Protocol of the Session on January 25, 2019

fen, um die Massen zu bewegen, ist politische Bildung wichtiger denn je.

Es gab vor Kurzem eine Analyse der Bertelsmann Stiftung zur Demokratiebildung an Schulen. Das Ergebnis fand ich erschreckend: Bei nur 3,4 % der Befragten konnte eine hohe Intensität schulischer Demokratiebildung beobachtet werden. Da müssen wir besser werden! Wir brauchen mehr politische Bildung an Schulen.

Um die Lehrkräfte bei der Demokratiebildung zu stärken, ist es ist von zentraler Bedeutung, dass wir als Parlament und als Gesellschaft insgesamt die Lehrkräfte dabei unterstützen, die demokratische Meinungsvielfalt an den Schulen zu erhalten. Und das tun wir! Wir stellen uns Einschüchterungsversuchen, zum Beispiel durch Meldeportale demokratiefeindlicher Kräfte, entschieden entgegen und geben den Lehrkräften Rückendeckung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, vereinzelt CDU und FDP)

Diese Rückendeckung gibt auch das Jahr der politischen Bildung.

Jetzt kommen wir dazu, was wir machen und was wirklich effektiv ist in der politischen Bildung: Nach 70 Jahren Demokratie mit Frieden in der EU merken wir, dass es Kräfte gibt, die den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft mit Hass und dem Schüren von Ängsten spalten wollen. Populismus ersetzt Argumente, einfache Antworten ersetzen differenzierte Diskussionen.

Dagegen wollen wir unsere Kinder und Jugendlichen starkmachen. Karin Prien hat viele gute, moderne Projekte geplant. Das ist richtig; denn es braucht Formate, mit denen Schülerinnen und Schüler etwas anfangen können - Politik zum Anfassen, nicht abgehoben.

Ich habe in meiner Heimatgemeinde ein Planspiel Kommunalpolitik an einer Schule mitgemacht, wo die Schülerinnen und Schüler Anträge erarbeitet, beraten und beschlossen haben. Einer der Anträge war die Einrichtung eines Grillplatzes an einem See. Der Antrag wurde in den Jugendbeirat eingebracht. Dieser brachte ihn in die Gemeindevertretung - und er wurde genehmigt. Der Grillplatz entstand innerhalb weniger Wochen. Die Schülerinnen und Schüler haben gemerkt, dass sie mitgestalten können, dass ihr Engagement einen Effekt hat und nicht verpufft. Jugendliche entwickeln Interesse für Politik, wenn sie merken, dass sie etwas bewegen können. Voraussetzung ist natürlich, dass wir Er

wachsenen offen für die Vorschläge der Jugendlichen sind.

Auch an den Schulen selbst ist es wichtig, demokratische Beteiligung zu üben. Klassenrat, Schülerinnen- und Schülervertretung, mitentscheiden, was und wie ich lerne - es gibt viele Gelegenheiten, die Schülerinnen und Schüler mitbestimmen zu lassen. Auch hier wird das Jahr der politischen Bildung Impulse setzen, die dann verstetigt werden.

Auch die Landeszentrale für politische Bildung ist eine gute Adresse. Manchmal nehmen die Schülerinnen und Schüler auch unabhängig von der Schule das Heft des Handelns in die Hand. Ich finde es beeindruckend, dass die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg mit ihrer Bewegung #FridaysForFuture Zehntausende von Kindern und Jugendlichen in vielen Ländern motiviert, für den Klimaschutz zu demonstrieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dennys Bornhöft [FDP])

Gestern gingen in Brüssel 32.000 Schülerinnen und Schüler auf die Straße.

Frau Kollegin, auch wenn mich das ebenfalls begeistert, möchte ich Sie bitten, an Ihre Redezeit zu denken.

Ja, ich bin gleich fertig. - Heute sind in Berlin Tausende, um bei der Sitzung der Kohlekommission zu protestieren. Die Schülerinnen und Schüler stehen für ihre Ziele ein. Das macht Mut für die Zukunft unserer Demokratie. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Vielen Dank. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ziel der politischen Bildung in Schulen muss es doch sein, Kinder und Jugendliche zu mündigen und kritischen Bürgern zu erziehen. Sie sollen Funktion und Bedeutung demokratischer Prozesse nachvollziehen können und befähigt werden, frei von jeder Bevormundung ihre eigene Meinung zu bilden. Das Bundesverfassungsgericht hat daher jeder einseitigen politischen oder religiös-weltan

(Ines Strehlau)

schaulichen Einflussnahme in öffentlichen Schulen eine Absage erteilt.

Der Beutelsbacher Konsens von 1976 wurde in einer Zeit großer politischer und gesellschaftlicher Kontroversen geschlossen. Über Partei- und Konfessionsgrenzen hinweg gelangte man zur Einsicht, dass es an den Schulen nicht zu einem „Kampf um die Köpfe“ kommen darf. Der Konsens verpflichtet Lehrer genau darauf, die Schüler eben nicht im Sinne erwünschter Meinungen zu beeinflussen und damit eine eigenständige Urteilsbildung zu verhindern. Im Gegenteil, es gilt, unterschiedliche Standpunkte neutral zu vermitteln und die Schüler zu ermuntern, sich ihr eigenes Bild zu machen.

Das heißt aber nicht, dass politische Bildung in der Schule in einem luftleeren Raum stattfindet. Aktuelle politische Themen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, sollten selbstverständlich im Klassenraum ein Echo finden. Dazu gehört auch eine Diskussion um diesen Film. Gerade kontroverse Themen eignen sich hervorragend, das Für und Wider unterschiedlicher Politikansätze abzuwägen und zu diskutieren.

Der Beutelsbacher Konsens verpflichtet Lehrer zu parteipolitischer Neutralität, aber nicht zu Wertneutralität. Das ist in der Tat eine Gratwanderung. Aus unseren Schülern sollen mündige Bürger werden, und zwar Bürger unseres freien demokratischen Staates. Das bedeutet, sie für die Gefahren, die von jedwedem Extremismus ausgehen, hinreichend zu sensibilisieren.

(Beifall FDP und Flemming Meyer [SSW])

Es scheint mir, dass die AfD gerade deshalb dieses Fass hier und heute aufmacht. Es passt ihr nämlich nicht, dass in unseren Schulen über die Gefahren des Rechtsextremismus gesprochen wird, der in Teilen der AfD immer offener zutage tritt. Diese Antragstellung, mit der wir uns heute beschäftigen, ist eine Kampagne, die Sie auch bundesweit durchführen. Ich muss ganz ehrlich sagen, es fehlen einem in der Tat die Worte; der Kollege Loose hat es vorhin ähnlich formuliert. Das macht es wirklich schwierig.

Wenn ein Björn Höcke, Kopf des rechten Flügels Ihrer Partei, die AfD mehrfach - ich zitiere - „als letzte evolutionäre Chance für unser Vaterland“ bezeichnet, so droht er indirekt mit einer Revolution und damit dem Umsturz unseres gegenwärtigen freiheitlichen demokratischen Systems. Das sind extremistische Tendenzen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Über diese muss im Unterricht ebenso aufgeklärt werden wie über linken und religiösen Extremismus. Das hat auch nichts mit der gebotenen Überparteilichkeit und Neutralität der Schule zu tun. Das ist vielmehr eine der Kernaufgaben von politischer Bildung, die in unserem Staat auch immer noch Demokratiebildung ist.

Ich sehe es ebenfalls mit Sorge, wie die AfD versucht, Lehrer einzuschüchtern, beispielsweise durch dieses Online-Meldeportal. Das ist unmöglich! Ich weiß gar nicht, wie man überhaupt auf eine solche Idee kommen kann, wenn man unsere Geschichte kennt. Es ist wirklich ganz klar: Ohne Worte!

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für mich ist offenkundig, dass es Ihnen darum geht, jene offenen, kritischen und kontroversen Diskussionen in den Schulen zu unterbinden, die notwendig sind, um den politischen Bildungsauftrag vollumfänglich zu erfüllen. Und auch ich, auch wir Liberalen haben Vertrauen in unsere Lehrkräfte, dass sie dies tun.

(Beifall FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Freiheit ist nicht selbstverständlich. Demokratie muss jeden Tag neu gelebt werden; sonst verlieren wir sie - und damit unsere Freiheit. Der politischen Bildung in der Schule kommt dabei ganz besondere Bedeutung zu, weil sie Weltbilder in jungen Jahren prägt.

Deshalb begrüße ich auch die zahlreichen Angebote unseres Landesbeauftragten im Rahmen des 70-jährigen Bestehens des Grundgesetzes und von 30 Jahren Mauerfall. Es ist gut, dass damit unsere parlamentarische Demokratie und der faire Wettbewerb unter den Parteien für die Schüler erfahrbar werden.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Es ist bereits darauf hingewiesen worden: In den Wahlkämpfen hat der VPJ erfolgreich Veranstaltungen an den Schulen durchgeführt. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank an die Schülerinnen und Schüler richten, die es in fast allen Veranstaltungen hervorragend geschafft haben, die AfD zu enttarnen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Anita Klahn)

Für Maßnahmen zur Vertiefung der politischen Bildung stellt die Landesregierung in diesem Jahr eine Summe von 280.000 Euro bereit - und jeder einzelne Cent ist gut investiertes Geld. Das ist gerade in diesen Zeiten wichtig, in denen der Parlamentarismus immer mehr unter Beschuss gerät.

Ich sage es noch einmal deutlich: Der liberale Rechtsstaat ist ein historisches Erfolgsmodell. Wir müssen alles daransetzen, dass es auch in der jüngsten Generation genügend mündige Bürger gibt, die ihn fortführen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Immer wieder frage ich mich, ob Sie eigentlich glauben, was Sie in Ihren Anträgen schreiben.

Sie haben gemeint, einen Vorgang problematisieren zu müssen. Was machen Sie also als Erstes? Sie reden mit Leuten, die etwas damit zu tun haben. Wenn dann niemand mit Ihnen sprechen möchte, stehen Sie vor dem ersten Problem. Ihnen bleibt dann die Möglichkeit der Lektüre und Recherche. Sie nutzen die Bibliothek; Lektüre zum Beutelsbacher Konsens hätten Sie finden können.

Es gibt tatsächlich einige Bücher, die „Wildes Herz“ heißen; allerdings sind das eher Groschenromane; das hätte für Verwirrung gesorgt.

(Vereinzelte Heiterkeit)

Also nutzen Sie Möglichkeiten der Onlinerecherche. Sie landen auf der Homepage der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg. Es ist eben jene Einrichtung, auf deren Initiative hin der Beutelsbacher Konsens 1976 erarbeitet wurde. Und siehe da, Sie finden einen Artikel zum Beutelsbacher Konsens, dessen Unterüberschrift lautet: „Der Beutelsbacher Konsens verpflichtet Lehrkräfte gegen Indoktrination, aber nicht zur Wertneutralität“.

Sie lesen weiter und erfahren, dass seine Grundbestandteile Folgende sind: ein Indoktrinationsverbot; ein Gebot, politisch Kontroverses auch kontrovers darzustellen; Schülerinnen und Schüler dazu zu be

fähigen, ein eigenständiges Urteil über politische Themen zu gewinnen.

Am liebsten würde ich Ihnen den gesamten Text vorlesen, in dem explizit darauf eingegangen wird, dass Schülerinnen und Schüler an den Schulen im Geiste der Demokratie, Menschenwürde und Gleichberechtigung erzogen werden sollen.

Im Unterricht soll es kritisch beleuchtet werden, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Werte des Grundgesetzes und der Landesverfassung angegriffen werden - beispielsweise wenn Antisemiten in politischen Parteien geduldet werden, wenn es personelle Überschneidungen mit rechtsradikalen Gruppierungen gibt.