Protocol of the Session on February 13, 2019

Der Küstenschutz entwickelt sich immer weiter. Daher muss es darum gehen, die Forschung, Erpro

bung und wissenschaftliche Begleitung von alternativen Küstenschutzmaßnahmen zu fördern. Nur so können wir Alternativen für die Zukunft entwickeln, zwischen denen wir dann abwägen können. Aber dafür muss vor Ort weiter geprobt und untersucht werden, was in der Praxis auch bestehen kann.

Das Bild des Küstenschutzes in Schleswig-Holstein gestaltet sich vielfältig. Hauptsächlich ist dieses Bild von der Westküste geprägt. Wir haben die vorgelagerten Inseln und Halligen, dann das Vorland mit seinen landgewinnenden Küstenschutzanlagen sowie die kilometerlangen Deiche, die sich durch die flache Marsch ziehen, dahinter die Köge und die älteren Deichlinien. Das sind die prägenden Elemente, die sich entlang der Westküste ziehen.

Ganz anders sieht es an der Ostküste aus. Aufgrund der morphologischen und hydrologischen Gegebenheiten hat sich der Küstenschutz dort in weiten Teilen anders entwickelt als an der Westküste. Wir haben dort ein strukturreiches Relief und ein höheres Gelände, das einen natürlichen Küstenschutz darstellt. In den Bereichen der Küste, die ungeschützt sind, haben wir ein System bestehend aus Landesschutz- und Regionaldeichen. Zusätzlich zum Hochwasserschutz haben wir aber auch an der Ostküste entsprechende Längs- und Querwerke in unterschiedlichsten Bau- und Unterhaltungszuständen. Der Fachplan Ostseeküste gibt darüber entsprechend Aufschluss.

Wenn wir heute über eine Strategie für die schleswig-holsteinische Ostküste sprechen, dann kann dies unserer Ansicht nach nur auf der Grundlage des bestehenden Fachplans geschehen. Wir wissen, welche Schäden die Sturmflut zu Beginn des Jahres an den Küstenregionen angerichtet hat, und wir stellen fest, dass der Fachplan für diese Bereiche eindeutig Lücken aufweist, was bedeutet, dass der Fachplan eine Überarbeitung benötigt. Auch er muss dem technischen Stand angepasst werden, unter Beachtung der sich ändernden Herausforderungen. Das gilt es unverzüglich anzugehen, wenn wir über eine Strategie reden.

Jede Fachplanung ist aber nur so gut wie ihre Umsetzung. Das heißt, dann müssen die im Fachplan vorgeschlagenen Maßnahmen auch umgesetzt werden. Wie gesagt: Der Küstenschutz hat bei uns in Schleswig-Holstein Vorrang vor anderen Nutzungen und Interessen. Das müssen wir uns immer wieder bewusst machen. In der Konsequenz heißt das, dass touristische oder naturschutzfachliche Interessen dem Küstenschutz nachzuordnen sind. Nur so können wir langfristig einen Küstenschutz ge

(Flemming Meyer)

währleisten, der uns und speziell die betroffenen Kommunen an der Ostküste nicht alle naselang vor das Problem so heftiger Sturmflutschäden stellt.

Mir ist durchaus bewusst, dass dies Konfliktpotenzial beinhaltet, denn die Nutzungsansprüche an die gesamte Küsten- und Meeresregion werden weiter zunehmen: Küstenschutz, Offshore-Windparks, Fischerei, Naturschutz oder Tourismus - all dies beinhaltet Konfliktpotenziale, wenn sich die verschiedenen Interessen zeitlich und räumlich überschneiden.

Klar ist, dass wir nicht jedes Jahr einen Sonderfonds auf die Beine stellen können, um Sturmschäden zu beheben. Wir als SSW stehen aber zu unserer Forderung, dass den betroffenen Kommunen schnell geholfen werden muss. Dafür muss das Land Gelder zur Verfügung stellen, die dann nach einem entsprechenden Modus - vergleichbar mit dem von 2017 - an die betroffenen Kommunen verteilt werden. Daher begrüßen wir, dass das Land den betroffenen Kommunen jetzt 1 Million € zugesichert hat, damit zumindest die gröbsten Schäden schnell beseitigt werden können. Ob das Geld reicht, muss man abwarten.

Das ist die kurzfristige Lösung. Langfristig müssen wir neu denken und nachhaltige Maßnahmen auf den Weg bringen. Der Fachplan Ostküste muss daher angepasst werden, und vor allem muss er dann auch umgesetzt werden. Das ist die einzige Strategie, die wirklich etwas bringt und nachhaltig ist. Jo tak.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit erkläre ich den Tagesordnungspunkt Regierungserklärung für -

(Jörg Nobis [AfD]: Wir haben noch Restre- dezeiten!)

- Man muss sie nicht in Anspruch nehmen. Bisher hat sich niemand mehr zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, natürlich haben Sie für die Restredezeit jetzt das Wort, bitte.

(Unruhe)

Sehr geehrter Herr Präsident! - Ich habe noch 7 Minuten, ich kann noch lange reden, Herr Stegner.

(Zurufe)

Ab heute wissen wir immerhin, was eine Regierungserklärung kostet. 1 Million € reicht für eine Regierungserklärung. Nur schade, dass das schon gestern bekannt war. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass sich die Reihen bei der CDU und vor allem bei der SPD für die eine oder andere Cappuccino-Pause gelichtet haben.

(Unruhe)

Herr Minister Albrecht, ich habe einmal mitgezählt: siebenmal das Wort Klimawandel, dreimal der böse ansteigende Meeresspiegel und dreimal Klimaschutz.

(Zurufe)

Wir sind uns sicherlich einig, dass sich das Klima wandelt und dass wir uns auf die Änderung der Natur einstellen müssen. Der Küstenschutz gehört natürlich dazu. Beim Klimaschutz gehen unsere Meinungen allerdings weit auseinander; das ist kein Geheimnis, da verrate ich Ihnen nichts Neues.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, Sturmfluten und Hochwasser gab es in Schleswig-Holstein schon, bevor die Grünen den Klimawandel und den Meeresspiegelanstieg zum Hysteriethema Nummer eins gemacht haben.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh, oh!)

Fast auf den Tag genau vor 657 Jahren, im Jahr 1362, gab es in Schleswig-Holstein die Zweite Marcellusflut, auch bekannt als die Grote Mandränke. Dabei ging die Stadt Rungholt unter - zur damaligen Zeit übrigens bedeutender als die Stadt Hamburg. Schon im 11. Jahrhundert - daran wird sich Herr Harms wahrscheinlich noch aus alten Familienerzählungen erinnern - haben die Friesen mit dem Deichbau in Schleswig-Holstein angefangen.

(Werner Kalinka [CDU]: Wir sind jetzt schon ein paar Jahre weiter!)

Herr Voß, mir konnte bei der ganzen Klimawandeldiskussion noch niemand schlüssig erklären - auch Sie haben ja gesagt: Klimawandel, Klimawandel, Klimawandel -, wie es zum Ende der letzten Eiszeit kam.

(Zuruf Birgit Herdejürgen [SPD])

Menschengemacht war der damalige extreme Klimawandel bestimmt nicht, der vor 12.000 Jahren eingesetzt hat.

(Flemming Meyer)

(Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlagen Sie ein Schulbuch auf!)

Die Elbe war ein Gletscherfluss, Kiel lag damals unter einem dicken Eispanzer, und niemand weiß, warum wir heute so eine schöne Warmzeit haben. Wir sehen also, dass sich Klima und Meeresspiegel in der Erdgeschichte immer schon gewandelt haben, nicht selten auch relativ schnell innerhalb von wenigen Jahrzehnten.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich persönlich bin froh darüber, dass wir heute in einer Warmzeit leben und nicht in einem Glazial. Sonst wäre es nicht so schön in Schleswig-Holstein.

Herr Minister, Sie aber benutzen eine für den norddeutschen Winter völlig gewöhnliche Sturmflut an der Ostseeküste, um wieder einmal Ihre ideologisch getriebene Hysteriepolitik vom Klimawandel an den Mann oder an die grüne Frau zu bringen.

(Zurufe)

Den höchsten jemals gemessenen Jahreshöchstwasserstand an der Ostsee in Travemünde gab es im Jahr 1872 mit 3,25 m über Normalhöhennull.

(Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das war weit vor den großen CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken oder Autoverkehr. Ein so hoher Wasserstand wurde seitdem nie wieder erreicht. Wir sollten aufhören, alle Menschen ständig mit dem Klimawandel verrückt zu machen. Das Klima wandelt sich, ja, und wir müssen uns darauf einstellen; das ist Fakt. Die Landesregierung hat heute die Bereitstellung von 1 Million € als Soforthilfe angekündigt. Das ist löblich; dem stimmen wir zu; das finden wir gut; es ist aber auch nicht viel mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein angesichts der Schäden, die Gemeinden an der Ostseeküste zu verzeichnen haben.

Herr Abgeordneter Nobis, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Petersdotter?

Nein, er soll einen Dreiminutenbeitrag daraus machen; dem lausche ich dann gern.

Meine Damen und Herren, Sie können es im dritten Infrastrukturbericht der Landesregierung schwarz auf weiß nachlesen: Beim Küstenschutz gibt es in

Bezug auf die Landesschutzdeiche - Herr Schnurrbusch hat das eben gesagt - eine Finanzierungslücke von mindestens 110,5 Millionen €. Wir wissen, dass die meistens an der Westküste liegen, aber es gibt auch einige Landesschutzdeiche an der Ostküste und im Norden Fehmarns.

Die letzte Sicherheitsüberprüfung der Landesschutzdeiche im Rahmen der Fortschreibung des Generalplans Küstenschutz des Landes SchleswigHolstein hat ergeben, dass 93,6 km der Landesschutzdeiche den aktuellen Sicherheitsstandards nicht genügen und verstärkt werden müssen. Das sind die Klimadeiche, von denen Sie sprachen. Fast jeder vierte Kilometer der insgesamt 433 km Landesschutzdeiche entspricht nicht den notwendigen Sicherheitsstandards und muss verstärkt werden! Das ist - da sind wir uns einig - eine der großen Aufgaben für den Küstenschutz in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren.

Der Handlungsbedarf ist also enorm. Ich bin gespannt, ob Sie die Mittel für den Küstenschutz und Deichbau über die 1 Million € Soforthilfe hinaus in den kommenden Haushalten aufstocken werden. Denn eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die nächste Sturmflut kommt bestimmt, ob an Nord- oder Ostsee. Ich hoffe, sie kommt noch vor den Russen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit erkläre ich den Tagesordnungspunkt Regierungserklärung für beendet.

Die Parlamentarischen Geschäftsführungen haben sich darauf verständigt, vor der Mittagspause noch den Tagesordnungspunkt 7 zu behandeln, den ich hiermit aufrufe:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (Brexit-Über- gangsgesetz - BrexitÜG)