Protocol of the Session on February 13, 2019

Dass dies bei uns nun auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, ist ganz im Sinne der Kommunen und der Verkehrsunternehmen. Damit wird die Finanzierungsgrundlage langfristig gesichert, und das schafft Finanzierungssicherheit für die kommunale Ebene.

Auch der SSW hat dem schlanken parlamentarischen Verfahren mit einem verkürzten Anhörungs

verfahren im Ausschuss zugestimmt. Die kommunalen Landesverbände haben in ihrer Stellungnahme die Fortführung der Förderung ausdrücklich begrüßt. Kritisch sehen sie jedoch das zweistufige Antragsverfahren und fehlende Planungssicherheit aber das konnte ja in der Zwischenzeit geklärt werden. Trotzdem sollten wir in ein paar Jahren eine Evaluierung des Gesetzes vornehmen, vornehmlich um zu sehen, wie das Gesetz von der kommunalen Ebene angenommen wurde und inwieweit bürokratische Formalitäten abgebaut werden können.

Was wir dabei auf jeden Fall in Angriff nehmen müssen, ist die Förderung der Sanierung von Fahrradwegen. Das ist für mich klar. Die rechtlichen Vorgaben hierzu - unter anderem die 2,5-m-Regelung - werden nämlich dazu führen, dass die Kommunen einen erheblichen Teil ihrer Radwege nicht sanieren werden. Das halten wir für einen grundsätzlichen Fehler. Damit schaffen wir einen zusätzlichen kommunalen Sanierungsstau. Das kann so nicht gewollt sein.

Wir werden dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Wir sehen, dass es für die kommunale Ebene keine Alternative gibt. Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass wir eine Evaluierung des Gesetzes absolut für angebracht halten. - Jo tak.

(Beifall SSW und Dennys Bornhöft [FDP])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf Drucksache 19/1005 unverändert anzunehmen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

(Beifall CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Unabhängige Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderung finanziell unterstützen

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1153 (neu)

Förderung von Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderung

(Flemming Meyer)

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1253 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die AfDFraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Wie in so vielen Bereichen sind auch die Aufgaben der Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderung in den letzten Jahren mehr geworden, und sie sind komplexer geworden. Deswegen beantragen wir, dass diese Vereine künftig finanziell stärker unterstützt werden. Wir beantragen die Schaffung eines Fonds, durch den insbesondere die Arbeit von kleinen, wohlfahrtsverbandunabhängigen Initiativen dauerhaft sichergestellt werden soll, und zwar ohne dass diese einen Eigenanteil erbringen müssen.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Jeder Mensch hat ein Recht auf Selbstbestimmung und eine eigenständige Lebensplanung. Genau darüber sollte er adäquat informiert werden. Überlegt man, wie dieser Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung am besten vermittelt werden kann, kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass dies dann der Fall ist, wenn Menschen mit Behinderung nicht von irgendwem, sondern von Menschen beraten werden,

(Unruhe - Glocke Präsident)

die ebenfalls eine Behinderung haben. Dieses Beratungskonzept, auch als Peer Counseling bezeichnet, ist natürlich nicht neu, aber in der Praxis steckt es in Schleswig-Holstein noch immer in den Kinderschuhen. Der Bund fördert diese Idee durch Mittel der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung, kurz EUTB. Die bereitgestellten Mittel reichen aber nicht aus, vor allem nicht für die Arbeit, die tatsächlich erbracht werden muss. Dazu gleich noch Genaueres.

Nun gibt es auch Mittel im Rahmen des neuen Sozialvertrags. Diese kommen aber nur den großen Wohlfahrtsverbänden zugute. Für die kleinen, wohlfahrtsverbandunabhängigen Initiativen bleiben letztlich nur Mittel aus dem Programm zur Förderung allgemeiner sozialer Maßnahmen. Sie wissen, für diesen Haushaltstitel sind im Jahr 2019 von der Landesregierung 90.600 € vorgesehen, deutlich

mehr als letztes Jahr. Bedenkt man aber, dass diese Summe auf 10 bis 15 Projekte verteilt werden muss, kann sich jeder ausrechnen, wie wenig für eine einzelne Initiative herauskommt.

Um unser Anliegen ein wenig konkreter zu beschreiben, möchte ich auf die Arbeit des Vereins Zentrum für selbstbestimmtes Leben, ZSL, aus Kiel kommen. Es handelt sich um einen kleinen Verein, der sich als Selbstvertretungsorganisation von Menschen mit Behinderung versteht und unabhängig von den großen Wohlfahrtsverbänden arbeitet. Dieser Verein hat im letzten September vergeblich rund 37.000 € pro Jahr für die Schaffung einer halben Stelle bis 2021 beantragt. Dadurch sollte es möglich werden, dass der Verein die Öffentlichkeitsarbeit ausbaut. Bis heute wird diese Arbeit nämlich on top und ehrenamtlich geleistet. Das ist mit viel Aufwand verbunden. Es ist wichtig, dass Menschen mit Behinderung nicht irgendwo beraten werden, sondern dort aufgesucht, beraten und empowered werden, wo sie leben, in ihren Wohngruppen, in Vereinen, an ihren Treffpunkten. Sie sollen keinesfalls als Bittsteller in Behörden oder Ämtern vorstellig werden müssen.

Nach den letzten Informationen, die uns vorliegen, hat das Sozialministerium jetzt teilweise eingelenkt, was wir außerordentlich begrüßen. So sollen ab 1. März 2019 bis zum Jahresende rund 30.000 € zur Schaffung dieser halben Stelle bewilligt worden sein. Das löst aber nicht die grundsätzlichen Probleme. Es ist eher ein Tropfen auf den heißen Stein.

Meine Damen und Herren, für die Arbeit aller kleinen, unabhängigen Träger der Behindertenhilfe sollten dauerhaft projektunabhängige Mittel bereitgestellt werden, sodass die Arbeit, die bereits geleistet wird, weil sie geleistet werden muss, ihre Wertschätzung erfährt. Ich bitte Sie deswegen, unseren Vorschlag eines einzurichtenden Fonds aufzunehmen und im Ausschuss weiter zu beraten. Vielleicht gelingt so etwas Ähnliches wie der Fonds für Barrierefreiheit im Kleinen.

In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich, dass die Jamaika-Koalition unseren Antrag im Prinzip inhaltlich voll übernommen hat und dem auch SSW und SPD beigetreten sind. Damit wird anerkannt, dass hier tatsächlich ein Handlungsbedarf besteht. Die skizzierten Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Peer Counseling und Empowerment, also der niedrigschwelligen Beratung von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung, können durch Einrichtung des Fonds, den wir vorschlagen, und die entsprechenden Förderrichtlinien dauerhaft behoben werden. Die bis

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

lang vorbildliche Arbeit des ZSL verdient, dass dieses Beispiel Schule macht. Ich bitte Sie deswegen um Ausschussüberweisung beider Anträge in den Sozialausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Andrea Tschacher das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! In Schleswig-Holstein leben rund eine halbe Million Menschen mit einer anerkannten Behinderung, die zugleich im Besitz eines Behindertenausweises sind. Diese Menschen stehen noch immer täglich vor Schwierigkeiten, am öffentlichen Leben teilzuhaben. Sie haben aber ein Recht darauf. Auch werden sie oftmals durch faktische Unwissenheit noch immer benachteiligt, und genau das darf nicht passieren.

Es zu ermöglichen, selbstbestimmt am alltäglichen Leben teilzunehmen, ist ein wesentliches Grundbedürfnis sowohl von Menschen mit Behinderung wie auch von Menschen ohne Behinderung.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Daher ist es der CDU-Landtagsfraktion und mir als fachpolitischer Sprecherin für Menschen mit Behinderung gleichermaßen wichtig, weiterhin daran motiviert und aktiv mitzuwirken, dass alle Menschen in einem Umfeld leben und arbeiten können, das auf ihre jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtet ist. Jeder Mensch soll sich nützlich fühlen dürfen und seinen festen Platz in der Gesellschaft finden. Die UNBehindertenrechtskonvention machte bereits im Jahr 2006 deutlich: Inklusion ist ein Menschenrecht.

Wie ist nun die derzeitige Situation in SchleswigHolstein? Was können und was müssen wir tun? Aufgabe der Politik ist es, das Selbstverständnis und Fähigkeiten zu fördern und somit das Selbstbewusstsein von Menschen mit Behinderung. Bestehende Hürden müssen weiterhin beseitigt werden, eben auch die in den Köpfen - angefangen von der Barrierefreiheit, die vielfach noch nicht an allen öffentlichen Orten gegeben ist, bis zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und auf dem Arbeitsmarkt. Die Jamaika-Koalition geht mit gutem Beispiel voran und zeigt, dass es ihr mit der

Teilhabe und den Anliegen der Menschen mit Behinderung ernst ist.

Und wir haben bereits angepackt. Ich nenne hier den Fonds für Barrierefreiheit und das erste Teilhabestärkungsgesetz. Das zweite Teilhabestärkungsgesetz und ebenso die Überarbeitung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes befinden sich bereits im Verfahren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Vereine, Verbände, Stiftungen, Behindertenbeauftragte der Städte und der Kreise und natürlich der Landesbehindertenbeauftragte Ulrich Hase sind wichtige Parameter auf dem Weg zu einer selbstverständlich gelebten Inklusion.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es gibt darüber hinaus aber auch Menschen, die sich selbst organisieren wollen und andere mitnehmen. Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen sind daher wichtige Ansprechpartner für Menschen mit Behinderung. Sie tragen einen ganz wesentlichen Teil dazu bei, die Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderung zu verbessern.

Diese Arbeit und dieses Engagement sind jedoch immer auch mit finanziellen Maßnahmen und Aufwendungen verbunden. Hier jedoch stoßen die Institutionen und deren Beteiligte oft an ihre Grenzen. Für dieses Engagement sind nicht nur Bundesgelder wie mit dem Programm EUTB geschaffen worden, sondern auch im Landeshaushalt sind für das Jahr 2019 entsprechende Projektfördermittel eingestellt.

Die CDU-Landtagsfraktion unterstützt unabhängige Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzen. Das haben wir in der Vergangenheit getan, und diesen Weg werden wir auch in der Zukunft weiter fortführen.

An die Kollegen der AfD gerichtet: Erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, die Jamaika-Koalition würde unabhängige Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen nicht unterstützen. Ein Blick in den Landeshaushalt wird Ihnen dabei helfen.

(Beifall CDU und FDP)

Wir stehen weiterhin fest an der Seite der Menschen mit Behinderung und deren Interessenvertreter. Sie sind diejenigen, die tagtäglich in Berührung mit Barrieren aller Art kommen, die eben auch wissen, wovon sie reden. Sie sind ebenso diejenigen, die das Leben von Menschen mit Behinderung in

(Dr. Frank Brodehl)

Schleswig-Holstein mittel- und langfristig verbessern und Inklusion vorantreiben.

Gelebte selbstverständliche Inklusion, das ist das, was uns ein Herzensanliegen ist und woran wir mit aller Kraft und Energie weiter arbeiten.

(Beifall Klaus Schlie [CDU] und Bernd Hei- nemann [SPD])