz auf keinen Fall und nie mehr wieder national angehen. Europäische und globale Lösungen müssen her, wenn unser Planet eine Chance haben soll.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aber leider haben Desinformationskampagnen Konjunktur, beim Klimaschutz wie beim Brexit. Gegen gezielte Desinformationen anzugehen ist ebenso wie das Vorhaben, Europa zu vermitteln unsere zentrale Aufgabe, nicht nur, aber vor allem in diesem Wahljahr.